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Isabella Königin von Kastilien und Aragón: BsB Romanbiografie
Isabella Königin von Kastilien und Aragón: BsB Romanbiografie
Isabella Königin von Kastilien und Aragón: BsB Romanbiografie
eBook364 Seiten5 Stunden

Isabella Königin von Kastilien und Aragón: BsB Romanbiografie

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Über dieses E-Book

Eine der faszinierendsten Frauen der Weltgeschichte wird in dieser Romanbiographie in Szene gesetzt.
Mit unbändigem Willen und schier übermenschlicher Kraft kämpft Isabella von Kastilien (1451-1504) gegen den Niedergang Kastiliens, in dem der separatistische Adel die Macht der Krone schmälert und das Volk ausbeutet. Das Finanzwesen ist zerrüttet, Wirtschaft und Handel werden von marodierenden Banden beraubt und erpresst und sogar der Klerus versinkt in Lasterhaftigkeit und Korruption. Gemeinsam mit ihrem Gemahl Ferdinand II. von Aragon und klug gewählten Beratern gelingt ihr die Befriedung des Landes, die Reform von Finanzen, Justiz und Kirche wie die Entmachtung des Adels. Ihre Glaubwürdigkeit und moralische Integrität verschafft ihr die Verehrung des Volkes. Sie finanziert die erste Expedition von Columbus, während der er Amerika entdeckt. Sie führt aber auch die Inquisition ein und vertreibt die Juden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBest Select Book
Erscheinungsdatum30. Dez. 2013
ISBN9783864661006
Isabella Königin von Kastilien und Aragón: BsB Romanbiografie

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    Buchvorschau

    Isabella Königin von Kastilien und Aragón - Christa de Beer

    Christa de Beer

    Isabella

    Königin von Kastilien und Aragón

    Romanbiografie

    BsB

    Best Select Book Digital Publishers

    _

    Christa de Beer Isabella

    ISBN 978-3-86466-100-6 E-Book

    Digitalised in Germany © 2014

    All Rights reserved by Medienbuero Muenchen

    www.bestselectbook.com

    Außerdem von Christa de Beer

    Catalina

    Königin im Weltreich Portugal

    _

    Meiner Schwester Thea gewidmet

    1. Isabellas Jugend

    Der Felsen mit dem Weiler Arevalo ähnelte dem Rumpf einer Galeone, der kieloben inmitten unendlicher auf - und abwogender Felder Altkastiliens dahintrieb. Seit Urzeiten hatten Menschen auf ihm Zuflucht vor Feinden, Banditen und bösen Geistern gesucht, die plötzlich aus flirrenden Luftspiegelungen auftauchten und Tod und Vernichtung brachten.

    Am kielähnlichen Vorsprung erhob sich ein Kastell, dessen Wehrmauern das ganze Dorf mit seinen armseligen Lehmhütten, Geschäften, Werkstätten, Bürgerhäusern, einem Kloster und einer alles überragenden Kirche umfassten. Die Mauern folgten den schroffen Ufern des Rio Adaja, der auf seinem Weg nach Norden, den Felsen umfloss und dadurch zusätzlich für Sicherheit sorgte.

    Im März des Jahres 1461 stand schon am frühen Morgen das einzige Stadttor weit offen. Ungewöhnlich genug war, dass sich die Wachsoldaten zurückgezogen hatten. 

    Ein Priester trat heraus, gefolgt von zwei Männern in schwarzen Umhängen, jeder mit einem Bündel auf der Schulter und einer Schaufel in der Hand. Sie überquerten die Brücke, verließen schon bald die Straße, die Arevalo mit dem übrigen Kastilien verband, und wandten sich dem kleinen Friedhof zu, der abseits am Fuß des Felsen lag. Es war unverkennbar, dass sie Kinderleichen trugen, die in graue Tücher gewickelt waren. Ein eisiger Wind, der über die Meseta fegte, zerrte an ihnen. Als sie den Friedhof erreichten, begann dumpf die Totenglocke zu läuten und schwieg nicht eher, als bis die Männer ein Grab ausgehoben, die Toten hineingebettet und mit Erde bedeckt hatten. Das Gebet des Priesters wurde vom Wind davon getragen, bevor es die Männer trösten konnte, die sich in stummem Gebet auf die Schaufeln stützten. Sie bekreuzigten sich und traten mit schweren Schritten den Heimweg an. Das Stadttor schloss sich hinter ihnen, und bewaffnete Soldaten in königlichen Uniformen nahmen Aufstellung, fest entschlossen, niemanden, weder in die eine noch in die andere Richtung, hindurch zu lassen.

    Durch die engen Gassen mit ihrem stinkenden Unrat strebten die Männer ihren Behausungen zu, in denen ihre klagenden Frauen und Kinder sie erwarteten. Inzwischen waren auch aus anderen Häusern neue Krankheitsfälle bekannt geworden. 

    Stille senkte sich über das Dorf. Zu einem Zeitpunkt, wo alle das Bedürfnis nach Trost und Beistand hatten, wurden die Türen verschlossen und jeder wartete, allein gelassen, darauf, wen Gott noch ihrer Gemeinschaft entreißen würde.

    So klein der Ort auch war, war er doch ein Spiegelbild der Gesellschaft Kastiliens. Christen, konvertierte Juden und Mauren lebten zusammen und gingen ihren Geschäften nach, zwar nicht immer in trauter Einheit, doch verbunden im Widerstand gegen die viel zu hohen Abgaben an einen Lehnsherren, der, gleichgültig ob adelig oder klerikal, nie danach fragte, wie es seinen Untergebenen erging und was ihnen zum Leben blieb. 

    So war es überlebenswichtig, dass jetzt, da die Cholera die ersten Opfer gefordert hatte, der jüdische Arzt sich gemeinsam mit den Klosterfrauen der Kranken annahm und Vorbeugungsmaßnahmen traf, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. 

     Während die Kranken für jede Hilfe dankbar waren, wachte der Priester von Arevalo eifersüchtig darüber, dass die fortschrittlichen Heilmethoden des »Ungläubigen« seine Christen nicht beschädigten und die frommen Benediktinerinnen von revolutionärem Gedankengut infiziert wurden. 

    Die Familien der Kranken missachteten seine Bedenken. Sie hätten sich in ihrer Verzweiflung jeder Heilmethode unterworfen, denn sie wollten leben, statt auf das jenseitige Paradies zu hoffen, das er ihnen verhieß.

    Das Kastell lag auf dem äußersten Felsvorsprung, ein wenig abseits des Dorfes. Trotz der überall im Land herrschenden sozialen Spannungen zwischen adeligen oder klerikalen Lehnsherren und dem ausgebeuteten Volk waren auch die königlichen Bewohner Opfer der Mächtigen und somit ein Teil der Dorfgemeinschaft.

    Im Kastell wohnten seit acht Jahren die Witwe König Juans II., Königin Isabella und ihre Kinder die Infanten Isabella und Alfonso mit einem kleinen Hofstaat. Ihr Stiefsohn, König Enrique IV., hatte ihr das unkomfortable Kastell als Witwensitz zugewiesen und nahm es gleichgültig hin, dass sich ihr Geist immer mehr eintrübte.

    Die Königin lebte wegen dieser mysteriösen Krankheit sehr zurückgezogen. Ein umherziehender Mönch hatte den Menschen auf dem Marktplatz erklärt, die Königin sei vom Teufel besessen und wandere nachts durch das Dorf. Nur Menschen mit reiner Seele sei es vergönnt, sie zu erblicken und sie in die Normalität zurück zu holen. Mehrere Bewohner von Arevalo hatten sich daraufhin nachts auf die Lauer gelegt, wollten ihr begegnen, sie aus ihrer geistigen Düsternis befreien, doch niemand hatte sie je gesehen. Reumütig und traurig gingen sie am nächsten Tag zur Messe und Beichte, um ihre vermeintlich schwarzen Seelen zu läutern, doch ohne Erfolg. Die Königin erschien ihnen nicht.

    Den neunjährigen Alfonso hielten seine Erzieher von den Dörflern  fern. Der Unterricht in Latein, Landeskunde, Naturwissenschaften und Bibelkunde  beanspruchten ihn voll. Solange König Enrique IV. keinen legitimen Erben hatte, war Alfonso Thronfolger und genoss eine umfassende Bildung. 

    Er schien schwer an den Erwartungen der Erwachsenen zu tragen, denn sein Gesicht war ausdruckslos und blass. Seine tiefliegenden Augen blickten ängstlich um sich. 

    Der wahre Schatz und Lichtblick aller war jedoch die zehnjährige Isabella, die unbekümmert in Hütten, Geschäften und Bürgerhäusern ein- und ausging und den Menschen aufmerksam zuhörte, wenn sie über ihre Sorgen sprachen. Von klein auf hütete sie mit den Kindern Ziegen und Schafe, lernte von Heilern die Anwendung von Kräutern und das Anlegen von Verbänden. Sie besuchte regelmäßig den Garten der Klosterfrauen, um sich mit dem Anbau von Früchten, Gemüse und Kräutern vertraut zu machen. 

    So vergingen die Tage, einer wie der andere, bis zwei Kinder plötzlich schwer erkrankten und der jüdische Arzt traurig den Kopf schüttelte, als sie starben.

    Am Kopfende der Tafel saß Königinwitwe Isabella und blickte teilnahmslos auf ihre gleichnamige Tochter, die schon am frühen Morgen genüsslich Milchbrei, Brot, Ziegenkäse und Früchten zusprach. Es hatte den Anschein, als prallte ihr starrer Blick an der vitalen Infantin ab, die in Gedanken versunken auf ihren Teller blickte und nur hin und wieder ihrer Freundin Beatrix de Bobadilla oder Alfonso einen kurzen Blick zuwarf.

    Die drei Erzieher der Königskinder und die einzige Hofdame, Donna Ana de Alvares, beobachteten verstohlen die Szene, als warteten sie darauf, dass Königin Isabella ihr Töchterchen ermahne, sich beim Essen zu mäßigen. Doch die Königin schwieg seit einem Jahr, und man sah der Infantin inzwischen an, dass sie gern aß. Mit ihrer kleinen, drallen Figur und ihrer ungekünstelten Art unterschied sie sich äußerlich kaum von den Landmädchen ihres Alters. Sie hatte runde Bäckchen, einen hellen Teint und Sommersprossen auf der Nase. Ihr rötlichblondes Haar, bändigte sie in einem langen Zopf. Auffällig war lediglich die hohe, runde Stirn, die einige Falten bekam, wenn Isabella skeptisch die farblosen Augenbrauen hochzog. 

    An der Tafel in dem schmucklosen Speisezimmer nahm für gewöhnlich auch der Burgvogt de Bobadilla die Mahlzeiten ein, doch an diesem Morgen war er schon nicht zur Frühmesse erschienen. Isabella sah Beatrix, seine Tochter, fragend an, doch sie zuckte nur mit den Schultern.

     Die Tischgesellschaft hatte das Tischgebet noch gemeinsam gesprochen, doch dann verfiel sie mit Rücksicht auf die depressive Königin in Schweigen. Sie verständigte sich mit Gesten und vermied dabei tunlichst, deren leeren Blicken zu begegnen, die allen Angst machten.

    Die Infantin hatte anfangs unter dem sich eintrübenden Geisteszustand ihrer Mutter gelitten. Sie war vier Jahre alt gewesen, als ihr Vater König Juan II. von Kastilien starb und sie nach Arevalo verbannt wurden.

    Das Kastell entbehrte jeglicher Bequemlichkeit und Anregung für den einst wachen Geist der portugiesischen Königstochter. 

    Zu Lebzeiten ihres königlichen Gemahls hatte das Königspaar häufig die Residenz gewechselt und mit unzähligen Politikern, Kaufleuten, Wissenschaftlern und Künstlern aus dem In - und Ausland einen regen Gedankenaustausch gepflegt. 

    Isabella erinnerte sich noch gut daran, wie ihre Mutter in den ersten Jahren ihrer Verbannung ihr und später auch Alfonso, von diesen Begegnungen erzählt und von der umfangreichen königlichen Bibliothek geschwärmt hatte, deren Gründung ihr Gemahl so großzügig gefördert hatte. Damals vermochte sie mit ihrer Begeisterung ihre Kinder mit zu reißen, doch im Laufe der Jahre war der Glanz in ihren Augen erloschen, ihr Mund war verstummt und es schien, als habe sie die karge Weite der kastilischen Landschaft verinnerlicht und sei selbst zu Stein geworden. 

    An diesem Morgen hatte sie weder bemerkt, dass Bobadilla fehlte, noch sah sie auf, als er wenig später ungestüm zur Tür herein kam. Alle blickten ihn besorgt an und sahen, dass die Falten in seinem grauen Gesicht noch tiefer waren als üblich.

    Er wandte sich an die Königin: »Majestät, ich bitte Euch, schenkt mir für einen Augenblick Eure Aufmerksamkeit. Es ist wichtig!«

    Langsam hob Königin Isabella den Blick zu ihm auf, als sei sie aus tiefem Schlaf erwacht. 

    »Was gibt es, mein Freund?«

    »Die Cholera ist ausgebrochen und zwei Kinder sind bereits gestorben. Ich habe befohlen, den Anweisungen des jüdischen Arztes Folge zu leisten. Die Straßen werden gereinigt, die Kleider und Schlafplätze der Toten verbrannt, die Ratten erschlagen und vieles mehr. Es wird alles getan, um eine Epidemie zu verhindern.«

    Donna Ana blickte ihn skeptisch an. »Ich hoffe, er hat sich für seine Maßnahmen den Segen der Kirche geholt.«

    »Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der Franziskaner Bruder Pedro wütend?

    Trotz ihrer unschuldigen Miene war die Ironie in ihrer Stimme unüberhörbar.

    »Nun, der Klerus pflegt gemeinhin der Reinheit des Glaubens weit größere Bedeutung beizumessen als der Sauberkeit von Körper und Haus. Der Besuch eines öffentlichen Badehauses gilt doch bereits als Gotteslästerung.« 

    »Ihr solltet Euch mäßigen und nicht Zwietracht säen in Zeiten der Not«, erwiderte er säuerlich.

    Donna Ana lächelte zufrieden. »Hoffentlich denken alle so.«

    Die Königin hatte die Szene teilnahmslos beobachtet, doch nun wandte sie sich an Bobadilla. »Was gibt es noch?«

    Bobadilla blickte sie verzweifelt an. »Die Infantin hat den Familien der erkrankten Kinder gestern noch eine warme Mahlzeit gebracht, bevor wir wussten, woran sie erkrankt waren. Sie sollte isoliert werden, empfiehlt der Arzt, damit sie den Infanten nicht infiziert.«

    Die Infantin war leichenblass geworden. Sie blickte in die Runde und begegnete den harten Blicken von Alfonsos Erziehern. Sie mochten die Prinzessin nicht, die immer wieder forderte, in den gleichen Fächern unterrichtet zu werden wie der Thronfolger. Sie hatten keinen entsprechenden Auftrag und fanden ein solches Ansinnen von Seiten eines Mädchens absurd. Außerdem war die Infantin über die Maßen selbstbewusst, aufsässig und kritisch.

    »Die Infantin hat wieder einmal unvernünftig und eigenmächtig gehandelt und dadurch uns alle in Gefahr gebracht. Sie sollte bestraft werden, damit sie endlich lernt zu gehorchen«, befand Bruder Pedro mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Er war Priester und vom König dazu auserwählt, seinen Halbgeschwistern den wahren Weg zu Gott aufzuzeigen. 

    »Es geht nicht um uns, Hochwürden, sondern einzig und allein um das Leben des Infanten, denn vorläufig ist er der alleinige Garant für den Fortbestand der Dynastie«, wies Bobadilla ihn zurecht. 

    Der Priester sah Bobadilla triumphierend an: »Ihr scheint nicht zu wissen, dass auch Beatrix und Tomas die Infantin begleitet haben.« Tomas war ein junger Hidalgo, der für die Sicherheit der Kinder verantwortlich war, wenn sie sich außerhalb der Burg aufhielten. 

    »Tomas hält sich vermutlich in der Küche auf und überträgt gerade die Krankheit auf die Dienstboten«, fügte er mit Genugtuung hinzu.

    »Ich weiß, dass die Drei unzertrennlich sind«, knurrte Bobadilla und blickte finster auf die Mädchen herab. 

    Isabella erhob sich und äußerte zunächst zerknirscht dann zuversichtlich: »Ich habe nicht gewusst, wie krank die Kinder sind. Wir haben sie nicht berührt, ich schwöre es. Wir haben jedoch den Rat Ibrahims befolgt und unsere Hände gründlich mit hochprozentigem Alkohol gewaschen.« 

    Die Königin streckte Isabella ihre Hand entgegen. »Zieh dich zurück, mein Kind. Der Arzt soll dich bald untersuchen.«

    Isabella nickte und erhob sich, küsste die Hand der Königin und ging. 

    Königin Isabella sah den Burgvogt an. »Was können wir noch tun?«

    Bobadilla räusperte sich verlegen, denn das unvermutete Erwachen der Königin aus langer Apathie hatte ihn überrascht.

    »Der König weilt anlässlich des bevorstehenden Frühjahrsmarktes in Medina del Campo. Ich habe einen Boten zu ihm geschickt mit einer Bitte. Ich möchte den Infanten dorthin bringen zu dürfen, da ich annehme, dass es auch im Interesse des Königs ist, ihn in Sicherheit zu wissen.« 

    Er hatte seine kräftigen Hände auf die zierlichen Schultern seiner Tochter gelegt, die liebevoll zu ihm aufsah. Sie war alles, was ihm geblieben war, nachdem seine Frau und sein Sohn vor Jahren gestorben waren. 

    »Sollte sich erweisen, dass die Infantin gesund ist, sollten Isabella und Beatrix den Infanten vorübergehend begleiten.  Wir müssen unsere Kinder retten«, fügte er beschwörend hinzu.

    Er blickte in die Augen seiner Königin und stellte fest, dass sie plötzlich wieder durch ihn hindurch sahen. Mit seiner letzten Bitte schien er sie nicht mehr erreicht zu haben, oder der Verzicht auf die Kinder ging über ihre Kraft. Wer konnte das wissen?

    Entschlossen richtete er sich auf, straffte seine Schultern, die normalerweise immer ein wenig nach vorn hingen und blickte Donna Ana fragend an. Sie stand der Königin am nächsten, war sie doch vor vielen Jahren mit ihr aus Portugal gekommen. Sie war sehr warmherzig und genoss wegen ihres allzeit tadellosen Auftretens großes Ansehen.

    »Es ist gut, wie ihr entschieden habt. Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln, und meldet mir jeden Hinweis auf das Auftreten dieser Seuche hier im Schloss.«

    Als sich die meisten Anwesenden entfernt hatten, näherte Donna Ana sich Bruder Pedro.

    »Ihr tut unrecht, die Infantin öffentlich anzuklagen. An ihrer Eigenwilligkeit und ihrem Trotz seid Ihr nicht ganz unschuldig. Sie ist ein kluges Kind und ungewöhnlich wissbegierig. Obwohl sie tausend Fragen und Bitten an euch heran getragen hat, habt Ihr sie immer wieder von euch gestoßen. Weil sie nicht lernen darf, hat sie sich ein anderes Betätigungsfeld gesucht und sich den Menschen dort draußen zugewandt.« 

    Die Gräfin hatte sich ungewöhnlich ereifert und funkelte ihn an.

    Bruder Pedro sah auf sie herab. »Habt Ihr etwa Unterricht in Landeskunde, Mathematik, Latein und Naturwissenschaften erhalten, Gräfin? - Bei allen Lobeshymnen auf das fortschrittliche Portugal: Ich sehe Euch an, dass es auch in Eurem Land nicht üblich ist, Frauen mit diesen Themen zu belasten.«

    »Ihr irrt, mein Herr! Wenn ich gewollt hätte, wäre mir solch ein Unterricht sicher zuteil geworden, nur mich hat er nicht interessiert, - das ist die Wahrheit!« 

    Pedro zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. » Na seht Ihr, warum sollte es bei der Infantin anders sein. Sie hat seit Monaten keine entsprechenden Wünsche an mich herangetragen. Ich nahm an, dass die Gespräche mit den Leuten dort draußen ihr genügen.« Er wollte gehen, weil für ihn die Sache abgetan war, doch dann hielt das spöttische Lachen der Gräfin ihn zurück.

    »Ihr habt nie einen Gedanken an die Infantin verschwendet. Sie stillt deshalb ihren Wissensdurst nicht nur bei »den Leuten da draußen«, wie Ihr es ausdrückt. Sie besucht regelmäßig die Bibliothek im Kloster und liest dort. Sie hat der Äbtissin ihr Leid geklagt, dass der König und Ihr der Meinung seid, dass es ausreicht, wenn eine Frau sticken, weben und ein wenig in der Bibel lesen kann. Daraufhin haben die Schwestern ihr die Bibliothek zur Verfügung gestellt und reden mit ihr.«

    »Na, dann ist ja hinreichend für sie gesorgt«, meinte Bruder Pedro abfällig und wandte sich erneut ab.

    »Da ist noch etwas. Isabella hat gemeint, dass sie von den einfachen Menschen mehr gelernt hat, als Ihr ihr je hättet vermitteln können.«

    »Ha, das wird ja immer aufschlussreicher. Ich bitte um Aufklärung.«

    Donna Ana überhörte seinen herablassenden Ton und blickte ihn ernst an.

    »Die Infantin hat deren Not und Elend hautnah miterlebt. Sie kennt die Sorgen der Männer um das Leben ihrer Familien, wenn die Lehnsherren aus Adel und Klerus ihren Zins fordern, ohne zu schauen, was den Menschen zum Überleben bleibt. Sie hat allerdings auch erfahren, wie viel Kraft und Mut sie auch in aussichtsloser Lage aufbringen. Sie bewundert den Glauben der Menschen an Gottes Gerechtigkeit und ihre nie versiegende Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie wünscht sich von Gott die gleiche Zuversicht und Stärke. Die Äbtissin hat ihr gesagt, dass den Menschen allein durch ihre Anwesenheit und Anteilnahme diese Kraft gegeben wird und hat sie gebeten, Nonne zu werden, um sich ganz den Menschen widmen zu können.«

    »Und was hat sie geantwortet?« 

    Die Gräfin lächelte.

    »Isabella war verblüfft, denn der Gedanke war ihr noch nie gekommen. Sie ist viel zu neugierig auf das Leben, als dass sie sich ein Leben hinter Klostermauern vorstellen kann, doch das konnte sie nicht sagen, ohne die Äbtissin zu kränken. Sie hat sehr diplomatisch geantwortet, dass sie die Rolle spielen werde, die der König ihr zugedacht hat, ohne das Schicksal der Armen aus den Augen zu verlieren.«

    Bruder Pedro nickte nachdenklich. »Vielleicht habe ich sie wirklich unterschätzt, doch das ändert nun nichts mehr. Wenn sie demnächst am Königshof leben wird, sind andere für sie verantwortlich.«

    Plötzlich hatte es Donna Ana sehr eilig, das Gespräch zu beenden, denn siedend heiß durchfuhr sie die Frage, wie Isabella wohl auf die Anschuldigungen gegen sie reagiert hatte. Es entsprach nicht ihrem Wesen, sich demütig in ihr Zimmer zurückzuziehen. Sie musste sie suchen.

    »Habt ihr die Infantin gesehen?« fragte sie die Dienstboten in den Gängen, die Hilfen in der Küche und schließlich die Wachsoldaten im Innenhof. »Ist sie etwa ausgeritten?« 

    Alle schüttelten den Kopf. Donna Ana atmete erleichtert auf, als sie die kleine Hofkapelle betrat und Isabella vor dem Altar bäuchlings auf dem Boden liegen sah. Beatrix hockte neben ihr und redete beschwörend auf sie ein. Die erhob sich, als sie die Gräfin erblickte, schüttelte verzweifelt ihre schwarzen Locken, die das ebenmäßige Gesicht umschlossen, und zuckte hilflos mit den Schultern. 

    Beim Anblick der unzertrennlichen Freundinnen erinnerte sich Donna Ana immer an ihre eigene Jugend am portugiesischen Hof, wo sie gemeinsam mit der damaligen Infantin aufgewachsen war.  Seitdem begleitete sie sie treu durchs Leben, ohne ihre eigene Persönlichkeit auf zu geben.

    Donna Ana hob Isabella ohne zu zögern zu sich empor, setzte sich auf eine Bank und zog sie auf ihren Schoß. Einen Arm legte sie um Beatrix, die sich neben sie gesetzt hatte, schaukelte beide Kinder sachte und redete beruhigend auf sie ein. 

    »Bin ich wirklich schuld, wenn Alfonso etwas zustößt?« flüsterte Isabella. 

    »Nein mein Kind. Es wäre Gottes Wille, aber ich bin sicher, dass er euch diese Schuld nicht aufbürden wird, denn letztendlich habt Ihr nur Gutes getan, als Ihr den Dörflern geholfen habt. Also vertraut auf ihn.«

    »Was wird aus uns, wenn wir Arevalo verlassen müssen?« fragte sie verzagt. »Was geschieht mit der Königin,...und mit meinem Vater?« warf Beatrix ein.

    Donna Ana runzelte die Stirn. 

    »Das sind viele Fragen auf einmal. Wenn Ihr fort seid, werden wir hier einen geruhsamen Lebensabend verbringen und darauf hoffen, Euch eines Tages wiederzusehen. Was Euch betrifft: Der Abschied kommt zwar eher als erwartet, doch dass er kommen würde, wussten wir alle. Hier gibt es für Euch keine Zukunft. Auf Euch, Isabella, warten königliche Pflichten, die Eure ganze Kraft und Entschlossenheit fordern werden, und du Beatrix wirst als Vertraute der Infantin leben, wie ich es an der Seite der Königin tue. Alfonso allerdings werdet Ihr kaum sehen wenn er erst einmal von Hofschranzen umgeben sein wird.«

    Aufgeregt hatte Isabella den Kopf gehoben und sah sie an. »Ich habe schreckliche Dinge über das Leben bei Hof gehört.« Unter Orgien, Korruption und dem Zerfall der königlichen Macht konnte sie sich zwar nichts vorstellen, doch hatte die Art der Unterhaltungen sie gleichermaßen geängstigt und erregt. 

    »Der König scheint ein merkwürdiger Mensch zu sein, dem die Höflinge auf der Nase herumtanzen. Wie sollen wir uns dort verhalten, wem können wir vertrauen?«

    Donna Ana widerstand der Versuchung, Isabella zu befragen, welche Gerüchte an ihr Ohr gedrungen waren. 

    »Ihr solltet dem Geschwätz der Dienstboten weder hier noch dort Beachtung schenken. Dem König gebührt absolute Loyalität, und die Menschen in seiner Umgebung muss man sorgfältig beobachten. Ihr werdet bald spüren, wer rechtschaffen ist und wer nicht. Ihr habt im Dorf erlebt, wie Menschen miteinander umgehen, wenn sie einander lieben oder hassen. Nicht anders ist es bei Hof nur noch brutaler, denn dort geht es um Macht und Einfluss.« 

    Isabella versuchte das Gehörte mit ihren bisherigen Erfahrungen in Einklang zu bringen. Sie hatte wilde Prügeleien zwischen hartgesottenen Männern miterlebt, auch die Wunden, die bösartige Gerüchte schlagen konnten, waren ihr nicht fremd. Menschen aus ihrer Umgebung waren Opfer von Eifersucht und Habgier geworden, und im Pferdestall war sie ungewollt Zeugin eines leidenschaftlichen Liebesakts geworden, bei dem beide Partner schockierende Laute von sich gegeben hatten. Der Priester predigte unermüdlich Nächstenliebe und Keuschheit, was bei den Bewohnern von Arevalo immerhin bewirkt hatte, dass sich aus Furcht vor der Strafe Gottes solche Auswüchse in Grenzen hielten. Es stellte sich also die Frage, was am königlichen Hof anders sein würde, zumal dort der mächtige Klerus allgegenwärtig war.

    Während Isabella immer noch schwieg, fragte Beatrix: »Was geschieht mit dem Infant, wenn die Königin ein Kind gebiert?« Ihre großen schwarzen Augen waren fragend auf die Gräfin gerichtet.

    »Nun, ein legales Kind des Königspaares würde selbstverständlich den ersten Rang in der Thronfolge einnehmen, nur ist das recht unwahrscheinlich, da das Königspaar nach sechsjähriger Ehe immer noch kinderlos ist.«

    »Man nennt den König »El Impotente«, was nichts anderes bedeutet, als dass er kein Kind zeugen kann«, belehrte Isabella sie nüchtern. »Ich erinnere mich, dass Enrique schon einmal verheiratet war. Seine damalige Gemahlin schenkte ihm auch kein Kind.«

    Donna Ana hatte es die Sprache verschlagen. Sie war über Beatrix´ Frage peinlich berührt gewesen und hatte überlegt, wie sie sie beantworten sollte, schließlich war die familiäre Loyalität gegenüber dem König oberstes Gebot und die unflätigen Gerüchte, die über ihn verbreitet wurden, waren bei Gott nicht für Kinderohren bestimmt.

    »Wer erzählt euch denn so etwas?« fragte sie zornig.

    Erstaunt sah Isabella sie an. »Alle reden darüber«, und leise fügte sie hinzu: »Viele machen sich über den König lustig, weil er dem gemeinen Treiben der Hofleute nicht Einhalt gebietet. Was meinen die Leute damit?«

    Beide Mädchen sahen die Gräfin erwartungsvoll an und beobachteten, wie sie vom Gesicht über den Hals bis zum Ausschnitt ihres Kleides rot anlief. Sie atmete tief ein und suchte nach Worten, die diese peinliche Situation beendeten. Sie sah Isabella strafend an.

    »Ich habe Euch oft untersagt, üblen Gerüchten, über wen auch immer, irgendeine Bedeutung beizumessen. Eine Infantin hat sich jeglichem Geschwätz über den König zu widersetzen, solange sie nicht weiß, von wem und weshalb es in die Welt gesetzt wurde. Ich habe Euch geraten, Menschen und ihr Handeln zu beobachten, bevor Ihr ein Urteil fällt und gegebenenfalls Entscheidungen trefft.«

    Isabella hatte die Brauen hochgezogen und so fuhr die Gräfin fort. – »Das ist Grundlage einer gerechten Politik, mein Kind.« Nach einer kurzen Pause ergänzte sie: »Der König ist ein überaus friedliebender Mensch und sehr gebildet. Ich bin sicher, dass er eurem Wunsch nach Bildung entsprechen wird, wenn er eure Loyalität spürt. Wählt eure Freunde sorgfältig aus und haltet euch von seinen Gegnern fern, dann werdet ihr in ihm einen zuverlässigen Beschützer finden.«

    Die Worte der Marquesa waren tief in Isabella eingedrungen. Sie ergriff deren beide Hände und drückte sie fest. Dann erhob sie sich, machte einen tiefen Knicks und küsste die Hände der weisen Freundin ihrer Mutter.

    »Ich hoffe, es ist kein Abschied für immer. Ihr werdet mir beide sehr fehlen.« Sie umarmte die Mädchen. »Geht jetzt, Schwester Maria erwartet euch bereits. Sie war nicht mit der Pflege der Kranken betraut, weil sie zu schwach ist.«

    Tatsächlich saß die alte Nonne bereits in einem Nebenraum der Kapelle, hatte eine Altardecke aus cremefarbener Seide auf einem Tisch ausgebreitet und übergab Isabella und Beatrix Nadeln und ein Bündel Goldfäden, um das vorgezeichnete Muster nach zu sticken. Schweigend nahmen die Mädchen ihre Arbeit auf.

    Ungeduldig erwartete Bobadilla die Antwort des Königs, denn täglich wurden neue Opfer der Cholera zu Grabe getragen. Obwohl die Tore des Kastells fest verschlossen blieben, war ein Stallknecht erkrankt. Man hatte ihn auf eine Bahre gelegt und mitsamt seiner spärlichen Habe vor das Tor gelegt, in der Hoffnung, dass ihn dort jemand finden und versorgen würde. 

    Bobadilla lief mit finsterer Miene umher und redete sich verzweifelt ein, dass es gut sei, Beatrix fortzuschicken, denn der Abschied von einer lebenden Tochter war leichter zu ertragen als von einer toten. 

    Niemand wusste, wie der König entscheiden würde, und dennoch wurde die Abreise der Kinder vorbereitet.

    Endlich, nach fünf Tagen, meldete der Wachmann von dem halbrunden Wehrturm lautstark: »Soldaten kommen!« und wenig später: »Sie schicken einen mit der Standarte des Königs zum Stadttor, die anderen bleiben im Tal.«

    Dann ging alles ganz schnell. Das Gepäck wurde verladen, vier Pferde für die drei Kinder und Tomas wurden gesattelt, es blieb gerade noch Zeit für einen überstürzten Abschied, und ehe allen Betroffenen klar geworden war, dass die drei mit dieser Reise ihre Kindheit hinter sich ließen, waren sie fort. 

    Während die Königinwitwe in ihrer Kammer betete, stand Donna Ana an der Seite Bobadillas auf dem Turm und blickte ihnen nach. »Werden wir sie je wiedersehen? Als König Enrique so alt war wie Isabella, wurde er zum ersten Mal verheiratet«, murmelte sie beklommen. 

    Wie von Donna Ana vorhergesagt, war Alfonso Isabellas Blickfeld seit der Formierung des Zuges entschwunden. Umringt von ranghohen Hofleuten, ritt er blass und mit übergroßen Augen an der Spitze, während Isabella, Beatrix und Tomas inmitten niederer Chargen den Schluss bildeten. Sie waren an diese Konstellation gewöhnt und nahmen sie gelassen hin. So blieb ihnen die Möglichkeit, einige Male wehmütig zurück zu blicken, bis der Felsen von Arevalo hinter Bäumen verschwand. 

    »Sieh nach vorne«, forderte Isabella Beatrix auf und ihre grünen Augen

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