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Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde
Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde
Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde
eBook317 Seiten3 Stunden

Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde

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Über dieses E-Book

Barbara Tolliner ist fasziniert, was Kinder alles können. So auch ihr Motto: "Kinder können mehr, wenn man sie lässt." In ihrem Lern- und Beratungsinstitut sieht sie tagtäglich besorgte Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollen. Das Image, dass Eltern nicht mehr erziehen und ihre Kinder in der Schule nicht unterstützen, kann Barbara Tolliner nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Noch nie haben Eltern so viel für ihre Kinder getan wie heute. Und sie vertrauen gehorsam das Wichtigste – ihr Kind – einem Schulsystem an, das noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde zeigt anhand von acht dialogischen Gesprächen, wie sich Eltern für ihre Kinder einsetzen, sich in Sachen Schule ins Zeug werfen, was ihnen und ihren Kindern Druck und Stress verursacht und wie Schule aus ihrer Sicht besser gelingen kann.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Feb. 2016
ISBN9783958495593
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    Buchvorschau

    Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde - Barbara Tolliner

    Verlag

    Barbara Tolliner

    Geboren: 10. September 1965 in Leoben, Österreich

    Mann: Klaus

    Tochter: Viktoria

    Lebt in: Leoben

    Berufliche Erfahrungen

    Gründerin und Geschäftsführerin take off® – Lern- und Beratungsinstitut

    Lebens- und Sozialberaterin mit den Schwerpunkten Familien- und Lernberatung

    familylab-Seminarleiterin

    18 Jahre Erfahrung in der Erwachsenen- und Jugendbildung als Trainerin und Coach

    Spezielle Qualifikationen

    Family Counseling, prozessorientierte Begleitung von Familien in der Praxis bei Jesper Juul und Helle Jensen

    Berufs- und Sozialpädagogin

    Barbara Tolliner

    Die

    ambitionierten Eltern

    und ihre Feinde

    Mit einem Vorwort von Jesper Juul

    Renate Götz Verlag

    August 2013

    Copyright © by Renate Götz Verlag

    A-2731 Dörfles, Römerweg 6

    e-mail: info@rgverlag.com

    Bildnachweis

    Titelbild „Elternkalender" copyright © by Eva Denk

    Portrait Barbara Tolliner copyright © by Angelika Wilke, Fotostudio Wilke, Leoben

    Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Fotografin

    Layout, Cover- und Gesamtgestaltung

    © by outLINE|grafik Eva Denk, A-2340 Mödling . www.outlinegrafik.at

    Produktion: Druckerei Paul Gerin, Wolkersdorf www.gerin.co.at

    Printed in Austria

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Gedruckte Ausgabe ISBN 978-3-902625-42-7

    EBUB + MOBI Umsetzung C.E.Z.-Software HgmbH www.cezsoft.com

    EPUB ISBN  9783958495593

    Gewidmet

    Meinen Eltern, die einen großen Herzenswunsch für mich hatten – es solle mir einmal besser gehen als ihnen. Glücklicherweise haben sie kein Projekt daraus gemacht und – der Wunsch ist in Erfüllung gegangen!

    Allen Eltern, die sich täglich mit großem Aufwand bemühen, gemeinsam mit ihrem Kind zu wachsen und es auf seinem Weg zu begleiten.

    Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    im Sinne einer guten Lesbarkeit wurde auf die heute übliche Schreibweise LehrerInnen, PädagogInnen, SchülerInnen usw. verzichtet, gemeint sind aber jeweils weibliche und männliche Personen.

    Vorwort von Jesper Juul

    Schulen sind wie Familien, in dem Sinne, dass die traditionellen Machtstrukturen langsam aufbrechen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden sogar die österreichischen Schulen eine neue Kultur annehmen, in der die Kinder ihre Lehrer nicht mehr beim Familiennamen und mit „Sie anreden, sondern ihre Vornamen und „Du verwenden. In Skandinavien wird das schon seit einer Generation praktiziert, ohne dass die Kinder und Eltern den Respekt vor den Lehrern verloren hätten. Das, was sie verloren haben, ist ihre Angst.

    Dieses Buch gibt jenen Eltern und Kindern eine Stimme, die aus Tradition heraus von unserem Schulsystem nicht gehört oder ernst genommen werden. Nicht, weil sie alle „schlechte Lehrer haben oder „schlechte Eltern sind, sondern einfach deshalb, weil heutige Erkenntnisse, Wissen und Kompetenzen weder ein integrierter Teil der Erziehung noch in der professionellen Identität des Lehrers sind.

    Was wir alle lernen müssen, ist der „gleichwürdige Dialog. Nur wenn das geschieht, werden unsere Schulen verantwortungsvoll agieren in Bezug auf Kinder mit schulischen oder sozialen Schwierigkeiten. Das gilt auch für Eltern, die damit aufhören müssen, ihre Kinder zu „verteidigen oder sich mit dem Lehrer gegen ihre Kinder zu verbünden. Nichts davon war jemals Teil der offiziellen Schulpolitik. Jedoch können zehntausende Eltern und Schüler bestätigen, dass das ein vorherrschender Teil der Kultur sowohl in Familien als auch in Schulen war, wenn Erwachsene nicht wussten, was sie anderes oder mehr für die beteiligten Kinder tun könnten.

    Der zentrale Punkt der Veränderung in dieser Kultur ist: zuhören, verstehen, erkennen und lernen, dass es keine einzig gültige „Wahrheit über irgendein Kind und seine Leistung in der Schule gibt. Was wir allerdings wissen, ist, dass viele Kinder ihr Möglichstes tun, um ihre Lehrer und Eltern davor zu schützen, verletzt zu werden oder sich große Sorgen zu machen. Diese Kinder und Erwachsenen brauchen oft eine neutrale Person, um die komplexe Wahrheit eines sogenannten „Lern- oder Schulproblems aufzudecken.

    Also, Eltern: Zwingt eure Kinder nicht, sich anzupassen, nur der Anpassung willen.

    Also, Lehrer: Befreit euch aus der Rolle des Pädagogen, Polizisten und Richters und entwickelt eure Beziehungskompetenz.

    Also, Schuldirektoren und Politiker: Erlaubt euren Schulen, ein neues Paradigma zu integrieren.

    Please!

    Jesper Juul

    family-lab.com

    Wie es zu diesem Buch kam

    In der Schule hatte ich in Deutsch keine guten Noten. Mit einem Genügend war ich sehr zufrieden. An eine Deutschschularbeit kann ich mich gut erinnern, bei der meine Freundin für sich eine Schularbeit schrieb und nebenbei noch eine für mich, nachdem mir – wie so oft – zum vorgegebenen Thema nichts einfiel. Ich habe sie bewundert. Meine Freundin bekam auf ihre Arbeit ein Gut und ich – meiner Freundin sei nochmals auf diesem Wege gedankt – ein Befriedigend. Ich war im Himmel und sehr dankbar. Der Halbjahresnote konnte ich in diesem Semester entspannt entgegensehen. Das war aber nicht immer so.

    Noch heute muss ich mich zum Schreiben überwinden, denn der Satz „Ich kann nicht schreiben" und auch die Erfahrungen, die ich in der Schule gemacht hatte, haben sich in meine Erinnerung eingebrannt. Das fühlt sich nicht gut an. Doch der Wunsch, meine Gedanken in geschriebene Worte zu fassen, wird stärker. Das Spiel mit Worten macht mir Freude.

    Die Schule habe ich erfolgreich hinter mich gebracht. Ich habe sogar bis zur Matura ¹ durchgehalten. Ein Studium kam für mich nicht in Frage. Ich hatte genug von der Schule und vom Lernen und stürzte mich sofort ins Arbeitsleben. Ein Praktikum beim Arbeitsmarktservice verschaffte mir die Stelle einer Buchhalterin bei einer Siedlungsgenossenschaft. Meine Eltern waren sehr zufrieden, handelte es sich doch um einen „sicheren" Job. Drei Jahre hielt ich durch, bis ich kündigte, meine Zelte abbrach und für ein Jahr nach Amerika ging.

    In Houston vermisste ich meine Familie, den Lauf der Jahreszeiten und die Berge. Der „American way of life" sagte mir nicht sonderlich zu. Nach einem Jahr war ich glücklich, wieder zu Hause zu sein. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben gestaltete sich schwierig. Für einen Job in einer Steuerberatungskanzlei nahm ich sogar einen Ortswechsel in Kauf.

    Nach einem Jahr wurde ich schwanger und bekam meine Tochter Viktoria. Der schönste Moment in meinem Leben! Noch während der Karenzzeit erhielt ich die Möglichkeit, die Krankenstandsvertretung einer lieben Bekannten als Trainerin in einer Erwachsenenbildungsinstitution zu übernehmen. Sie trat eines Tages mit der Frage an mich heran: „Möchtest du mich in meinem Krankenstand vertreten? Ich kann zwei Wochen lang auf Grund einer Operation nicht arbeiten. Als Trainerin, finde ich, bist du gut geeignet. Ich schlage dich meiner Chefin vor, wenn du damit einverstanden bist." Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass sie an mich dachte und mir diese Aufgabe zutraute. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, diese Art der Tätigkeit auszuüben. Meine Bekannte schon! Damit war mein beruflicher Richtungswechsel vollzogen.

    Mein Weg als Trainerin in der Erwachsenenbildung begann. Die Arbeit mit Menschen bereitete mir große Freude. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, beruflich die richtige Richtung eingeschlagen zu haben. Mit Hilfe meines Mannes, der zu diesem Zeitpunkt an der Montanuniversität Leoben studierte, und unserer Eltern war es für mich möglich, Kind, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen. Glücklicherweise hatten wir als Eltern ein Heer an Helfern und Unterstützern an unserer Seite. Und ich bekam wieder Freude am Lernen. Es war die Zeit, in der ich eine Ausbildung nach der anderen absolvierte, neben meiner ganztägigen Beschäftigung und Kind. Die Zeit der beruflichen Irrwege war zum Glück endgültig vorbei.

    Ich war sechs Jahre lang Trainerin in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Erwachsene, aber auch für Jugendliche. Dann wechselte ich hinter die Kulissen und organisierte Seminare in den Bereichen Gesundheit, Tourismus und Verkehr. Dazu kam noch die Mitarbeit an EU-Projekten, die mich in einige Länder Europas führte.

    Meine Tätigkeit in der Erwachsenenbildungsinstitution war sehr abwechslungsreich. Dennoch war ich unzufrieden. Es war die Erkenntnis, dass ich mich hier nicht mehr wesentlich weiterentwickeln konnte. Ich suchte um Bildungskarenz an. Sie wurde genehmigt und ich absolvierte die Ausbildung zum ganzheitlichen Lerncoach. Das war eine wunderbare Zeit für mich, denn ich konnte die Ausbildung sozusagen hauptberuflich besuchen und musste nicht arbeiten. Nur Lernen. Ich hatte Zeit für mich und meine Familie. Eine mir sehr ungewohnte Lebensqualität. Ich hatte zuvor viele Jahre Vollgas gegeben.

    In dieser Zeit tauchte zum ersten Mal der Wunsch auf, ein eigenes Lern- und Beratungsinstitut zu eröffnen. Während der Ausbildung wurde mir sehr deutlich bewusst, wie Kinder lernen – durch eigenes Erforschen und Entdecken! In der Schule meiner Tochter Viktoria war von Entdecken und Erforschen keine Spur. Kein Wunder, dass meine Tochter nicht begeistert war. Aber ich selbst war ja auch nichts anderes gewohnt. In meiner Schulzeit hatte ich mir angewöhnt, unter Zeitdruck Stoffgebiete auswendig zu lernen. Vor Tests und Schularbeiten büffelte ich dafür besonders oft in der Nacht und konnte das Gelernte bei den Tests und Schularbeiten wiedergeben. Der meiste gelernte Stoff verweilte äußerst kurzfristig in meinem Gedächtnis. Für eine positive Note reichte es allemal.

    Kinder können mehr, wenn man sie lässt! Davon wurde ich damals überzeugt und bin es heute immer mehr. Zusätzlich drängte sich mir die Frage auf: „Warum nehmen wir Kindern die Freude am Lernen? Warum gelingt es uns selten, einen geeigneten Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem Kinder selbstständig und eigenverantwortlich lernen können?" Dadurch wird es schwierig – für alle: Lehrer, Schüler und Eltern! Begriffe wie Motivation kommen ins Spiel. Denn jemanden zu motivieren, ist anstrengend, wenn sozusagen ständig von außen Impulse kommen müssen, um den Motor zu starten und am Laufen zu halten. Außerdem müssen die Impulse mit der Zeit verstärkt werden, um den Motor in Schwung zu halten.

    Nach der Bildungskarenz kehrte ich zurück in meinen Beruf. Aus Sicherheitsdenken. Noch wagte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Doch mein Wunsch, mich selbstständig zu machen, wurde immer stärker. Nach einigen Monaten löste ich, einerseits mit großer Freude auf das Neue, andererseits mit Wehmut und Ängsten, mein Dienstverhältnis bei der Erwachsenenbildungseinrichtung.

    Heute bin ich Unternehmerin mit meinem Lern- und Beratungsinstitut take-off®. Mit einem gesamtheitlichen Ansatz startete ich mein Institut mit Lerntraining, Lernberatung und Workshops für Schüler. Nachhilfe gab es zu Beginn nicht in meinem Angebot.

    Bald stellte ich zwei Dinge fest: Erstens benötigen manche Schüler tatsächlich Nachhilfe, um ihre Wissenslücken, die sie aus unterschiedlichen Gründen haben, zu schließen. Zweitens musste ich die Eltern beim Thema Schule und Lernen mit ins Boot holen. Ich konnte sozusagen ja nicht mit der halben Mannschaft arbeiten.

    Die Qualifikation dafür holte ich mir in der Ausbildung Family Counseling, also Familienberatung, bei Jesper Juul und Helle Jensen. Ich wollte von den Besten lernen. Jesper Juul ist dänischer Familientherapeut, Konfliktberater, Autor von rund 25 Büchern und Gründer von familylab International, der Familienwerkstatt. Helle Jensen stammt ebenfalls aus Dänemark und ist Diplompsychologin und Familientherapeutin. Gemeinsam schrieben sie das Buch Vom Gehorsam zur Verantwortung. Für eine neue Erziehungskultur. Ich war glücklich, von zwei so großen Impulsgebern lernen zu dürfen. Und: Es war ein wunderbares Lernerlebnis für mich. Weil ich so viel wie möglich von Jesper Juul mit seiner fast 40-jährigen Erfahrung mit Familien erfahren wollte, startete ich parallel dazu noch die Ausbildung zur familylab-Seminarleiterin.

    familylab ist eine internationale Organisation für Beratung und Kompetenzentwicklung. Seit 2004 ist familylab aktiv, mittlerweile in 14 Staaten der Welt, und unterstützt und begleitet Familien in ihrer Entwicklung. Die Basis ist nicht mehr das Prinzip „Gehorsam", sondern es geht um Gleichwürdigkeit, elterliche Wertschätzung und Hinführung zu Eigenständigkeit. Diese Werte sprachen mich sofort an. Mir wurde klar, dass es kein fertiges Rezept, wie Familien ihren Alltag leben können, geben kann, auch wenn sich Eltern danach sehnen.

    Heute berate ich Familien, wo sich das Zusammenleben schwierig gestaltet. Seitdem habe ich viele traurige Geschichten von Familien über Kinder und ihre Erlebnisse in der Schule gehört. Ich war immer wieder beeindruckt, was Eltern heute für ihre Kinder tun, damit es ihnen in der Schule gut bzw. besser geht. Und sie tun außergewöhnlich viel. Oft zu viel.

    Eltern arbeiten täglich als Kontrolleure der Hausaufgaben. Sie radieren nicht schön geschriebene Worte und falsche Rechenergebnisse aus. Sie schreiben für ihre Kinder Aufsätze und Referate, wenn es nicht so recht klappen will. Sie machen es, damit die Aufgaben erledigt und korrekt gelöst von ihren Kindern abgegeben werden können, damit sie gute Noten und keine Schwierigkeiten bekommen. Sie sind außerdem sozusagen als Hilfslehrer tätig und erklären ihren Kindern, was sie in der Schule nicht verstanden haben. Das ist ein sehr mühsamer Job und auf lange Sicht gesehen selten erfolgreich. Kinder machen dabei zwar eine Zeit lang mit, denn sie kooperieren mit ihren Eltern. Früher oder später wollen sie mit ihren Eltern jedoch nicht mehr lernen und bringen das auch deutlich zum Ausdruck. „Von mir nimmt meine Tochter nichts an oder „Mit mir will mein Sohn nicht mehr lernen sind Aussagen von Eltern, die ich immer wieder in meinem Institut höre. Wird die Jause oder ein Heft zu Hause vergessen, springen sie als Servicekraft ein und bringen die vergessenen Dinge nach. Sie übernehmen Taxidienste von zu Hause zur Schule und zu vielen anderen Einrichtungen und zurück. Viele Eltern machen den Wahn mit, ihr Kind so früh wie möglich und am besten zu fördern. Sie unterstützen ihre Kinder, indem sie ihnen Nachhilfe finanzieren – mit rund 107 Millionen Euro im Jahr 2012. ² Nicht gerade wenig!

    Ich stelle mir die Frage: „Was wäre, wenn Eltern diese Serviceleistungen ab sofort nicht mehr erledigen würden? Bräche das Schulsystem zusammen?" Ich behaupte, nein! Schule müsste endlich die Verantwortung für den Lernerfolg ihrer Schüler übernehmen. Denn noch immer gibt es diese Doppelmoral: Ist ein Schüler schlecht in der Schule, liegt es in seiner Verantwortung und der der Eltern. Ist ein Schüler gut, ist es der Verdienst der Schule.

    Viele Eltern unterstützen ihre Kinder wie nie zuvor in der Geschichte. Trotzdem müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre Kinder nicht erziehen und sie in schulischen Angelegenheiten zu wenig unterstützen. Meine Erfahrungen sind andere. Sie beziehen sich auf meine Arbeit mit Eltern aus allen sozialen Schichten und unterschiedlichen Kulturen. Sie unterstützen ihre Kinder auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen, Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ressourcen. Alle tun ihr Bestes für ihr Kind. Ob es immer erfolgreich ist, ist eine andere Frage. Sie übernehmen Bereiche, für die sie nicht zuständig und auch nicht ausgebildet sind. Eltern tun das für ihre Kinder, damit sie es einmal besser haben im Leben!

    Manchmal wünsche ich mir, dass Eltern das Hamsterrad, in dem sie sich befinden, stoppen, aussteigen, durchatmen und sich fragen: „Warum machen wir mit? Warum vertrauen wir das Wichtigste, das wir haben – unser Kind – diesem System an? Warum unterstützen wir ein System, das nicht erfolgreich ist und uns noch dazu an den Pranger stellt? Warum gesteht sich Politik nicht endlich ein, dass das Schulsystem nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist?"

    Ein Kind sozusagen bei seinem „Job" zu unterstützen, durch die Schulzeit zu begleiten, da zu sein, wenn es Hilfe braucht, ist in den meisten Fällen notwendig. Es ist allerdings etwas anderes, als es täglich aufzufordern, seine Hausaufgaben zu machen, seine Arbeitsblätter auszufüllen und einzuheften. Genau das erwarten Lehrer von Eltern. Dadurch sehen viele Eltern es als ihre Aufgabe, mit ihrem Kind zu lernen und täglich Hausaufgaben zu kontrollieren. Andere wieder kommen in einen Gewissenskonflikt, weil sie spüren, dass es nicht ihre Aufgabe ist, sie ihr Kind aber nicht im Stich lassen wollen. Immer mehr Eltern springen nicht mehr auf diesen Zug auf. Zugegeben, es braucht Mut, klar Position zu beziehen. Dabei sind Hausaufgaben eindeutig eine Angelegenheit zwischen Lehrer und Kind. Besonders dann, wenn es nicht gut läuft.

    Gelegentlich habe ich mit Schülern Hausaufgaben gemacht und dabei Folgendes festgestellt: Sie hassen Hausaufgaben, bei denen ihr Gehirn sozusagen nicht gefordert wird, wenn es nicht unter die Haut geht, wie z. B. das Abschreiben eines Textes. Besonders unbeliebt ist das Verbessern

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