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Shortstories von Thom Delißen
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eBook253 Seiten2 Stunden

Shortstories von Thom Delißen

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Über dieses E-Book

Mein Kollege und Freund Thom Delißen sagt:"Das oberste Ziel eines jeden freiheits- und verantwortungsbewussten Menschen kann immer nur sein, Manipulation zu unterlaufen, Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen ..."Und er hält sich daran. Unbeirrt von Kritikern und Mäklern, die die Augen verdrehen und genervt schnaufen, weil Delißen "schon wieder" eine Geschichte vorgetragen hat, die vor allen Dingen schmerzt, die uns satten Bürgern ins Herz tätowiert, dass es Teile auf der Welt gibt, in denen Menschen gequält werden, in denen Kinder verhungern, durch Landminen zerfetzt werden, in denen bitterste Verzweiflung herrscht.Und Delißen weiß, wovon er erzählt, weil er selbst die Welt bereist.Nicht als wohlhabender Tourist, nein, als Tramp. Er hat die Not erlebt, gesehen, in sein Innerstes genommen und schreibt davon.Schreibt uns Geschichten unters Brustbein. Ja, sie tun weh. Aber wer sonst als die Schriftsteller können eine Lanze brechen für all das, was um uns herum passiert?  In Ray Bradburys Zukunftsvision "Fahrenheit 451" darf man keine Bücher besitzen, da sie zu selbstständigem Denken anregen, das womöglich die Gesellschaft destabilisiere. Lesen gilt in dieser Utopie als Hauptgrund für nicht systemkonformes Handeln.Eine Truppe dieses Staates verbrennt sämtliche Druckwerke, zum Teil auch deren Besitzer inklusive.Es bildet sich eine Gruppe, die Bücher versteckt. Diese Dissidenten leben in den Wäldern und lernen die Bücher auswendig, um sie auf dieseWeise bewahren zu können.Warum ich das erzähle? Weil mich Thom Delißen an die Geschichte erinnert.Er schreibt literarisch gekonnt über Themen, die wir allzu gern vergessen möchten in unserem angenehmen Alltagsleben. Er lässt uns nicht vergessen, beißt sich fest. Darüber bin ich froh und danke ihm dafür.Elsa Rieger
SpracheDeutsch
HerausgeberTD Textdesign
Erscheinungsdatum4. Juli 2016
ISBN9783958499010
Shortstories von Thom Delißen
Autor

Thom Delißen

Thom Delißen Alter Holzgarten 1 85435 Erding Tel. 08122 18553 Mail: TDTextdesign@aol.com Jahrgang 63, geboren in Münster, aufgewachsen in Oberbayern. Der Autor verbrachte Jahre in Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Brasilien, Indien. Seine Kurzgeschichten und Lyrik versuchen das Rätsel nach dem Sinn und Sein zu hinterfragen, wollen auf die letzten Ziele – die Liebe und die Heiterkeit hinweisen. Verleger und Chefredakteur der Literaturzeitschrift „Schrieb“. Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Literaturzeitschriften (Wienzeile, Maskenball, Bohnenstange, Brücke, Federwelt, Kult u.v.m.) Krimi-Magazinen, Anthologien. Mitautor Chronik Erding, Ex-Chefredakteur der regionalen Literaturzeitschrift „GedankenSprung“. Organisator der Initiative „Worte und Taten“. Mitglied der internationalen Autorengruppe „ProLyKu“. “Question Authority“ Kurzgeschichtensammlung von Thom Delißen/ Lyrik und Prosa erschienen im FV-Verlag/Lübeck Hörspiel „Rhéethron“ Die Sätze. (u.v.m) „The Vanderbilt Berlin Wall Project“ Brockmann „Mordsapfel“ Sieben-Verlag „Criminalis“ Pushmann „Wir bei C&C“ (Hrsg. Metro 2008) „Der Teddybär“ 2008 TD Textdesign „Plattform Carpe Diem“ (Burger) „Spurenwelt“ (Website Verlag) „100 % Worte für Brot“ (FV-Verlag) CD „Gedankengischt“ (TD Textdesign) CD „Do sei“ Bayerische Texte CD Textsammlung „Fetzen“ (TD Textdesign) „Die ganze Welt gesehen“ (FV-Verlag) „10 X 10“ Lyrikprojekt (Edition Thaleia) „Jeder Friedensgedanke ein Gedicht“ Edition Octopus, Geest-Verlag Literamus (Trier) “Ene Mene Mu (Spendenedition TD Textdesign) und andere. Zahlreiche Veröffentlichungen im Internet Streitschriften, Kurzgeschichten, Lyrik. „Das oberste Ziel eines jeden freiheits- und verantwortungsbewussten Menschen kann immer nur sein, Manipulation zu unterlaufen, Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen ...“ Pages: www.t delissen.de www.tdtextdesign.org www.schrieb.com

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    Buchvorschau

    Shortstories von Thom Delißen - Thom Delißen

    Donnervogel

    Statt eines Vorwortes

    Zitat von Hermann Hesse:

    „... Diese Heiterkeit zu erreichen, ist mir, und vielen mit mir, das höchste und edelste aller Ziele ... Diese Heiterkeit ist weder Tändelei noch Selbstgefälligkeit, sie ist höchste Erkenntnis und Liebe, ist Bejahen aller Wirklichkeit, Wachsein am Rand aller Abgründe und Tiefen, sie ist eine Tugend der Heiligen und der Ritter, sie ist unstörbar und nimmt mit dem Alter und der Todesnähe nur immer zu. Sie ist das Geheimnis des Schönen und die eigentliche Substanz jeder Kunst.

    Der Dichter, der das Herrliche und Schreckliche des Lebens im Tanzschritt seiner Verse preist, der Musiker, der es als reine Gegenwart erklingen lässt, ist Lichtbringer, Mehrer der Freude und Helligkeit auf Erden, auch wenn er uns erst durch Tränen und schmerzliche Spannung führt.

    Vielleicht ist der Dichter, dessen Verse uns entzücken, ein trauriger Einsamer und der Musiker ein schwermütiger Träumer gewesen, aber auch dann hat sein Werk teil an der Heiterkeit der Götter und Sterne. Was er uns gibt, das ist nicht mehr sein Dunkel, sein Leiden oder Bangen,

    es ist ein Tropfen reinen Lichts, ewiger Heiterkeit. Auch wenn ganze Völker und Sprachen die Tiefe der Welt zu ergründen suchen, in Mythen, Kosmogonien, Religionen, ist das Letzte und Höchste, was sie erreichen können, diese Heiterkeit ..."

    Hermann Hesse

    Haus Nr. 17

    Der zwölfjährige Latif blickte aus schwarz-geränderten Augen aus dem glaslosen Fenster auf die menschenleere Straße vor der Nummer Siebzehn.

    Tränen purer Hilflosigkeit liefen ihm über die verschmutzten Wangen. Die Verantwortung, die man ihm auferlegt hatte, erdrückte ihn.

    „Pass gut auf die Kleinen auf!", hatte seine Mutter gesagt.

    Das war gestern gegen Mittag gewesen. Die Gründe für ihr Fortbleiben zu hinterfragen, weigerte sich sein kindlicher Verstand.

    Es war ein schwerer Angriff dieses Mal. Der heftigste, den er bisher erlebt hatte.

    Sein kleiner Bruder Erandi saß, den zerscheuerten Stoffhasen fest mit seinen Ärmchen umschlungen, auf der gemeinsamen Matratze. Neben ihm krabbelte die acht Monate alte Hanife schluchzend herum.

    Erandi zitterte, seine verschwitzten Haare hingen ihm ins Gesicht. Er sah sich ständig um, die Augen flackernd, wie ein Wolf in der Falle, die Lippen zusammengepresst zu einem Strich. Jetzt, als die Flugzeuge wieder zu hören waren, die nächste Angriffswelle im Anflug, begann er wie ein Hund zu heulen. Ein furchtbares Geräusch, das im Lärm der nahen Explosion einen Augenblick unterging.

    Latif hatte sich instinktiv zu Boden geworfen. Er spürte, wie das Haus zitterte, die Balken ächzten. Kalk rieselte auf sein Haar.

    Immer heftiger wurden die Erschütterungswellen, die durch das Haus liefen.

    Latif blickte an sich herunter und sah mit Abscheu, dass sich seine Hose nass verfärbt hatte. Trotzdem er wirklich andere Sorgen hatte, schämte er sich dafür.

    In diesem Augenblick tat es einen unheimlichen Schlag, gleichzeitig öffnete sich die Tür. Ein alter Mann, gekleidet in einen blauen Kaftan, stand im Rahmen. Der Fremde lachte aus bärtigem Gesicht: „Besser wir machen, dass wir hier wegkommen? Findet ihr nicht?"

    Latif lächelte schüchtern zurück und nickte. Der Unbekannte kniete sich neben seinen Bruder und legte ihm die Hände an die Schläfen.

    „Nun schön ruhig, mein Erandi! Es ist alles gut. Ich bringe euch jetzt fort von hier, von den Bomben und Raketen!"

    Sofort beruhigte der Junge sich. Mit wehendem Gewand stand der Mann nun neben dem Bett, hob Hanife hoch und drückte sie an seine breite Brust.

    „Kommt mit!" Er trat auf die Straße und die beiden Knaben beeilten sich, ihm zu folgen.

    „Wo gehen wir denn hin?", fragte Latif, als sie vor dem Haus standen.

    Überall war Verwüstung zu sehen, brennende Wohnhäuser, riesige Krater in den Straßen, schwelende Autowracks.

    Der graubärtige Alte sah ihn aus seltsamen, freundlich leuchtenden Augen an.

    „Ich bringe euch über den Fluss, sagte er, „dort seid ihr in Sicherheit. Ihr werdet sehen, es wird euch gefallen.

    Latif schwieg. Es gab keinen Fluss in der Stadt.

    Was hatte der Mann mit ihnen vor? Er empfand keine Angst, fühlte, dass hier jemand war, der es ihnen gut meinte.

    Der Fremde hob seinen Arm, in einer fließenden Bewegung entfaltete sich ein großes Stück von seinem Kaftan.

    „Hüllt euch ein!", forderte er die Buben auf, die kleine Hanife sanft umfassend. Sie traten zu ihm und er warf mit leichter Hand den Mantel um sie.

    So gingen sie, wunderbar geschützt, durch die anbrechende Dämmerung, durch die Explo-sionen rechts und links, vorbei an Toten und Verletzten.

    Schließlich gelangten sie an einen Fluss, den Latif und Erandi mit staunenden Augen betrachteten. Ein großes Boot war dort vertäut. Ohne ein Wort hob der Alte die beiden Knaben hoch und setzte sie hinein, Hanife platzierte er auf Erandis Schoß. Er ruderte los.

    „Wer bist du, Onkel?", fragte Latif und zupfte am Saum des Kaftans.

    „Ich bin der Freund, der Überwinder. Der, der alles gut werden lässt", antwortete er und nickte dem Kleinen zu.

    Bald schon konnte Latif, der sich mit der Auskunft zufriedengab, das andere Ufer ahnen. Da waren Lichter, fröhliches Kindergeschrei, ein Duft wie auf dem Basar, von Zuckerwerk und Mandeln.

    Eine unbändige Freude machte sich in seinem Brustkorb breit. Da waren die Ruhe und der Frieden. Keine Bomben. Da waren Kinder, die glücklich lachten.

    Dennoch drehte Latif sich noch einmal um. Hinter ihm zerfiel alles in grauen Staub.

    „Lebe wohl, Mutter", flüsterte er und wusste.

    In der Rugova-Straße bemühten sich Nachbarn um die zusammengebrochene Mutter der drei toten Kinder. Nur Wasser hatte sie besorgen wollen, war festgenommen worden..

    „Ja, nickte eine zahnlose Alte, „die Siebzehn bringt nichts Gutes. Die Bombe muss das Haus genau getroffen haben, ist ja nur noch Schutt und Asche.

    Heim

    Dort stehen die Särge. Vater, Mutter, zwei Schwestern.

    Der Junge, einen Meter ist er wohl groß, lehnt an der grauen Mauer, sieht auf den Vorgarten seines Zuhauses.

    Der Beton, der über die Ziegel des Zaunes geschmiert ist, wirkt nebelig. Vor diesem Hintergrund wirkt es, als sei der Bub in feuchtes, kühles Tuch gehüllt.

    Sein Kopf ist von einer Mütze bedeckt, ein Farbton zwischen Grün, Blau und Braun, undefinierbar, auf gewisse Weise, verwaschen, doch gleichzeitig Aussage. Die von der Mama fein gestrickten Fäden trotzen dem Schmutz, dem Regen. Sie geben dem schmächtigen Burschen einen Hauch von „Mein Sohn, ich habe dich lieb, du sollst nicht frieren. Pass auf dich auf, mein Engel."

    Sein kleines Gesicht ist oval, eine blasse Ellipse. Nur um die Nase sind deutlich Sommersprossen zu erkennen, sie wirken wie Schmutz, als ob ihn jemand mit Dreck beworfen hätte.

    Seine braunen Augen, das eine verschwindet beinahe unter dem Wollrand der Mütze, sehen stumpf aus. Nichtssagend. Da ist keine Trauer zu erkennen, nirgendwo zeichnet sich auch nur ein Hauch Verzweiflung ab. Nur Hornhäute, die Geschehenes reflektieren.

    Seine schmale Nase, ein wenig krumm. Aus dem rechten Nasenloch ein getrockneter, streichholz-dicker Faden Blut. Er läuft bis auf die Partie zwischen Nasenspitze und Oberlippe, fast wäre man geneigt zu glauben, eine Hasenscharte. Der Mund mit schmalen Lippen, leicht nach unten gezogen. Kritisch. Abwägend. Auf dem dicken Pulli, den er über einem Hemd trägt, prangt eine Art Adler, darunter ist der Name Gucci eingestickt. Die Jeans, zerrissen, voller Lehm, der Hosenladen halb geöffnet.

    Er zuckt, reißt die geballten Fäuste hoch. Doch stumm, kein Laut.

    Mit einem enormen Staubwirbel fällt brausend der Kamin des völlig zerbombten Hauses in sich zusammen. Wie eine Lawine wischt die Staubwolke auf den Knaben zu, der sich nicht von der Stelle bewegt.

    Als sich der Dunst langsam senkt, steht er mit seinen Gummistiefeln inmitten der Ruine, wühlt, bückt sich, tritt Steine mit dem Fuß zur Seite, stochert in qualmenden Möbelteilen.

    Dann schreit er auf, stolpert vor Eile, stürzt zu einem von der Hitze verbogenen Bettgestell.

    Hält dann mit einem Juchzer, einem triumphierenden, verzerrtem Grinsen, voller Freude über seinen unglaublichen Fund, mit beiden Händen in Siegerpose, ein verkohltes Spielzeugpferd über den Kopf.

    Jänner

    Ich saß an diesem Tisch in dem Garten des kleinen Cafés und rührte melancholisch in meiner Tasse Milchkaffee. Ich befand mich in Cerbere, wie schon so oft.

    Ein kleines Dorf direkt an der spanischen Grenze.

    Sie kam, mit einer langhaarigen Perserkatze auf den Schultern, über den Kiesweg hinauf zu den Tischen. Jung war sie, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt.

    Und sie lief direkt auf meinen Platz zu.

    „Hi!, sagte sie und setzte sich, ohne zu fragen, auf den Stuhl mir gegenüber. „Du siehst traurig aus!, meinte sie auf Deutsch.

    Ich blickte sie über den Rand meiner großen Porzellantasse an.

    Ein ansprechendes, interessantes Gesicht, nicht gerade puppenhübsch, ihr Körper nicht übertrieben schlank. Ihre grünen Augen blickten mich interessiert an.

    „Hm", sagte ich.

    Sie deutete auf die kleine Bundeswehrtasche mit dem aufgeschnallten Schlafsack und der Iso-Matte.

    „Urlaub oder on the road?"

    „Von beidem etwas."

    Der Kellner kam an den Tisch, und sie bestellte sich ein Glas roten Hausweines.

    „Bist wohl nicht sehr gesprächig, was?"

    „Hm."

    „Ich heiße Jänner", meinte sie, was schon deshalb ungewöhnlich war, weil der Januar gerade zu Ende gegangen war. Doch hier im äußersten Süden Frankreichs hatte der Frühling bereits seine Flügel ausgebreitet.

    „Ich will rüber nach Spanien. Aber mein Pass ist mir verloren gegangen. Kennst du dich hier aus?"

    „Könnte man so sagen", antwortete ich, leicht verstimmt durch ihr lässiges Geplauder, ihre direkte Art.

    „Wie kommt man denn rüber, ohne kontrolliert zu werden?"

    „Zu Fuß. Einfach über die Berge."

    „Das funktioniert so einfach?"

    „Ja, hab’s schon oft genug getan. Ist halt ein hübscher Marsch."

    „Prost!" sagte sie und der halbe Inhalt des Glases verschwand.

    „Meinst du, du kannst mich rüber führen?"

    Ich hatte vorgehabt direkt nach Barcelona weiter zu fahren, doch nun zögerte ich.

    Die Zugfahrt war lang genug gewesen – warum nicht eine kleine Bergwanderung?

    „Hm."

    So kam es dann es, dass wir nach einer halben Stunde etwa, zusammen auf dem Pfad der Richtung Berge führte, unterwegs waren. Die Katze nach wie vor auf ihrer Schulter balancierend.

    Jänner hatte ein unbeschreibliches Wesen, eine faszinierende Art mit der Realität umzugehen.

    Immer wieder lief sie ein paar Schritte voraus, setzte sich dann zum Beispiel mit einem vollkommen ungeheuchelten Freudenschrei in eine Wiese, bückte sich nieder und rief mir zu:

    „Komm doch! Sieh mal, das musst du dir ansehen!"

    Da war dann ein kleiner Käfer, der an dem schwankenden Stängel einer Blume hinauf kletterte, eine frühe Biene, die in einem Blütenkelch saugte oder irgendein Gewächs, das sie besonders beeindruckte.

    „Ist das nicht schön?"

    Ihre Ausgelassenheit, Fröhlichkeit schien mich, wie ich merkte, langsam einzuholen, zu überrollen, anzustecken.

    Einmal auf unserem Weg geriet sie völlig außer sich, als sie in einem Gebüsch das noch taubenetzte, fein gesponnene Netz einer kleinen Spinne entdeckte, das tatsächlich faszinierend im Sonnenlicht glitzerte.

    So hüpfte sie sozusagen von einer erstaunlichen Entdeckung zur anderen, ohne dabei, trotzdem es teilweise steil bergauf ging, auch nur ein wenig Müdigkeit zu zeigen.

    Auf dem Kamm der Bergformation angekommen, sahen wir einen großen Käfig aus Zaundraht, in dem etwa fünfzehn Hunde verschiedenster Rassen vor sich hindösten und bei unserem Anblick natürlich vollkommen außer sich gerieten.

    Sofort hastete sie zu dem Verschlag, versuchte die Hunde durch das Gitterwerk zu streicheln, sprach liebevoll auf sie ein.

    Als ich neben ihr stand, sah sie mich mit großen, ehrlichen Augen an und meinte:

    „Freiheit! Weißt du? Freiheit!"

    Wir bearbeiteten zusammen mit verbissener Energie das Drahtgeflecht so lange, bis sich ein Durchschlupf, groß genug auch für den mächtigsten der Hunde aufgetan hatte.

    Es dauerten keine fünf Minuten und alle Tiere waren entflohen.

    Nur zwei der schönsten der Mischlinge beschlossen, uns ihre Dankbarkeit zu beweisen, indem sie uns auf unserem weiteren Weg talwärts begleiteten.

    Als wir uns nach längerer Marschzeit dem kleinen Städtchen auf der spanischen Seite näherten, schnallten wir sie mit den Riemen, die ursprünglich meinen Schlafsack zusammengehalten hatten, an.

    Wir erreichten die Ortschaft und sie sagte zu mir: „Und jetzt pass mal auf!"

    Wir setzten uns an den Straßenrand der verträumten Flaniermeile, die sich, langsam schlich sich schon die Dämmerung heran, gemächlich mit Leuten füllte. Sie nahm mir den alten Hut vom Kopf, legte ihn vor uns auf die Straße und warf einige Peseten hinein.

    Nahezu jede zweite alte oder ältere Dame hielt an, bewunderte die Katze auf ihrer Schulter, wollte sie streicheln und hinterließ gutes Geld. Natürlich nur um Futter für das arme Tier zu kaufen.

    Es dauerte keine Dreiviertelstunde und wir hatten eine Summe zusammen, die durchaus für die Übernachtung in einem Hotel oder einer Pension gereicht hätte.

    Wir jedoch erhoben uns, mischten uns unter die abendlichen Spaziergänger, kauften in einem kleinen Gemischtwarenladen etliche Tetra Packs Roséwein und machten uns dann auf den Weg in Richtung Hafen.

    Dort fanden wir direkt an der Mole, eine Art winziger Grotte, mehr eine Einbuchtung in einer Felswand, in die wir uns setzten und uns auf meinem kleinen, improvisierten Spirituskocher etwas Gemüse und Kartoffeln zubereiteten, die wir vorher zusammen mit dem Wein erstanden hatten. So erhielten auch die Hunde, die sich im Übrigen ausgezeichnet mit der Katze verstanden, wohl seit längerer Zeit wieder eine Mahlzeit, die sie gierig verschlangen.

    Ich war über die Stunden der Wanderung und ihrer erfrischenden Art aufgetaut, – wir führten ein wunderbares Gespräch. Ich offenbarte ihr den Grund für meine depressive Stimmung, erzählte ihr, dass meine Lebensgefährtin vor nicht allzu langer Zeit gestorben sei – zu meinem Erstaunen erzählte sie mir, vollkommen unbefangen, auch ihr Freund sei vor etwa einem halben Jahr bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.

    „Der Tod gehört zum Leben", meinte sie, doch über diesen althergebrachten Spruch konnte ich nur bitter lächeln.

    Nach etlichen Stunden waren wir beide recht angeheitert.

    Genau gegenüber der Nische, in der wir es uns gemütlich gemacht hatten, lag ein winziges Segel-Motorboot verankert.

    „Komm!, drängte sie, „lass uns doch ein Stück die Küste entlang fahren, nur bis zum nächsten Dörfchen!

    Wir fanden tatsächlich den Mut, das Boot zu kapern, die Leinen zu lösen.

    Mit geschickten Griffen schloss sie zu meiner Verblüffung die Zündung kurz und einige Minuten darauf tuckerten wir, mit den zwei Hunden und der Katze, etliche Kilometer den Küstenstreifen entlang, wo uns natürlich an der Haltestelle, die wir dann anliefen, bereits die Polizei erwartete, uns ohne Umschweife in der örtlichen Polizeistation einsperrte.

    Die Hunde wurden draußen

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