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TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung
TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung
TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung
eBook4.276 Seiten28 Stunden

TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung

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Über dieses E-Book

Das Ziel von TTIP ist laut den Verhandlungspartnern der Abbau von tarifären
und nichttarifären Handelshemmnissen zwischen den USA und der EU. Besonders
der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse fördere das
Wirtschaftswachstum in den beteiligten Ländern erheblich, indem es Kosten
für exportierende Unternehmen in der EU und den USA senke und damit das
Außenhandelsvolumen vergrößere. Allerdings ist stark umstritten, wie
positiv oder negativ die jeweiligen wirtschaftlichen Effekte insgesamt und
für einzelne Länder ausfallen könnten. Auch die Effekte auf den Weltmarkt
und Länder der Dritten Welt werden diskutiert. Strittig ist auch, ob und
inwieweit auch Arbeitnehmer und Verbraucher oder lediglich
Kapitalinteressen von Großkonzernen von den prognostizierten Effekten
profitieren würden.

Einige Auftragsstudien von EU-Kommission oder Regierungen sehen in ihren
optimistischsten Prognosen positive Auswirkungen auf das
Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt in den meisten der beteiligten
Länder. Diese Studien werden von Teilen der Wirtschaft, der Politik und der
Wissenschaft als unrealistisch kritisiert. Kritische Studien kommen zu dem
Schluss, bei Zunahme des transatlantischen Handels könnte der
innereuropäische Handel sogar abnehmen. Zudem werden eine gesteigerte
makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das
Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt sowie eine sinkende Lohnquote
prognostiziert. Auch die Effekte für die Handelsbeziehungen mit Ländern
außerhalb von TTIP wie Russland, China, die BRICS-Staaten insgesamt und die
Entwicklungsländer werden von Kritikern, aber zum Teil auch von
Befürwortern, eher negativ veranschlagt.
SpracheDeutsch
HerausgeberTD Textdesign
Erscheinungsdatum28. Juli 2016
ISBN9783961120215
TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung
Autor

Thom Delißen

Thom Delißen Alter Holzgarten 1 85435 Erding Tel. 08122 18553 Mail: TDTextdesign@aol.com Jahrgang 63, geboren in Münster, aufgewachsen in Oberbayern. Der Autor verbrachte Jahre in Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Brasilien, Indien. Seine Kurzgeschichten und Lyrik versuchen das Rätsel nach dem Sinn und Sein zu hinterfragen, wollen auf die letzten Ziele – die Liebe und die Heiterkeit hinweisen. Verleger und Chefredakteur der Literaturzeitschrift "Schrieb". Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Literaturzeitschriften (Wienzeile, Maskenball, Bohnenstange, Brücke, Federwelt, Kult u.v.m.) Krimi-Magazinen, Anthologien. Mitautor Chronik Erding, Ex-Chefredakteur der regionalen Literaturzeitschrift "GedankenSprung". Organisator der Initiative "Worte und Taten". Mitglied der internationalen Autorengruppe "ProLyKu". "Question Authority" Kurzgeschichtensammlung von Thom Delißen/ Lyrik und Prosa erschienen im FV-Verlag/Lübeck Hörspiel "Rhéethron" Die Sätze. (u.v.m) "The Vanderbilt Berlin Wall Project" Brockmann "Mordsapfel" Sieben-Verlag "Criminalis" Pushmann "Wir bei C&C" (Hrsg. Metro 2008) "Der Teddybär" 2008 TD Textdesign "Plattform Carpe Diem" (Burger) "Spurenwelt" (Website Verlag) "100 % Worte für Brot" (FV-Verlag) CD "Gedankengischt" (TD Textdesign) CD "Do sei" Bayerische Texte CD Textsammlung "Fetzen" (TD Textdesign) "Die ganze Welt gesehen" (FV-Verlag) "10 X 10" Lyrikprojekt (Edition Thaleia) "Jeder Friedensgedanke ein Gedicht" Edition Octopus, Geest-Verlag Literamus (Trier) "Ene Mene Mu (Spendenedition TD Textdesign) und andere. Zahlreiche Veröffentlichungen im Internet Streitschriften, Kurzgeschichten, Lyrik. Unter dem Namen Th. Om kommt der Autor nunmehr mit seinen Werken der Ur-Bestimmung nach. Der Liebe wieder ihren Platz zu geben. "Ein Buch in Antworten" "Der Wanderer" "Die absolute Schöpfung" "Die lächelnde Unbedingtheit" "Die zärtliche Ewigkeit" "Das oberste Ziel eines jeden freiheits- und verantwortungsbewussten Menschen kann immer nur sein, Manipulation zu unterlaufen, Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen ..." Pages: www.th-om.com www.12Worte.de www.ABIA.th-om.com

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    Buchvorschau

    TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung - Thom Delißen

    Thom Delißen

    TTIP/Ceta

    Handelsabkommen

    Themenzusammenfassung

    Herausgeber:Peaceway

    1. Auflage 06/2016

    Verlag TD Textdesign

    Inhalt

    1. Transatlantisches Freihandelsabkommen

    2. TTIP

    3. Comprehensive Economic and Trade Agreement

    4. Trade in Services Agreement

    5. Anti-Counterfeiting Trade Agreement

    6. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

    7. Welthandelsorganisation

    8. Race to the bottom

    9. Finanzkrise ab 2007

    10.WikiLeaks

    11.Veröffentlichungen von WikiLeaks

    12.TTIP Leaks

    13.Enthüllungsplattform

    14.Cryptome

    15.Medientransparenz

    16.Weltsozialforum

    17.Greenpeace

    18.Campact

    19.Europäische Bürgerinitiative

    20.Umweltschutzorganisation

    21.Rechtsbehelf

    22.Souveränität

    23.Rechtsstaat

    24.E-Partizipation

    25.Whistleblower

    26.Informationsfreiheit

    27.CL-Netz

    28.Initiative Transparente Zivilgesellschaft

    29.Streisand-Effekt

    30.Electronic Frontier Foundation

    31.Unterschriftensammlung

    32.Unterschriftenaktion

    33.Protest

    34.OpenPetition

    35.Amadeu Antonio Stiftung

    36.Attac

    37.Nichtregierungsorganisation

    38.Centre for Economic Policy Research

    39.Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

    40.Wirtschaftliche Integration

    41.Freihandelsabkommen

    42.Tarifäres Handelshemmnis

    43.Nichttarifäres Handelshemmnis

    44.Kulturelle Ausnahme

    45.Kapitalismus

    46.Freiheit

    47.Keynesianismus

    48.Lobbyismus

    49.Lobbypedia

    50.Lobbyregister

    51.Wettbewerb (Wirtschaft)

    52.Interessenvertretung

    53.Öffentliche Meinung

    54.Öffentlichkeitsarbeit

    55.Massenmedien

    56.Interessenverband

    57.Public Affairs

    58.Politolinguistik

    59.Politikberatung

    60.Vierte Gewalt

    61.Antichambrieren

    62.Hofschranze

    63.Stakeholder

    64.Bestechung

    65.Vereinigte Staaten

    66.Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten

    67.Transpazifische Partnerschaft

    68.Außenpolitik der Vereinigten Staaten

    69.Wirtschaft der Vereinigten Staaten

    70.Bundesregierung (Vereinigte Staaten)

    71.Politisches System der Vereinigten Staaten

    72.Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten

    73.Pazifische Gemeinschaft

    74.Amerikanische Freihandelszone

    75.Nordamerikanisches Freihandelsabkommen

    76.Handelsministerium der Vereinigten Staaten

    77.Globalisierung

    78.Globalisierungskritik

    79.Paul Krugman

    80.Joseph E. Stiglitz

    81.Michael Froman

    82.Richtlinie 2004/48/EG (Schutz der Rechte an geistigem Eigentum)

    83.Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen

    84.Turbokapitalismus

    85.RCEP

    86.ASEAN Freihandelszone

    87.Asiatisch-pazifische Wirtschaftsgemeinschaft

    88.Batam

    89.Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit

    90.Südasiatische Vereinigung für regionale Kooperation

    91.Freihandelsabkommen der Europäischen Union

    92.Europäische Identität

    93.Europäische Union

    94.Stabilisieungsabkommen

    95.Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen

    96.Uruguay-Runde

    97.Freihandelsabkommen der Europäischen Union

    98.Erweiterung der Europäischen Union

    99.Europäische Zollunion

    100.Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

    101.Gemeinsame Fischereipolitik

    102.Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

    103.Warenverkehrsfreiheit

    104.Gemeinsame Handelspolitik

    105.Fraktion im Europäischen Parlament

    106.Präsident des Europäischen Parlamentes

    107.Europawahl

    108.Europäischer Rat

    109.Europäischer Gerichtshof

    110.Europäische Kommission

    112.Gemeinschaft unabhängiger Staaten

    113.Vertiefte und umfassende Freihandelszone

    114.Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine

    115.Regionaler Kooperationsrat

    116.Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit

    117.Europäische Freihandelsassoziation

    118.Europäischer Wirtschaftsraum

    119.Europäisches Parlament

    120.Eurasische Wirtschafts-gemeinschaft

    121.Freihandelszone Varaždin

    122.Hoyvíker Abkommen

    123.Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft

    124.Südafrikanische Zollunion

    125.Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika

    126.Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion

    127.Gemeinschaft der Sahel-Sahara-Staaten

    128.Greater Arab Free Trade Area

    129.Dubai Healthcare City

    130.Golf-Kooperationsrat

    131.Arabischer Kooperationsrat

    132.Mercosur

    133.DR-CAFTA

    134.Floridasur

    135.Organisation Amerikanischer Staaten

    136.Handelsvertrag der Völker

    137.Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten

    138.Union Südamerikanischer Nationen

    139.Andengemeinschaft

    140.Universidad Andina Simón Bolívar

    141.Zentralamerikanischer gemeinsamer Markt

    142.Gruppe der Drei

    143.Bolivarianische Allianz für Amerika

    144.Pazifik-Allianz

    145.Doha-Runde

    146.MAI.

    147.Schiedsgerichtsbarkeit

    148.Investor-state dispute settlement

    149.Alternative Dispute Resolution

    150.Floridasur

    151.Währungsunion

    152.Investitionsschutzabkommen

    153.Völkerrechtlicher Vertrag

    154.Ministerrat

    155.Demokratie

    156.Transparenz (Politik)

    157.Zoll (Abgabe)

    158.Umweltschutz

    159.Verbraucherschutz

    160.Sozialpolitik

    161.Gesundheitspolitik

    162.Ware

    163.Dienstleistung

    164.Kapital

    165.Wirtschaftswachstum

    166.Allgemeines Gleichgewichtsmodell

    167.United Nations Global Policy Model

    168.Öffentlicher Auftrag

    169.Vorsorgeprinzip

    170.Chilling effect

    171.Außenhandel

    172.Multinationales Unternehmen

    173.Binnenmarkt

    174.Welthandelsrunde

    175.Protektionismus

    176.Außenwirtschaftstheorie

    177.Planetary Boundaries

    178.Selbstbestimmungsrecht der Völker

    179.Territoriale Integrität

    180.Dekolonisation

    181.Integrales und summatives Rechtsstaats-verständnis

    182.Formeller und materieller Rechtsstaat

    183.Produktbegleitende Dienstleistung

    184.Agenda Setting

    185.Drehtür-Effekt

    186.Kommunikationspolitik

    187.Parlamentarischer Abend

    188.Spin-Doctor

    189.Delaware-Effekt

    190.Entschleunigung

    191.Neoliberalismus

    192.Washington Consensus

    193.Cybergesellschaft

    194.Internetrecht

    195.Verwaltungsethik

    196.California-Effekt

    197.Arbeitsmigration

    198.Braingain

    199.Zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit

    200.Zum ewigen Frieden

    Transatlantisches Freihandelsabkommen

    Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische

    Handels- und Investitionspartnerschaft (englisch Transatlantic Trade and

    Investment Partnership, TTIP, früher Trans-Atlantic Free Trade Agreement,

    TAFTA), ist ein vorgeschlagenes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen

    in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union

    und den USA.¹ ² Die genauen Vertragsbedingungen werden seit Juni 2013³

    ausgehandelt, dieser Prozess wird vielfach als intransparent kritisiert.⁴

    Die Verhandlungspartner erhoffen sich einen Abschluss der Verhandlungen im

    Laufe des Jahres 2016.⁵ ⁶

    Als Vorläufer gilt das Multilaterale Investitionsabkommen (MIA), das in den

    1990er Jahren auf erhebliche Widerstände von Aktivisten und NGOs stieß und

    schließlich am Widerstand Frankreichs scheiterte. Als aktueller Testfall

    für TTIP gilt das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), ein

    schon 2014 ausverhandeltes, aber noch nicht ratifiziertes

    kanadisch-europäisches Handelsabkommen, das ebenso wie TTIP umstritten ist.

    Beide Abkommen werden auch mit dem internationalen Anti-Counterfeiting

    Trade Agreement (ACTA) in Zusammenhang gebracht,⁷ das 2012 an Protesten in

    EU-Ländern und den USA scheiterte.

    Zusammenfassung

    Das Ziel von TTIP ist laut den Verhandlungspartnern der Abbau von tarifären

    und nichttarifären Handelshemmnissen zwischen den USA und der EU. Besonders

    der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse fördere das

    Wirtschaftswachstum in den beteiligten Ländern erheblich, indem es Kosten

    für exportierende Unternehmen in der EU und den USA senke und damit das

    Außenhandelsvolumen vergrößere. Allerdings ist stark umstritten, wie

    positiv oder negativ die jeweiligen wirtschaftlichen Effekte insgesamt und

    für einzelne Länder ausfallen könnten. Auch die Effekte auf den Weltmarkt

    und Länder der Dritten Welt werden diskutiert. Strittig ist auch, ob und

    inwieweit auch Arbeitnehmer und Verbraucher oder lediglich

    Kapitalinteressen von Großkonzernen von den prognostizierten Effekten

    profitieren würden.

    Einige Auftragsstudien von EU-Kommission oder Regierungen sehen in ihren

    optimistischsten Prognosen positive Auswirkungen auf das

    Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt in den meisten der beteiligten

    Länder. Diese Studien werden von Teilen der Wirtschaft, der Politik und der

    Wissenschaft als unrealistisch kritisiert. Kritische Studien kommen zu dem

    Schluss, bei Zunahme des transatlantischen Handels könnte der

    innereuropäische Handel sogar abnehmen. Zudem werden eine gesteigerte

    makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das

    Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt sowie eine sinkende Lohnquote

    prognostiziert. Auch die Effekte für die Handelsbeziehungen mit Ländern

    außerhalb von TTIP wie Russland, China, die BRICS-Staaten insgesamt und die

    Entwicklungsländer werden von Kritikern, aber zum Teil auch von

    Befürwortern, eher negativ veranschlagt.

    Zudem weisen Kritiker darauf hin, dass nicht nur Industriestandards wie

    DIN-Normen, sondern auch gesetzliche Standards in den Bereichen

    Umweltschutz, Verbraucherschutz, Gesundheit, Arbeit und Soziales als

    nichttarifäre Handelshemmnisse eingestuft würden. Es müsse daher damit

    gerechnet werden, dass TTIP zu einer Schwächung, Deckelung oder teilweisen

    Beseitigung solcher Standards führen könnte, was nicht im Interesse der

    Mehrheit der Bürger sei.

    Außerdem wird die geplante Einführung von internationalen,

    nicht-staatlichen Schiedsgerichten kritisiert. Diese privaten

    Schiedsgerichte sollen im Rahmen der Vertragsbestimmungen zum

    Investitionsschutz ohne die Möglichkeit einer unabhängigen staatlichen

    gerichtlichen Überprüfung über Schadensersatzansprüche von Unternehmen

    gegen die Vertragsstaaten entscheiden können. Im Grundsatz, aber auch

    angesichts der Höhe zu erwartender Schadensersatzforderungen von Investoren

    sehen verschiedene Kritiker und Parteien dies als Gefahr für oder Angriff

    auf die Souveränität der Einzelstaaten, die Prinzipien der Demokratie und

    die Rechtsstaatlichkeit an.

    Des Weiteren wird der als intransparent beurteilte Verhandlungsprozess

    kritisiert. Schon die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats,⁸ also des

    grundlegenden Auftrags des Europäischen Rats an die EU-Kommission im Juni

    2013, erfolgte nach öffentlichen Protesten erst im Oktober 2014.⁹ Zwar

    veröffentlichte die EU-Kommission in der Zwischenzeit einen allgemeinen

    Bericht zum Stand der Verhandlungen,⁴ ¹⁰ die konkret ausgehandelten

    Vertragsbedingungen sind aber weiterhin geheim; auch EU-Parlamentarier,

    nationale Regierungen und Parlamentarier der nationalen Parlamente erhalten

    nur beschränkt und mit der Verpflichtung zur Geheimhaltung Einblick in

    konkrete Textpassagen. Mittlerweile wurden unautorisiert mehrere interne

    Positionspapiere aufgrund von Informationsleaks im Internet veröffentlicht.

    Die bekannt gewordenen Inhalte haben nicht zu einer Beruhigung der Kritik

    geführt.

    Problematik des Ratifizierungsverfahrens

    Nach Darstellung von foodwatch ist unklar, ob die nationalen Parlamente das

    Abkommen tatsächlich ratifizieren müssen: „Die Ratifizierung durch die

    nationalen Parlamente ist dann erforderlich, wenn es sich tatsächlich um

    ein ‚gemischtes' – und damit um ein durch die EU-Mitgliedsstaaten zu

    ratifizierendes – Abkommen handelt. Dies kann jedoch erst festgestellt

    werden, wenn der fertige Vertragstext vorliegt. Im Streitfall obliegt die

    Feststellung, ob es sich um ein ‚gemischtes Abkommen' handelt, allein dem

    Europäischen Gerichtshof, nicht der Bundesregierung."¹¹ ¹²

    Eckpunkte des geplanten Abkommens

    Laut Europäischer Kommission und US-Handelsministerium geht es im Abkommen

    um Marktzugang (Zollabbau, öffentliche Aufträge), regulatorische

    Zusammenarbeit und die globale Regelentwicklung.¹³ ¹⁴ Obwohl zahlreiche

    tarifäre (= Zoll-)Barrieren sowie Mengenbeschränkungen bestehen, die

    vollständig abgebaut werden sollen, überqueren Waren, Dienstleistungen und

    Kapital den Atlantik bereits ohne größere Reibungsverluste. Das

    durchschnittliche Zollniveau beträgt fünf bis sieben Prozent.¹⁵ ¹⁶ Bei TTIP

    geht es daher insbesondere um den Abbau von nichttarifären

    Handelsbeschränkungen, also beispielsweise die Gleichbehandlung bei

    öffentlichen Aufträgen, die Angleichung bzw. laut Kritikern den Abbau von

    Gesundheitsstandards und Lebensmittelgesetzen, Umweltstandards und

    ähnlichem.¹⁷

    Nach den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union und des Europäischen

    Parlaments sind im Zuge der sogenannten Kulturellen Ausnahme audiovisuelle

    Medien und Kunst ausdrücklich nicht Teil des Verhandlungsmandats der

    Europäischen Kommission.

    Öffentliche Aufträge

    Eine Gleichstellung der Wirtschaftssubjekte würde im jeweils anderen

    Wirtschaftsraum beispielsweise einer lettischen Baufirma gegenüber einer

    kalifornischen die gleichen einklagbaren Chancen bringen, den Bauauftrag

    für eine Brücke in Los Angeles zu erhalten. Nach Aussage von Sigmar Gabriel

    vor der 13. Verhandlungsrunde im April 2016 könnte TTIP an dieser Frage

    scheitern: Die Amerikaner wollten an der „Buy-American"-Regel (wörtlich

    „Kaufe amerikanisch") festhalten, was die europäische Seite nicht

    akzeptieren könne.¹⁸

    Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards

    Während in Europa beispielsweise genveränderte Lebensmittel gekennzeichnet

    werden müssen und weitläufig verboten sind, verhält es sich in den USA

    völlig anders; 90 Prozent des verwendeten Mais, der Sojabohnen und der

    Zuckerrüben sind gentechnisch verändert.¹⁹ In Amerika gibt es keine

    Kennzeichnungspflichten. Umgekehrt unterliegen in Europa verbreitete und

    nicht besonders gekennzeichnete Produkte in den USA Beschränkungen. So wird

    etwa der französische Roquefort-Käse aus Rohmilch von den

    US-Gesundheitsbehörden als bedenklich eingestuft. In den USA dauert der

    Zulassungsprozess für Grüne Gentechnik durchschnittlich 15 Monate, in der

    EU 40.²⁰ Für die Unterschiede zwischen den USA und der EU bei der

    Regulierung der Grünen Gentechnik gibt es unterschiedliche

    Erklärungsansätze. Einige gehen davon aus, dass die Konsumenten in der EU

    der Gentechnik gegenüber negativer eingestellt wären als US-Konsumenten,

    dass Lebensmittelskandale (z. B. BSE oder Dioxin) in den 1990er Jahren

    stärkere Regulierung zur Folge hatten oder dass das Vertrauen der

    Konsumenten in die Regulierungsbehörden in der EU niedriger ist. Andere

    Forscher argumentieren, dass die Regulierung in den USA deswegen weniger

    strikt ist, weil die dortigen Landwirte aus der Grünen Gentechnik einen

    größeren Nutzen ziehen könnten als EU-Landwirte.²¹

    Die Pharmaindustrie erhofft sich Erleichterungen bei der Zulassung von

    Medikamenten, die bisher nach unterschiedlichen Verfahren in Deutschland

    und den USA geprüft werden müssen. Nach Ansicht des Vorstandsmitglied der

    E. Merck KG, Karl-Ludwig Kley, könnten die Verbraucher von niedrigeren

    Preisen profitieren. Kritiker bezweifeln diese Vorteile.²²

    Umweltstandards

    Die Umweltstandards in den USA und in Europa haben unterschiedliche

    Ansätze. In der EU gilt das Vorsorgeprinzip, in den USA dagegen „kann ein

    Stoff so lange verwendet werden, bis eine von ihm ausgehende beträchtliche

    Gefahr nachgewiesen ist."²³

    Im Dezember 2013 war Fracking in den nicht-öffentlichen Verhandlungen zu

    TTIP Verhandlungsgegenstand.²⁴

    Deregulierung des Finanzsektors

    Als Reaktion auf die Finanzkrise ab 2007 hatten die USA in den vergangenen

    Jahren schärfere Regeln im Finanz- und Bankensektor durchgesetzt. Dazu

    gehört etwa die Reglementierung und das teilweise Verbot riskanter

    Finanzprodukte, die weithin als einer der Auslöser der Krise angesehen

    werden. Ein Verhandlungsgegenstand von TTIP ist die Rücknahme von

    Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor.²⁵ Der Ökonom

    Michael R. Krätke schrieb dazu:

      „Die Ironie der Geschichte: In den USA gelten im Moment noch striktere

    Finanzmarktregeln als in Europa. Wenn alle Dienstleistungssektoren

      ‚liberalisiert' werden sollen, gilt das selbstverständlich auch für die

    Finanzdienstleistungen. Folglich steht uns eine seltsame Allianz der

    Finanzmarktderegulierer ins Haus, die die gerade erst begonnene

    Reregulierung von Banken und Finanzmärkten mit Elan wieder zurückdrehen

    werden – die Lobbyisten der britischen ‚Finanzindustrie' an der Spitze

    der Bewegung."²⁶

    Industriestandards

    Zwischen der EU und den USA gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher

    Produktnormen, etwa in der Chemie-, Metall-, und Pharmaindustrie. Bei den

    Zulassungsverfahren müssen Fahrzeuge beispielsweise ganz unterschiedliche

    Crashtests absolvieren. Eine Angleichung durch TTIP könnte nach Ansicht der

    EU-Kommission den transatlantischen Handel ausweiten.²⁷

    Wirtschaftlicher und politischer Hintergrund

    Durch die große wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Union und der

    USA (50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts) würde TTIP potenziell

    die weltgrößte Freihandelszone bilden. Der Handel der Europäischen Union

    und der USA umfasst rund ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens.²⁸ Im

    Folgenden werden die transatlantischen Handelsströme für Güter und

    Dienstleistungen für das Jahr 2013 dargestellt:²⁸

    Eine derartige Freihandelszone wurde seit etwa dem Beginn der 1990er Jahre

    diskutiert, auch unter dem Namen Wirtschafts-NATO.²⁹ ³⁰ Nach offiziellen

    Stellungnahmen soll durch das Abkommen unter anderem das

    Wirtschaftswachstum in den Teilnehmerstaaten belebt, die Arbeitslosigkeit

    gesenkt und das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer erhöht werden.

    Spitzenvertreter der Europäischen Union wie José Manuel Barroso,

    EU-Handelskommissar Karel De Gucht, die deutsche Bundeskanzlerin Angela

    Merkel und zahlreiche weitere europäische Spitzenpolitiker sowie auch

    US-Präsident Obama haben Notwendigkeit und positive Effekte des Abkommens

    vielfach betont. Merkel meinte im Februar 2013: „Nichts wünschen wir uns

    mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den Vereinigten

    Staaten."³¹ ³² ³³ ³⁴ Im Koalitionsvertrag von 2013 betonen die regierenden

    Parteien, dass sie zum Vertrag stehen. Sie bekennen sich zur

    parlamentarischen Kontrolle und schreiben, sie werden auf die Sicherung der

    herrschenden Schutzstandards Wert legen, insbesondere „im Bereich des

    Datenschutzes, der europäischen Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards

    sowie auf den Schutz von Verbraucherrechten und öffentlicher

    Daseinsvorsorge sowie von Kultur und Medien".³⁵

    Das geplante Abkommen wird von Teilen der Politik, Journalisten,

    Verbraucherschutz- und Umweltschutzorganisationen sowie

    Nichtregierungsorganisationen massiv kritisiert. So werde es von

    Lobby-Vertretern der Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne

    tatsächliche parlamentarische Kontrolle der nationalen Parlamente oder des

    EU-Parlaments und damit faktisch ohne demokratische Kontrolle verhandelt.

    Die zu erwartenden positiven wirtschaftlichen Effekte für die Bevölkerung

    der Teilnehmerstaaten seien sehr gering und würden von zahlreichen

    gravierenden Nachteilen begleitet. So würden durch das Abkommen Umwelt- und

    Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht. Die

    angestrebte „Harmonisierung" von Standards orientiere sich laut Kritikern

    an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren, weil Harmonisierung

    bedeute, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw.

    wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die

    verbindliche Norm des Vertrags dienen werde. Das dadurch ausgelöste Race to

    the bottom führe zu weiteren negativen Globalisierungseffekten. Die

    Europäische Kommission und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)

    verweisen darauf, dass eine Senkung von Standards nicht beabsichtigt sei

    und eine Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung nur auf der Basis

    bestehender hoher europäischer Standards erfolgen solle.³⁶

    Kritiker des geplanten Abkommens fürchten, dass Unternehmen bei Verstößen

    gegen die Vertragsregeln „gigantische Entschädigungen" durchsetzen könnten.

    Sie verweisen auf schon bestehende Handelsabkommen, auf deren Grundlage

    Konzerne etwa gegen ein Moratorium vorgehen, das die Gasförderung mittels

    Fracking aussetzt, oder auf Entschädigung wegen des Atomausstiegs in

    Deutschland pochen. Im Zuge des geplanten Transatlantischen

    Freihandelsabkommens würden Konzerne anstreben, Kennzeichnungspflichten für

    gentechnisch veränderte Lebensmittel und das Verbot von unter Einsatz von

    Hormonen erzeugtem Fleisch zu kippen.²⁵ ³⁷ Die Europäische Kommission hat

    hingegen erklärt, dass bestehende nationale oder europäische Gesetze nicht

    vor einem Schiedsgericht angegriffen werden können, sofern sie nicht

    diskriminierend angewendet werden.³⁶

    Die Vorteile, die das Abkommen den Unternehmen bieten soll, wären zudem

    bindend, dauerhaft und praktisch nicht mehr veränderbar – weil jede

    einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten

    geändert werden könnte, sobald der Vertrag in Kraft getreten sei.²⁵ Das

    Abkommen wurde als „undemokratisch", als „unvereinbar mit demokratischen

    Prinzipien und als „Unterwerfung der Teilnehmerstaaten unter

    Konzerninteressen bezeichnet.²⁵ ³⁸

    Prognosen der wirtschaftlichen Effekte

    Befürworter

    Studie des CEPR

    Die EU-Kommission hatte im Vorfeld der Verhandlungen eine Studie beim

    Londoner Centre for Economic Policy Research (CEPR) in Auftrag gegeben. Die

    Studie mit dem Titel „Abbau der Hindernisse für den transatlantischen

    Handel"³⁹ ⁴⁰ skizzierte dabei die wirtschaftlichen Auswirkungen und

    Folgeabschätzungen eines Freihandelsabkommens für die EU und die USA. Das

    Forschungsinstitut befürwortete danach ein Freihandelsabkommen und sah für

    die EU-Wirtschaft ein Potential von rund 119 Milliarden Euro (ungefähr 233

    Euro pro EU-Bürger). Die US-Wirtschaft wiederum habe ein maximales

    Potential aus dem Freihandelsabkommen in Höhe von 95 Milliarden Euro. Das

    CEPR kommt zu dem Ergebnis, dass ein kontinuierlich um rund 0,5 Prozent

    höheres Bruttoinlandsprodukt (entspräche etwa 65 Milliarden Euro) durch ein

    Freihandelsabkommen möglich sei. Nach der Analyse von Sabine Stephan⁴¹ der

    Hans Böckler Stiftung besagt die Studie des CEPR, dass bei einem

    umfassenden Freihandelsabkommen das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU

    im Jahr 2027 um 0,48 Prozent und das der USA um 0,39 Prozent höher wäre als

    ohne Freihandelsabkommen. Diese Zahlen gäben den Gesamteffekt an. Dieser

    beziffert die ökonomischen Effekte des Abkommens am Ende einer

    Anpassungsphase von etwa 10 bis 20 Jahren, also auf lange Sicht.⁴² Diese

    Einschätzung wird in der „Erläuterung der wirtschaftlichen Analyse" der

    Europäischen Kommission bestätigt: „Diese wirtschaftlichen Gewinne

    entsprächen in der EU und den USA einem – gegenüber dem Szenario ohne TTIP

    – zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,5 % bzw. 0,4 % des BIP bis

    2027."⁴³ Auch der BDI korrigierte seine früher fälschlicherweise als

    jährliches Wachstum interpretierte Aussagen zu den Wachstumseffekten.⁴⁴

    Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung (17. Juni

    2013)⁴⁵

    Zwei Szenarien wurden simuliert. Die Abschaffung der Zölle allein wäre fast

    wirkungslos. Der Abbau zollfremder Maßnahmen wie Qualitätsstandards,

    Verpackungs- und Bezeichnungsvorschriften oder Herkunftsangaben sowie

    technische oder rechtliche Anforderungen an importierte Produkte, der Abbau

    von Förderungen der eigenen Exporte durch Steuervorteile oder finanzielle

    Förderungen führt in Szenario 2 jedoch zu Wachstumsimpulsen. Das

    Handelsvolumen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik

    würde sich verdoppeln (dafür gäbe das Volumen mit den südlichen

    Euro-Ländern um 30 Prozent nach), zwei Millionen neue Arbeitsstellen in den

    OECD-Staaten würden geschaffen, davon 1,1 Millionen in den Vereinigten

    Staaten sowie 181.000 in Deutschland. Geschwächt würden traditionelle

    Handelspartner der USA wie Kanada (−9,5 Prozent), Mexiko (−7,2 Prozent) und

    Japan (−6 Prozent). „Weitere Verlierer wären die Entwicklungsländer, vor

    allem in Afrika und Zentralasien."

    Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bundesregierung 21. Januar 2015⁴⁶

    Nach den Modellannahmen rechnet die Studie im Auftrag der Bundesregierung

    damit, dass TTIP in Europa bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann,

    100.000 davon in Deutschland. TTIP hätte direkte Effekte auf circa 45

    Prozent der Weltwertschöpfung und 30 Prozent des Welthandels. Für

    Deutschland schätzt das ifo-Institut in München einen dauerhaften Zuwachs

    des realen Pro-Kopf-Einkommens von bis zu 3,5 Prozent. Negative Effekte für

    die Länder der Dritten Welt gebe es nicht oder nur in geringem Maße.

    Energiewirtschaftliche Optionen

    Die unter dem Einfluss des Krieges in der Ukraine seit 2014 stehende EU

    könnte durch den Abbau von Handelsbarrieren Energie günstiger aus den USA

    importieren, um in diesem Bezug unabhängiger von Russland zu sein. Dazu bot

    Obama schon zu Beginn des Konflikts im März 2014 die USA als Gaslieferanten

    an.⁴⁷ Für kleine und mittlere Unternehmen, denen der Markt jenseits des

    Atlantiks bisher zu undurchsichtig oder unrentabel war, biete TTIP

    beträchtliche Expansionsmöglichkeiten. Verbraucher könnten von einer

    größeren Produktauswahl und geringeren Preisen profitieren und Unternehmen

    in den USA und der EU könnten leichter miteinander kooperieren.⁴⁸

    Regionale Vorteile für Bundesländer

    Auf Länderebene tritt die hessische Landesministerin für Bundes- und

    Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich (CDU), für das TTIP ein und sieht mit

    ihm „eine große Chance … für die hessische Wirtschaft".⁴⁹

    Geopolitische Optionen

    Neben der wachstumsorientierten Argumentation argumentieren viele

    Befürworter des Abkommens auch machtpolitisch: Durch TTIP entstehe ein

    geopolitischer Block, der auf Jahrzehnte die Produktstandards und

    Konditionen des Welthandels diktieren könnte, was Ängste bei China und

    Indien auslöst, über diese nahezu globalen Standards nicht mitverhandeln zu

    können.⁵⁰ Aber auch ordnungspolitische Argumente finden sich; sie zielen

    auf die Herstellung von mehr Chancengleichheit im transatlantischen

    Handel.⁵¹

    Kritiker

    Kritiker führen an, dass das TTIP-Projekt die von Befürwortern genannten

    positiven Effekte nicht erreichen werde bzw. dass die positiven Effekte im

    kaum oder nicht messbaren Bereich lägen, selbst bei wohlwollender

    Betrachtungsweise. Zu diesen Kritikern gehören auch die

    Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman und Joseph E. Stiglitz.⁵²

    Beim „Forum Wirtschaft" waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion –

    Bernhard Mattes, Vorstandsvorsitzender Ford Deutschland und Präsident der

    American Chamber of Commerce in Germany, Reinhard Bütikofer, MdEP und

    Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, Prof. Irwin Collier,

    Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzender des John-F.-Kennedy-Instituts

    an der Freien Universität Berlin, sowie Jackson Janes, Präsident des

    American Institute for Contemporary German Studies an der

    Johns-Hopkins-Universität in Washington, D.C. – einig, dass das

    Freihandelsabkommen netto nicht zu mehr Arbeitsplätzen führen werde.⁵³

    Die amerikanische Handelsrechtsexpertin und Aktivistin Lori Wallach

    schrieb:

      „Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International

    Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU –

    selbst unter extrem blauäugigen Annahmen – allenfalls um ein paar

    Promille wachsen würde, und das ab 2029. Den meisten bisherigen Prognosen

    liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke

    Wirtschaftsdynamik auslösten – was empirisch längst widerlegt ist.

    Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann – räumen die Autoren der

    Studie ein – schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch

    irrelevante 0,06 Prozent."²⁵

    Die von der EU-Kommission selbst in der Öffentlichkeit angegebenen Zahlen

    seien nicht das wahrscheinlichste, sondern das optimistischste Szenario,

    und zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren. So soll sich durch TTIP laut

    EU-Kommission das Einkommen einer vierköpfigen Familie pro Jahr

    durchschnittlich um 545 Euro erhöhen.⁵⁴ Auf der Website der Arbeitsgruppe

    Alternative Wirtschaftspolitik schreibt der Sozialwissenschaftler⁵⁵ Tobias

    Kröll dazu:

      „Es geht hier um eine Wirtschaftsunion mit 28 Mitgliedsstaaten mit

    jeweils unterschiedlichster Bevölkerungs-, Wirtschafts- und

    Sozialstruktur, sowie unterschiedlichsten Tarifstrukturen. Innerhalb der

    Staaten gibt es dazu noch jeweils unterschiedlichste Regionen. Es ist

    schon sehr gewagt, auf dieser Basis mit dem Betrag von 545 Euro in

    Verbindung mit einer ‚durchschnittlichen vierköpfigen Familie' für das

    Freihandels-Abkommen zu werben. Damit wird nun langsam deutlich, dass es

    (auch ohne TTIP-Abkommen) in der Wirtschaft in erster Linie um die

    Verteilung des jeweils erwirtschafteten Reichtums geht."⁵⁶

    Die angegebenen zwei Millionen neue Arbeitsplätze beziehen sich auf den

    gesamten Freihandelsraum mit über 800 Millionen Menschen. Eine von

    TTIP-Befürwortern häufig zitierte Studie der Bertelsmann Stiftung geht von

    einem Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland um insgesamt 0,11

    Prozent aus.⁵⁷ Grundsätzliche Kritik hinsichtlich des Aufbaus und der

    neoklassischen Annahmen der Studien wurde vom Psychologen Jascha Jaworski

    geäußert.⁵⁸

    Nach dem Diskussionspapier eines Doktoranden⁵⁹ des Global Development and

    Environment Institute der US-amerikanischen Tufts University⁶⁰ würde die

    Zunahme des transatlantischen Handels durch eine Abnahme des

    innereuropäischen Handels kompensiert. Durch die TTIP würden 600.000

    Arbeitsplätze in Europa verloren gehen und es zu einem Einkommensverlust

    von 165 bis zu 5.000 Euro pro Person und Jahr kommen. Zudem werden eine

    gesteigerte makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das

    Wirtschaftswachstum und eine sinkende Lohnquote prognostiziert. Der

    methodische Unterschied zu anderen Studien beruht darin, dass nicht ein

    Allgemeines Gleichgewichtsmodell, sondern das United Nations Global Policy

    Model verwandt wurde.⁶¹ ⁶² ⁶³ ⁶⁴ ⁶⁰ ⁶⁵ Der Autor der Studie empfiehlt für

    den Aspekt der Investitionen weitere Untersuchungen der finanziellen

    Auswirkungen von TTIP, da nach der Studie eine höhere finanzielle

    Instabilität zu erwarten ist.⁶⁰

    Zu einer moderaten Kritik kommt Gabriel Felbermayr, der als Leiter des

    Zentrums für Außenwirtschaft des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung die

    Auswirkungen des transatlantischen Freihandelsabkommens erforscht. Er

    erwartet für den Verbraucher sinkende Preise, jedoch einen erhöhten

    Konkurrenzdruck für die Unternehmen, von denen manche vom Abkommen

    profitieren könnten, andere jedoch nicht.⁶⁶

    Historie

    Der Weg zum Transatlantic Economic Council

    Die Idee eines umfangreichen Freihandelsabkommens zwischen den USA und den

    EU-Staaten wurde in Deutschland erstmals durch den damaligen

    Bundesaußenminister Kinkel 1995 „prominent bekannt gemacht".⁶⁷

    Transatlantische Erklärung 1990

    Schon 1990 hatten die exekutiven Organe der Europäischen Gemeinschaft und

    der USA die transatlantische Erklärung zur Zusammenarbeit und zum Dialog

    verabschiedet und den „transatlantischen Dialog" als Institution gegründet,

    der seither auf verschiedenen Ebenen stattfand.

    Transatlantische Agenda 1995

    1995 beschlossen die EU und die USA die Wirtschaftsbeziehungen weiter

    auszubauen. Während des EU-USA-Gipfeltreffens am 3. Dezember 1995 in Madrid

    wurde die Erklärung durch die Neue Transatlantische Agenda (NTA) ersetzt.

    Absicht des 150 Einzel-Ziele umfassenden Aktionsplans war die engere

    politische, militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die

    grundsätzlichen Ziele waren nach wie vor die Sicherung von Frieden und

    Stabilität, wobei der NATO eine herausragende Rolle zukam. Außerdem wurden

    die Bewältigung globaler Herausforderungen, die Vertiefung der

    Wirtschaftsbeziehungen, die Förderung des Welthandels und auch eine

    transatlantische Brückenbildung im gesellschaftlichen Bereich genannt. Die

    Europäische Gemeinschaft und USA vereinbarten eine Vertiefung ihrer

    Handelspartnerschaft durch eine Freihandelszone.⁶⁸ ⁶⁹ ⁶⁹

    Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft 1998

    1998 wurde die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft beschlossen, die

    auf dem Transatlantischen Aktionsplan basierte. Gemeinsame Maßnahmen in den

    Bereichen Handel und Investitionen wurden angestrebt.⁷⁰

    Transatlantischer Wirtschaftsrat 2007, Rahmenvereinbarung zur

    transatlantischen Wirtschaftsintegration

    Am 30. April 2007 wurde die Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der

    transatlantischen Wirtschaftsintegration zwischen der Europäischen Union

    und den USA unterzeichnet.⁷¹ Der daraufhin gegründete Transatlantische

    Wirtschaftsrat (TEC) befasste sich fünf Jahre lang mit den Hürden, die

    einer Einigung voraussichtlich im Wege stehen würden.⁷² In der

    Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen

    Wirtschaftsintegration heißt es: „Wir bekennen uns zum Abbau von Hemmnissen

    im transatlantischen Handel, …zum Herbeiführen einer wirksameren,

    systematischeren und transparenteren regulatorischen Zusammenarbeit…, zur

    Beseitigung unnötiger Unterschiede zwischen unseren

    Regulierungssystemen…".⁶⁹ Als Berater werden unter anderem Mitglieder der

    amerikanischen Handelskammer, der europäische Arbeitgeberverband

    Businesseurope und die Bertelsmann Stiftung eingesetzt.⁶⁹ Seit 2009 wurde

    mit den Verhandlungen zu CETA (EU-Kanada-Freihandelsabkommen) eine Art

    Blaupause zum Handelsabkommen zwischen den USA und der EU entwickelt.⁷³ ⁷⁴

    Vorbereitung durch die High Level Working Group

    Auf dem EU-US-Gipfeltreffen am 28. November 2011 setzten der US-Präsident

    Barack Obama und der Präsident des europäischen Rates, Herman van Rompuy,

    im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats (TEC) die Gründung einer

    High-Level Working Group on Jobs and Growth ein, deren Mitglieder lange

    geheim blieben, bis sie auf Druck der NGO Corporate Europe Observatory

    veröffentlicht wurden.⁷⁵ Diesem Beratungsgremium, das zuerst am 23. April

    2012 tagte, gehörten nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation attac vor

    allem liberale Technokraten (u. a. Vertreter von Businesseurope und der

    Bertelsmann-Stiftung) an, von denen keiner ein demokratisches Mandat

    besitze.⁷⁶ Geführt wurde diese Arbeitsgruppe durch den Handelsvertreter der

    Vereinigten Staaten (USTR) Ron Kirk und den europäischen Kommissar für

    Handel Karel De Gucht.

    Obama, EU-Kommissionspräsident Barroso und Herman Van Rompuy⁷⁷ sprachen

    sich am 13. Februar 2013 in einer gemeinsamen Erklärung für eine

    Freihandelszone ihrer beiden Wirtschaftsblöcke aus.⁷⁸ ⁷⁹

    Beginn der Verhandlungen

    Im Juni 2013 einigten sich die EU-Handelsminister auf ein

    Verhandlungsmandat für die Verhandlungen des Freihandelsabkommens mit den

    Vereinigten Staaten. Der audiovisuelle Wirtschaftsbereich (Film- und

    Musikproduktionen) wurde von den Verhandlungen auf Wunsch Frankreichs

    vorerst ausgeklammert.⁸⁰

    Die Aufnahme der Verhandlungen wurde am 17. Juni 2013 vom Präsidenten der

    EU-Kommission José Manuel Barroso zusammen mit US-Präsident Barack Obama,

    Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy und dem britischen

    Premierminister David Cameron auf einer Pressekonferenz am Rande des

    G8-Gipfeltreffens in Nordirland verkündet als „machtvolle Demonstration der

    Absicht, eine freie, offene und auf vereinbarten Regeln beruhende Welt zu

    formen".⁸¹

    Die Verhandlungen führt auf europäischer Seite die Europäische Kommission.

    Nachdem Ende Juni 2013 bekannt geworden war, dass die NSA unter anderem

    auch EU-Vertretungen abgehört hat,⁸² drohten einzelne Mitglieder wie

    Justizkommissarin Viviane Reding im Zug der Überwachungs- und

    Spionageaffäre 2013 damit, sich für ein Ruhen der Gespräche auszusprechen:

    „Partner spionieren einander nicht aus. Wir können nicht über einen großen

    transatlantischen Markt verhandeln, wenn der leiseste Verdacht besteht,

    dass unsere Partner die Büros unserer Verhandlungsführer ausspionieren."⁸³

    Verhandlungsführer seit Dezember 2013 sind auf EU-Seite der Spanier Ignacio

    Bercero aus der Generaldirektion Handel bei der EU-Kommission und für die

    USA Dan Mullaney.

    Die Verhandlungsrunden

    Im Juli 2013 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Reihe von

    Positionspapieren zu verschiedenen Aspekten der Verhandlungen. Sie wurden

    den US-Vertretern bei der ersten Verhandlungsrunde vorgelegt.⁸⁵

    Nach der sechsten Verhandlungsrunde veröffentlichte die Europäische

    Kommission ein Papier mit dem aktuellen Stand der Verhandlungen.⁸⁶ ⁸⁷

    In der siebten Verhandlungsrunde wurde über die Vereinheitlichung der

    Vorschriften für Technik und Sicherheit für Kraftfahrzeuge verhandelt. Man

    beschloss, dass öffentliche Dienstleistungen, Wasserversorgung und Bildung

    bei TTIP außen vor bleiben sollen. Die Regeln für Chemikalien sollen nicht

    harmonisiert oder gegenseitig anerkannt werden, lediglich bessere

    Klassifizierungen sollen verhandelt werden.⁸⁸

    Die achte Verhandlungsrunde wollte über Regulierungen und Standards in

    folgenden Bereichen verhandeln:⁸⁹ ⁹⁰ Investitionsschutz (Schiedsgerichte),

    Lebensmittel, Nachhaltigkeit, Energie und Rohstoffe, Pharmabranche,⁹¹

    Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen, Zollabbau, geografisch

    geschützte Angaben, Handelshemmnisse etwa durch unterschiedliche technische

    Standards.⁹¹

    Nach der achten Verhandlungsrunde „lobten die Unterhändler der EU und der

    USA die erzielten Fortschritte. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Das

    umstrittene Thema Investitionsschutz blieb bei den Gesprächen weiterhin

    ausgeklammert. US-Vizepräsident Biden sagte, man müsse das amerikanische

    Volk davon überzeugen, dass Europa sich für das Abkommen ebenso

    interessiere wie die USA. Weitere Verhandlungsrunden folgen im April und im

    Juni. Die Beratungen sollen Ende 2015 abgeschlossen werden."⁹¹

    In der zehnten Runde ging es um die Absenkung von Zöllen, eine Annäherung

    von Standards im Maschinen- und Anlagenbau, Energie- und Rohstofffragen,

    Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen und den Schutz von

    Herkunftskennzeichnungen im Agrarsektor. Ca. 312 Lobbygruppen, darunter ca.

    ein Dutzend Nicht-Wirtschafts-NGOs, konnten am 15. Juli ihre Stellungnahmen

    abgeben.⁹²

    In der elften Runde verhandelten die über 120 Unterhändler im relativ

    unstrittigen Kapitel Warenhandel und Zölle darüber, möglichst 97 Prozent

    aller Zölle – z. T. nach Übergangsfristen – abzuschaffen; Experten beider

    Seiten werden die Details der vorliegenden Vorschläge abgleichen. Beim

    umstrittenen Thema regulatorische Zusammenarbeit, einer zukünftigen

    möglichst weitgehenden Harmonisierung von Normen und Vorschriften, wurden

    Vorschläge diskutiert zu Pharmaprodukten und medizinischen Geräten,

    Textilien und Kraftfahrzeugen, Chemikalien und Pestiziden sowie neuerdings

    auch Energie, Rohstoffen und Finanzdienstleistungen.⁹³

    EU-Verhandlungsführer Ignacio Bercero forderte, die nationalen Parlamente

    in die Expertenräte dieser regulatorischen Kooperation einzubinden.⁹⁴

    Interessensgegensätze gab es laut Garcia beim Schutz von

    Herkunftsbezeichnungen. Während die EU Bezeichnungen wie Böhmisches Glas,

    Carrara-Marmor oder Meissener Porzellan geschützt lassen will, wollen die

    USA Produkte eher durch Marken und Warenzeichen schützen und es

    US-Produzenten erlauben, Waren wie Camembert-Käse oder Parma-Schinken in

    die EU zu verkaufen.⁵ Für die Liberalisierung von Dienstleistungen werde es

    bald einen ersten gemeinsamen Textentwurf geben. Der Vorschlag der

    EU-Kommission über Investitionsschutz und die Schaffung eines unabhängigen

    Investitionsgerichts vom 16. September 2015⁹⁵ wurde erst im November 2015

    und damit nach Abschluss der 11. Runde an die USA übermittelt.⁹⁶

    In der 12. Runde in Brüssel vom 22. bis zum 26. Februar 2016 ging es um den

    Investitionsschutz (Schiedsgerichte), die regulatorische Kooperation,

    Nachhaltigkeit und öffentliche Auftragsvergabe.⁹⁷ ⁹⁸

    Nach der 13. Runde vom 25. bis 29. April 2016 in New York, in der es um

    Marktzugang und Regulierungsfragen ging,⁹⁹ gaben sich die beiden

    Chefunterhändler optimistisch: Sie hätten in allen Bereichen „significant

    progress gemacht „to consolidate as many texts as we can.¹⁰⁰ Strittig

    bleiben außer dem Agrarbereich das Thema öffentliche Ausschreibungen und

    das protektionistische „Buy American"; doch die Einigungen sind „marginal

    angesichts all der ausstehenden Fragen, etwa beim Marktzugang europäischer

    Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen auf amerikanischen Märkten.

    Oder bei Arbeitnehmerrechten, dem Investitionsschutz oder

    Herkunftsbezeichnungen".¹⁰¹

    Kritische Positionen aus der Zivilgesellschaft

    Initiative „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen TTIP" Juli 2014

    Die Initiative „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen TTIP"¹⁰² mit

    mehr als 80 Professorinnen und Professoren, gegründet vom Mediziner

    Karl-Franz Kaltenborn, forderte am 17. Juli 2014 in einem offenen Brief an

    die Bundeskanzlerin den Stopp der Verhandlungen über das

    Freihandelsabkommen sowie eine verantwortungsvolle Politik für eine

    nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft.¹⁰³ Auf ihrer Website

    kritisiert die Initiative neben TTIP auch CETA.¹⁰⁴

    Gemeinsame Erklärung von Wissenschaftlern an der Universität Kent Juli 2014

    Mehr als hundert Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben in einer

    gemeinsamen Erklärung zum Freihandelsabkommen TTIP auf der Website der Kent

    Law School ihre tiefe Besorgnis ausgedrückt und insbesondere die geplanten

    Bestimmungen über Investitionsschutz und Investor-Staat-Gerichtsbarkeit

    (ISDS) kritisiert.¹⁰⁵

    Offener Brief von Rechtswissenschaftlern in den USA März 2015

    In den USA haben mehr als 100 Rechtswissenschaftler Kongress und Regierung

    aufgefordert, die Demokratie und Souveränität in den US-Handelsabkommen zu

    schützen und widersprechen möglichen Vereinbarungen in den Handelsabkommen,

    die es multinationalen Unternehmen erlauben würden, mittels

    Investor-Staat-Gerichtsbarkeit US-Gerichte auf unverifizierbare Weise zu

    umgehen.¹⁰⁶

    Offener Brief von 40 Organisationen März 2015

    In einem offenen Brief an den US-Handelsbeauftragten fordern mehr als 40

    Organisationen, darunter Bürgerrechtsbewegungen, Naturschutzbünde und

    mehrere Kirchen, eine Streichung des Investitionsschutzes aus den

    Verhandlungen. Sie bemängeln, die Regierung könne in einem Schiedsverfahren

    ausschließlich die Rolle des Beklagten einnehmen und dass selbst im

    Gewinnfall die durchschnittlichen Prozesskosten in Höhe von acht Millionen

    Dollar auf die Steuerzahler entfielen.¹⁰⁷ ¹⁰⁸

    Öffentliche Stellungnahme des deutschen Richterbundes Februar 2016

    Der Deutsche Richterbund lehnte im Februar 2016 das im Herbst 2015 von der

    EU-Kommission vorgeschlagene internationale Investitionsgericht ab. Die

    Richter sehen „weder eine Rechtsgrundlage noch eine Notwendigkeit für ein

    solches Gericht", „die Schaffung von Sondergerichten für einzelne Gruppen

    von Rechtsuchenden" sei der falsche Weg. Ein öffentlicher Gerichtshof für

    Investoren werde die Rechtssetzungsbefugnis der Mitgliedsstaaten und der

    Union zu stark beschränken. Es fehle ihm zudem die nötige Rechtsgrundlage.

    Das Verfahren zur Ernennung der Richter genüge nicht den internationalen

    Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. Bei den Mitgliedstaaten

    handele es sich um Rechtsstaaten, welche allen Rechtsuchenden den Zugang

    zum Recht über die staatliche Gerichtsbarkeit eröffnen und garantieren. Es

    sei Aufgabe der Mitgliedstaaten, den Zugang zum Recht für alle

    sicherzustellen und durch die entsprechende Ausstattung der Gerichte dafür

    zu sorgen, dass der Zugang auch für ausländische Investoren gangbar ist.

    Die Einrichtung eines internationalen Investitionsgerichts sei daher „der

    falsche Weg, Rechtssicherheit zu gewährleisten". Auch die Unabhängigkeit

    der Richter in einem Sondergericht sei fraglich. Der Deutsche Richterbund

    forderte den deutschen und den europäischen Gesetzgeber des Weiteren auf,

    den Rückgriff auf Schiedsverfahren im Bereich des internationalen

    Investorenschutzes weitgehend einzudämmen.¹⁰⁹ ¹¹⁰

    Reaktion der Verhandlungspartner

    Eines der in der öffentlichen Diskussion kontroversesten Elemente des

    geplanten Abkommens ist die Einbeziehung von Klauseln zum

    Investitionsschutz, bei deren Verletzung Investoren gegen den verletzenden

    Staat vor Schiedsgerichten auf Schadensersatz klagen könnten

    (Investitionsschiedsverfahren).

    In den Verhandlungen mit den USA wurde das Thema seit März 2014 nicht mehr

    behandelt.⁹⁶ Die Europäische Kommission führte seitdem eine „Öffentliche

    Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der

    Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen der TTIP"¹¹¹ durch. Mit einem

    Fragebogen konnten Unternehmen und Privatpersonen bis zum 6. Juli 2014 ihre

    Ansicht dazu äußern.

    Das EU-Parlament hat bereits im April 2014 gegen die Stimmen von Grünen und

    Linken einer Regelung der finanziellen Verantwortlichkeit bei

    Investor-Staats-Schiedsverfahren zugestimmt.¹¹² ¹¹³ In der Presse wurde

    dies als „Absegnen" des Investitionsschutzes in TTIP aufgefasst.¹¹⁴

    Nach den politischen Leitlinien des neuen Kommissionspräsidenten Jean

    Claude Juncker vom 15. Juli 2014 war geplant, die Position der EU zum

    Investitionsschutz zu überdenken und die Verhandlungen transparenter zu

    gestalten: „Allerdings werde ich als Kommissionspräsident auch

    unmissverständlich klarstellen, dass ich nicht bereit bin, europäische

    Standards im Bereich Sicherheit, Gesundheit, Soziales, Datenschutz oder

    unsere kulturelle Vielfalt auf dem Altar des Freihandels zu opfern.

    Insbesondere die Sicherheit unserer Lebensmittel und der Schutz

    personenbezogener Daten der EU-Bürgerinnen und -Bürger sind für mich als

    Kommissionspräsident nicht verhandelbar. Ebenso wenig werde ich

    akzeptieren, dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten

    durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt wird.

    Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz müssen auch in diesem

    Kontext gelten." (S. 9)¹¹⁵

    Dass es „zwischen entwickelten Rechtssystemen" auch ohne

    Investitionsschutzklauseln gehe, zeigten laut einer Rede von Sigmar Gabriel

    am 25. September 2014 im Bundestag die Freihandelsabkommen der USA und

    Kanada mit Singapur und Israel.¹¹⁶ Allerdings gebe es auch Mitgliedstaaten

    der Europäischen Union, in denen die Unternehmen nicht immer vor Willkür

    geschützt seien. Das Verhandlungsmandat für TTIP sehe aber keinen

    Automatismus zur Einrichtung von Investor-Staat-Schiedsverfahren vor.

    Deswegen sei es gut, dass die EU-Kommission die Verhandlungen darüber

    ausgesetzt habe und ein Konsultationsverfahren durchführt.¹¹⁶

    Während der 7. Verhandlungsrunde bis 3. Oktober 2014 wurde nicht weiter

    über Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren verhandelt: Die Europäer

    überdenken ihre Position neu, die USA halten weiter daran fest. Am 5.

    Februar 2015 wurde vom Ausschuss für internationalen Handel des

    Europäischen Parlaments ein Entwurf eines Berichts mit den Empfehlungen des

    Europäischen Parlaments an die Kommission zu den Verhandlungen über die

    transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)

    veröffentlicht.¹¹⁷ Der Bericht wurde auf Grundlage von Art. 108 Abs. 4 der

    Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments erstellt.¹¹⁸ Gemäß diesem

    Bericht ist der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) „im

    TTIP-Abkommen aufgrund der hochentwickelten Rechtssysteme der EU und der

    USA nicht notwendig".¹¹⁹

    Im Herbst 2015 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine

    grundsätzliche Reform des ISDS-Systems vorgelegt.¹²⁰ Statt Schiedsgerichten

    soll demnach ein öffentlicher Investitionsgerichtshof über Klagen wegen der

    Verletzung von Investorenrechten entscheiden. Dieser soll aus einem Gericht

    erster Instanz und einem Berufungsgericht bestehen, Urteile sollen von

    öffentlich ernannten Richtern mit hoher Qualifikation gefällt werden, die

    vergleichbar ist mit der von Mitgliedern anderer ständiger internationaler

    Gerichte wie des Internationalen Gerichtshofs und des

    WTO-Berufungsgremiums, die Möglichkeiten von Investoren, einen Fall vor das

    Gericht zu bringen soll genau definiert werden und die möglichen

    Klagegründe auf Fälle wie gezielte Diskriminierung wegen Geschlecht, Rasse

    oder Religion, Staatsangehörigkeit, Enteignung ohne Entschädigung oder

    formelle Rechtsverweigerung festgelegt werden.¹²⁰ Das Recht der Regierungen

    auf Regulierung soll in den Bestimmungen der Handels- und

    Investitionsabkommen garantiert werden.¹²⁰ Die Kommission wollte den

    Vorschlag anschließend mit dem Rat und Europäischen Parlament diskutieren.

    Anschließend sollte der Entwurf als EU-Vorschlag in die Handelsgespräche

    mit den USA eingehen und auch bei anderen laufenden und künftigen

    Verhandlungen als Verhandlungsbasis dienen.¹²⁰ Am 12. November 2015 gab die

    Kommission bekannt, dass der Vorschlag der US-Delegation in den

    TTIP-Verhandlungen präsentiert worden ist.¹²¹ Beobachter halten es für

    fraglich, ob die USA sich auf den Vorschlag einlassen werden.¹²²

    Schutz vor Missbrauch bei CETA

    Das als „Blaupause" für TTIP geltende geplante Freihandelsabkommen zwischen

    Europäischer Union und Kanada, CETA, sieht ebenfalls Regeln zum

    Investitionsschutz vor. Eines der Ziele des im September 2014 vorgestellten

    Vertragstextes von CETA ist es nach Angaben der EU-Kommission, verschiedene

    Arten von Missbrauch der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zu unterbinden:

    So könnten „missbräuchliche Klagen […] innerhalb weniger Wochen abgewiesen

    werden." Auch Doppelentschädigungen seien nicht möglich, da

    Parallelverfahren verboten sind. Zudem trage die unterliegende Partei die

    Kosten.¹²³

    Nachdem nach Protesten in Europa der Punkt der Schiedsverfahren im TTIP

    nachverhandelt und vermutlich abgeschwächt wird, im aber schon fertig

    verhandelten CETA noch die alte Version steht, befürchteten insbesondere

    kanadische Aktivisten, dass Kanada zur „Hintertür" für Schiedsverfahren

    wird, indem US-amerikanische oder europäische Firmen diese statt über TTIP

    mit Tochterfirmen in Kanada über CETA respektive das

    kanadisch-amerikanisch-mexikanische NAFTA durchsetzen.¹²⁴ Ende Februar 2016

    verkündete die EU-Kommission, dass auch in CETA anstelle von

    Schiedsgerichten ein institutionalisiertes internationales

    Streitbeilegungsgremium mit Möglichkeit der Berufung vorgesehen werden

    soll.¹²⁵

    Geheimhaltung und Enthüllungen

    Die Enthüllungsplattform Wikileaks setzte am 11. August 2015 eine Belohnung

    von 100.000 Euro für diejenigen aus, die die geheimverhandelten Dokumente

    des TTIP-Abkommens veröffentlichen würde.¹²⁶ ¹²⁷

    Am 2. Mai 2016 veröffentlichte die Umweltorganisation Greenpeace¹²⁸ eine

    Abschrift der Geheimdokumente.¹²⁹ Die Abschrift wurde erstellt, um einen

    maximalen Quellenschutz zu erreichen, da die Originaldokumente

    Rechtschreibfehler und Zufallsdaten enthalten könnten, die womöglich den

    Enthüller enttarnen sollten. Die Originaldokumente wurden an den

    Rechercheverbund der Süddeutschen Zeitung und des NDR vorab geschickt,

    welche die Echtheit der besagten Papiere verifizierten und schon am Tag der

    Arbeiterbewegung, dem Vortag der Enthüllung, über die Papiere

    berichteten.¹³⁰ ¹³¹

    Positionen politischer Parteien

    Positionen außerhalb Deutschlands

    USA

    In den Vereinigten Staaten sprechen sich Präsident Obama und die

    republikanische Mehrheit im Kongress für einen zügigen Vertragsschluss aus.

    Beide erwarten mit TTIP zusätzliche Arbeitsplätze und steigende Exporte in

    die EU. Als weitere Ziele gaben sie eine stärkere Verhandlungsmacht

    gegenüber Russland, globale Durchsetzung westlicher Normen sowie allgemein

    eine „Vertiefung der NATO" als Gegenpol zum zunehmend mächtigen China an.

    Die Demokraten hingegen sind beim Thema Freihandel zwiegespalten und haben

    ihrem Präsidenten eine Verhandlungsvollmacht bislang verweigert, um eine

    Umgehung des Kongresses bei der TTIP-Ratifizierung zu verhindern. Der

    besonders kritische demokratische Gewerkschaftsflügel befürchtet eine

    Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland und einen erhöhten

    Lohnsenkungsdruck.¹³² ¹³³ Im Bewusstsein der Zivilbevölkerung ist TTIP seit

    2014 und hat bereits zahlreiche Kritiker.¹³⁴ Während die Zustimmung zum

    Freihandel in den USA generell angestiegen ist (von 71 Prozent im Jahr 2014

    auf 82 Prozent 2016) sprechen sich nur 15 Prozent für TTIP aus, 2014 lag

    der Zustimmungswert noch bei mehr als 50 Prozent.¹³⁵

    Europäische Union

    Der Großteil der etablierten sowie der regierenden Parteien in den

    EU-Ländern befürworten das Abkommen. Die größte öffentliche Debatte über

    TTIP findet in Deutschland statt, die größte Ablehnung innerhalb der

    Politik findet sich in Österreich sowie in Griechenland.

    - Frankreich: Die sozialistische Regierung lehnt allenfalls

    Sonderklagerechte für Konzerne ab, befürwortet aber TTIP grundsätzlich.

    Die konservative Opposition steht hinter TTIP. Sehr kritisch wird TTIP

    von den Grünen und der Linken gesehen, grundsätzlich abgelehnt wird es

    vom rechtspopulistischen Front National. Teile der Zivilgesellschaft und

    der kommunalen Politik lehnen TTIP ab bzw. stehen ihm kritisch

    gegenüber.¹³⁶ ¹³⁷

    - Großbritannien: Sowohl die Regierung aus Konservativen und

    Liberaldemokraten als auch die Opposition in Form von Labour befürworten

    TTIP. Allerdings hält die linksliberale Scottish National Party das

    Abkommen für gesundheitspolitisch bedenklich.¹³⁶

    - Italien: Hier ist TTIP nur ein Randthema, die Regierung befürwortet es,

    die Opposition kritisiert es. Die rechtspopulistische Lega Nord hält das

    Abkommen für „wirtschaftlichen Selbstmord".¹³⁶

    - Spanien: TTIP ist hier ebenfalls nur ein Randthema. Regierung und

    mehrheitlich die im Parlament vertretene Opposition befürworten es. Die

    VereinteLinke hatte über TTIP eine – vom Parlament abgelehnte –

    Volksabstimmung zu TTIP beantragt. Ebenfalls lehnt die Partei Podemos das

    Abkommen grundsätzlich ab.¹³⁶

    - Portugal: Hier spielt TTIP politisch keine große Rolle. Die Regierung

    sieht durch TTIP 50.000 neue Arbeitsplätze. Die sozialistische Opposition

    bezieht nicht groß Stellung und kleinere linke Parteien kritisieren das

    Abkommen.¹³⁶

    - Niederlande: Die holländische Regierung befürwortet TTIP. Über das

    geplante Schiedsgerichtsverfahren ist – ohne Zustimmung der

    rechtsliberalen Regierungsfraktion – im Parlament eine Resolution

    verabschiedet worden, dass durch dieses das niederländische Rechtssystem

    nicht eingeschränkt werden dürfe.¹³⁶

    - Belgien: Die Sozialisten als größte Oppositionspartei fordern, dass die

    Verhandlungen ausgesetzt werden, um das Verhandlungsmandat neu zu

    bestimmen – unter anderem ohne ISDS-Klausel.¹³⁶

    - Schweden: Die sozialdemokratische Regierung sowie die konservative

    Opposition sind für das transatlantische Freihandelsabkommen.¹³⁶

    - Polen: Hier befürwortet die liberalkonservative Regierung das Abkommen.

    Allerdings wird in der Öffentlichkeit von einem breiten Bündnis

    Mitspracherecht der Bürger und Transparenz gefordert.¹³⁶

    - Baltische Staaten: In Estland, Lettland und Litauen sind Bevölkerung und

    Politik deutlich überwiegend für das Abkommen.¹³⁶

    - Tschechien: Die tschechische Mitte-links-Koalition befürwortet TTIP,

    betont allerdings die Beibehaltung der sozialen Standards. Einwände

    kommen von den Kommunisten und der Piratenpartei.¹³⁶

    - Bulgarien: Die Mitte-rechts-Regierung steht hinter dem Abkommen, die

    Opposition lehnt es ab.¹³⁶

    - Slowenien: Die Regierung fordert eine stärkere Berücksichtigung der

    kleineren Staaten sowie mehr Transparenz, lehnt TTIP aber nicht ab.¹³⁶

    - Ungarn: Die rechtsnationale Regierung befürwortet TTIP, abgelehnt wird es

    nur von der grünen Partei LMP.¹³⁶

    - Rumänien: Hier unterstützen alle politischen Parteien TTIP.¹³⁶

    - Österreich: Viele Politiker sind neutral oder gegen das Abkommen; allein

    der Wirtschaftsminister bekennt sich klar zu TTIP.¹³⁶

    - Griechenland: Aus Kreisen der SYRIZA-geführten Regierung wurde bereits

    kurz nach der Wahl im Januar 2015 angekündigt, dass Griechenland das

    Abkommen nicht ratifizieren werde.¹³⁸ Ansonsten steht das Thema klar im

    Schatten der alles überschattenden Finanzkrise. Ähnliches gilt für

    Zypern.

    Deutsche Politik

    Bei einer Umfrage im Jahr 2014 Jahren sprachen sich noch 55 Prozent der

    Deutschen für TTIP aus, nur jeder vierte war dagegen. Bei einer Umfrage im

    Jahr 2016 lehnte hingegen jeder dritte Deutsche das geplante Abkommen

    zwischen der EU und den USA komplett ab. 17 Prozent bewerteten TTIP

    positiv. Etwa die Hälfte der Befragten äußerte sich weder klar dagegen noch

    dafür.¹³⁵

    Position der Regierungsparteien

    Die deutsche Bundesregierung will mit TTIP die wirtschaftliche Vormacht von

    EU und USA ausbauen und gegen die Konkurrenz aus Asien sichern.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte¹³⁹ am 1. Oktober 2014:

      „Es geht darum, mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP neue

    Gesamtstandards zu setzen: Wenn man daran denkt, dass wir [EU plus USA]

    insgesamt 65 Prozent des Welthandels verkörpern, dann können wir auch

    eine Marktmacht entwickeln und dann mit einem solchen Abkommen auch

    weltweite Standards setzen."

    Diese weltweiten Standards würden dann „auch für China und Indien

    gelten."¹⁴⁰

    Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 21. Mai 2014 einen

    Beirat für TTIP einberufen; ihm gehören 22 Vertreter von Gewerkschaften,

    Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie des Kulturbereichs

    an.¹⁴¹

    Im Gegensatz zur Europäischen Kommission, die nicht vorhat, die EU-Staaten

    2015 nach Abschluss der Verhandlungen über das TTIP abstimmen zu lassen,

    schätzt die deutsche Bundesregierung ein, dass die Zustimmung nicht nur des

    Bundestags, sondern auch des Bundesrats erforderlich sei, da

    Länderzuständigkeiten berührt werden. Ferner kritisiert das deutsche

    Wirtschaftsministerium, dass seinen Beamten kein Zugang zu

    Verhandlungsdokumenten der USA gewährt wird.¹⁴²

    Im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie haben die CDU/CSU und die

    SPD einen Antrag¹⁴³ der Grünen (unterstützt von der Linken), in TTIP und

    CETA keine Schiedsgerichtsmechanismen aufzunehmen, abgelehnt.¹⁴⁴ Die

    CDU-Fraktion begründete ihre Ablehnung damit,

      „dass Schiedsgerichtsverfahren nicht per se zu verurteilen seien.

    Vielmehr stellten sie ein etabliertes Verfahren auf internationaler und

    nationaler Ebene dar, um Streitigkeiten beizulegen. Auch wenn man den

    Antrag in dieser Form ablehne, sei man für Diskussionen offen, ob

    Einschränkungen der Schiedsgerichtsverfahren erforderlich seien, etwa

    hinsichtlich der Veröffentlichung von allen Gerichtsunterlagen."

    Die SPD-Fraktion sagte

      „dass die Regelungen zu Schiedsgerichtsverfahren und Investorenschutz aus

    TTIP und CETA herausgenommen werden müssten. Der Antrag sei aber

    abzulehnen, da er zum falschen Zeitpunkt komme. Diskutiert werden müssten

    die fertigen Abkommen, wenn diese im Bundestag zur Debatte stünden. Wer

    über CETA und TTIP reden wolle, müsse zunächst die positiven Seiten

    darstellen und anschließend die roten Linien definieren"

    Nach Kritik aus der eigenen Partei betonte Wirtschaftsminister Gabriel im

    November 2014, dass er vor der Unterzeichnung von TTIP die Zustimmung des

    SPD-Parteitags beziehungsweise des Parteikonvents einholen werde.¹⁴⁵

    Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte im Oktober 2015, dass er in

    Übereinstimmung mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für jeden

    Mitgliedstaat der EU die Möglichkeit der Einsichtnahme in

    Verhandlungsdokumente fordert und eine Zustimmung zu TTIP von

    entsprechender Transparenz abhängig macht.¹⁴⁶

    Positionen der Opposition

    Die Linke

    Die Bundestagsfraktion der Linken lehnt TTIP vollständig ab. TTIP werde

    weder zu mehr Wachstum, noch mehr Jobs, noch mehr Wohlstand führen. Es

    drohten Gefahren für Standards und Demokratie. Konzernen würde noch mehr

    Gestaltungsmacht über politische Prozesse und die Gesellschaft gegeben.¹⁴⁷

    ¹⁴⁸ Die Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mit 125

    Einzelfragen zu den Auswirkungen von TTIP wurden von der Fraktion Die Linke

    als „substanzlose Werbebotschaften" kritisiert. Auch die allgemeine

    Zielsetzung der Bundesregierung wurde einer scharfen Kritik unterzogen:

    „Die Behauptung, das ‚Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA

    [würde] enorme Chancen bieten, um stärker als bisher zu beginnen, einer

    globalisierten Wirtschaft Spielregeln zu geben', ist vermessen und

    anmaßend. Nur eine multilaterale, demokratische Organisation wäre sinnvoll.

    Die Welthandelsorganisation (WTO) ist in Fragen des Handels und der

    Investitionen dazu aktuell nicht in der Lage und blockiert, da USA und EU

    nicht bereit sind zu akzeptieren, dass viele Entwicklungs- und

    Schwellenländer eigene und zwar andere Vorstellungen von „Spielregeln"

    haben. Wenn es solche globalen Regeln also (noch) nicht ausreichend gibt,

    dann unter anderem weil die USA und EU auf falsche oder zumindest

    einseitige Regeln zu ihrem Vorteil setzen."¹⁴⁹

    Bündnis 90/Die Grünen

    Die Grünen kritisieren vor allem das intransparente Verfahren, in das die

    Öffentlichkeit und das Europäische Parlament nicht ausreichend eingebunden

    seien. Sie fordern daher Verhandlungen auf Basis eines transparenten

    Verfahrens und eines neuen, besseren und öffentlichen

    Verhandlungsmandates.¹⁵⁰ Die Partei setzt sich außerdem dafür ein,

    Ausstiegsklauseln in den Vertragstext aufzunehmen, damit Mitgliedsstaaten

    auch nach Inkrafttreten des TTIP noch austreten können.¹⁵¹

    Widerstand aus der Zivilgesellschaft

    Positionen

    Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Mehr Demokratie e. V.¹⁵²

    und Attac,¹⁵³ ¹⁵⁴ Gewerkschaften wie Verdi,¹⁵⁵ ¹⁵⁶

    Verbraucherschutzorganisationen, Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace

    und der BUND, der Deutsche Kulturrat und Parteien wie Die Linke, Bündnis

    90/Die Grünen,¹⁵⁷ die AfD,¹⁵⁸ die Piratenpartei,¹⁵⁹ die

    Ökologisch-demokratische Partei,¹⁶⁰ die Partei Mensch Umwelt Tierschutz

    sowie politische Verbände wie die europäischen Grünen/Europäische Freie

    Allianz, kritisieren TTIP teilweise massiv.¹⁶¹ ¹⁶² Partiell basiert diese

    Kritik auf Erfahrungen mit dem bestehenden Nordamerikanischen

    Freihandelsabkommen (NAFTA) zwischen den USA, Mexiko und Kanada.²⁵ Eine

    Vertreterin des deutschen Bunds für Umwelt und Naturschutz erklärte das

    Freihandelsabkommen für „nicht mit demokratischen Prinzipien vereinbar",³⁸

    die Handelsrechtsexpertin und Aktivistin Lori Wallach bezeichnete es in

    einem Artikel in Le Monde diplomatique als „die große Unterwerfung" der

    Teilnehmerstaaten unter die Interessen von Großkonzernen und als

    „Staatsstreich in Zeitlupe".²⁵

    Franz Kotteder, Journalist und Autor des Buches Der große Ausverkauf. Wie

    die Ideologie des freien Handels unsere Demokratie gefährdet, sieht

    Abkommen wie TTIP am Anfang einer gewaltigen Umwälzung stehen, an deren

    Ende der zügellose Markt stehen könne. Das transatlantische

    Freihandelsabkommen sieht er als Teil eines Geflechts von Verträgen (CETA,

    TiSA, TTP), die allesamt dasselbe Ziel verfolgten: die Umsetzung einer

    „neoliberalen Agenda", die multinationale Konzerne von allen

    Beschränkungen, die ihnen durch Regierungen auferlegt wurden, befreien

    soll. TTIP sei damit „Teil eines Weltstaatsstreichs der internationalen

    Wirtschaftsverbände und der großen Konzerne".¹⁶³

    Aktivitäten

    Beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags wurde im Januar 2014 eine

    Petition¹⁶⁴ eingereicht, mit dem Ziel, der Bundestag solle sich gegen das

    Abkommen aussprechen. Die Petition wurde innerhalb der Mitzeichnungsfrist

    von 68.331 Bürgern unterzeichnet und muss somit vom Petitionsausschuss in

    öffentlicher Sitzung behandelt werden.

    Die ATTAC-Initiative „TTIP unfairhandelbar" überreichte in Deutschland am

    22. Mai 2014 715.000 Unterschriften.¹⁶⁵ Die Initiative Campact wollte mit

    650.000 Unterschriften per Online-Abstimmung die EU-Zustimmung zu TTIP

    verhindern.¹⁶⁶ Die Überreichung der ersten 470.000 Unterschriften an Sigmar

    Gabriel kommentierte dieser mit den Worten: „470.000 Menschen haben gegen

    etwas unterschrieben, was es noch gar nicht gibt." Man könne „den Eindruck

    kriegen, als ginge es um Leben und Sterben".¹⁶⁷ Der damalige

    Handelskommissar De Gucht erinnerte im Vergleich zur Unterschriftenkampagne

    daran, dass er bei den Verhandlungen 500 Millionen Europäer vertritt.¹⁶⁷

    Das internationale Bündnis „Stop TTIP" mit mehr als 480 europäischen

    Organisationen, Parteien, Wählergruppierungen und NGOs, das von Mehr

    Demokratie e. V. in Berlin angeführt wird, stellte bei der Europäischen

    Kommission einen Registrierungsantrag für eine Europäische Bürgerinitiative

    (EBI) gegen das TTIP-Abkommen, der von dieser als unzulässig abgelehnt

    wurde (nicht rechtskräftig).¹⁶⁸ Gegen die Ablehnung kündigte das Bündnis

    eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an und begann gleichzeitig, die

    Bürgerinitiative selbst zu organisieren, mit dem Ziel, mehr als eine

    Million Unterschriften gegen TTIP und CETA zu sammeln.¹⁶⁹ An einem

    europaweiten Aktionstag am 11. Oktober 2014 wurden allein etwa 250.000

    Unterschriften gesammelt.¹⁷⁰ Am Ende der Unterschriftenaktion, am 6.

    Oktober 2015, hatten 3.263.920 EU-Bürger die Petition unterschrieben.¹⁷¹ In

    23 der 28 Mitgliedsstaaten erfüllt die Initiative den erforderlichen

    Mindestprozentsatz; mit mehr als 2000 Prozent des erforderlichen Quorums

    (entspricht ca. 1,5 Millionen Unterschriften) kam der mit Abstand höchste

    Prozentsatz an Mitzeichnungen aus Deutschland.¹⁷² ¹⁷³ Am 10. Oktober 2015

    protestierten bis zu 250.000 Menschen (Polizei: 150.000) in Berlin gegen

    das Freihandelsabkommen. Zu dem Protestzug hatte ein breites Bündnis aus

    Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sowie

    Globalisierungsgegnern mit rund 30 Organisationen aufgerufen.¹⁷⁴ ¹⁷⁵ ¹⁷⁶

    Bei einer von der EU durchgeführten Befragung zu TTIP haben sich bis Mitte

    Juli 2014 etwa 149.000 EU-Bürger beteiligt. Über 145.000 von diesen lehnten

    TTIP vollständig oder Teile davon (insbesondere das

    Schiedsgerichtsverfahren) ab. Die Ablehnungsquote betrug damit 97

    Prozent.¹⁷⁷ Das entspricht dem Anteil an Antworten, die kollektiv über

    Onlineplattformen abgegeben wurden, die vorgefertigte Antworttexte zur

    Verfügung stellten.¹⁷⁸

    Kritik nach Themen

    Geheimes bzw. undemokratisches Zustandekommen

    Zahlreiche Einzelpersonen und Verbände kritisieren, dass TTIP vor allem von

    Unternehmen und deren Lobbyisten vorangetrieben werde. Laut diversen

    Kritikern hätten Großunternehmen direkten Einfluss auf die Texte des

    Vertrags, während Vertreter der Zivilgesellschaft wie

    Nichtregierungsorganisationen keinen Zugang zu den Verhandlungstexten

    hätten und nur in offenen Konsultationen mit der EU-Kommission ihre

    Positionen vorbringen könnten.³⁸ Der Einfluss der Konzerne auf das

    Verfahren sei dabei für die Öffentlichkeit intransparent.¹⁷⁹ Dem

    widersprach EU-Kommissar Karel De Gucht mit dem Argument, dass jeder

    Verhandlungsschritt öffentlich bekanntgegeben worden sei.¹⁸⁰ Allerdings

    sind die dabei jeweils verhandelten Inhalte nicht öffentlich einsehbar.

    Auch Parlamentarier des Europaparlaments oder der nationalen Parlamente

    haben keine Möglichkeit, die Verhandlungen zu verfolgen oder die

    Verhandlungstexte einzusehen.³⁸

    Im November 2014 berichtete das Handelsblatt, dass es in Zukunft in Berlin

    und anderen Hauptstädten von EU-Staaten TTIP-Leseräume für Parlamentarier

    geben solle, wobei der Personenkreis, der Zugang haben solle, noch nicht

    feststehe. Bislang bestehe nur ein Leseraum im EU-Parlament, mit Zugang für

    sehr wenige Abgeordnete.¹⁸¹

    Elizabeth Warren, Senatorin und Erfinderin der von Obama umgesetzten

    Verbraucherschutzbehörde Consumer Financial Protection Bureau, behauptete,

    die Inhalte von TTIP seien deshalb geheim, weil die amerikanische

    Öffentlichkeit – nach Ansicht der Unterstützer – bei Bekanntwerden dieser

    Inhalte gegen TTIP sein würde. Sie erklärte im Mai 2014:

    "I actually have had supporters of the deal say to me 'They have to be

    secret, because if the American people knew what was actually in them,

    they would be opposed.'"

      „Unterstützer des Abkommens sagten mir, die Gespräche müssten geheim

    sein, denn wenn das amerikanische Volk wüsste, was tatsächlich der Inhalt

    ist, wäre es dagegen."

    – George Zornick: Elizabeth Warren Reveals Inside Details of Trade Talks –

    The Nation, 15. Mai 2014

    Greenpeace kritisiert, dass die EU-Kommission völkerrechtlich bindende

    Verpflichtungen ohne Einbeziehung der nationalen Parlamente plane (und

    diese bei CETA bereits existierten). Mit einer „vorläufigen Anwendung"

    sollen völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen werden, ohne dass die

    nationalen Parlamente zustimmen müssten. Im Fall des bereits ausgehandelten

    CETA sehe diese vorläufige Anwendung etwa ein Klagerecht von Investoren und

    Unternehmen im Rahmen des höchst umstrittenen Investor-State Dispute

    Settlement (ISDS) bereits ein Jahr vor der jeweiligen Parlamentsabstimmung

    vor. Dieses Klagerecht würde selbst nach einer Verhinderung von CETA im

    nationalen Parlament für weitere drei Jahre seine Gültigkeit behalten.¹⁸²

    Anfang Februar 2015 formulierte der Globalisierungsgegner Harald Schumann

    im Tagesspiegel so,¹⁸³ als ob es alleinige Entscheidung der US-Regierung

    sei, dass maximal zwei EU-Regierungsbeamte gleichzeitig an maximal zwei

    Tagen der Woche („idealerweise Montags und Mittwochs") in Leseräumen der

    jeweiligen US-Botschaften TTIP-Dokumente einsehen dürfen, nach vorheriger

    Anmeldung und Zulassung, mit lediglich Stift und Papier für „begrenzte

    Notizen".¹⁸⁴

    Anfang 2015 wurden neun EU-Verhandlungstexte¹⁸⁵ online gestellt.¹⁸⁶ ¹⁸⁷

    Der Literaturwissenschaftler Roland Reuß forderte im Februar 2015 in der

    FAZ, dass nicht nur diejenigen, die sich Lobbyvertreter leisten können,

    Einblick in den Verhandlungsprozess erhalten müssen, sondern auch

    Mittelstand, Kleinunternehmer und alle Bürger, da sie an den betroffenen

    Sozialsystemen ebenfalls beteiligt sind. Er habe den Eindruck eines

    exekutiven Putsches. Eine nicht dazu berechtigte Exekutive (Brüssel und

    Berlin) agiere wie nach einem vermeintlich alternativlosen Drehbuch. Damit

    betrieben die Verantwortlichen und alle, die sie gewähren lassen, geradezu

    die Abschaffung der Demokratie. Kants transzendentale Formel des

    öffentlichen Rechts zitierend folgert Reuß: „Alle auf das Recht anderer

    Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität

    verträgt, sind unrecht."¹⁸⁸ Die Maßnahmen z. B. des

    Bundeswirtschaftsministeriums¹⁸⁹ zu Partizipation und Transparenz erwähnt

    Reuß nicht.

    Am 1. Mai 2016 sind Abschriften der als vertraulich geltenden Dokumente zur

    Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) von der

    Umweltorganisation Greenpeace an die Süddeutsche Zeitung und an den NDR und

    WDR weitergegeben worden. Dabei handelt es sich um die bisher verhandelten

    13 Vertragskapitel, welche rund die Hälfte des gesamten Abkommens

    darstellen. Demnach drohen die Vereinigten Staaten, Exporterleichterungen

    für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu

    erreichen, dass die Europäische Union mehr US-amerikanische Agrarprodukte

    abnimmt, und fordern zudem Änderungen beim derzeitigen Vorsorgeprinzip,

    nach dem Belastungen bzw. Schäden für die Umwelt bzw. die menschliche

    Gesundheit im Voraus (trotz unvollständiger Wissensbasis) vermieden oder

    weitestgehend verringert werden sollen.¹⁹⁰

    Investitionsschutz

    TTIP sieht Schiedsgerichtsverfahren – Investor-State Dispute Settlement

    (ISDS) – vor, in denen Nonprofits, Unternehmen und Einzelpersonen die

    Möglichkeit gegeben wird, einen Staat zu verklagen, wenn sie als

    ausländische Investoren gegenüber Inländern diskriminiert werden, ohne

    Entschädigung enteignet werden, mit Rechtsverweigerung konfrontiert werden

    oder willkürlich vom Staat behandelt werden. 2012 veröffentlichte das

    Corporate Europe Observatory (CEO) eine Studie über das Ausmaß der weltweit

    bereits über Handelsabkommen etablierten Möglichkeit für internationale

    Investoren, Schiedsgerichte anzurufen. Das entfachte einen europaweit

    geführten Diskurs über das auch in TTIP geplante Streitbeilegungsverfahren.

    Bislang haben sich das niederländische Parlament, der französische Senat

    und der deutsche Wirtschaftsminister dagegen ausgesprochen.¹⁹¹ Aufgrund der

    anhaltenden Kritik schlug die EU-Kommission als Alternative zu

    Schiedsgerichten ein Handelsgericht mit zwei Instanzen vor.¹⁹² Die

    Mitgliedsstaaten, das Europäische Parlament und die USA müssen dem

    Vorschlag jedoch noch zustimmen.

    Befürchteter „Chilling effect" für Demokratien

    Der englische Begriff „Chilling effect" bezeichnet hier die Befürchtung,

    die politischen Entscheidungsträger könnten aufgrund der Furcht vor

    Schadensersatzklagen vor transnationalen unabhängigen Schiedsgerichten

    wegen z. B. entgangener Gewinne („Enteignung, „Investor-Staats-Klagen)

    zurückhaltender werden.¹⁹³

    Schiedsgerichte als unkontrollierbare Instanz

    Investitionsschiedsgerichte entscheiden an Stelle von nationalen Gerichten,

    bieten aber im Vergleich zu diesen regelmäßig weniger Möglichkeiten der

    Überprüfung von Entscheidungen durch höhere Instanzen. Diese Verfahren

    werden von Kritikern als intransparent und demokratisch unkontrolliert

    betrachtet. Befürchtet werden Klagen, wenn durch staatliche Eingriffe

    Gewinnerwartungen geschmälert worden seien, z. B. wenn der Staat neue

    Umweltauflagen beschließt.¹⁹⁴ Unternehmen könnten nach Ansicht von

    Kritikern somit z. B. durch die Androhung von Schadensersatzforderungen die

    Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel oder ein Verbot

    der Gasförderung mittels Fracking verhindern. Ebenso könnten sie – ähnlich

    wie die Klage von Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg im Rahmen der

    Investorenschutzklausel des Energiecharta-Vertrags¹⁹⁵ ¹⁹⁶ – versuchen,

    Entschädigungszahlungen für den Ausstieg aus der Kernenergie zu erzwingen.

    Ebenso wurden durch einen Vergleich bei einem Schiedsgerichtsverfahren (und

    einem parallelen Verfahren vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht) die

    Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg geändert.¹⁹⁷

    Laut Lori Wallach könnten „gigantische Entschädigungen" für Unternehmen

    fällig werden, wenn Staaten gegen die Vertragsregelungen verstießen und

    nennt dabei als Beispielfall den bis dahin höchsten¹⁹⁸ Schiedsspruch eines

    ICSID-Tribunals über 1,77 Milliarden Dollar zuzüglich Zinsen.²⁵ Ecuador

    wurde dabei von einem Schiedsgericht dazu verurteilt, diese Summe als

    Ausgleich zu zahlen, nachdem es Eigentum von Occidental Petroleum

    verstaatlicht hatte. Nach einem Antrag Ecuadors auf Aufhebung des

    Schiedsspruchs nach den ICSID-Regeln¹⁹⁹ wurde der Schiedsspruch auf eine

    Milliarde US-Dollar reduziert.²⁰⁰

    Die Anzahl derartiger Verfahren hat in den letzten zehn Jahren massiv

    zugenommen.²⁵ Die Gesamtzahl der Klagen ist unklar, da nicht alle Verfahren

    öffentlich sind, bekannt sind geschätzt 600 Verfahren aus den vergangenen

    Jahrzehnten.²⁰¹ Innerhalb der EU wurde etwa Rumänien in einem Verfahren vor

    einem Schiedsgericht der ICSID in Washington, D.C. zu einer Strafe von 253

    Millionen US-Dollar wegen Subventionskürzung für ein Unternehmen auf

    Grundlage des schwedisch-rumänischen Investitionsschutzabkommens

    verurteilt; die Generaldirektion Wettbewerb der Brüsseler EU-Kommission

    forderte die rumänische Regierung im Mai 2013 ausdrücklich auf, den Spruch

    des Schiedsgerichtes zu ignorieren.²⁰² Die USA wurden kaum (und erfolglos)

    auf diese Weise verklagt, wobei der Ökonom Joseph E. Stiglitz darauf

    verweist, dass Konzerne gerade erst anfangen zu lernen, wie sie diese

    Schiedsgerichtsübereinkommen zu ihrem Vorteil nutzen können.²⁰³ Die

    Verfahren sind, wie beim obigen Beispiel Vattenfall-Deutschland, zum Teil

    bereits aufgrund von bestehenden bi- und multilateralen

    Investitionsschutzabkommen möglich.²⁰⁴ Deutschland hat mit 89 Schwellen-

    und Entwicklungsländern Verträge über Investitionsschutz abgeschlossen (die

    bei einigen Länder wie z. B. Bolivien und Brasilien jedoch nicht in Kraft

    sind) die ISDS-Verfahren ermöglichen und z. B. beinhalten, dass die

    Unternehmen des anderen Staates nicht grundsätzlich schlechter behandelt

    werden dürfen als inländische Unternehmen.²⁰⁵ ²⁰⁶

    Parallelen zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen

    Wie beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA sieht auch das TTIP

    vor, dass privaten Investoren die Möglichkeit eingeräumt werden soll,

    Staaten vor Schiedsgerichten auf Kompensationen zu verklagen, wenn ihnen

    ein Gesetz oder staatliches Handeln auf bestimmte Weise schadet.²⁰⁷

    Ein von Kritikern häufig angeführtes²⁰⁸ Beispiel ist das Verfahren Lone

    Pine gegen Kanada.²⁰⁹ Weil die kanadische Provinz Quebec ein Moratorium für

    das Fracking von Schiefergas und Öl erließ, klagt das US-amerikanische

    Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben

    hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und

    fordert Entschädigungen in Höhe von 250 Millionen Dollar für den zu

    erwartenden Gewinnausfall.²¹⁰ Kanada wurde insgesamt mehrfach vor

    NAFTA-Schiedsgerichten verklagt, was seit Bestehen von NAFTA, 1994, bis

    Oktober 2014 zu Verurteilungen auf ca. 150 Millionen Dollar Schadensersatz

    geführt hat.²¹¹

    Ähnliche Klagen wären nach Inkrafttreten von TTIP auch durch US-Investoren

    gegen Staaten der EU und umgekehrt möglich. Laut EU-Kommission soll dabei

    sichergestellt sein, dass Investitionsschutzklauseln nur in sehr begrenzten

    Bereichen eingesetzt werden, „z. B. wenn gegenüber inländischen Firmen

    diskriminiert wird oder wenn eine Firma im Ausland ohne Entschädigung

    enteignet wird."³⁶

    Einzelpositionen

    Der BDI hält Investitionsschutzklauseln und Investor-Staat-Schiedsverfahren

    für unabkömmlich, spricht sich aber für eine Reform aus, die Staaten die

    Möglichkeit belässt, Gesetze und Regulierungen zum Allgemeinwohl zu

    erlassen.²¹² Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström befürwortet das

    Abkommen, verkündete gegenüber dem EU-Parlament aber als Ziel,

    Schiedsverfahren um die Möglichkeit einer Berufung zu erweitern und die

    Schiedsstellen dahingehend anzupassen, dass Schiedsrichter auf eine

    bestimmte Dauer berufen und ihren Qualifikationen nach an jene nationaler

    Richter angeglichen würden.²¹³

    Der deutsche ehemalige Bundesverfassungsrichter Siegfried Broß erklärte im

    März 2015, dass die Schiedsgerichtsklauseln gegen deutsches

    Verfassungsrecht und Recht der EU verstoßen und damit einen Systembruch des

    Völkerrechts bedeuten.²¹⁴ Die EU-Kommission antwortete, es sei ein Gerücht,

    dass ein Investorenschutz in TTIP die Souveränität nationaler Gesetzgebung

    berühre.²¹⁵

    Bedrohung nicht-staatlicher europäischer Bildungseinrichtungen

    Anfang Februar 2015 wies die Vorsitzende der Katholischen

    Erwachsenenbildung Deutschland auf ein von ihr gesehenes Risiko für private

    öffentlich geförderte Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung

    durch drohende Investor-Staat-Klagen von privaten Bildungsanbietern

    (US-Hoch-, Privatschulen) hin.²¹⁶ Auch das Europabüro für katholische

    Jugendarbeit und Erwachsenenbildung hat Bedenken.²¹⁷ Die deutschen

    Bildungsgewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verband Bildung

    und Erziehung (VBE) hatten bereits früher auf diese Risiken hingewiesen.²¹⁶

    Aufweichung und Umgehung von Arbeitnehmerrechten

    Ein Vorwurf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lautet, durch TTIP

    entstehe die Gefahr, dass Arbeitnehmerrechte auf das jeweils niedrigere

    Niveau beider Verhandlungspartner heruntergefahren würden.¹⁵⁵

    Gewerkschaftliche Vereinigungen beispielsweise, die nach bundesdeutschem

    Recht ermöglicht werden müssen, könnten durch TTIP durch den jeweiligen

    Konzern unterbunden werden, so Verdi. Der US-Handelsbeauftragte Michael

    Froman hingegen betonte die Absicht, die Standards global anzuheben.²¹⁸

    Gefährdung des Klimaschutzes

    Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz warnte im April 2016, dass

    ein erfolgreicher Klimaschutz, wie bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015

    international vereinbart, durch TTIP erheblich gefährdet würde. TTIP

    untergrabe genau die Politik, die für einen erfolgreichen Klimaschutz

    notwendig sei. Treibhausgasemissionen, deren Kosten nicht von ihren

    Verursachern getragen werden, produzierten soziale Kosten, die ökonomisch

    gesehen wie Subventionen für die Unternehmen wirken, die sie verursachen.

    Solange Unternehmen nicht für die Umweltschäden aufkommen müssen, die sie

    auslösten, sei jedoch kein fairer Handel möglich. TTIP schaffe für

    Unternehmen im Gegenteil weitere Möglichkeiten, gegen solche Maßnahmen

    vorzugehen. So räumten die bei TTIP vorgesehene Streitschlichtungsverfahren

    Unternehmen explizit die Möglichkeit ein, Staaten für Umwelt- und

    Klimaschutzgesetze vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, was

    dazu führen würde, dass sich keine ambitionierten, sondern die jeweils

    niedrigsten Umweltschutzstandards durchsetzten. Entworfen worden sei das

    Abkommen im Geheimen und gemeinsam mit Lobbyisten und mit Hinblick auf

    einen republikanisch dominierten US-Kongress, in dem sich Klimaleugner über

    wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegsetzten.²¹⁹

    Auch das europäische Umweltschützer-Netzwerk Friends of the Earth

    veröffentlichte im Juli 2014 eine Studie unter dem Titel Dirty Deals.²²⁰

    „Darin wird nachgezeichnet, wie die Ölindustrie daran arbeitet, höhere

    EU-Klimaschutzstandards für Erdölprodukte wie Benzin und Diesel

    auszuhebeln. Denn eine geplante EU-Regel könnte unter anderem dazu führen,

    umstrittene Einfuhren von Teersand-Öl in die EU zu erschweren. Doch das

    will die Industrie verhindern. Sie sieht in strengeren

    Klimaschutz-Vorschriften ein Handelshemmnis, das im Zuge der TTIP-Gespräche

    beseitigt werden muss."²²¹

    Aufweichung und Umgehung von Verbraucherschutz-, Umwelt- und

    Gesundheitsstandards

    Die angestrebte „Harmonisierung" von Standards, etwa im Bereich des

    Verbraucherschutzes bzw. der Umwelt- und Gesundheitspolitik, orientiert

    sich laut Kritikern an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren –

    weil Harmonisierung bedeute, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw.

    wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die

    verbindliche Norm des Vertrags dienen werde (Race to the bottom). So weiche

    TTIP bestehende hohe europäische Umwelt- und Gesundheitsstandards zugunsten

    von niedrigeren US-Standards auf. Neben dem Problem einer „Anpassung nach

    unten" wird befürchtet, dass es zunehmend schwieriger wird, neue

    verbesserte Verbraucher- und Umweltschutzkriterien einzuführen.²²² ²²³ In

    diesem Zusammenhang sind folgende Beispiele zu nennen:

    - Als bedroht wird die in Europa weitverbreitet betriebene Ökologisierung

    der Landwirtschaft (Agrarwende) gesehen,²²⁴ insbesondere für kleine

    Bauernhöfe in Deutschland werden Nachteile befürchtet.²²⁵

    - Konzerne wie Monsanto kritisieren die Beschränkungen innerhalb des

    europäischen Markts seit langem und versuchen im Zuge von TTIP zu

    erreichen, dass z. B. auch genveränderte Pflanzensorten und Produkte

    unbeschränkt auf dem europäischen Markt vertrieben werden können.²⁵ Die

    Europäische Kommission hat erklärt, über den Marktzugang von

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