Es gibt ein Zuspät: Entscheidung als Lebenswende
Von Heinz Böhm
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Buchvorschau
Es gibt ein Zuspät - Heinz Böhm
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Es gibt ein Zuspät – Entscheidung als Lebenswende
»Sternstunden der Menschheit« ist der Titel eines Buches des bekannten Dichters Stefan Zweig. In diesem Buch beschreibt Stefan Zweig zwölf Ereignisse, die durch ihren weltverwandelnden Charakter als Sternstunden bezeichnet werden können. Ganz gleich, ob er die Entstehung des berühmten Messias von Händel schildert, ob er den Kampf um den Südpol in realistischer Weise nachzeichnet, oder ob er die Leser mit in die geschichtliche Stunde des großen Revolutionärs Lenin hineinnimmt.
Es geht um eine Lebenswende, nicht im individuellen Sinn, sondern um eine Wende in der Geschichte. Gewiss ist es den einzelnen Menschen damals nicht bewusst geworden, was für eine Lawine sie durch ihre Entscheidung, bzw. durch ihr Lebenswerk ins Rollen brachten.
Schauen wir uns den Weg Friedrich Nietzsches kurz an. Noch als junger, suchender Mensch kreisen seine Gedanken leidenschaftlich um den unbekannten Gott. Ihn sucht er mit ehrlichem, brennendem Herzen. Da entdeckt er diesen unbekannten Gott in dem leidenden, gekreuzigten Christus. Nun steht er vor der Entscheidung.
Anstatt sich diesem Gott zu stellen und ihn zu bekennen, wird er dessen schärfster Gegner. Bewusst geht er seinen Weg in die »Welt von tausend Wüsten« – in voller Verantwortung seiner getroffenen Entscheidung.
Diese Lebenswende kennzeichnet fortan auch sein neues Glaubensbekenntnis, das er so formuliert: »Weh dem, der keine Heimat hat.«
Um nichts anderes soll es auch in den folgenden Kapiteln gehen. Wir sind nach der Entscheidung für Gott gefragt. Allerdings – das musst unmissverständlich vorangestellt werden – jeder menschlichen Entscheidung für Gott geht Gottes Entscheidung für uns voraus. Hier gilt:
»Hättest du dich nicht zuerst an mich gehangen, ich wär von selbst dich wohl nicht suchen gangen.«
Es gibt heute eine gefährliche Art der Verkündigung, in dem man dem Menschen das Heil einfach zuspricht, ganz gleich, ob der Mensch es annimmt oder ablehnt.
Man folgert so: Nachdem sich Gott für den Menschen entschieden hat, sei es belanglos, ob der Mensch diese Entscheidung bejahe oder verneine. Gern verweist man auf die bekannte Bibelstelle: »Denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber« (2. Kor. 5, 19). Das stimmt. Andrerseits aber wird der Mensch auch aufgefordert, das Angebot der Liebe Gottes anzunehmen (2. Kor. 5, 20).
Hier hat man offenbar Grundlegendes übersehen bzw. unterschlagen. Man wirft Versöhnung und Errettung durcheinander. Gott hat uns versöhnt, aber diese Versöhnung wird jetzt verkündigt, nicht als eine »automatische Tatsache«, sondern als Angebot. Petrus hat in der Pfingstpredigt das Heil verkündigt. Dann fordert er die Menschen auf: »Lasset euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht« (Apg. 2, 40). Als Reaktion der Hörenden lesen wir: »Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen« (Apg. 2, 41).
Der Mensch wird nicht zu seinem Heil gezwungen. Seine Sternstunde hat ihm Gott gegeben, doch er kann sie verpassen. Ein bekannter Evangelist unterstrich den Ernst der Entscheidung durch folgenden Satz: »Die Erweckten von heute sind die Verstockten von morgen.«
Grundsätzlich gilt: Wir könnten uns nicht entscheiden, wenn Gottes Entscheidung der unseren nicht vorausginge. Darum gibt es in der Bibel keine zu erfüllende Vorbedingung, aber sie spricht von einer Voraussetzung der Entscheidung.
I. Voraussetzung der Entscheidung
Ohne Zweifel haben wir im Neuen Testament zahlreiche Stellen, die die menschliche Entscheidung für oder gegen Jesus betonen. Sie sind uns klar und eindeutig überliefert. Unverständlich, warum heute gegen die Entscheidung und gegen den Ruf in die Entscheidung Sturm gelaufen wird!
Ist es nur Angst, durch die Forderung zur Entscheidung eine neue Art Gesetzlichkeit zu postulieren, oder weist die Entscheidung auf eine scharfe Trennung hin, die man ganz bewusst verwischen will? Fürchtet man, durch die Entscheidung die teure Gnade in die »billige Gnade« zu verfälschen, oder ahnt man, dass gerade die Entscheidungslosigkeit die »billige Gnade« nach sich ziehen muss?
Hören wir zunächst die üblichen Einwände gegen die Predigt von der Entscheidung. Nicht selten wird durch eine sprachlich geschickte Wendung der Mensch in unechter Weise beruhigt, indem man offenbar christusbezogen schließt: Christus hat alles für dich getan, du brauchst nichts mehr zu tun. Um diese Behauptung noch zu untermauern, zeigt man auf das vergebliche Tun der gesetzestreuen Juden, die durch ihre eigene Gerechtigkeit sich selbst den Blick für die Gerechtigkeit Gottes verbauten.
Greifen wir den angeführten Satz noch einmal auf: Christus hat alles für dich getan, du brauchst nichts mehr zu tun. Dieser Satz täuscht, weil er mich als Mensch in der Illusion wiegt, mein Tun könnte mit dem Tun Jesu verglichen werden.
Nach dem biblischen Zeugnis sind wir von Jesus nicht durch unser Tun, sondern durch unser Sein getrennt. Jesus hat uns nur deshalb erlösen können, weil er ein anderes Sein hatte. Nicht sein Tun, sein Verhalten, sein Glaube qualifizierten ihn zum Sohn Gottes; vielmehr geht seine Gottessohnschaft allem Tun voraus. Wäre Jesus nicht der Sohn Gottes selbst, dann bliebe sein Tun ebenso bedeutungslos wie das jedes anderen Menschen.
Hätte nur irgendein Mensch den Gedanken gefasst, sich für die Sünden aller Menschen zu opfern, dann wäre dieses Opfer über das Maß einer menschlichen Tragödie nicht hinausgekommen.
Professor Rudolf Bultmann hat aus seiner Sicht die Torheit des Kreuzes auf gezeigt:
»Welch primitive Mythologie, dass ein Mensch gewordenes Gotteswesen durch sein Blut die Sünden der Menschen sühnt.«¹
Warum empören wir uns über eine solche Aussage? Aus Rudolf Bultmanns Sicht ist sie vollkommen gerechtfertigt; auch wenn sie am biblischen Zeugnis meilenweit vorbeischießt. Entsprechend denkt auch der Theologe Heinz Zahrnt, wenn er im Leben und Wirken Jesu pure Menschlichkeit – befreit von allem göttlichen Beigeschmack – entdeckt. Er schreibt:
»Für das Verständnis der ›Gottessohnschaft‹ Jesu folgt daraus, dass es sich hierbei nicht um etwas ›Übergeschichtliches‹, ›Übernatürliches‹ oder gar Unnatürliches handelt, sondern dass wir auch mit ihr im Bereich des Menschlich-Geschichtlichen zu bleiben haben. Jesus ist der Sohn Gottes nicht aufgrund einer besonderen Zeugung und damit einer besonderen physischen Qualität, sondern aufgrund seines Verhaltens.«²
Bultmann und Zahrnt sind sich darin einig, dass die von den Vätern auf gestellte Zweinaturenlehre: »Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott« unhaltbar ist. Darum ist es aus ihrer Sicht nur folgerichtig, wenn Jesus die Schuld der gesamten Menschheit nicht tilgen kann. Wenn Jesu Gottessohnschaft bestritten und