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Die Nonne von Monza
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eBook155 Seiten2 Stunden

Die Nonne von Monza

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Über dieses E-Book

„Die Nonne von Monza“ ist die wohl berühmteste Episode der italienischen Literaturgeschichte. Schon die Überlieferung dieser frühen Sex-and-Crime-Story ist turbulent: Aus der Urfassung seines Klassikers „Die Verlobten“ kürzte Alessandro Manzoni sie weitgehend wieder heraus, erst 1916 wurde dieser Roman im Roman einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Heute gilt er als „Urfaust“ der italienischen Literatur. Hauptfigur der teils auf wahren Begebenheiten beruhenden Erzählung ist Gertrude, eine monaca forzata („Nonne wider Willen“), deren Platz im Kloster schon von ihrer Familie vorherbestimmt war, als sie das Licht der Welt noch gar nicht erblickt hatte.Mit meisterhaftem Geschick bindet Manzoni den Leser in das gesellschaftliche Geschehen des 17. Jahrhunderts ein, ebenso wie in die Gefühlswelt der verzweifelten jungen Frau, die von ihrer Familie auf grausamste Weise gezwungen wird, in das Kloster von Monza einzutreten und damit ihrer Lebenslust und ihrem Freiheitsdrang zu entsagen. In allen Einzelheiten beschreibt Manzoni die seelische Pein, der Gertrude ausgesetzt ist, jeden Schritt, den ihre Familie – allen voran der streng patriarchalische Vater – unternimmt, um ihren Willen zu brechen und sie gefügig zu machen. Gertrude beugt sich schließlich den gesellschaftlichen Zwängen und legt ihr Gelübde ab, doch die Narben auf ihrer Seele lassen sie keinen inneren Frieden finden.Schlimmer noch: In der Abgeschiedenheit hinter den vermeintlich sicheren Klostermauern sieht sie sich mit verstörenden Abgründen menschlichen Verhaltens konfrontiert und verstrickt sich bald selbst tief in einen mörderischen Strudel von Intrigen, Gewalt und Verbrechen …In seinem Nachwort erzählt der für seine Übersetzungen aus dem Italienischen vielfach ausgezeichnete Heinz Riedt die Editionsgeschichte der „Nonne von Monza“ und ordnet sie in die Literaturgeschichte ein.
SpracheDeutsch
Herausgeberred.sign Medien
Erscheinungsdatum31. Mai 2013
ISBN9783944561134
Die Nonne von Monza

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    Buchvorschau

    Die Nonne von Monza - Alessandro Manzoni

    Vorwort

    Die Nonne von Monza ist eine Episode der Urfassung des Romans I promessi sposi von Alessandro Manzoni, der in Deutschland unter dem Titel Die Verlobten bekannt geworden ist. Die Urfassung, die in den Jahren 1821 bis 1823 in einem Zuge niedergeschrieben wurde, blieb der Öffentlichkeit bis 1916 unbekannt. Die erste Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Ausgabe drang nicht über den Kreis der Fachgelehrten hinaus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erschien in Italien eine Volksausgabe der Nonne von Monza und erregte ähnliches Aufsehen wie die erste Veröffentlichung des Urfaust von Goethe. Die Episode, die einen »Roman im Roman« bildet, wird in der vorliegenden Übersetzung zum ersten Mal den deutschen Lesern zugänglich gemacht.

    Zum Verständnis der Nonne von Monza ist die Kenntnis folgender Einzelheiten aus dem Handlungsablauf des Romans notwendig: Lucia und Fermo (der in der redigierten Fassung der Verlobten Renzo heißt), die sich die Ehe versprochen haben, müssen aus ihrer Heimat flüchten. Don Rodrigo, Gewaltherrscher über jene Gegend, hat es nämlich auf die junge Frau abgesehen. Durch Drohungen hat er erreicht, dass der Ortspfarrer den beiden die Trauung verweigert. Schließlich versucht er sogar, Lucia von seinen Häschern entführen zu lassen. Daraufhin bekommen Lucia und ihre Mutter Agnese vom Pater Cristoforo ein Empfehlungsschreiben an den Pater Guardian des Kapuzinerklosters zu Monza, den sie auf ihrer Flucht um Schutz und Hilfe bitten wollen.

    An dieser Stelle der Urfassung des Romans Die Verlobten beginnt die hier wiedergegebene Geschichte der Nonne von Monza.

    Die Nonne von Monza

    Wo sind wir überhaupt? Unser Autor sagt es nicht, ja, er beharrt sogar darauf, es zu verschweigen. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass es damals zweierlei Arten von Menschen gab, die vorsichtigen und die verbrecherischen, die furchtsamen und die furchterregenden, und dass er zu den ersten gehörte. An dieser Stelle der Erzählung wird allerdings seine scheue Verschwiegenheit doppelt groß; und das erklärt sich aus den weiteren Begebenheiten.

    Die Erlebnisse Lucias an ihrem neuen Aufenthaltsort sind das Werk dunkler, versteckt angelegter, geheimnisvoller und furchtbarer Machenschaften, deren Urheber sehr mächtig gewesen und eine weit verzweigte Verwandtschaft gehabt haben müssen. Und der Autor kämpft einesteils mit dem Wunsch, alles zu erzählen, was er weiß, und andernteils mit der Angst, etwa Familien beleidigen zu können, gegen die aufzubegehren ein auf dieser Welt strafwürdiges Vergehen ist. Deshalb bewegt er sich mit äußerster Vorsicht und unterlässt in der Schilderung der Ereignisse alle Angaben, einschließlich der Ortsangaben, die dazu dienen könnten, die wahren Personen zu entdecken. Doch zumindest an dieser Stelle war er darin nicht geschickt genug, und wir können daher mit Sicherheit den Ort bezeichnen, wo Lucia Aufenthalt nahm. Der Autor hat uns nämlich, ohne dass er es selbst merkte, einen Schlüssel in die Hand gegeben, mit dem sogar ein Kind alles entdecken würde. So sagt er einmal, dass Lucia in einen alten und ehrwürdigen Ort kam, dem zur Stadt nur noch der Name fehlte; dann spricht er vom Lambro, der dort durchfließt, und schließlich auch von einem Erzpriester. Bei so vielen Angaben gibt es in ganz Europa keinen Menschen, der des Lesens und Schreibens kundig ist und nicht sofort ausruft: Monza.

    Nachdem Fermo fortgegangen war, blieben also Mutter und Tochter ganz allein im Gasthaus von Monza zurück. Sie besaßen keinerlei Ortskenntnisse, hatten auch keine Bekannten und verfügten auf so hoher See über keinen anderen Kompass als den Brief des Paters Cristoforo. Dieser Brief war an den Pater Guardian der Kapuziner gerichtet. Agnese fragte also die Wirtin nach dem Kloster. Aber die gab erst Auskunft, nachdem sie auf alle Arten versucht hatte, durch Angaben über Namen und Stand der Frauen, über die Gründe ihrer Reise und über die Angelegenheit, die sie zum Pater Guardian führen konnte, einen Vorschuss auf ihre so unbedeutende Dienstleistung zu erhalten. Doch die Frauen, denen ihr Beschützer Verschwiegenheit ans Herz gelegt hatte, konnten den Fragen der Wirtin ausweichen, sodass diese ihnen den Weg zum Kloster zeigen musste, ohne auf ihre Kosten gekommen zu sein. Sie brachen unverzüglich auf, obwohl sie noch die Strapazen der Nacht und des vorangegangenen Tages fühlen mussten: Ein gehetzter Hase merkt die Müdigkeit erst, wenn er einen Unterschlupf gefunden hat. Agnese, für die der Anblick Monzas weder neu (denn sie war vor vielen Jahren einmal hier durchgekommen) noch überwältigend war (denn sie hatte sich auch schon in Mailand aufgehalten), schritt frei weg und führte und ermunterte Lucia, die sich voller Scheu immer dicht an den Mauern hielt. Als sie so Straße um Straße durchschritt und nach jeder Biegung wieder neue Straßen und neue Häuser sah, wurde Lucia von Staunen und Beklommenheit erfasst, wie es jemandem ergeht, der etwas Großartiges und zugleich Furchtbares sieht. Doch das in ihr vorherrschende Gefühl der Trauer und des Entsetzens gab ihren Empfindungen keinen Raum und ließ sie überhaupt nicht klar und deutlich in Erscheinung treten.

    Als sie die Klosterpforte erreicht hatten, zogen sie die Glocke und sagten dem heraustretenden Pförtner, dass sie den Pater Guardian sprechen und ihm einen Brief übergeben möchten. Sowie Lucia eine Kapuzinerkutte erblickte, kam sie sich in vertrauter Umgebung vor und beruhigte sich ein wenig. Der Pater Guardian ließ nicht lange auf sich warten, begrüßte die Frauen und nahm den Brief aus den Händen Agneses entgegen. Kaum hatte er die Anschrift gelesen, da rief er auch schon freudig aus: »Ach, mein Pater Cristoforo!« Sie waren nämlich zusammen Novizen gewesen, und von da an verband sie eine klösterliche Freundschaft. Ich meine damit eine herzliche, tiefe, mehr als brüderliche Freundschaft, so eine Freundschaft etwa, wie sie von einigen wenigen Männern der Antike überliefert wird und wie sie sich in all den Gemeinschaften bildet, die wegen besonderer Aufgaben von der übrigen menschlichen Gesellschaft getrennt leben. Diese Gruppen und kleinen Verbände schlingen um alle ihre Mitglieder ein besonderes Interessenband der kollektiven Eigenliebe und des kollektiven Wohlwollens; es ist ein Band, das wohl manchmal ziemlich schwach ist und nicht ausreicht, um bitteren und tödlichen Hass zu unterdrücken, aber auf der anderen Seite wieder fest genug ist, ihn auf das Innere der kleinen Gemeinschaft einzuschränken und den gleichen Menschen, die sich hassen, jedes Mal dann, wenn sie sich im Gegensatz zu Außenstehenden befinden, Haltung und Benehmen von Freunden zu verleihen. Entsteht dann aufgrund gleicher Ansichten und Interessen eine Freundschaft zwischen zwei Mitgliedern solcher Gemeinschaften, dann ist diese nur umso stärker, je kleiner die Zahl der ohnehin schon von den übrigen Menschen Getrennten ist.

    Der Pater Guardian öffnete den Brief, hob von Zeit zu Zeit die Augen und sah Lucia und ihre Mutter voller Mitleid und Anteilnahme an. Als er mit dem Lesen fertig war, schüttelte er ein wenig den Kopf und sprach dann wie jemand, der hofft, das Richtige gefunden zu haben:

    »Da kommt eigentlich nur die Herrin in Betracht, das heißt, wenn die Herrin dazu bereit sein will …« Dann stellte er Agnese mit leiser Stimme einige Fragen, die sie beantwortete, und sagte schließlich:

    »Wollt Ihr mir folgen? Ich hoffe einen Platz gefunden zu haben, wo ich dieses brave Mädchen sicher unterbringen kann.«

    Die Frauen erklärten sich zu allem bereit, was er vorschlagen würde, und so sagte dann der Pater:

    »Kommt mit, doch geht einige Schritte hinter mir, denn seht, hier sind die Leute boshaft, und weiß Gott, was man daraus machen würde, sähe man den Pater Guardian mit einer hübschen Jungfrau, ich will sagen, mit Frauen zusammen auf der Straße.«

    Lucia errötete und folgte ihm dann mit der Mutter in der Entfernung, die er angegeben hatte.

    Am Klostereingang blieb der Guardian stehen, wartete auf sie, empfahl sie der Frau des Gutsverwalters, die sie in ein Zimmerchen führte, das zur Straße gelegen war, und schritt im Hof weiter, nachdem er versprochen hatte, in wenigen Augenblicken wieder zurück zu sein.

    Das Verhör der »Verwalterin« war, wie zu erwarten, viel gebieterischer, durchtriebener und eindringlicher als das der Wirtin. Und Agnese, die nur mit Mühe parierte, legte sich gerade eine Geschichte zurecht, weil sie sah, dass sie unbedingt etwas erzählen musste, als zum Glück der Pater Guardian mit strahlendem Gesicht zurückkam und den Frauen verkündete, dass die Herrin sie zu empfangen geruhe. Die Verwalterin entließ sie mit einem ärgerlichen Seitenblick auf den Guardian, der sie durch sein Kommen um eine Beute gebracht hatte, die ihr schon in die Schlinge gehen wollte.

    Während sie den Hof überquerten, belehrte der Pater Guardian die Frauen, wie sie sich vor der Herrin zu verhalten hätten:

    »Seid bescheiden und ehrerbietig, empfehlt Euch ihrem Schutz, antwortet schlicht auf alle Fragen, die sie Euch stellen wird, und wenn Ihr nicht gefragt seid, dann lasst nur mich tun.«

    Agnese und Lucia erwarteten mit vielen Hoffnungen und vielen Sorgen die Vorstellung bei dieser Herrin, besaßen aber nicht den Mut, den Pater zu fragen, wer sie überhaupt sei. Wahrscheinlich wird ein Leser unserer Zeit nicht so bescheiden sein; um seinen Unwillen nicht herauszufordern, müssen wir ihm also sagen, wer die Herrin gewesen ist. Allerdings könnte man ihm, wie man es mit dem allzu Ungeduldigen zu tun pflegt, auch eine Antwort geben, die seine Neugier zwar befriedigt, aber doch nur das sagt, was nicht verschwiegen werden kann.

    Die Herrin war eine junge Dame fürstlicher Abstammung, die schon als Jugendliche in dieses Kloster gekommen war, und die hier den Schleier genommen und die Gelübde abgelegt hatte. Ihr waren die Mädchen anvertraut, die im Kloster erzogen wurden, und ihr Titel wäre eigentlich der einer Zöglingsvorsteherin gewesen. Aber wegen ihrer Abstammung, wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen und wegen der Überlegenheit, die ihr dies alles vor den anderen Nonnen gab, wurde sie nie anders als »die Herrin« genannt. Und alle begegneten ihr mit Ehrerbietung als der Beschützerin und der Fürstin des Klosters. Und, was eine einzigartige Auszeichnung bedeutete, zwei Nonnen waren zu ihren Diensten bestellt und bewohnten mit ihr ein kleines Appartement, das ihr statt einer Zelle zur Verfügung stand. Ihre Protektion und ihr Einfluss erstreckten sich über die Klostermauern hinaus. Auch die Kapuziner, die von Generation zu Generation, oder, besser gesagt, von Vestitur zu Vestitur seit undenkbaren Zeiten in freundschaftlichen Beziehungen zum Kloster standen, genossen diese Protektion. Deshalb hoffte also der Pater Guardian sofort auf die Herrin und deshalb wird Lucia nun vor sie geführt.

    Vom Hof aus traten sie in ein Zimmer zu ebener Erde und von dort in das Sprechzimmer. Bevor sie ihren Fuß über die Schwelle setzten, deutete der Pater Guardian auf die offene Tür und flüsterte den Frauen zu: »Dort ist die Herrin«, wie um sie an all die Ermahnungen zu erinnern, die sie beherzigen sollten. Lucia hatte noch nie ein Kloster gesehen: Sie trat voller Schüchternheit ins Sprechzimmer, schaute sich um, um die Herrin zu suchen, vor der sie sich verbeugen sollte, und da sie niemanden finden konnte, blieb sie auf der Stelle stehen wie jemand, der sein Gedächtnis verloren hat. Da sah sie, dass der Pater geradewegs auf eine Stelle zuging und dass Agnese ihm folgte, hob die Augen und erkannte nun eine Öffnung, halb so hoch wie ein Fenster, fast doppelt so breit und mit einem zweifachen Gitter versehen, das zwar jeglichen Zutritt ins Nachbarzimmer verwehrte, es aber den Blicken doch fast ganz freigab. Hinter dem Gitter sah sie die Herrin stehen und machte eine tiefe Verbeugung vor ihr, wie es die beiden anderen bereits getan hatten.

    Die Herrin war von einer angegriffenen, ein wenig verblühten und, beinahe möchte ich sagen, etwas unsteten, doch eigenartigen Schönheit, und mochte 25 Jahre alt sein. Ein waagerecht über den Kopf gebundener schwarzer Schleier fiel ihr zu beiden Seiten des Gesichts hinab, und unter dem Schleier umschloss ein Leinenstreifen die Stirn bis zur Mitte; die andere Hälfte, die sich unbedeckt, aber nicht weniger weiß als der Streifen zeigte, schien schneeweißes, von einem hellen Blatt Papier eingerahmtes Elfenbein zu sein. Doch jene glatte und hohe Stirn runzelte sich von Mal zu Mal, wenn zwei tiefschwarze Augenbrauen einander näher kamen, um sich gleich wieder in rascher Bewegung zu trennen.

    Zwei ebenso tiefschwarze Augen hefteten sich, herrisch forschend, hie und da auf das Gesicht des anderen und wandten sich ebenso plötzlich wieder ab, wie um zu

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