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Sämtliche Songtexte 1984-2004: Mit einem Vorwort von Gerhard Schöne
Sämtliche Songtexte 1984-2004: Mit einem Vorwort von Gerhard Schöne
Sämtliche Songtexte 1984-2004: Mit einem Vorwort von Gerhard Schöne
eBook401 Seiten2 Stunden

Sämtliche Songtexte 1984-2004: Mit einem Vorwort von Gerhard Schöne

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Über dieses E-Book

Wer in der DDR als Liedermacher oder mit einer Band öffentlich auftreten wollte, brauchte hierzu eine staatliche Erlaubnis, die man erst nach dem Vorspielen des Programms vor einer Kommission erhielt – oder eben nicht. Dies war auch 1986 so, als ein paar Freunde die Band „Flexibel“ gründeten – aus der nach 1990 „AufBruch“ wurde. Nach nun genau 30 Jahren verbleicht jedoch nicht nur die Schrift auf den Zetteln und Blättern, auf denen die Urfassungen der Songtexte geschrieben wurden, sondern auch die Erinnerung. Was liegt da näher, als die verblassenden Texte, die doch auch Schienenstränge für die Züge der Rückbesinnungen in die Vergangenheit sind, in ein Buch zu retten?
Doch: Macht es nicht mehr Sinn, die Songs neu einzuspielen und auf einem Tonträger herauszubringen – oder einfach „in das Netz“ zu stellen? Gerade Liedtexte leben doch auch von und mit ihrer musikalischen Interpretation… Gerhard Schöne schrieb im Vorwort dieses Buches, dass es ihm beim Lesen der Texte ein wenig so vorkam, als würde er im Tagebuch eines Freundes blättern. Und Tagebücher müssen bekanntlich nicht musikalisch untersetzt werden, um sich auf sie einzulassen.
Deshalb sind hier alle seit 1984 entstandenen Songtexte in ihrer Urfassung versammelt: Die aus den Liedermacherprogrammen 1986/87 und 1988/89 und diejenigen, die „Flexibel“ und „AufBruch“ von 1987 bis 2005 in den Konzerten spielten.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Apr. 2016
ISBN9783741201653
Sämtliche Songtexte 1984-2004: Mit einem Vorwort von Gerhard Schöne
Autor

Ralf Mattern

Ralf Mattern wurde 1964 im Ostharz geboren, erhielt 1986 die Auftrittserlaubnis als Liedermacher und war zugleich Mitglied, Texter und Komponist der 1987 gegründeten und im Sommer 1989 verbotenen Band "Flexibel", die ab 1991 unter dem Namen "AufBruch" mehrere Plattenverträge erhielt. Neben einer Vielzahl von Sampler-Beiträgen wurden auch vier Alben veröffentlicht. Von Ralf Mattern erschienen die Bücher "Verbotene Lieder! Verlorene Lieder? - Texte aus der DDR 1984-1989", "Sondermüll - the very worst of NDW", "Die schwarze Grafschaft ist rot! - die Chronik der Wernigeröder Sozialdemokratie", "Die wahre unglaubliche Geschichte vom entführten Mitropa-Koch - oder Inside Aktuelle Kamera", "Sämtliche Songtexte 1984-2004", "Leserbriefe 1989-2014: Eine politische Reise durch ein Vierteljahrhundert", "Orte der Wernigeröder Arbeiter- und Demokratiebewegung".

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    Buchvorschau

    Sämtliche Songtexte 1984-2004 - Ralf Mattern

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Noch auf ein Wort

    Mädchen aus Westberlin (1984)

    Großstadtstraßen (1984)

    Trotzlied (1984)

    Zorro reitet nicht mehr (1984)

    Hurra, hurra, ich bin bei der Armee (1984)

    Spießer (1984)

    Neutron (1984)

    Alte Kneipe (1984)

    Blues von den Raketen (1984)

    Tramperlied (1984)

    Einfach nur suchen (1984)

    Hammerlied (1984)

    Die Unterschrift (1984)

    Zwanzigtausend Meilen (1984)

    Senf in Genf (1984)

    Die Winde singen von Freiheit (1984)

    Traum (1984)

    Der Krawattentyp (1984)

    Metropolis (1984)

    Gammelblues (1984)

    Schottland (1984)

    Lasst uns trinken (1984)

    Nicaragua (1984)

    Distanz (1984)

    Bring mir doch ganz einfach Wasser (1985)

    Bis nach Haus (1985)

    Für John Lennon (1985)

    Sicherheit und Ordnung (1985)

    Liebeslied (1985)

    Es wird nie mehr wie früher sein (1985)

    Du sagst (1985)

    Naturliebe (1985)

    Lied von der Freiheit (1985)

    Die Straße (1985)

    Horizont (1985)

    Soldaten (1985)

    Born to be wild (1985)

    Knastblues (1985)

    In einer Nacht, wie dieser (1985)

    Erinnerung (1985)

    Es ist Rock’n’Roll (1985)

    Braune (1985)

    Uncle-Sam-Song (1985)

    Sonne im Exil (1985)

    Kannst Du die Stille fühlen? (1985)

    Blues von der Sehnsucht (1985)

    Mitten im Chaos (1986)

    Flieg, Vogel, flieg (1986)

    Vision (1986)

    Reservation (1986)

    Auf der Straße (1986)

    Losziehen (1986)

    Erklärung (1986)

    Wir wollen heute leben (1986)

    Der Tramp (1986)

    Tschernobyl ist in der Nähe (1986)

    Grauer Tag (1986)

    Schöner Tag (1986)

    Fünf Minuten Aufenthalt (1986)

    Irgendwas (1986)

    Ich seh mein Leben vorbeiziehen (1986)

    Steht auf! (1986)

    Spitzellied (1986)

    Heut Nacht, wenn wir uns lieben (1986)

    Lied für den Freund (1986)

    Loblied auf die Maloche (1986)

    Ich denke oft zurück (1986)

    Tiger (1986)

    Ich sag Dir: „Ade!" (1986)

    Träume sind wie Sterne (1986)

    Tante Ella (1986)

    Seit diesem Abend (1986)

    Der Traum ist aus (1986)

    Deine Augen (1986)

    Blues vom vielen Reden (1986)

    Blues im Kopp (1987)

    Urschrei (1987)

    Kennst Du das Land (1987)

    Was ich will (1987)

    In der Sommerzeit (1987)

    Ein altes Sprichwort (1987)

    Minutenblues (1987)

    Wiedersehen (1987)

    Blues vom morgendlichen Aufstehen (1987)

    Neue Ordnung (1987)

    Fahne raus (1987)

    Ob so das Leben ist? (1987)

    Brandstellen (1987)

    Sehnsucht (1987)

    Sonniger Weg (1987)

    Es weint sogar der Wind (1987)

    Doktor, Doktor (1987)

    Dröhnland (1987)

    Gefangenes Leben (1987)

    Goodbye, mein blonder Engel (1987)

    Die Leute vom Mars (1987)

    Der Wind ruft Mary (1988)

    Legal, illegal, scheißegal (1988)

    American Pie (1988)

    Bruder Adler (1988)

    Auf der Suche (1988)

    Wenn ich 65 bin (1988)

    Lied der Hoffnung (1988)

    Ich hab es satt (1988)

    Gegenzug (1988)

    Vorketzin (1988)

    Wilde Rosen (1988)

    Für Dich (1988)

    Wenn die Wolken Steine weinen (1988)

    Allezeit (1988)

    Stille (1988)

    Ein gelernter DDR-Mensch (1988)

    Prinzessin (1988)

    An alle deutschen Prinzen (1988)

    Der Teufel (1988)

    Anders leben (1988)

    Urlaubslied (1988)

    Ballade vom härtesten Mann in der DDR (1988)

    Leise rieselt der Schnee - Stendal 19xx (1988)

    Ich bin so müde (1989)

    Ich bin dafür (1989)

    Das Unwetter der Liebe (1989)

    Durchhalten bis zuletzt (1989)

    Schreckliche Moritat über einen Erbauer des Sozialismus, der wegen gesellschaftlicher Verpflichtungen an seinem Vorhaben scheiterte, das Perpetuum mobile zu erfinden (1989)

    Abstellgleis (1989)

    Bonnie und Clyde (1989)

    Wenn ein Regen auf die Erde niedergeht (1989)

    Trampen durch den Sommer (1989)

    Sklaven (1989)

    Regentag (1989)

    Mauern (1989)

    Alkoholiker (1989)

    Ich träum davon (1989)

    Manchmal (1989)

    40 Jahre Winter (1989)

    Braver Bürger (1989)

    Steine (1989)

    Lass uns lachen (in unserm Schmerz) (1990)

    Im Express (1990)

    Deutschlandlied (1990)

    Das letzte Wort (1990)

    Märchen und Wahrheit (1990)

    Abend in der Stadt (1990)

    Einen Pflasterstein hätte ich jetzt gern (1990)

    Papstanische Verse (1990)

    Die Rebellen sind nicht tot (1990)

    Halt mich fest (1990)

    Wir fahren durch den Tag (1990)

    Die Wölfe heulen wieder (1990)

    Radikal (1991)

    Ohne mich (1991)

    Jeden Abend Fete (1991)

    Komm, nimm meine Hand (1991)

    AufBruch (1991)

    Niemand kann mir sagen, was ich weiß (1991)

    König und Gott (1991)

    Abend in der Stadt II (1991)

    In diesem Land (1991)

    Gehen wir in die Luft? (1991)

    Wut im Kopp (1991)

    Weiß auf weiß (1991)

    Krieg (1992)

    Für Ulrike (1992)

    Ich hau ab (1992)

    Was glaubst Du, wer Du bist? (1992)

    Bye bye (1992)

    Du und ich (1993)

    Silber und Gold (1993)

    Für sie (1993)

    Tod (1994)

    Lass uns feiern (1994)

    Ausbruch (1994)

    Für immer tot (1994)

    Wintertag (1994)

    Tausend wilde Rosen (1994)

    Amsterdam (1994)

    Mein Mädchen (1994)

    Lisa (1995)

    Vielleicht (1995)

    Insel (1995)

    Nimm mich mit zu Dir (1995)

    All die Straßen (1995)

    Tschernobyl ist in der Nähe (1995)

    Lass es mich verstehen (1995)

    Letztes Lied (1995)

    Uns verbrennt die Nacht (1995)

    Hallo, wie heißt Du? (1996)

    Ich bin so glücklich (1996)

    Dir gehört diese Nacht (1996)

    Abschied (1996)

    Gin und Whiskey (1997)

    Außer Kontrolle (1997)

    Ich will viel mehr (1997)

    Komm, bleib (1997)

    Crash (1997)

    Kalter Freund (1998)

    Schnee (1998)

    Wir (1998)

    Bonnie und Clyde (1998)

    Schweiß steht auf Deiner Stirn (1999)

    Nie wieder (1999)

    Swing (1999)

    Niemand kann träumen, so wie Du (1999)

    Die Haut (2000)

    Ich mag Dich nicht! (2000)

    Warten auf den Mann (2001)

    Komm mit mir (2001)

    Idioten (2002)

    Ich find Dich wieder (2002)

    Wenn (2003)

    Die Fenster dort in den Wänden (2003)

    Du kannst mich mal (2003)

    Melanie (2004)

    Nachwort

    Register

    Vorwort

    Als Jugendlicher bekam ich Albert Schweitzers Buch „Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben in die Hände. Unter anderem beschwört er darin die Jugendlichen, ihren Idealismus mit dem Erwachsenwerden nicht wegzuwerfen, wie unnötigen Ballast von einem Boot. Zu spät würden sie oft erst erkennen, dass das, was sie für entbehrlich hielten, der Mundvorrat und der Wasservorrat gewesen seien. „Im Jugendidealismus erschaut der Mensch die Wahrheit. In ihm besitzt er einen Reichtum, den er gegen nichts eintauschen soll.

    Wenn ich Ralf Matterns Texte lese, begegne ich diesem Jugendidealismus und einem Mann, der sich treu bleibt. Menschen, die sich nicht verbogen, die den Lehrern oder Vorgesetzten nicht nach dem Munde redeten, sondern Klartext sprachen, mit Mut, Phantasie und oft einer Portion „Bauernschläue" ihre Sache vertraten, waren rar im DDR-Staat. So ein seltenes Exemplar in der Kulturszene war Ralf Mattern.

    Klar, dass er von den einen schief angesehen wurde, dass sie in ihm einen Störenfried sahen und ihm Knüppel zwischen die Beine warfen. Für die anderen aber, die die frisierte Medienberichterstattung, die seichte Unterhaltung, die ständige Bevormundung satt hatten, waren solche Texte, solche Lieder eine Wohltat.

    Seine Texte können nüchtern sein und verträumt, sie ermutigen, aber kaum mit großen Worten, sondern einfach durch die Tatsache, dass er sich etwas traut und dem Zuhörer wie einem Freund zuredet, ebenfalls Haltung zu zeigen. Seine Lieder haben Witz, sie können provozierend, ironisch sein, andere zeigen ein verletzliches Inneres. Knappe poetische Texte, wortreiche, appellierende... jede Stimmungslage findet ihre Ausdrucksform.

    In diesen Texten zu lesen war ein wenig so, wie im Tagebuch eines Freundes zu blättern. Manche Eintragungen machen Zeiten und Situationen wieder lebendig, die ich ganz ähnlich erlebt habe oder ähnlich sehe. Bei manchen Texten denke ich: Hut ab! Das war beherzt! Manche bleiben mir fremd, andere sprechen direkt zu meinem Herzen.

    Seinen kritischen Blick hat Ralf Mattern durch die gesellschaftlichen Veränderungen hindurch bewahrt. Den Mundvorrat und Wasservorrat hat er nicht über Bord geworfen. Er teilt ihn mit uns.

    Gerhard Schöne

    Noch auf ein Wort

    „Spar Deinen Wein nicht auf für morgen" – als im Jahr 1981, als ich 16 Jahre alt war, in der DDR eine Schallplatte mit diesem Namen erschien, war das für die zwischen den Zeilen lesen gewohnten Leute ein Ausrufezeichen. Galt denn nicht mehr die offizielle Verlautbarung, dass im Hier und Jetzt bis zur Erschöpfung und Selbstaufgabe alles dafür getan werden muss, in der Ferne eine Gesellschaft zu errichten, in der Wein und Honig fließen – und die Kommunismus genannt wurde? Diese Schallplatte musste ich haben.

    Was ich dann hörte, als sich das Vinyl auf meinem Plattenteller drehte, ließ mein Herz höher schlagen. Da sang der Liedermacher Gerhard Schöne aus meinem Leben, aus dem Leben meiner Freunde. Das „Aussteigerlied „Highlife in the city, der Song mit der rhetorischen Frage im Titel „Oder fehlt da noch was?" und natürlich das Lied, das der Platte den Namen gab, sprachen uns an, ergriffen uns, ließen uns begreifen.

    Später, nach einer Schallplatte für Kinder (ja, auch das ist Gerhard Schöne: Ein wundervoller Poet, der auch kindliche Seelen ver- oder besser: bezaubert), war 1985 das Werk „Menschenskind für uns prägend. „Warst Du schon da? Warst Du in Phantasia? In dem Land, in dem es keine Polizei und keine Armee gibt. Gerade diese Textzeile wurde in seinen Konzerten vom Publikum stets besonders bejubelt. Gab es Beifall für die Aussage? Oder Beifall für den Mut des Sängers, so etwas vorzutragen?

    Wie zum Beispiel im Mai 1987, beim „Petersbergtreffen in der Nähe von Halle. Dort fand alljährlich eine öffentliche Veranstaltung des evangelischen Jungmännerwerkes statt. Doch, wer diese Treffen erlebt hat, wird bestätigen: Es pilgerten auch viele, viele konfessionslose aber hoffnungsvolle vor allem junge Leute auf den Berg. Denn dort gab es sicher auch seelische Erbauung – aber seit Mitte der 80-er Jahre eben auch die „Kirche von unten, die Infomaterial hatte, zu Themen wie Wehrdienst, Atomkraft, Umweltzerstörung, Menschenrechte… Allein diese vier Themen sprachen absolute Tabus in der DDR an. Dazu gab es auch immer musikalische Beiträge – und 1987 war der „Hauptact": Gerhard Schöne. Die große Wiese unterhalb des Klosters fasste kaum die selbst für Petersbergverhältnisse ungewöhnlich vielen Menschen. Woodstock bei Halle an der Saale. Die kleine Verstärkeranlage forderte vom riesigen Auditorium Stille, um etwas zu verstehen. Doch still war es nicht: Das Publikum sang Gerhard Schönes Lieder einfach mit!

    Selbst die staatliche Plattenfirma AMIGA kam an dem charismatischen Liedermacher nicht vorbei: Als einer der ganz wenigen Künstler durfte Gerhard Schöne ein Doppelalbum produzieren – im Jahr 1988. Jeder wusste: Das war kein Gunstbeweis der DDR-Kulturbürokratie. Schöne durfte man, wenn man sich nicht den Zorn des Publikums zuziehen wollte, den Leuten nicht vorenthalten!

    Wer ein derart großes Publikum hatte, konnte nicht ignoriert werden – auch wenn die Lieder alles andere als staatstragend waren. Gerhard Schöne sang und lächelte und spottete und forderte und ulkte und träumte und richtete und dichtete in seinen Liedern jegliche Ideologie einfach weg. Vielleicht war das für die DDR-Machthaber noch gefährlicher, als die wütenden und zornigen (doch deshalb nicht weniger wertvollen) Werke Stephan Krawczyks. Gerhard Schönes Song(zeile) „Mit dem Gesicht zum Volke" konnte man ein Jahr später auf den Plakaten der Montagsdemonstranten wiederfinden.

    Mit der „Wende" ging es für viele DDR-Künstler (erstmal) bergab. Natürlich nicht so bei Gerhard Schöne. Er blieb einfach der, der er immer war – und er blieb bei seinem Publikum beliebt. Er füllt bis heute weiterhin Säle und Plätze, Kirchen, Hallen und Clubs – weit über einhundert Mal im Jahr.

    Unfassbare 25 Alben entstanden nach 1989! Vielfach wurde er für sein Wirken ausgezeichnet. „Daneben" ist er unter anderem auch noch Botschafter für UNICEF. Und er fand trotzdem noch die Zeit für ein Vorwort für dieses Buch.

    Danke für Alles, lieber Gerhard!

    Ralf Mattern

    Mädchen aus Westberlin (1984)

    Ich traf sie auf ’nem Blueskonzert

    draußen in Köpenick.

    Und ich sah sie an – und sie sah mich.

    Das war der Augenblick.

    Ich ging zu ihr und fragte: „Mensch Mädchen, wie heißt Du?

    Ich hab mich in Dich verknallt!"

    Sie sagte, dass sie Carina heiße,

    achtzehn Jahre alt.

    Wir kamen uns näher, und sie fackelte nicht lang.

    Ich glaubte, dass ein unendliches Glück begann.

    Und ich sagte: „Mensch Carina,

    bei mir hat’s wirklich reingehau’n.

    Der Blues da vorn macht mich nicht mehr an,

    ich kann nur noch Dich anschau’n."

    Dann ging sie mit mir

    zu mir nach Haus.

    Und dort tobten wir uns unglaublich aus.

    Doch zwischendurch redete sie was,

    was ich nicht ganz verstand,

    dass die Zeitungen doch eigentlich lügen über unser Land.

    So gegen zweiundzwanzig Uhr sagte sie:

    „Mein Liebling, ich muss jetzt leider geh’n."

    In mir begann es langsam zu dämmern,

    ich begann zu versteh’n.

    Ich fragte sie: „Sag Carina,

    wo kommst Du eigentlich her?"

    Sie sagte, sie komme von ’ner Insel

    umgeben von Stacheldraht, Mauer und Gewehr.

    „Um vierundzwanzig Uhr macht der Zirkus hier zu

    für die Leute aus Tempelhof und Wilhelmsruh."

    Diese Antwort hatte mich schwer geschockt,

    das kriegte ich in meinen Kopf nicht rein.

    Ich flehte sie an: „Mensch wir lieben uns doch!

    Können wir nicht länger zusammen sein?"

    Doch sie sagte: „Die Herren in Ost und West,

    die wollen das wohl nicht,

    denn es ginge hier um brisante Fragen,

    Fragen mit viel Gewicht."

    Sie meinte, sie sei für mich ein Klassenfeind

    und ich für sie ein Kommunistenfreund.

    Dann stieg sie in die S-Bahn,

    wir küssten uns nochmal. Bahnhof Friedrichstraße.

    Und sie sagte: „Vielleicht komm ich bald wieder,

    wenn ich’s Geld hab für diese Zirkuskasse."

    Ich sagte zu ihr: „Vielleicht schon bald

    ändert sich hier was."

    Doch sie lachte nur darüber und meinte,

    das sei ein schlechter Spaß.

    Dann wurde sie ernst: „Da hilft kein Hoffen und kein Beten.

    Zur Mauer aus Beton kommt jetzt noch eine – aus Raketen."

    Als sie weg war dachte ich so über manches nach.

    Und ich fragte mich:

    Haben die Herren sogar Angst vor der Liebe?

    Sind die denn wirklich so schwach?

    Ich dachte an ihre Worte,

    wo sie wohnt spioniert man sie aus,

    denn sie wohnt zusammen mit fünfzehn Freunden

    in einem besetzten Haus.

    Mit bei ihr im Haus wohnen auch ein paar Genossen.

    Und ihren Opa haben die als Kommunisten in Buchenwald erschossen.

    Ich fragte mich: Was soll denn das?

    Wieso ist sie mein Feind?

    Ich denke der Feind meines Feindes

    ist mein Freund.

    So ziemlich alles hatte Hand und Fuß,

    was sie sagte.

    Und doch wird ihr Besuch gegen mich verwendet,

    er kommt in meine „Kaderakte".

    Wir sprechen dieselbe Sprache. Ich denke und fühle fast wie sie,

    und doch dürfen wir uns nicht lieben – welche Idiotie.

    Mädchen aus Westberlin, weißt Du wovon ich träum?

    Ich träum davon, dass die Mauer nicht mehr steht,

    weil ein Wind der Liebe uns um die Nase weht.

    Und dass wir bald wieder zusammen auf ’nem Blueskonzert sind,

    vielleicht dann bei Dir, draußen im Wedding.

    Großstadtstraßen (1984)

    Der alte Mann dort auf der Bank,

    die Jacke zu breit, die Hose zu lang,

    er schaut in den grauen Himmel, was hat er schon alles erlebt?

    Die Frau dort mit dem Kinderwagen,

    wer hilft ihr, ihre Taschen tragen?

    Sie hat um sich ein Netz der Ablehnung gewebt.

    Großstadtstraßen – sie verblassen,

    mussten ihren Zauber lassen.

    Die Zeit hat ihn genommen und gibt ihn nicht mehr her.

    Die alten Straßen sind vergessen,

    die neuen von ihrem Prunk besessen,

    doch die Zauberstraßen der Großstadt gibt’s nicht mehr.

    Der Mann mit der Zeitung in der Hand,

    ob er je die Liebe fand?

    Oder lebt in ihm die Stille, so unendlich und kalt?

    Papier fliegt durch die laute Luft,

    eine Mutter ihre Tochter ruft.

    Doch sie ruft vergebens, ihr Ruf zu schnell verhallt.

    Großstadtstraßen – sie verblassen,

    mussten ihren Zauber lassen.

    Die Zeit hat ihn genommen und gibt ihn nicht mehr her.

    Die alten Straßen sind vergessen,

    die neuen von ihrem Prunk besessen,

    doch die Zauberstraßen der Großstadt gibt’s nicht mehr.

    In der Nacht dann aufgesetzter Glanz,

    die Großstadt tanzt den Totentanz.

    Doch wer will das verstehen, der sich im Glanze sonnt?

    Im Fleisch der Stadt steckt ein vergifteter Speer.

    Die Bank, auf der der alte Mann saß, ist leer.

    Ich hätte ihn fragen müssen, doch ich hab’s nicht gekonnt.

    Großstadtstraßen – sie verblassen,

    mussten ihren

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