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Baboon
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eBook119 Seiten1 Stunde

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Über dieses E-Book

In Peewick, einem verschlafenen Nest irgendwo in der Weite des afrikanischen Buschlands, scheint die Zeit stillzustehen. Sogar die Zeiger der Kir chturmuhr rühren sich seit Jahren keinen Zentimeter mehr vom Fleck, ohne dass sich wer groß darüber beschwert. Bloß der dreizehnjährige Denny mag sich nicht an den Stillstand des Orts und seiner Menschen gewöhnen.
Nein, Abenteuer lassen sich in Peewick keine erleben, es sei denn, man läuft hinaus zur Bahnstation! Denn dort lebt ein alter Bahnwärter, der zusammen mit einem Affen seinen Dienst verrichtet. Zum Glück liebt auch Ona die Gesellschaft des kauzigen Alten und dessen fellbehaarten Freund. Schon seit Wochen trägt Denny nun für das kleine Mädchen die Verantwortung und stößt dabei immer wieder an seine Grenzen. Denn Ona besitzt das Temperament eines Wirbelwinds und hat ihren eigenen Kopf. Vielleicht wäre alles oft halb so wild, müsste Denny für sein Tun nicht immer wieder dem Pastor des Orts Rechenschaft abgeben. Diesem ist es gar nicht recht, wenn Denny und Ona ihre Zeit viel lieber auf der Bahnstation verbringen, anstatt sich in der Kirche blicken zu lassen ...
„Baboon" beruht auf einer wahren Begebenheit: Ende des 19. Jahrhunderts berichteten Zeitungen von einem invaliden Bahnwärter, der sich von einem Pavian bei der Arbeit helfen ließ.
SpracheDeutsch
HerausgeberARAVAIPA
Erscheinungsdatum1. Feb. 2016
ISBN9783038642015
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    Buchvorschau

    Baboon - Hubert Flattinger

    Südafrika

    1.

    Ich will ehrlich sein. Wenn ich als Junge hinaus zur Bahnstation lief, ging es mir dabei zuallererst um die Züge. Um das rhythmische Gestampfe, das aus der Ferne klang, lange noch bevor die ersten Dampfwolken der Lokomotive hinter den Hügeln zum Himmel aufstoben und damit das große Ereignis ankündigten. Das, was sich zuerst wie das dumpfe Donnergrollen eines sich zusammenbrauenden Unwetters anhörte, würde alles mit sich bringen, wonach ich mich in jenen Tagen sehnte. Damals hätte ich dir dieses Gefühl der Sehnsucht nicht beschreiben können. Ich konnte mir ja nicht einmal selbst erklären, was mit mir vor sich ging, wenn mich dieses Fieber packte. Das Einzige, was ich begriff, war, dass ich ein Teil davon sein wollte! Ein Teil dieses mächtigen Geschehens, ein Teil dieser wuchtigen Maschine, die auf den silbernen Linien des Schienenstrangs dahinglitt, einen dicken Strich zwischen Himmel und Erde zog und schließlich unter donnerndem Getöse an mir vorüberzog.

    Dann stand ich, so nahe es nur ging, an den Gleisen. Streckte die Arme von mir wie ein Vogel auf einem Ast, der seine Schwingen ausbreitet, um auf den günstigen Wind aufzuspringen. Aber was heißt Wind? Es war vielmehr ein Sturm, wenn der Zug erst kam! Ein Sturm, dessen wilde, rauflustige Windwirbel mir Hosenbeine und Hemd aufblähten und heißen Sand ins Gesicht spien. Da war mir, als könnte ich fliegen. Weit fort nach Woandershin. Vielleicht in ein Land, in eine Stadt, wo alles anders wäre als das, was mich für gewöhnlich umgab. Ja, auf diese besonderen Momente kam es mir an, wenn ich als Junge zur Bahnstation lief.

    Das alles ist lange her, und inzwischen bin ich längst wirklich ausgeflogen. Ja, ich bin auf den Wind gesprungen. Und heute lebe ich tatsächlich in Woanderswo.

    Über die Jahre ist mein Gefieder an den Schläfen grau geworden. Und auch Woanderswo ist inzwischen nicht mehr das, was es einmal war. Bloß die Züge, die fahren immer noch. Immer geradeaus, den eisernen Blick streng nach vorne gewandt, in die Zukunft geht die Reise. Was hinter einem liegt, nennt man Vergangenheit. Dorthin fährt kein Zug. Will ich mich aber an den Jungen erinnern, der ich einmal war, schließe ich meine Augen. Es ist wie auf einem Dachboden. Man muss sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, um etwas sehen zu können. Und nach und nach tun sich Bilder auf.

    Siehst du sie auch, die endlose Weite des afrikanischen Buschlands? Die zum klaren Blau des Himmels geschwungenen, grünen Hügel, von denen kaum einer zu sagen weiß, wie viele Tagesreisen sie entfernt liegen?

    Hörst du das Summen der Insekten, das Gezwitscher der tausend Vogelstimmen in den Bäumen, das heisere Kläffen der Hyänen, das aufgebrachte Schnattern der streitenden Affen? Lass dich vom Klang dieser Melodie begleiten, während du deinen Blick weiter über das ockerfarbene Land gleiten lässt. Wenn du mir folgst, führe ich dich zur Bahnstation. – Es sind nur noch wenige Schritte bis dorthin. Den Wasserspeicher kann man von hier aus schon erkennen. Dickbäuchig steht er auf vier seitwärts gegrätschten Stelzen. Aus einer kreisrunden Öffnung ragt ein verbogenes Blechrohr, das man mit etwas Fantasie ebenso gut für den mächtigen Rüssel eines riesigen Elefanten halten könnte. Der Rüssel zeigt in Richtung eines weißen Gebäudes, das auf einer erhöhten Plattform steht. – Die Bahnstation.

    Nach vorne, zu den Gleisen hin, bietet eine überdachte Veranda Schutz vor der Sonne. Und siehst du die zwei seltsamen Gestalten? Ein einbeiniger Bahnwärter und sein Affe. Gemeinsam stehen sie auf dem Posten. Seite an Seite, dicht beieinander. Auch heute verschmelzen ihre beiden Schatten zu einem. Aber nicht bloß ihre Schatten sind eines. Es ist, als glichen sich die beiden auch in ihrem Wesen. Gerade so, als wären sie aus demselben Holz geschnitzt. Sieh nur: wie der Alte sein Gesicht verzieht und es ihm der Affe – es ist ein Pavian – in derselben Sekunde nachmacht!

    Der alte Bahnwärter und sein Affe. Der eine rückt sich seine Krücke unter dem Arm zurecht, der andere beißt sich Flöhe aus dem Fell um seinen blanken Hintern. Der eine kratzt sich am Ende seines Beinstumpfs, der andere reckt seine Schnauze witternd in den Wind.

    Jetzt finden sich ihre Blicke. Sie sehen einander prüfend an, schenken sich ein kurzes Nicken, als wären sie sich über etwas einig, von dem nur sie Bescheid wissen. Als teilten sie ein besonderes Geheimnis miteinander.

    Über ihren Köpfen quietscht im Morgenwind ein an dünnen Ketten befestigtes Messingschild. „Peewick" steht darauf zu lesen. Damit sind die wenigen Häuser rund um das halbe Kirchenschiff gemeint, die etwa anderthalb Meilen von der Bahnstation entfernt so etwas wie eine Siedlung in die Wildnis heucheln.

    Eine Redensart sagt: Wer sich nach Peewick verirrt, irrt sich auch für den Rest seines Lebens. Ich denke, damit ist schon viel gesagt.

    In Peewick bekommt keiner etwas geschenkt. Wer hier leben will, muss genügsam sein und mit dem wenigen, das sich dem Land und dem Vieh abtrotzen lässt, sparsam umgehen. Und obwohl es an vielem fehlt, hoffen die meisten Menschen, dass alles so bleibt, wie es ist. Und kaum einer stört sich daran, dass die Zeiger der großen Kirchenuhr bereits vor vielen Jahren stehen geblieben sind. Schließlich gibt es Wichtigeres zu erledigen, als nach der Zeit zu fragen. Vielleicht muss man einfach bloß ein sturer Hund sein, um dieses Nest am Ende der Welt für das Gelbe vom Ei zu halten. Ich weiß nicht, ob ich das Zeug zu einem sturen Hund habe, mich kratzen andere Sachen. Jedenfalls möchte ich nicht stillstehen und wie einer der beiden Uhrzeiger auf dem Kirchturm immer auf demselben Fleck verharren müssen.

    Gäbe es nicht die Bahnstation, müsste man sich vielleicht wirklich mit alledem, was Peewick ausmacht, abfinden. Nur, irgendwohin müssen die Gleise ja führen! Irgendwohin, wo sich die Zeiger der Uhren noch drehen, irgendwohin, wo es ganz anders ist als hier.

    Vielleicht zieht es mich deshalb so oft zur Bahnstation hinaus.

    Denn falls sich jemals eine Gelegenheit bieten sollte, Peewick den Rücken zu kehren, dann muss es hier geschehen, hier an den Gleisen.

    „In Dublin’s fair City, where girls are so pretty,

    I first set my eyes on sweet Molly Malone."

    Der alte Bahnwärter singt nun wieder sein Lied. Ein Lied, das er, als er noch jung war, in einem weit entfernten Land gehört hat.

    Während er singt, zieht er sich die Krücke unter der Armbeuge hervor, lehnt sie seitwärts an die Wand, klopft mit ein paar kräftigen Schlägen den Staub vom Sitzpolster seines Lieblingsstuhls und lässt sich darauf nieder. Er grunzt genüsslich und ist mit sich und der Welt zufrieden. Mit verträumten Blick krault er das Fell seines Pavians, der dankbar zu ihm aufblickt.

    „Seid ihr noch da-ah, Kinder?", fügt der alte Bahnwärter eine neue Zeile in seinen Singsang für Molly ein und reckt den Kopf nach uns.

    „Wir sind hier drüben, Mr. Quinn, gleich hier!", gebe ich ihm Bescheid.

    „Ja, hier!", meldet sich Ona ebenfalls zu Wort und winkt mit der Hand über die Bretter unseres Verstecks.

    Onas dunkle Haut hebt sich kaum von den pechbestrichenen Balken ab. Nur das Weiß ihrer Augen verrät mir, wo sie ihren Kopf anlehnt.

    Sie liebt den Geruch, der aus den Ritzen der verwitterten Holzplanken dringt, wenn ihnen die Sonne die Feuchtigkeit der vergangenen Nacht entzieht. Gleich wird Ona wieder schwärmen:

    „Riecht es nicht herrlich, Denny? Wenn ich groß bin, möchte ich genau wie das Holz hier riechen, Denny."

    „Hast du mir bereits hundertmal gesagt, Dickmamsell."

    „Na und? Mama hat gesagt, dass man vieles vergisst, wenn man älter wird. Wäre schlimm, wenn ich vergessen sollte, wie gut ich duften mag. Deshalb muss ich mich hundertmal am Tag erinnern. Damit ich es nie, nie vergesse! Verstehst du?"

    „Hundertmal. Immer dasselbe, Ona."

    „Bei dir ist es doch genauso, Denny!"

    „Was meinst du?"

    „Pah", sagt sie und schnaubt sich damit ein paar Fliegen von

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