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Tödliche Luftschlösser
Tödliche Luftschlösser
Tödliche Luftschlösser
eBook190 Seiten2 Stunden

Tödliche Luftschlösser

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Über dieses E-Book

Der Killer Thompson übernimmt den Auftrag, ein Kind aus dem Weg zu räumen. Zunächst nur ein Job. Der wird jedoch zur Obsession, als das Kindermädchen Julie mit dem kleinen Jungen entkommen kann. Nun beginnt eine erbarmungslose Hetzjagd quer durch Frankreich, ein mörderisches Duell zwischen Julie und Thompson.

VERFILMT VON YVES BOISSET,
MIT MARLÈNE JOBERT

GRAND PRIX DE LITTÉRATURE POLICIÈRE
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Jan. 2016
ISBN9783923208975
Tödliche Luftschlösser
Autor

Jean-Patrick Manchette

Jean-Patrick Manchette (Marsella, 1942-París, 1995), guionista, crítico literario y de cine, está considerado uno de los autores más destacados de la novela negra francesa de las décadas de los setenta y ochenta. Se reveló en 1971 con El asunto N’Gustro y publicó una decena de novelas policiacas, además de crónicas, diarios, traducciones, etc. Apasionado por el cine americano y el jazz, militante durante años de la extrema izquierda y muy influenciado por la Internacional Situacionista, Manchette utiliza la forma de la novela policiaca como trampolín para la crítica social: la novela negra reencuentra así su función original. Fue reconocido por la crítica como el padre espiritual del néo-polar. Caza al asesino, una de sus obras maestras indiscutibles, ha sido recientemente adaptada al cine por Pierre Morel, protagonizada por Sean Penn y Javier Bardem.

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    Buchvorschau

    Tödliche Luftschlösser - Jean-Patrick Manchette

    (E-Book)

    NULL

    Der Mann, den Thompson töten sollte, ein Päderast, der schuldig war, den Sohn eines Industriellen verführt zu haben, betrat sein Zimmer. Als er die Tür hinter sich schloss, blieb ihm gerade noch Zeit, beim Anblick Thompsons, der dicht an der Wand neben den Türangeln stand, aufzuschrecken. Dann stieß ihm Thompson ein starres Sägeblatt, das in einen dicken zylindrischen Griff einmontiert und mit einem kreisrunden Stichblatt aus Blech versehen war, ins Herz. Während das Stichblatt das hervorschießende Blut zurückhielt, bewegte Thompson den zylindrischen Griff kräftig hin und her, und das Herz des Homosexuellen wurde in zwei oder mehr Teile zerschnitten. Das Opfer öffnete den Mund, zuckte einmal krampfartig zusammen, stieß mit dem Hinterteil gegen den Türflügel und fiel tot vornüber. Thompson machte einen Schritt zur Seite. Die Leiche hinterließ auf seiner Hand eine Spur Lippenstift. Angewidert wischte Thompson sie ab. Seit einer halben Stunde waren seine Magenkrämpfe fast unerträglich geworden. Er verließ das Zimmer. Niemand hatte ihn hineingehen sehen, niemand sah ihn herauskommen. Es war zwei Uhr nachts. Um elf hatte Thompson eine Verabredung in Paris. Er ging zu Fuß zum Bahnhof Perrache. Die Krämpfe machten ihm schwer zu schaffen. Der Killer beschloss, den Beruf aufzugeben. Bald. Es wurde jedes Mal schlimmer. Seit gut zehn Stunden hatte er nichts mehr zu sich nehmen können. Jetzt, da er getötet hatte, quälte ihn ein ekelhafter Hunger. Er ging schließlich ins Bahnhofsrestaurant. Er bestellte eine Sauerkrautplatte, und schlang sie hinunter. Er fühlte sich besser. Er bestellte noch eine Sauerkrautplatte und genoss sie. Sein Magen war besänftigt. Und sein Kopf ebenfalls: Thompson hatte soeben ein nettes Sümmchen Geld verdient. Es war drei Uhr. Der Killer bezahlte, ging zu seinem grauen Rover, der vor einer Parkuhr stand, und fuhr in Richtung Autobahn A 6.

    Später hielt er auf einem Parkplatz zwischen Lyon und Paris an und döste bis zum Morgengrauen.

    Pünktlich um elf Uhr morgens erschien er zu seiner Verabredung. Der neue Kunde hatte eine dunkle Brille aufgesetzt, und Thompson musste über diese kindischen Spielchen lächeln. In einer Nische tranken die beiden Männer schottisches Bier. Der neue Kunde legte ein Foto verdeckt auf den Tisch.

    «Die Sache wird ein bisschen kompliziert sein», sagte er. «Es müsste aussehen wie ein ... Ich werde es Ihnen erklären. Was ist los mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?»

    Thompson massierte sich den Magen.

    «Geht schon, geht schon», behauptete er.

    Thompson drehte das Foto um. Es war in Farbe und zeigte das Brustbild eines rothaarigen Kindes mit mürrischem Gesichtsausdruck.

    «Stört Sie so was?»

    «Überhaupt nicht», sagte Thompson.

    Es war sein Magen, der ihn störte. Es ging wieder los. Er hatte wieder Schmerzen.

    EINS

    Es war ein schwarzer Lincoln Continental. Durch die getönten Seitenscheiben konnte man die Insassen nicht erkennen. Der Wagen hatte einige Mühe, die engen Kurven der kleinen Straße zu nehmen. Ringsum nur Wald. Eine Vielzahl von Buchen, ein dicker Teppich aus welkem und verfaulendem Laub, der bis auf die Straße reichte.

    Zur Rechten tauchte eine Allee auf, in der Mitte einer ungefähr fünfzig Meter breiten Schneise. Zu beiden Seiten dieser Allee war der breite grasbewachsene Seitenstreifen von weißen Steinpfosten gesäumt, die eine dekorative Kette miteinander verband. Um in die Allee einzubiegen, musste der Lincoln zunächst nach links ausholen, bis er zur Hälfte auf der Gegenfahrbahn war; dann bog er ab und flitzte über den körnigen weißen Belag dahin. Kieselsteine und Staub spritzten innen gegen die Kotflügel.

    Die Allee führte schnurgerade zu einem Landsitz im Louis-XIII-Stil. Runde Ecktürme. Ein Turm stand im Wasser, und Seerosen schwammen unter seinen Fenstern. Der Lincoln fuhr langsamer. Der Landsitz kam näher.

    Er war von einer weiten Grasfläche umgeben. Hier und da führten Pfade in den Wald. Spaziergänger waren zu sehen, kleine Gruppen, in lange, rosafarbene, blaue oder pistaziengrüne Kittel gekleidet. Der schwere Wagen kam an einem nach vorn gebeugten jungen Mann mit langen Haaren und Brille vorbei, der seinen blauen Kittel aufgeknöpft hatte, um auf einen Maulwurfshügel zu pinkeln. Er war in die Knie gegangen, um besser zielen zu können. Sehr sorgfältig lenkte er seinen Strahl in das vom Maulwurf gegrabene Loch. Dabei hatte er einen ernsten und boshaften Gesichtsausdruck. Er beachtete das imponierende Auto überhaupt nicht.

    Der Lincoln kam noch an anderen merkwürdigen Menschen vorbei. Die Männer waren in Blau, die Frauen in Rosa. Die Personen in pistaziengrünen Kitteln – Männer wie Frauen – machten einen resoluten Eindruck. Offensichtlich handelte es sich um die Angestellten.

    Der Wagen fuhr vollends die Allee hinauf und hielt auf einem erhöhten Vorplatz des Schlosses, in der Nähe des Haupteingangs, vor der kurzen, weißen Freitreppe mit zwei Aufgängen. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, stieg der Chauffeur aus. Ein untersetzter, ungefähr fünfunddreißigjähriger Mann, Körper und Gesicht rundlich, kurze Beine, Livree aus blauem Tuch, weißes Hemd, rote Krawatte und Mütze. Er nahm die Mütze ab, und sein Haar wurde sichtbar. Es sah aus wie mit dem Nachttopf geschnitten. Der Mann öffnete die hintere Wagentür. Ein Typ gleichen Alters stieg aus. Er trug weit ausgestellte Hosen und eine Safarijacke aus silbrigem Seidensamt. Sein kurzes hellrotes, fast flachsblondes Haar war sehr fein. Sein längliches, intelligentes, ausdrucksvolles und hochmütiges Gesicht erinnerte an Franchot Tone – für diejenigen, die wissen, wer das ist. Seine rosa Haut war mit Sommersprossen übersät, die sich von seinem Teint kaum abhoben. Seine Augen waren seegrün. Er sah aus wie ein Mutant aus einer Fernsehserie.

    Da landeten prasselnd Kieselsteine auf dem Heck des Lincoln. Der Fahrer und der Rothaarige drehten sich zu dem Werfer um, einem schlechtrasierten Vierzigjährigen in blauem Kittel. Ein pistaziengrünes Mädchen griff schnell ein.

    «Werfen Sie Kieselsteine auf den Wagen, Guillaume?»

    «Hm.»

    «Warum tun Sie das? Wollen Sie ihn kaputtmachen?»

    Der Vierzigjährige zuckte mit den Schultern, machte kehrt und lief wütend weg. Das pistaziengrüne Mädchen wandte sich freundlich an die Ankömmlinge.

    «Messieurs?»

    «Hartog», sagte der Rotschopf. «Ich werde erwartet.»

    «Geht’s um einen Zugang?»

    «Es geht um einen Abgang. Seh ich wie ein Verrückter aus?»

    Das Mädchen lachte.

    «Nicht mehr als jeder andere. Sprechen Sie dieses Wort hier nicht aus, Sie könnten damit schockieren.»

    «Ich schockiere gern.»

    «Sie würden unsere Gäste verletzen.»

    «Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Wunsch habe, sie nicht zu verletzen.»

    «Wie bitte?» sagte das Mädchen, während es sich, verwirrt durch die Syntax des Satzes, vorbeugte.

    «Genug gequatscht», meinte der Rotschopf. «Man erwartet mich. Zumindest sollte man mich erwarten. Ich komme jemanden abholen.»

    «Nehmen Sie die Treppe», sagte das Mädchen nun betont sachlich. «Der Empfang in der Eingangshalle ist ständig besetzt. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen?»

    «Eine Sekunde noch.»

    Der Rotschopf begutachtete das Heck des Lincoln.

    Und richtete sich wieder auf.

    «Beschädigt ist nichts. Warum hindern Sie die nicht daran, Steine zu werfen?»

    «Selbstdisziplin. Das können Sie nicht verstehen.»

    «Blöde Kuh.»

    Das Mädchen wurde rot und lächelte.

    «Das wäre alles», fügte der Rotschopf hinzu. «Zischen Sie ab.»

    Das Mädchen ging mit rotem Kopf weg. Und lächelte nicht mehr.

    «Bleiben Sie im Wagen», sagte der Rothaarige zu seinem Chauffeur. «Halten Sie die bloß davon ab, Kiesel zu werfen. Schlagen Sie ruhig zu, wenn nötig.»

    Der Fahrer setzte sich quer auf seinen Sitz und ließ seine Beine aus der Tür hängen, während sein Chef die weiße Treppe hochstieg und in das herrschaftliche Gebäude ging. In der Eingangshalle war es kühl. Der Rothaarige fröstelte. Der Boden war mit Marmorplatten belegt. An der Längswand der Eingangshalle befanden sich überall Scheintüren, die mit Spiegeln verkleidet waren. Hinter einem Mahagonitisch saß ein dunkelhaariger Mann, Typ Latino, und las Charlie Hebdo*.

    «Michel Hartog», sagte der Rothaarige zu ihm. «Ich werde erwartet. Ein Termin mit Doktor Rosenfeld.»

    «Stimmt. Ich bringe Sie zu ihm.»

    Der dunkelhaarige Mann stand auf, ließ seine Zeitschrift auf dem Tisch zurück und ging Hartog voraus. Er öffnete eine Spiegeltür und folgte einem schmalen ausgepolsterten Gang. Er klingelte an einer mit weißem Leder beschlagenen Tür.

    «Treten Sie ein», krächzte eine Sprechanlage.

    Der dunkelhaarige Typ öffnete die Tür.

    «Monsieur Hartog», kündigte er an.

    Doktor Rosenfeld ging Hartog mit ausgestreckter Hand entgegen. Die beiden waren ungefähr gleich groß. Rosenfeld zeigte den Ansatz einer Glatze und einen heiteren Gesichtsausdruck, er trug eine Krawatte mit Schottenkaro, keine Jacke.

    «Ich freue mich, Sie zu sehen», sagte er.

    «Ist das Mädchen bereit?»

    «Mademoiselle Ballanger macht sich gerade fertig. Sie wird in einer Minute hier sein. Ich lasse sofort Bescheid geben.»

    Er ging wieder hinter seinen Schreibtisch und hantierte an einer Sprechanlage herum. Man war hier in dem Eckturm, der zur Wasserfläche ging. Ein feuchter Geruch drang durch das offene Fenster herein. Hartog trat an das Fenster und schaute hinaus.

    «Monsieur Hartog ist da», sagte Rosenfeld. «Wenn Mademoiselle sofort mit ihrem Koffer kommen könnte …»

    Die Sprechanlage summte. Rosenfeld schüttelte den Kopf und brach die Verbindung ab. Er warf sich in seinen Sessel zurück und betrachtete Hartog, der griesgrämig auf das Wasser blickte. Der Arzt kramte in seinen Schubladen herum, zog eine Pfeife mit geradem Rohr sowie Tabak der Marke Jean Bart hervor, stopfte seine Pfeife. Um seine Lippen spielte ein leichtes Lächeln. Abrupt drehte sich Hartog wieder zu ihm um.

    «Ich werde Ihnen einen Scheck ausstellen.»

    Der Arzt runzelte die Stirn.

    «Eine Spende», beharrte der Rotschopf. «Eine Spende für die Einrichtung.»

    «Ja, wenn Sie möchten. Das ist aber nicht nötig.»

    «Was Sie hier machen, ist recht interessant.»

    «Die Antipsychiatrie, meinen Sie?»

    «Ich weiß nicht», sagte Hartog. «Auf Verrückte aufpassen halt.»

    Rosenfeld verzog das Gesicht, hätte beinahe etwas gesagt, besann sich jedoch anders, zündete seine Pfeife an. Hartog stützte sich auf die Kante des Schreibtisches, um einen Scheck über zehntausend Franc auszustellen. Als er fertig war, reichte er ihn dem Arzt.

    «Das ist viel», meinte Rosenfeld.

    «Für mich ist das eine Kleinigkeit», erwiderte Hartog.

    *Erklärungen zu einigen Wörtern und Begriffen, Bemerkungen zu den Namen am Ende des Buches (Anm. d. Übers.).

    ZWEI

    Im Festsaal des Landsitzes saß ein Patientenpublikum auf Bänken. Die Unaufmerksamkeit der Pfleger ausnutzend, ließen sie eine Literflasche billigsten Kiravi-Wein herumgehen, aus der sie mit einem Strohhalm tranken. Auf der Bühne bewegten sich ungefähr ein Dutzend Personen hin und her, sangen und musizierten. Es gab ein Schlagzeug, ein Klavier, ein Kornett und ein Tenorsaxophon.

    «Aah! Die betörende Wonne der ersten Umarmung!» kreischte der Chor.

    Mehrere Zuschauer klatschten pausenlos.

    In Julies Zimmer hörte man die fernen Klänge des Konzerts, aber den Text konnte man nicht verstehen.

    Der Raum war annähernd kubisch, hatte blass grüne Wände und war mit einem weißen Bett, Tisch und Stuhl, einer Jalousie und der Reproduktion eines Gemäldes von Van Gogh, das ein Kornfeld darstellte, ausgestattet. Julie stand neben ihrem Gepäck, einem Pappkoffer und einer Skaitasche. Sie war eine schlanke und große junge Frau mit hohlen Wangen und üppigem sehr schwarzem Haar. Julie hatte eine Haut wie Porzellan und knallrote Lippen. Sie war schön, aber sie sah schockierend aus. Man hätte sie für einen Transvestiten halten können. Ihr Tweedkostüm war zu warm für die Jahreszeit. Und ihre großen bräunlichen Hände standen wie Bündel trocknender Bohnen aus den Ärmeln hervor.

    Eine Krankenschwester mit freundlichem Pferdegesicht kam herein.

    «Er ist da», kündigte sie an.

    «Schon?»

    «Wie? Freuen Sie sich denn nicht?»

    «Ich habe Angst.»

    «Ach kommen Sie, meine Liebe. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Er hat doch den Ruf eines Menschenfreunds.»

    «Ja», meinte Julie.

    Die Krankenschwester ergriff den Koffer und ging hinaus. Julie nahm die Tasche und folgte ihr. Die beiden

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