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Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!": Eine Sinti-Familie erzählt
Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!": Eine Sinti-Familie erzählt
Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!": Eine Sinti-Familie erzählt
eBook198 Seiten2 Stunden

Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!": Eine Sinti-Familie erzählt

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Über dieses E-Book

»Da wollten wir frei sein« ist erstmals 1983 erschienen. Es war damals das erste Buch, das junge Menschen in Form von oral history, von erzählter Geschichte über das Schicksal und Leben deutscher Sinti informierte, über die Verfolgung in der NS-Zeit, über die Leidenszeit in den Konzentrationslagern und die versäumte Wiedergutmachung in der Bundesrepublik. Es erzählte auch von den Problemen der Nachkriegsgeneration bis hin zum Aufbegehren und den ersten Erfolgen der Bürgerrechtler, die es erreichten, dass der Völkermord an ihrer Minderheit endlich - mit 40jähriger Verspätung - von den Regierungen Schmidt und Kohl offiziell anerkannt wurde.
Der Schriftsteller Wolfdietrich Schnurre schrieb in der ZEIT:
»KAIN, WO IST DEIN BRUDER ABEL?
Hier berichten Vertreter von vier Sinti-Generationen vom Kaiserreich bis heute, wie sie in diesem ihren Deutschland gelebt haben, wie sie diffamiert und verfolgt, geschunden und befreit und abermals diffamiert worden sind...
Hier wird mit einer Vehemenz und Anteilnahme erzählt, die Kopf und Herz gleichermaßen beanspruchen, da Erinnerungsvermögen und Herzlichkeit der Erzählenden Ansprüche stellen, die unetnotional gar nicht auslotbar sind. Man wird hier nicht nur betroffen, man muss betroffen werden bei der Lektüre dieses Buches. Ein Buch für Kain, um Abel kennenzulernen.«
Wenn wir dieses Buch heute wieder vorlegen, dann in dem Bewusstsein, dass das von Hildegard Lagrenne und ihrer Familie Erzählte 30 Jahre zurückliegt, von der Zeit geprägt war, und somit auch für die 70er und 80er Jahre ein aufschlussreiches Dokument ist. Erfreulich, dass sich vieles zum Besseren gewendet hat, - erschreckend und beschämend jedoch, dass heute immer noch Antiziganismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in unserem Land ihr menschenverachtendes Unwesen treiben. Grund genug, erneut mit Wolfdietrich Schnurre die Frage zu stellen:
Kain, wo ist dein Bruder Abel?
Vierte, erweiterte Auflage
Bestenliste
Deutscher Jugendliteraturpreis
Gustav-Heinemann-Friedenspreis 1983
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum11. Nov. 2015
ISBN9783739263090
Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!": Eine Sinti-Familie erzählt
Autor

Hildegard Lagrenne

Hildegard Lagrenne (1921-2007) und weitere Angehörige ihrer Familie erzählen ihre Lebensgeschichte. So entstand eine Sinti-Familiensaga vom Kaiserreich über die NS-Zeit bis in die 1970er Jahre. Hildegard Lagrenne, die man auch die "Mutter der Bürgerrechtsbewegung" nannte, war Vorsitzende der Landesverbände deutscher Sinti in Baden-Württemberg und Hessen und gehörte dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg an. Geboren im Rheinland lebte sie mit ihrer Familie lange Zeit in Mannheim.

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    Buchvorschau

    Hildegard Lagrenne u.a."Da wollten wir frei sein!" - Hildegard Lagrenne

    Auswahl):

    In Memoriam Hildegard Lagrenne (1921-2007)

    Vorwort zur Neuausgabe

    Zuerst lernte ich sie auf dem »Musikfest der Zigeuner« 1979 in Darmstadt kennen, später trafen wir uns bei Dreharbeiten zu dem Spielfilm »Grandison« in Heidelberg und Ladenburg. Schließlich in ihrer kleinen Wohnung.

    Hildegard Lagrenne, eine Sintizza aus Mannheim.

    »Dass meine Mutter und ich in eurem Film mitspielen, ist ein Wunder. Wir Überlebenden sind die Ausnahme. Fast alle unsere Verwandtem wurden in Auschwitz und anderen KZ’s ermordet.«

    Zigeuner - Noch hatte ich die Klischees und romantischen Vorurteile im Hinterkopf, und den Plan, das rätselhafte Volk, das man damals auch die »Indianer Europas« nannte, näher kennen zu lernen. Doch das Wenige und Falsche, was ich wusste, platzte angesichts der 85- und der 65-jährigen AuschwitzÜberlebenden wie eine Seifenblase, zerstob zum Nichts.

    Geboren in der Kriegs-Zeit, aufgewachsen in der AdenauerÄra hatte ich bereits viel Müll und Murks im Kopf, vom freien lustigen Zigeunerleben am Waldrand nebst Lagerfeuer, das Foto meiner Cousine, die für ein paar Faschingstage weitrockig mit roter Blume im Schwarzhaar das exotisch-erotische Traumweib mimte, über den mitreissenden, damals noch als »Niggerjazz« verpönten Gitarrenswing eines Django Reinhardt bis hin zu jenem Kunstmaler, der auf der Galerie der hannoverschen Markthalle hoch über den Fisch-, Fleisch- und Obstbergen an seiner Staffelei saß und im Akkord ein Ölbild nach dem anderen malte, von einer braungebrannten, schwarzlockigen Zigeunerin mit feurigem Blick, halbgeöffneten Mieder und ein wenig Brustansatz. Das war in jenen prüden Zeiten schon ziemlich gewagt und wir Schüler schauten dem fleißigen Künstler gern über die Schulter. Die sinnlichen Schönheiten verkauften sich übrigens ebensogut wie Dreimaster in Seenot, hochragender Watzmann, oder röhrender Hirsch, - und hingen damals in manchem bundesdeutschen Schlafzimmer über dem Bett. Dazu dann der »Schwarze Zigeuner« oder Alexandras »Zigeunerjunge« im Radio - bei all dem Kitsch und Kokolores wollte ich nun doch gern mal etwas aus erster Hand erfahren, recherchieren und vielleicht sogar darüber schreiben.

    Doch Hildegard Lagrenne hielt wenig davon.

    »Über uns ist schon so viel geschrieben worden, meist Falsches, das wollen wir nicht mehr. Das Schlimmste kam von den Zigeunerexperten, den Rassenforschern, das hat uns den Tod gebracht. Das wollen wir nie wieder. Nein, keine Völkerkunde, schreiben Sie lieber mit uns zusammen. Nicht über uns.«

    So entstand der Plan zu unserem gemeinsamen Buch.

    Da wollten wir frei sein! Eine Sinti Familie erzählt - von der Kaiserzeit bis heute.

    Vier Generationen einer Familie - von der 85jährigen Ältesten bis zu den Urenkeln - sollten zu Wort kommen und aus ihrem Leben erzählen: eine private Familiengeschichte, die aber zugleich auch ein Stück der allgemeinen deutschen Geschichte ist. Als Herausgeber habe ich mich bemüht, das, was in zahlreichen Gesprächen erfragt und gesagt wurde, möglichst unverfälscht, aber doch ausgewählt und konzentriert wiederzugeben.

    Nach dem Abschreiben und der Bearbeitung der Tonbandprotokolle haben meine Gesprächspartner an der Schlussredaktion mitgewirkt, bis nach kritischer Durchsicht und mancher Änderung und Ergänzung die vorliegende Fassung zustande kam, mit der die »Erzähler-Autoren« und ich einverstanden waren.

    Hildgard Lagrenne knüpfte die Kontakte, öffnete die Türen. Mit Klaus Fark, dem Mannheimer Fotografen und einem kleinen Diktiergerät besuchte ich die Angehörigen der Groß-Familie Kreutz/Lagrenne. Ausgemacht war, dass alle Gesprächspartner die Entscheidung und Endredaktion über das gesprochene Wort behielten und dass sie auch bei den Fotos Mitsprache und Entscheidung über die Bildporträts hatten: Bedingungen, die wir gern akzeptierten.

    Auf keinen Fall aber dürfe das Schimpfwort, die Fremdbezeichnung »Zigeuner« auf den Titel des Buches, verlangte die damals 65-jährige. Denn »Da wollten wir frei sein!« sollte das erste Jugendbuch über diese verfolgte, verfemte und ermordete deutsche Minderheit werden.

    Die Auflage könne zehnmal so hoch sein, murrte der Vertrieb des Verlages. »Zigeuner« verkaufe sich nun mal besser, mit »Sinti« könne weder der Buchhändler noch der Leser etwas anfangen.

    Die Fremdbezeichnung sei nach wie vor beleidigend für sie, hielt Hildegard Lagrenne dagegen. Daran klebe das Blut ihrer ermordeten Verwandten. Jede Volksgruppe habe das Recht, mit dem richtigen Namen bezeichnet zu werden, ebenso wie jeder einzelne Mensch.

    Wie meistens hatte Hildegard Lagrenne die besseren Argumente, behielt die Kontrolle über die Endfassung

    Und hat es am Ende immer auch als »ihr Buch« und »ihre Geschichte« gesehen.

    »Da wollten wir frei sein«, erschien zuerst im Weinheimer Beltz Verlag, später als Taschenbuch bei ARENA, fand ein großes Medieninteresse, erlebte mehrere Auflagen und stand auf den Bestenlisten des Deutschen Jugenliteraturpreises und des Gustav-Heinemann-Friedenspreises. Auch zwei Theaterstücke »Die Sinti-Revue« in Bruchsal und »Lustig ist das Zigeunerleben?« in Karlsruhe gingen auf die Erfahrungen ihrer Familie zurück. Und Hildegard Lagrenne wirkte beratend bei den Inszenierungen mit.

    Schließlich hatte sie ja Bühnenerfahrung, sich selbst mehr als einmal als »altes Zirkuspferd« bezeichnet.

    Als junger Tanzstar der Artisten- und Schaustellerfamilie Kreutz, die in den zwanziger und dreißiger Jahren mit ihren Musik-Shows durchs Rheinland zog, sei sie selbst oft auf den »Brettern, die die Welt bedeuten«, gestanden. Als andalusische Carmen oder als Czardas-Prinzessin im ungarischen Kostüm habe sie getanzt, »dass die Fetzen flogen«. So mancher »gadscho« wäre heimlich verliebt in sie gewesen, gestand sie, und dem berühmten »Molari« Otto Pankok habe sie in Düsseldorf Modell gestanden.

    Wenn sie an ihre Glanzzeit erinnerte und alte vergilbte Fortos hervorkramte, durfte man fast schon befürchten, dass sie trotz Rheuma und Arthrose im Überschwang aus dem Sessel springen könnte, um eine Kostprobe zu geben.

    Doch schnell erlischt der Glanz in ihren Augen. Von den 35 Angehörigen des Familenunternehmens haben die meisten den NS-Terror nicht überlebt. Ihr Leidensweg ging durch 35 Arbeits-und Vernichtungslager und endete in Auschwitz. Dort ermordeten die SS-Lagerärzte ihr Kind, das sie in der Gefangenschaft zur Welt brachte, sieben Stunden nach der Entbindung. Es sei ein Junge gewesen. Vergeblich habe sie nach dem Krieg um eine offizielle Anerkennung gekämpft, dass es diesen Sohn gegeben habe. Doch die SS hatte alle Unterlagen vernichtet. Sie wolle »Recht, nicht Rache« betonte sie in Anlehnung an Simon Wiesenthal. Einfach nur eine Bestätigung, dass ihr Kind sieben Stunden lang auf dieser Welt war. »Und dass so etwas niemals wieder geschieht!«

    Nach der Befreiung führte ihr Weg - auf der Suche nach Überlebenden erst einmal quer durch Deutschland und endete in Mannheim auf dem Lagerplatz an der Hochuferstraße, später in Neckarau, im alten, aufgebockten Wohnwagen, unter kläglichen Ghetto-Bedingungen.

    Dieter Preuss, der unvergessene, bedeutende Mannheimer Journalist, hat Hildegard Lagrenne schon früh die »Mutter Courage der Bürgerrechtsbewegung« genannt. Tatsächlich war sie mitsamt ihrer Familie von Anfang an dabei. Anton Franz, Dronja Peter, Reinhold und Ilona Lagrenne, um nur einige Namen zu nennen. Sie und ihre Familie hatten entscheidenden Anteil am Zusammenschluss der Sinti-Landesverbände unter Romani Rose bis hin zur Gründung des Zentralrats und des Dokumentations- und Kulturzentrums in Heidelberg.

    Gemeinsam besuchten wir sie in ihrer kleinen Zweieinhalbzimmerwohnung auf dem Waldhof, in einer Obdachlosen-siedlung, die nach dem Abriss der Benzbaracken entstanden war. Hier haben viele Sintifamilien eine Heimat gefunden, nach dem Nachkriegselend, Notunterkünften in Wohnwagen und Baracken. Hier sind viele arme Leute beisammen, Flüchtlinge, Arbeitslose, Migranten, alleinerziehende Mütter, Arme, Kranke, Kinder und Jugendliche. Hier war Hildegard Lagrenne aufgrund ihrer Lebenserfahrung und Klugheit nicht nur für die Sinti Ansprechpartnerin und Respektperson, wurde liebevoll mit ihrem einstige Künstlernamen als Tänzerin »die Kola« genannt, worunter manche auch »die Königin« verstanden.

    In dem sozialen Brennpunkt, in dem oft eine Minderheit gegen die andere ausgespielt wurde, mancher gern auf den anderen hinabschaute und immer noch die alten Vorurteile gegen »Zigeuner« grassierten, hatte sie den Kampf gegen das Auseinanderdividieren der Armen aufgenommen. Bei Groß und Klein war die »Tante Kola« eine unangefochtene Autorität. Unterstützt von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern wirkte sie in der Bewohnerinitiative mit, kämpfte für bessere Lebensbedingungen und schrieb in der Zeitung BeWoZet über die Geschichte und das Schicksal der deutschen Sinti in der NS-Zeit. Auf einer eigenen Seite vertrat sie die Forderungen der noch jungen Bürgerrechtsbewegung, des Verbands Deutscher Sinti, verstand aber auch zu feiern, war bei Festen dabei, unterstützte und beriet die jungen Menschen bei Schul- und Behördenproblemen, beim Aufbau eines Fußballplatzes und Jugendzentrums, des legendären Soulman-Clubs, mit Film-, Fotogruppe, Disco. Besonders stolz war sie auf die Sintijungen, die damals gerade den »1. FC Sinto« gegründet hatten, den ersten deutschen Sinti-Fußballverein.

    Sie vermittelte den jungen Sinti trotz der Ghetto-Situation im sozialen Brennpunkt Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigene Geschichte und Kultur, warb dafür, Bildungsdefizite aufzuholen und glaubte an ein gleichberechtigtes und vorurteilsfreies Zusammenleben. Auch und gerade hier. Immer wieder wurden die Tonbandprotokolle unterbrochen, weil »die Kola« bei Konflikten in der Siedlung gefordert war, als »Mediatorin« schlichten sollte.

    Mit dem Erstarken der Bügerrechtsbewegung 1979 erweiterte sich ihr Aktionsradius weit über Mannheim und die Pfalz hinaus. An der Seite des jungen Bürgerrechtlers Romani Rose war sie sofort zur Stelle, wenn es gegen Diskriminierung, Benachteiligung ihrer Minderheit ging, prangerte unzumutbare Wohnverhältnisse, Campingplatzverbote, rassistische Übergriffe an. In ihrer großen Handtasche war »unser Buch« stets dabei, aber auch einige eingeschweißte Urkunden, zum Beweis, dass ihre, die Familie Kreutz, schon seit dem 18. Jahrhundert im Rheinland ansässig war, Bürger dieses Landes, länger als mancher andere Deutsche.

    Schon früh engagierte sich Hildegard Lagrenne für die gleichen Rechte und nachzuholende Entschädigungen. Schnell übernahm sie nach der Gründung des Zentralrats politische Verantwortung, erst im Landesverband Baden-Württemberg, danach als Vorsitzende des Landesverbands Hessen. Eine Frau als Chefin - kein Problem - ihre natürliche Autorität war unbestritten. Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter akzeptierten und bewunderten sie.

    Sie war ständig auf Reisen. In Gedenkstätten und ehemaligen Konzentrationslagern, in Auschwitz, Buchenwald, in der Bundeshauptstadt Bonn, später im Berliner Bundestag, in Rom, im Vatikan beim Papst, auf Tagungen der Sinti in Kiel, Bad Boll, Mülheim, auf Kirchentagen in Köln, Düsseldorf, Hannover, Essen, auf Festen und Tagungen, war sie anzutreffen. Aber auch in Gerichtssälen, wie beim Prozess gegen den KZ-Aufseher König oder gegen den Darmstädter Oberbürgermeister Metzger, der die Unterkünfte der Roma in deren Abwesenheit einfach wegbaggern ließ.

    Auf der Weltfrauenkonferenz der Uno in Genf wurde sie von der indischen Delegation mit einem Sari beschenkt. Nicht ohne Stolz zeigte sie uns ein Foto. Man habe gesagt, sie sähe darin aus wie ein Double von Indira Gandhi.

    Dass der Weg zur Chancengleichheit und Gleichberechtigung auf Dauer nur durch bessere Bildung und Ausbildung erreicht werden kann, war ihr bewusst. Das sagte sie nicht nur, sondern half auch Enkeln und Urenkeln bei den Hausaufgaben, ging zu den Sprechtagen in die Schulen und unterstützte die jungen Menschen, wenn sie ausgegrenzt, verächtlich gemacht oder angegriffen wurden. Dann nahm sie resolut ihre große Handtasche und ging in die Schule zu den Lehrern oder zu den Eltern, verteidigte, diskutierte und versuchte zu schlichten.

    Noch immer war der Antiziganismus in der Mehrheitsbevölkerung virulent, unterschwellig auch bei manchen Lehrern und Politikern.

    Vorträge, Podiumsdiskussionen, Musikfeste, Konzerte, Lesungen, persönliche Begegnungen, meinte Hildegard Lagrenne, könnten helfen und der Weg zu einem neuen Miteinander sein. Mit der Gründung der Sinti-Werkstatt von Albersweiler in der Pfalz, in der Steinmetze, Geigenbauer und Korbflechter alte Handwerkstraditionen wieder aufnahmen, sollte der künstlerische und kulturelle Reichtum neu belebt und vorgestellt werden.

    Dank unseres gemeinsamen Buches durfte ich oft an der Seite dieser außergewöhnliche Frau sein, sie in Schulen, Universitäten, Volkshochschulen, Bibliotheken in ganz Deutschland begleiten. Ich als Lesender, sie als Erzählerin und Zeitzeugin, die das zu Papier Gebrachte persönlich erlitten und erlebt hatte. Gut 300mal habe ich sie begleitet. Ich konnte miterleben, wie sie mit einfachen Worten schnell die Herzen und Köpfe der Zuhörer erreichte, Vorurteile und Ressentiments auflöste, Wege zur Verständigung und Versöhnung wies. In freier Rede fand sie schnell Bilder, Beispiele, einprägsame Formulierungen, überzeugte, egal, ob sie vor 30 oder 3000 Menschen sprach. Ihre Herzlichkeit und Menschlichkeit steckten an. Fast jeder fühlte sich persönlich von ihr angesprochen.

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