Null Bock auf Familie?: Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft
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Buchvorschau
Null Bock auf Familie? - Verlag Bertelsmann Stiftung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Eine Kurzfassung dieser Studie steht als kostenloser Download unter
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag zur Verfügung.
© 2010 E-Book-Ausgabe (EPUB)
© 2008 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Verantwortlich: Anna Renkamp
Fachliche Verantwortung am Deutschen Jugendinstitut: Dr. Karin Jurczyk, Dr. Walter Bien, Prof. Dr. Andreas Lange
Lektorat: Dr. Arno Kappler, Soest
Herstellung: Christiane Raffel
Umschlaggestaltung: Nadine Humann
Umschlagabbildung: Imagesource
Fotos: Veit Mette, Bielefeld
Satz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld
ISBN : 978-3-86793-140-3
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Vorwort
Dreißig Jahre sind keine lange Zeit, um Werte und Einstellungen zu verändern. Gerade die mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbundenen Stereotypen über die Rolle von Männern und Frauen in der Gesellschaft halten sich hartnäckig. Welche Muster liegen der Aufgabenverteilung zugrunde? Warum halten sich trotz gegenteiliger Bekundungen Vorurteile und Ungleichheiten im Zusammenleben der Geschlechter? Wie können in einer modernen Gesellschaft Männer und Frauen ihre Rollen definieren?
Für viele Menschen heute nicht mehr nachvollziehbar konnte noch vor dreißig Jahren ein Mann über die Erwerbsarbeit oder das Bankkonto seiner Ehefrau bestimmen. Unvermeidlich hielt sich damit auch ein starres Bild geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung: Sie führte den Haushalt, er garantierte die Versorgung der Familie durch sein Erwerbseinkommen. Die Erziehung und Versorgung der Kinder lagen damit zwangsläufig in der Hand der Mutter.
Angesichts steigender weiblicher Erwerbsquoten in den vergangenen Jahrzehnten halten viele Menschen dieses traditionelle Rollenbild für überholt - oder etwa doch nicht? Arbeitszeitmodelle wurden entwickelt, Lösungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf erdacht und der Stellenwert von Frauen in Führungspositionen erhöht. Allerdings sind es noch immer in erster Linie die Frauen, die sich zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen. Doch das Bild wandelt sich: Durch politische Maßnahmen zur Förderung der Balance von Familie und Beruf, unternehmerische Flexibilitäten sowie einen Wertewandel in Bezug auf die Arbeitsmotivation und durch das Bewusstsein für eine gemeinsame Verantwortung bei der Versorgung und Erziehung der Kinder zeichnet sich eine neue gesellschaftliche Entwicklung ab.
Mit den sich langsam ändernden Rollenbildern geraten zunehmend die Männer in den Blick und damit die Fragen nach ihren Vorstellungen, Wünschen und Befürchtungen hinsichtlich der Vaterschaft und dem Leben mit Kindern. Die Bertelsmann Stiftung hat für ihre »Väter-Studie« erstmalig 1.800 junge Männer und Väter gefragt, wie sie sich ihre Vaterschaft vorstellen, wann sie planen, Vater zu werden, was sie damit verbinden und welche wichtigsten Bedingungen erfüllt sein müssen.
Die Hälfte der Befragten ist der Meinung, als alleinige Haupternährer der Familie zuständig zu sein. Darüber hinaus bestätigt sich, dass auch heute nur ganz wenige Männer in Elternzeit gehen würden und ihr Engagement für die Familie ihre beruflichen Belange möglichst nicht berühren darf. Trotz dieser herkömmlichen Rollenorientierung haben junge Männer jedoch auch moderne Vorstellungen von Vaterschaft: Sie wollen mehr Verantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder übernehmen. Obwohl sich also nur sehr allmählich etwa verändert, bleibt ein Fazit ermutigend: Männer wünschen sich heute, anders denken zu dürfen über Familie, Kinder und Partnerschaft, und sie sind auf der Suche nach attraktiven neuen Rollenbildern.
Diese Ergebnisse der Studie führen zu zentralen Fragen. Wie kann den Männern Mut gemacht werden, ihre Wünsche nach Familie und Kindern zu realisieren? Welche Rahmenbedingungen sind geeignet, um eine aktive Vaterschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen? Wie finden Männer heraus, was sie brauchen - außer Geld -, um ihrer gefühlten Verantwortung für die Familie auch praktisch nachkommen zu können?
Die Studie wurde im Auftrag des Projektes »Balance von Familie und Arbeitswelt« und der »Expertenkommission Familie« der Bertelsmann Stiftung vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt. Sie zeigt eindrücklich, dass fast alle jungen Männer sich Kinder wünschen. Doch bevor sie heute an eine Familie denken, müssen die Bedingungen »stimmen«: ein Haus, ein krisenfester Job, eine Partnerin - und als Haupternährer akzeptiert zu sein! Trotzdem zeichnet sich eine Vision ab: Männer wollen weniger denn je Stereotypen entsprechen, dafür aber aktiv teilhaben an Familie und Kinderbetreuung.
Eine zentrale Rolle bei der Gestaltung einer neuen Balance von Privat- und Berufsleben kommt den Unternehmen zu - nicht nur, weil neue Technologien heutzutage ein höheres Maß an Flexibilität ermöglichen. Die Wirtschaft weiß, dass eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Beschäftigten zu mehr Identifikation und Mitarbeiterbindung, Motivation und Erfolg führt. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf - für Frauen und künftig verstärkt auch für Männer - wirken sich gewinnbringend für das Unternehmen aus. Eine moderne Unternehmenskultur ist erforderlich, die auch die Bedürfnisse von Vätern anerkennt und ihnen Kinder und Karriere ermöglicht.
Gleichzeitig wäre es an der Zeit, in der Bildungspolitik die Weichen zu stellen, um Jungen und Mädchen bereits in den Schulen zu lehren, was es heißt, eine Vereinbarkeit herzustellen und die Lebensplanung flexibel und dynamisch zu gestalten. Aber müssen wir nicht bereits in den Kindergärten und Vereinen, in Schulen und Jugendtreffs Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Frauen wie auch Männer diese wichtige erzieherische Aufgabe ernst nehmen und Kinder schon dort gute männliche Vorbilder erleben?
Mit den Ergebnissen der Studie wollen die Bertelsmann Stiftung und die Expertenkommission dazu beitragen, dass Hemmnisse abgebaut und Rahmenbedingungen verbessert werden, damit jungen Männern die Furcht vor der Familiengründung genommen wird und sie die Chancen und das Glück eines Lebens mit Kindern wahrnehmen können.
Liz Mohn
Stellvertretende Vorstandsvorsitzende
Bertelsmann Stiftung
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Vorwort
1 Einführung
1.1 Anlass, Ziel und Aufbau der Studie
1.2 Anlage und Design der Studie
1.3 Zentrale Ergebnisse der Studie
1.4 Neue Muster des männlichen Lebensverlaufes im Spiegel von amtlicher ...
2 Forschungsergebnisse
2.1 Wie viele dürfen’s bittschön sein? - Kinderwünsche junger Männer
2.2 Junge Männer - alte Einstellungen? Rollenorientierungen zwischen Tradition ...
2.3 Wie wird es sein? Wie sich junge Männer Vatersein vorstellen
2.4 Was spricht dagegen? Barrieren für Vaterschaft
2.5 Zeit, Geld oder Infrastruktur? - Familienpolitische Maßnahmen aus der ...
3 Fazit und Handlungsempfehlungen
1. Frühere Vaterschaft fördern - oder: Vatersein schon während Bildung und Ausbildung
2. Ökonomische Selbstständigkeit fördern - oder: frühere Lösung junger Männer ...
3. Vielfältige Rollenmodelle vermitteln - oder: Die Gesellschaft braucht neue ...
4. Partnerschaft und Familie alltagstauglich machen - oder: die ...
5. Betriebe müssen umdenken - oder: die Unterstützung aktiver Vaterschaft im Erwerbsleben
6. Differenzielle Väterpolitik entwerfen - oder: Auch Männer sind unterschiedlich!
Abbildungsverzeichnis
Literatur
1 Einführung
1.1 Anlass, Ziel und Aufbau der Studie
Sterben die Väter aus? Mit dieser provokativen Frage lassen sich die aktuellen Debatten um den Geburtenrückgang und Kinderwünsche zusammenfassen, die - und dies ist neu - auch die Rolle von Männern beleuchten. Veränderte Geschlechterverhältnisse und vermehrte Ansprüche an die Kindererziehung rücken Männer und Väter zunehmend ins Rampenlicht. Mit der Studie »Wege in die Vaterschaft« gehen wir jedoch über die derzeitige Väterforschung hinaus. Wir untersuchen die Lebenskonstellationen und Lebensphasen junger Männer in den Phasen vor der Vaterschaft, weil wir davon ausgehen, dass sehr früh die Weichen dafür gestellt werden, ob und warum Männer (keine) Väter werden wollen und ob und wie sie eine Vaterschaft leben wollen. Während inzwischen zahlreiche Forschungsergebnisse zur Situation von Vätern vorliegen, ist weitgehend ungeklärt, welche Vaterschaftskonzepte männliche Jugendliche und junge Männer haben, wie diese mit ihren biographischen Erfahrungen und ihrer Ausbildungs-, Erwerbs- und Partnerschaftssituation zusammenhängen und wie sich dies auf ihren Kinderwunsch und die Bereitschaft, Vater zu werden, auswirkt. Dabei wollten wir aber auch etwas über die Gründe erfahren, die die jungen Männer subjektiv und objektiv daran hindern, ihren Kinderwunsch zu realisieren.
Heute sind Umwege und Brüche in der Ausbildungs- und Erwerbsbiographie sowie in der Partnerschaft eine Regelerfahrung für die jüngeren und zukünftigen Generationen. Sogenannte Jo-Jo-Biographien, gekennzeichnet durch alternierende Phasen aus Erwerbstätigkeit und Ausbildung, die oft mit dem Auszug sowie späterer zeitweiliger Rückkehr in das Elternhaus einhergehen, charakterisieren das Leben vieler junger Frauen, vor allem aber Männer. Daraus ergibt sich auch ein verändertes Rollenverständnis: Für Männer und Väter bedeutet es eine Erosion der traditionellen Funktion des »Familienernährers« und damit die Ent-Traditionalisierung der familiären Aufgabenteilung, bei der sich auch Väter stärker als Erzieher und soziale Interaktionspartner ihrer Kinder verstehen. Zwar ist heute viel von den »neuen Vätern« die Rede, doch fehlt es nach wie vor an institutionellen Arrangements sowie attraktiven, gesellschaftlich geteilten Rollenbildern, die ihre Umsetzung möglich machen. Die jungen Männer selbst sind zerrissen zwischen ambivalenten Vorstellungen von einer aktiven Vaterschaft einerseits und beruflich orientierten Männlichkeitskonzepten andererseits.
An diesem Punkt setzt die Studie »Wege in die Vaterschaft: Vaterschaftskonzepte junger Männer« an. Diese Studie wurde von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag