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BENDER - Filmriss
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eBook254 Seiten3 Stunden

BENDER - Filmriss

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Über dieses E-Book

Friedwart Bender ist Mitglied einer Spezialeinheit der Frankfurter Polizei. Bei einem Einsatz trifft ihn ein Querschläger aus der Waffe eines Kollegen in den Rücken. Als querschnittsgelähmter Frührentner hält er es allerdings nicht lange aus. Mit seinem Computerwissen und den Kontakten aus seinem früheren Leben hat er als privater Ermittler ganz andere Möglichkeiten. Das Thema Computerkriminalität war schon in seinem alten Leben einer seiner Schwerpunkte, jetzt kann er sich seine Fälle aussuchen. Mit dem Geld aus der Unfallversicherung und seiner Abfindung richtet er sich ein Computerlabor ein, dass der Traum jedes Forensikers ist. Es bleibt sogar noch ein wenig übrig, um den Van, der für seine Bedürfnisse umgebaut wird, mit den wichtigsten Werkzeugen auszustatten, um vor Ort erste Auswertungen durchführen zu können. Denn von so einer dämlichen Querschnittlähmung lässt sich ein Bender doch nicht aufhalten. Vor allem, wer nimmt schon den Krüppel da hinten im Rollstuhl zur Kenntnis? Gibt es eine bessere Tarnung?
SpracheDeutsch
Herausgeber110th
Erscheinungsdatum12. Nov. 2014
ISBN9783958651852
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    Buchvorschau

    BENDER - Filmriss - Roberto Sastre

    abrufbar.

    Das Buch

    Friedwart Bender ist Mitglied einer Spezialeinheit der Frankfurter Polizei. Bei einem Einsatz trifft ihn ein Querschläger aus der Waffe eines Kollegen in den Rücken. Als querschnittsgelähmter Frührentner hält er es allerdings nicht lange aus. Mit seinem Computerwissen und den Kontakten aus seinem früheren Leben hat er als privater Ermittler ganz andere Möglichkeiten. Das Thema Computerkriminalität war schon in seinem alten Leben einer seiner Schwerpunkte, jetzt kann er sich seine Fälle aussuchen. Mit dem Geld aus der Unfallversicherung und seiner Abfindung richtet er sich ein Computerlabor ein, dass der Traum jedes Forensikers ist. Es bleibt sogar noch ein wenig übrig, um den Van, der für seine Bedürfnisse umgebaut wird, mit den wichtigsten Werkzeugen auszustatten, um vor Ort erste Auswertungen durchführen zu können. Denn von so einer dämlichen Querschnittlähmung lässt sich ein Bender doch nicht aufhalten. Vor allem, wer nimmt schon den Krüppel da hinten im Rollstuhl zur Kenntnis? Gibt es eine bessere Tarnung?

    Der Autor

    Roberto Sastre, Jahrgang 1957, IT-Trainer und passionierter Rockmusiker ist seit einem Unfall im Juni 2007 querschnittgelähmt. Davor lebte er einige Jahre in Lateinamerika, wo man seinen ursprünglich deutschen Namen nur schwer aussprechen konnte und ihn ins Spanische übertrug. Um den Unfall und seine Folgen zu verarbeiten, begann er zu schreiben. Die autobiografische Erzählung „Rollender Donner", in der er seine Erlebnisse verarbeitete, bescherte ihm auf Anhieb einen Achtungserfolg. Dies ist der erste Roman von ihm.

    Das Recht, über sich selbst zu bestimmen,

    ist eins der Grundrechte der modernen Gesellschaft.

    Ein Mensch kann nie jemandes Eigentum sein.

    Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit

    und Sicherheit der Person

    (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948)

    Vorwort

    Dieses Buch ist von vorne bis hinten erstunken und erlogen. Jedenfalls im Vergleich zu seinen Vorgängern. Für mich war es unglaublich, welche Reaktionen meine ersten beiden Bücher hervorgerufen haben. Dabei wollte ich eigentlich nur meinen Unfall verarbeiten, indem ich alles aufschreibe. Danach hat mich die Lust am Erzählen so richtig gepackt.

    Diesmal musste es aber etwas anderes sein, ein Roman. Ziemlich schnell habe ich aufgegeben, mir ständig neue Namen auszudenken, was ich ziemlich mühsam finde. Viel leichter war es, von jedem, der mir begegnete, den Namen „auszuborgen", leicht zu verändern und auf eine Liste zu schreiben. Immer, wenn ich für die Personen in meiner Geschichte einen Namen brauchte, hatte ich einen.

    Der Protagonist hat mit mir nur so viel zu tun, dass er auch im Rollstuhl sitzt. Inspiriert dazu hat mich eine Persiflage auf eine Fernsehserie, „Das A-Team". Einer der Darsteller fährt einen schwarzen GMC-Van mit einigen Extras und ist ein ziemlich kräftiges Kerlchen. In der Persiflage sitzt er im Rollstuhl. Jedes Mal ist, bis er sich hinten aus der Hecktür heraus geliftet hat, die Action schon wieder vorbei, was ihn natürlich gewaltig wurmt. Aber was wäre denn, wenn es einen Privatdetektiv im Rollstuhl gäbe? Dass der natürlich eine entsprechende Ausrüstung braucht, ist klar.

    Die Geschichte selbst habe ich mir komplett ausgedacht. Die Orte, an denen das alles stattfindet, die existieren natürlich. Die Personen sind wirklich alle frei erfunden, bis auf eine. Diese Person wird sich bestimmt wieder erkennen. Na gut, ich hab ein bisschen übertrieben, aber ich weiß, dass du mir das nicht krummnimmst. Alle anderen, insbesondere die Bösen, die einfach in eine Detektivgeschichte gehören, sind rein fiktiv.

    Wie alles begann:

    Die Mitglieder des Seckbacher Kegelclubs Alle Neune treffen sich neben den Kegelabenden regelmäßig, zu dem, was sie als Mitgliederversammlungen bezeichnen. Ihre Frauen sagen schlicht Saufabende dazu. Als der 2. Vorsitzende in seiner Stamm-Videothek eine DVD mit dem Titel „Das Luder von der Kegelbahn" entdeckt, hält er es noch für einen gelungenen Gag für das nächste Treffen, der bei seinen Kumpels auch prima ankommt.

    Eine der Akteurinnen ist besonders eifrig bei der Sache. Man spürt geradezu, dass ihr dieser Job so richtig Spaß macht. Ihr junger, frischer Körper hat die Beweglichkeit einer aktiven Leichtathletin. Als ihr Kopf aus dem Schoß ihres Filmpartners auftaucht, zeigt die Kamera in Großaufnahme ihr Gesicht. Ein hübsches Gesicht. Mit einem offenen, fröhlichen Lachen, das die ganze Begeisterung für das, was sie da gerade tut, ausdrückt. Nur die leeren, abwesenden Augen, die passen so gar nicht dazu. Leicht verschwitzt strahlt ihnen das süße Gesicht der 14-jährigen Tochter des Vereinsschatzmeisters entgegen.

    Filmriss

    „Tja,Bender, so sieht das aus. Das sonst so fröhliche Gesicht meines alten Klassenkameraden zeigt tiefe Sorgenfalten. Für Michael Bergner, den Schatzmeister des Kegelclubs „Alle Neune hat mit einem Schlag sein gesamtes Weltbild einen tiefen Riss bekommen. Ich weiß noch, wie glücklich er war, als seine kleine Tanja geboren wurde. Als er dann das kleine Reihenhaus in dem Frankfurter Vorort angeboten bekam, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Tanja, die nicht lange allein bleiben sollte, konnte in einer Umgebung aufwachsen, die nicht von Autos dominiert wurde. In ein paar Minuten war man zu Fuß im Huthpark. Trotz der fast ländlichen Umgebung war man doch in der Großstadt. Und jetzt? Michael, den ich vor Kurzem noch mit seinen Kindern herum albernd auf der Dippemess getroffen hatte, war in den paar Wochen um Jahre gealtert.

    „Wann hast du eigentlich zum letzten Mal geschlafen?"

    „Geschlafe? Isch? Weiß net. Wie kommste dann jetzt da druff? Hallo, mei Tanja spielt in nem Porno mit unn wer weiß, in wie vielen noch. Die ist doch erst verzehn." Michael, der so stolz auf sein akzentfreies Deutsch war, verfälllt vor Aufregung in die Sprache unserer Kindheit.

    „Heh heh, jetz machema halb lang. Ich habe für mich ein prima Antidepressivum entdeckt, Gummibärchen. Immer, wenn es mir schlecht geht, wenn ich mich über irgendetwas aufrege, ein paar Gummibärchen und schon sieht die Welt wieder anders aus. Aber hier muss ich stärkere Geschütze auffahren. Michael ist ja überhaupt nicht mehr ansprechbar. Aus dem Geheimfach unterhalb meines Sitzkissens hole ich die viereckige Flasche mit der Notfallmedizin heraus. Don Julio, Direktimport aus Jalisco. Das, was man hier in Deutschland unter der Bezeichnung Tequila verkauft, würde ein Mexikaner höchstens „Mata ratas, Rattengift nennen.

    Michael bekommt große Augen. Tja, in so einen Elektrorollstuhl kann man die tollsten Dinge nachrüsten. Nach dem zweiten Glas ist Michael wenigstens nicht mehr so fahrig und einigermaßen ansprechbar.

    „Hast du denn mit Tanja schon gesprochen?"

    „Kann ich nicht. Ich kann ihr noch nicht mal in die Augen sehen. Mensch, mei Tanja, die macht doch sowas net!"

    Ich hatte bewusst vermieden, die DVD wieder aus dem Player zu nehmen. Mir waren bei dem billig gemachten Filmchen ein paar Dinge aufgefallen. Dazu müsste ich mir aber den Film noch mal genauer anschauen. Bei einer industriell gefertigten CD oder DVD ist nämlich das Presswerk, in dem die Scheibe hergestellt wurde, mit angegeben. Dieses Verfahren ist aber so aufwändig, dass es sich erst bei größeren Auflagen rentiert. Dieser Film wurde vermutlich gebrannt, also mit Laser auf die DVD geschrieben. Auch dabei hinterlässt die Software auf dem Medium bestimmte Spuren. Manchmal ersparen einem diese Spuren einen Haufen Laufarbeit. Na ja, mit Laufarbeit ist es bei mir sowieso nicht weit her.

    * * *

    Als Erstes muss jetzt Tanja mit einem Psychologen sprechen. Bei Pornofotos montiert man oft die Köpfe von beliebigen Menschen auf die Körper der Akteure. Mit einem guten Bildverarbeitungsprogramm ist das gar nicht so schwer. Und seit die Kamerahersteller so genannte Light-Versionen professioneller Software ihren Produkten kostenlos beilegen, hält sich inzwischen jeder dritte für einen verkannten Sachs oder Hamilton. Die Gesichter zu finden, ist ziemlich einfach. Meistens fotografiert man bei Sportveranstaltungen oder Festen einfach in die Menge. Das ist sogar legal. Als Teil einer Menschenmenge werden keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Da lassen sich dann genügend Gesichter in passendem Winkel mit entsprechender Mimik heraus schneiden. Das ist dann schon weniger legal. Richtig illegal wird es aber, wenn diese Gesichter in irgendwelche wilden Szenen, die man sich beliebig aus dem Internet laden kann, hinein kopiert werden. Die Betroffenen bekommen das erst dann mit, wenn diese Bilder wiederum im Internet auftauchen, nachdem die Bildbastler damit ihre Stammkunden beliefert haben.

    Was bei Fotos ziemlich einfach ist, ist bei bewegten Bildern wahnsinnig aufwändig. Erst ab 16 Bildern pro Sekunde ist eine einigermaßen flüssige Bewegung zu erkennen. Üblicherweise arbeitet man mit 24 Bildern pro Sekunde. Das heißt, pro Sekunde Film müssen 24 Bilder bearbeitet werden. Das auf der DVD ist definitiv Tanja. Nicht nur das Gesicht stimmt, auch das Muttermal auf ihrer Hüfte ist unverkennbar. Und dass man sie bis zu Halskrause unter Drogen gesetzt hatte, dazu war nun wirklich kein Hochschulstudium nötig, um das zu erkennen. Jetzt ist aber erst mal Schadensbegrenzung angesagt. Jetzt muss ich etwas tun, das ich normalerweise nie tun würde. Zu seinem eigenen Schutz muss ich Michael anlügen. Eine Person so in einen Film hinein zu montieren, wie auf der DVD, dazu wäre ein Aufwand nötig gewesen, der das Budget solcher Billigfilme mehrfach überschritten hätte. In einer Diskothek unerfahrenen Teenagern etwas in ihr Getränk zu schütten, ist viel einfacher und billiger. Bei manchen Drogen ist das Erinnerungsvermögen einfach ausgeschaltet. Das Opfer wacht morgens total verkatert in seinem Bett auf und glaubt an einen Filmriss. Das Üble ist, dass sich beim Drehen natürlich kein Mensch schützt. Professionelle Pornodarsteller achten extrem auf ihre Gesundheit. Ihr Körper ist schließlich ihr Kapital. Mit einer Geschlechtskrankheit können sie höchstens noch in Billigproduktionen mitspielen. Zusammen mit Anfängern oder eben Jugendlichen, die man mit Drogen willenlos gemacht hat. Und so schließt sich der Kreis. Allerdings sind von Drogen Vergiftete ziemlich passiv. Entweder man hat eine neue Droge entwickelt, oder Tanja hat wirklich freiwillig mit gemacht. Der Spaß, den sie an der Sache hatte, war ja nun unübersehbar. Tanja muss unbedingt untersucht werden, physisch und psychisch.

    „Micha, ich glaube, dass man Tanja reingelegt hat. Bitte lass mir die DVD hier. Ich will mal nachprüfen, ob das keine Fälschung ist." Es ist unglaublich, was meine Worte bewirken. Ist seine Tanja doch nur Opfer? Keine Täterin? Michael wirkt sofort ruhiger.

    „Na klar, behalt den Dreck ruhig bei dir, seine Stimme kann die Erleichterung nicht verbergen. „Mensch, was bin ich froh! Da muss ich gleich...

    „STOP!"

    Sein Redeschwall versiegt abrupt. Fragend sieht er mich an.

    „Pass auf. Bitte sprich mit deinen Vereinskameraden. Die müssen jetzt absolut die Klappe halten. Kein Wort zu niemand, vor allem nicht zu Tanja. Ich rufe dich an, sobald ich kann. Tanja muss aber auf jeden Fall mit jemand sprechen. Ich kenne da eine speziell geschulte Psychologin. Außerdem muss ich wissen, wie dein Freund an das Video gekommen ist. Auf dem Cover ist nämlich kein Vertrieb angegeben. Die DVD ging bestimmt nicht normal über die Theke."

    „Ja aber, wenn Tanja gar nichts dazu kann?"

    „Genau deswegen muss sie mit der Psychologin sprechen. Lass' dir was einfallen. Sollte der Film nämlich echt sein, dann braucht Tanja alle Hilfe, die sie kriegen kann und zwar sofort, nicht erst in ein paar Tagen. Wenn der Film ein Fake, also eine Fälschung ist, dann hat Tanja vielleicht unbewusst etwas mitbekommen, das uns weiter hilft. Das könnte die Psychologin herausfinden, die ist schließlich darin geschult."

    Als Michael gegangen war, brauche ich erst einmal eine gute Portion meiner Notfallmedizin. Mensch, Tanja, wo bist du da nur rein geraten? Man kann mit Drogen eine Menge anstellen, und hier waren stark enthemmende Präparate eingesetzt worden. Einen Menschen dazu zu bringen, dass er etwas tut, das ihm widerstrebt, und dann noch mit echter Begeisterung, diese Droge muss erst noch erfunden werden. In dem Alter machen viele ihre ersten Erfahrungen. Ich selbst habe mit 15 meine ersten zarten Tastversuche gestartet. Wobei das Wort Tastversuche sogar wörtlich genommen werden kann. Wollen wir das Thema nicht vertiefen. Tanja war jedenfalls über die ersten Tastversuche definitiv schon hinaus. Aber das war eine Sache, die betrifft nur Tanja und ihre Eltern. Ich muss erst einmal telefonieren.

    „Elsbeth „Ja, Chef? „Telefon, Nina Möller in der Psychologischen Fakultät „Bleib dran

    * * *

    Wie schon gesagt, in so einen Elektro-Rollstuhl kann man eine Menge einbauen. In der Reha habe ich Steffen kennen gelernt. Der ist total abgedreht, hat die schrägsten Ideen und ich mit meinem E-Rolli muss dann immer herhalten. Mit dem Ergebnis, dass dauernd meine Akkus leer sind. Bis Steffen auf die Idee mit der Brennstoffzelle kam. Hätte mich fast meinen Rollstuhl gekostet. Da mein Sitzfleisch einen leichten Brandschaden davon getragen hatte, habe ich das erst mal in der Klinik checken lassen. Steffen war mit verlegenem Gesicht und meinem lädierten Rollstuhl abgezogen. Zwei Tage, bevor ich aus der Klinik entlassen werden sollte, grinste Steffen zur Tür herein. „Überraschung! Mit einem leisen Pfeifen surrte er, meinen Rollstuhl im Schlepptau zur Tür herein. „Also, das mit der Brennstoffzelle, das war nix. Ich sag nur, Apollo 13. Jetzt haste ne Mikroturbine. Da gibt’s ein neues Lagermaterial. Spezialkeramik. Braucht keine Schmierung, keine Kühlung. Pfeift e bissi, aber des krieg ich noch weg. Von null auf fuffzich in 2,6 Sekunden. Alle 4 Wochen ne Campinggasflasche. Un noch e klaa Überraschung hab ich dir nei gemacht.

    Ich hatte irgendwann einmal mit KI, künstlicher Intelligenz herum probiert. Außer einer selbst lernenden Datenbank, die wenigstens die Entwicklungskosten wieder hereingebracht hatte, war aber nichts dabei herausgekommen. Steffen hatte irgendwann mal bei mir den Quellcode für die Lernfunktionen gefunden. „Kann ich mir das einmal genauer anschauen? „Na klar, die Algorithmen sind sowieso veraltet.

    Von wegen veraltet. Mein altes Notebook, dem ich irgendwann einmal eine Handy-Karte eingebaut hatte, verschwand in den unendlichen Tiefen meines Rollstuhls. In der Kopfstütze versteckten sich fortan ein Mikrofon und ein winziger Druckkammerlautsprecher. Mit Sprachein- und Ausgabe hatten wir beide schon herumgebastelt, aber das mit den KI-Funktionen zu koppeln, das konnte nur Steffen einfallen. „Sach mir ma n Name „Hä? „En Name halt, was der grad so eifällt. „Elsbeth? Bevor ich den Mund zu klappen konnte war es heraus.

    Seitdem heißt der Notebook in meinem Rollstuhl Elsbeth. Manchmal habe ich selbst das Gefühl, mit dem Rollstuhl zu reden. Über die GSM-Karte kann Steffen ihn sogar fern warten. Glaube ich jedenfalls. Manchmal, wenn ich morgens in meinen Rollstuhl gesetzt werde, kommt es mir so vor, als würde er ein bisschen anders reagieren, als am Abend vorher. Meistens besser.

    * * *

    „Ja, Möller", früher waren wir einmal Kollegen gewesen. Nach so manchem heftigen Einsatz durften wir bei ihr antreten, zum Dachboden aufräumen, wie wir das nannten. Erst hielten wir das Ganze für einen schlechten Scherz unserer vorgesetzten Dienststelle. Jedes Mal, wenn ein paar Tropfen Blut zu sehen waren, durften wir bei der Dachdeckerei antreten. Aber nachdem ein Geiselnehmer, nur, um uns zu zeigen, dass er es ernst meint, uns den noch warmen Körper eines achtjährigen Mädchens quasi vor die Füße geworfen hatte, war ich dankbar, dass man Ninas Stelle geschaffen hatte. Und dann diese Stimme! Ninas Stimme lies immer noch eine leichte Gänsehaut meinen Rücken herunter rieseln. Hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt, dann wäre vielleicht sogar aus uns etwas geworden. Aber so, als Kollegen. Da waren wir zu sehr Profis, um mehr daraus werden zu lassen. Was uns aber nicht daran hinderte, jedes Mal, wenn wir uns sahen, die Funken sprühen zu lassen. Grenzen sind eine feine Sache, speziell, wenn man sie sich selbst setzt. Das gibt einem dann auch die Sicherheit, immer wieder bis an diese Grenzen zu gehen.

    „Hier ist der Schrecken der Witwen und Waisen."

    „Bender, du alte Nase, hast du mit deinem Rolli wieder die Radarfahnder geschockt?"

    Noch nicht einmal meine Mutter nennt mich Friedwart. Sie sagt entweder „Sohn oder „Kleiner. Früher hat sie mal „Großer" gesagt. Aber seit ich im Rollstuhl sitze, bin ich nur noch der Kleine. Stimmt ja eigentlich auch. Ein rollender Meter zwanzig. Der Letzte, der Friedwart zu mir sagte, hat zwangsläufig eine zeitweise Vorliebe für Puddings, Suppen und Brei entwickelt.

    „Nina, ich hab da 'ne ziemlich üble Sache. Würd' ich aber ungern am Telefon bereden. Wann hast du denn Mittag?"

    „Wenn du da bist."

    Während des Telefonats bin ich schon mit dem Aufzug in die Tiefgarage unterwegs. Das ist der Vorteil, wenn auf dem Nachbarhaus die nächste Mobilfunkstation steht. Da hast du sogar in der Tiefgarage noch ein Netz.

    „Elsbeth, Auto aufmachen und Lift raus."

    „OK, Chef. Lift fährt aus."

    * * *

    Vor Jahren gab es einmal eine Fernsehserie, das A-Team. Vier Vietnam-Veteranen, die zu Unrecht irgendeiner schlimmen Geschichte beschuldigt wurden, halfen, obwohl sie als Deserteure gejagt wurden, auf ziemlich spektakuläre Weise anderen aus diversen Klemmen. Eins der Highlights dabei war das Auto von B. A. Barracus, gespielt von dem Wrestler Mr.T. Ein GMC-Vandura, schwarz mit roten, nach vorne spitz zulaufenden Streifen. Das wäre schon eine heiße Sache gewesen, aber ein Karbon-Verbund-Aufbau auf einem Mercedes Vito-Chassis kommt dem schon recht nahe. Schwarz mit den typischen roten Streifen. Hinten hat er einen Lift eingebaut, der meinen Rollstuhl in die Kabine hebt, in der Seitentür eine Klappe, die ziemlich schnell ausgeklappt werden kann. Es ist immer doof, wenn man endlich einen Parkplatz gefunden hat und dann nicht aus dem Auto raus kommt. In den Seitenwänden ist mein kleines Computerlabor untergebracht. Der Bordcomputer ist inzwischen auch nicht mehr ganz original. Nachdem wir festgestellt hatten, dass die Sprachsteuerung vom Rollstuhl eine ziemlich einfach zu realisierende Geschichte ist, haben wir ins Auto auch ein klein wenig Programmierarbeit gesteckt. Glücklicherweise gibt es von verschiedenen Herstellern schon Sprachsteuerungen für Behinderte, da konnten wir uns so einiges abschauen. Normalerweise hat man einen Autoschlüssel mit Funksteuerung für die Zentralverriegelung und die Fenster. Dann haben der Lifter, die Standheizung und noch ein paar andere Zubehörteile jeweils eine eigene Fernbedienung. Anfangs habe ich mir die alle mit Schlüsselbändern umgehängt. Sah aus wie ein Faschingsprinz. Die ganzen Frequenzen und Codes herauszufinden, war für Steffen keine große Sache, reine Fleißaufgabe. Jetzt macht Elsbeth das für mich und ich habe wieder die Hände frei.

    Mit dem Rollstuhl rolle ich direkt hinter das Lenkrad. Die Elektronik merkt, wenn ich in Reichweite bin, zieht den Rollstuhl in Parkposition und verriegelt ihn. Dabei legt sich der Sicherheitsgurt um mich und hakt ein. Gleichzeitig fährt der Lift ein und die Hecktür schließt sich. Ein Druck auf den Starter und der 8 Zylinder Turbodiesel lässt ein wohliges Brummen hören.

    Wie ich das Ganze finanziert habe? Der Basisumbau war eine Wiedereingliederungshilfe, wie es in Amtsdeutsch so schön heißt. Und so, wie ich in unserer Einheit der Computerspezialist war, hatten wir auch einen Autoschrauber. Bernd, aus dessen Sig-Sauer die 9 mm Blei kamen, die mein Leben so drastisch veränderten. Es war ein Unfall, für einen Querschläger kann kein Mensch etwas. Die Kollegen haben es ihm gesagt, Nina unterhält sich regelmäßig mit ihm. Ich habe ihm gesagt, ich muss ihm nicht verzeihen, es war ein Unfall, es gibt nichts zu verzeihen. An guten Tagen glaube ich das sogar selbst. Aber Bernd besteht darauf. Alles was er so in die Finger bekommt, ich habe es als Erstes verbaut.

    Inzwischen haben wir ein ganz merkwürdiges Verhältnis. Im Einsatz, da musste sich jeder blind auf den anderen verlassen können, das haben wir trainiert, immer wieder - und immer wieder neue Szenarien. Aber jede Eventualität kann man einfach nicht trainieren. Aus dem Polizeidienst musste ich damals ausscheiden. Jetzt werde ich als ziviler Berater immer dann angefordert, wenn es irgendwie mit Computern zu tun hat. Wobei, manche Kollegen haben immer noch Berührungsängste. Kann ich aber auch verstehen. In den Medien werden wir immer als seelenlose Kampfmaschinen dargestellt, die mit bloßen Händen töten können. Das mit den bloßen Händen, das ist schon richtig. Aber keiner von uns ist stolz auf dieses Wissen. Ich höre noch unseren koreanischen Ausbilder. „Der beste Kämpfer", sagte er immer, „Der beste Kämpfer ist der, der

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