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Weißkittel und Wunderwaffe: Gedanken über Sportmedizin, Doping und andere Arztgeheimnisse
Weißkittel und Wunderwaffe: Gedanken über Sportmedizin, Doping und andere Arztgeheimnisse
Weißkittel und Wunderwaffe: Gedanken über Sportmedizin, Doping und andere Arztgeheimnisse
eBook149 Seiten1 Stunde

Weißkittel und Wunderwaffe: Gedanken über Sportmedizin, Doping und andere Arztgeheimnisse

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Über dieses E-Book

Der Mann war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Sportmediziner der DDR. Das erklärt, weshalb er wiederholt lukrative Angebote aus dem Westen bekam, die Seiten zu wechseln und seine Dienste in den Leistungssport der BRD zu stellten. Er blieb seiner Überzeugung auch nach 1990 treu, als man ihn den "Hexenmeister in der Dopingküche" nannte. In einem freimütigen Gespräch mit Klaus Huhn nimmt er zu allen Fragen Stellung, die an einen führenden Sportarzt der DDR zu stellen sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpotless
Erscheinungsdatum24. Juli 2012
ISBN9783360520029
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    Buchvorschau

    Weißkittel und Wunderwaffe - Heinz Wuschech

    sind.

    Kindheit, Jugend und der Nachhall des Krieges

    Was hat nun auch Sie bewogen, Ihre Erinnerungen zu Papier zu bringen?

    Ich habe in meinem Leben Tausende Kniegelenke operiert, Tausende Diagnosen gestellt und ebenso viele Befunde geschrieben, mit Patienten geredet, sie befragt, sie plaudern lassen und oft gedacht: »Vielleicht solltest du es aufschreiben, damit es auch andere erfahren. Es könnte nützlich für sie sein!«

    Ist Ihre Arzt-Laufbahn zu Ende?

    Im Grunde ja. Aber wenn mich jemand braucht, komme ich.

    In den Operationssaal?

    Nein, da gibt es doch Altersgrenzen, aber wenn man einmal Arzt ist, bleibt man es ein Leben lang. Das beginnt schon damit, dass ich bei meiner Promotion – es gäbe keinen Grund, nicht zu erwähnen, dass ich diese Prüfung in der DDR ablegte –, eine Art Schwur zu leisten hatte: »In hoher Verpflichtung gegenüber der sozialistischen Gesellschaft und ihren Bürgern, eng verbunden mit der Deutschen Demokratischen Republik, gelobe ich, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde.«

    Dieses Bekenntnis war nicht mit der Hand auf irgendeinem Band von Marx abzulegen, wie man heutzutage gern mal behauptet, aber ihm folgten die Passagen jenes Eids, von dem man zwar längst weiß, dass er nicht von dem Griechen Hippokrates stammt – was die ganze Welt allerdings nicht daran hindert, eben das zu behaupten –, der aber weltweit gilt: »Ich werde den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleich meinen Eltern achten, ihn an meinem Unterricht teilnehmen lassen, ihm, wenn er in Not gerät, von dem Meinigen abgeben, seine Nachkommen gleich meinen Brüdern halten und sie diese Kunst lehren, wenn sie zu lernen verlangen, ohne Entgelt und Vertrag. Und ich werde an Vorschriften, Vorlesungen und aller übrigen Unterweisung meine Söhne und die meines Lehrers und die vertraglich verpflichteten und nach der ärztlichen Sitte vereidigten Schüler teilnehmen lassen, sonst aber niemanden.

    Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.

    Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben.

    Rein und fromm werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.

    Ich werde nicht schneiden, sogar Steinleidende nicht, sondern werde das den Männern überlassen, die dieses Handwerk ausüben.

    In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat, besonders von jedem geschlechtlichen Missbrauch an Frauen und Männern, Freien und Sklaven.

    Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.«

    Ich habe diesen Eid geleistet und sah keinen Grund, mich eines Tages aus dieser Verpflichtung zu entlassen. Nur: Dieser Eid verpflichtete mich auch, Gehörtes und Gesehenes als »Geheimnisse« zu »bewahren«. Das war die höchste Hürde, als ich begann, meine Erinnerungen aufzuschreiben. Deshalb: Noch ehe ich etwa mein Geburtsdatum offenbare, sei versichert, dass ich mich in diesem Punkt an den Eid halten werde, demzufolge die Namen jener, die mir Aufschlussreiches erzählten, aber möglicherweise dagegen sein könnten, dass ich dieses Wissen preisgebe, »X« oder »Y« genannt werden. Das mag manchem übertrieben erscheinen, ist aber in der Gegenwart, da Anwälte gern Sonderschichten zur Hebung ihres Einkommens leisten, unumgänglich.

    Mich daran zu halten, fiel durchaus nicht immer leicht, denn viele haben sich nicht nur wegen eines demolierten Knies an mich gewandt, sondern mich auch um außermedizinischen Rat gebeten. Das hat mir nicht nur den Stoff für die Beschreibung schwieriger Operationen geliefert, sondern mich auch mit Problemen konfrontiert, die eher von Historikern als von Chirurgen zu beantworten wären.

    Also werden Sie vieles für sich behalten?

    Wie man’s nimmt. Zum Beispiel: Ich war auch Sportarzt, betreute DDR-Olympiamannschaften, und als der Präsident der USA 1976 eine Kommission bilden ließ, die herausfinden sollte, wie es dazu kam, dass die US-amerikanische Olympiamannschaft – geschmückt auf den Ärmeln mit kleinen Flaggen, die an die 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit der USA erinnern sollten – bei den Spielen in Montreal hinter der DDR nur auf den dritten Platz gelangte (wobei die angeblich auf den Globen der USA kaum auffindbare DDR viermal so viel Goldmedaillen errang wie die BRD), hat er mich natürlich nicht in diese Kommission geholt. Ich hätte ihm einiges zu dieser Frage mitteilen können, bin mir aber nicht sicher, ob ich das getan hätte. In diesem Fall hätte wohl nicht nur die ärztliche Schweigepflicht gegolten …

    Und was hat die Kommission des Präsidenten ohne Ihre Mithilfe herausgefunden?

    Das hat man mich nicht wissen lassen, aber am Ende sollen über 900 Seiten zusammengekommen sein. Es muss einiges mehr darin gestanden haben als das, was man heute über den DDR-Sport verbreitet. Also dass der Erfolg einzig den blauen, grünen oder rosa Pillen geschuldet war, die Leute wie ich angeblich rund um die Uhr an die Athleten verteilt hätten.

    Wie sehen Sie das heute?

    Doping ist ein Dauerthema. Da es in kaum einer Branche so viel ahnungslose »Spezialisten« gibt wie in dieser, ist das auch nicht mit drei Worten zu erledigen. Obendrein: Seit den Spielen von Montreal sind 35 Jahre vergangen, und wo die Medien damals simple Lügen-MGs einsetzten, sind inzwischen Verleumdungspanzer aufgefahren, die vor allem endlich die »Legende DDR« in Fetzen schießen sollen. Das hat nüchterne Gründe. Ich habe neulich mal ausgerechnet: Die Olympiateilnehmer, die dieses Land zu 17 Olympischen Winter- und Sommerspielen entsandte, errangen 203 Goldmedaillen, 192 Silber- und 177 Bronzemedaillen. Das bedeutet, dass die DDR in der die olympische Geschichte von 1896 bis 2010 umfassenden »ewigen« Statistik den siebten von knapp 180 Rängen belegt! Und das, obgleich dieser Staat seit zwanzig Jahren nicht mehr existiert und seine Statistik folglich auch nicht verbessern konnte. Das sind Zahlen, die niemand mit Pillen-Gerede aus der Welt schaffen kann.

    Ich bin oft genug mit erfolgreichen Athleten zur Dopingkontrolle gegangen, habe dort mit ihnen auf die Abfertigung gewartet. In den Laboratorien, die diese Kontrollen durchführten, saßen erfahrene Spezialisten aus aller Welt. Will man jenen Fachleuten nachsagen, dass sie zu ahnungslos und vielleicht sogar unwillig waren, die Spuren unserer »Pillen« zu finden?

    Im Umkehrschluss heißt das: Die Chefs der Laboratorien könnten jene, die solches behaupteten, der Verleumdung bezichtigen?

    Wenn sie diese Vorhaltungen und Unterstellungen ernst nähmen, wäre es ein hinlänglicher Grund.

    Bleiben wir bei Ihrem Anliegen. Memoiren beginnen in der Regel mit dem Lebenslauf. Der begann wo und wann?

    Aufgewachsen bin ich im Sorbischen, also in der Lausitz, in einem Ort, der nicht allzu weit von Strittmatters Heimat Bohsdorf lag, was ich nicht ohne Stolz erwähne.

    Meine Kindheit war geprägt vom Krieg. Die Bilder aus jenen Tagen bestimmten mein Leben. Die Leichen, die ich an der Neiße und bei Halbe sah, waren die erste Lektion, den Wert des Lebens zu schätzen. Von November 1944 an lernte ich das unmittelbar. Man sperrte unsere Schulen zu, weil man uns brauchte, um Schützen- und Panzergräben auszuheben.

    Ich habe selber Kinder, aber sie mussten nie als Halbwüchsige aus dem Bett stürzen, weil Sirenen nächtliche Bombenangriffe ankündigten. Sie hockten nie vor dem Radio, um zu erfahren, welchen Kurs die Geschwader nehmen würden. Die jungen deutschen Soldaten, die heute nach Afghanistan geflogen werden, sind etwa doppelt so alt wie ich damals war, aber ich habe sie in Interviews mehr als einmal darüber reden hören, wie strapaziert ihre Nerven seien. Ich glaube es ihnen aufs Wort.

    Ein Erlebnis, das ebenfalls die Zeit, in der ich aufwuchs, illustriert: Unsere Clique hatte sich vorgenommen, für unsere Mütter zum Weihnachtsfest 1944 Geschenke aus dem Spremberger Kaufhaus Fiedler zu »organisieren«. Da allabendlich das Licht abgeschaltet wurde, beschlossen wir, jeder sollte ein sogenanntes Hindenburglicht, also eine in Blech gefasste Kerze, klauen. Der Kleinste von uns, Gerhard Scholz, wurde dabei erwischt und gestand heulend, dass die anderen doch auch alle eine mitgenommen hätten. Der Chef des Kaufhauses Fiedler meldete den Vorfall dem Direktor der Schule. Am nächsten Morgen erlebten wir in der Klasse dessen Tobsuchtsanfall. Seine ärgste Anklage lautete, wir seien »Bolschewiken«, die nicht ins Jungvolk gehörten. Alle, die Kerzen geklaut hatten, mussten aufstehen und die Hände ausstrecken. Dann schlug er mit voller Wucht den Rohrstock auf unsere Handflächen.

    Danach verdarb eine von niemandem erwartete Katastrophe das Weihnachtsfest endgültig. Ich höre heute noch die Schreie meiner Großmutter, als sie die Nachricht erhielt, Richard sei gefallen. Er war der Lieblingsbruder meiner Mutter, den auch ich sehr mochte. Bevor Onkel Richard Soldat wurde, betonierte er auf Helgoland U-Boot-Bunker. Im Sommer 1941 hatte ich ihn in den Sommerferien auf der Insel besucht. Im Herbst 1941 wurde er Soldat und zog an die Ostfront. Sein Bruder Willi fiel in Afrika, er im Osten.

    Am Heiligabend gab es Hirsesuppe, und alle sangen heulend Weihnachtslieder. Meine Mutter hatte von unserem Vater, seit er in Stalingrad war, kein Lebenszeichen mehr erhalten. Dafür hatte ihr der Kreisparteileiter Schröder aus Spremberg am Abend vor Weihnachten meine Aufnahme in die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola) ausgehändigt.

    Qualifiziert war ich aufgrund von Ergebnissen, die ich im Weit- und Hochsprung, Schlagballweitwerfen und Hindernislauf erzielt hatte. Doch wurde nichts mit einer NS-Karriere, denn statt zur Napola holte man mich zur SS-Division Frundsberg. Dort erlebte ich am 15. April 1945 die erste und einzige Hinrichtung meines Lebens. Zwei blutjunge Soldaten waren stiften gegangen, von der SS im Wald bei Bohsdorf aufgegriffen und vor ein »Sondergericht« gestellt worden.

    Mein Freund Hardy Mrosk musste zwei Schilder malen, auf denen riesengroß das Wort »Verräter« stand.

    Dann wurden Stricke an riesige,

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