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Ina - Band 2
Ina - Band 2
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eBook681 Seiten10 Stunden

Ina - Band 2

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Über dieses E-Book

Ina verlor David wegen ihres behinderten Sohnes zwar nicht, doch es passiert etwas Unerwartetes. Eines Abends überfällt ihr Exmann sie im Haus. In dieser Nacht bringt Ina die Zwillinge Felix und Finn auf die Welt und steht unter schwerem Schock. Trotz allem bemüht sie sich, ihre Familie nicht mit ihren Depressionen zu belasten. Dennoch dauert es einige Zeit, bis sie zur Normalität und später auch an ihre frühere Arbeitsstelle zurückkehrt. Dort erwartet sie eine Überraschung: Ihr neuer Chef entpuppt sich als früherer Schulfreund ihres Ehemannes David, und zu dessen Freundschaft zu David zählen nicht nur gute Erinnerungen ...
SpracheDeutsch
Herausgebernovum pro Verlag
Erscheinungsdatum13. Apr. 2010
ISBN9783990036952
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    Buchvorschau

    Ina - Band 2 - Therese Chojnacki

    Verlag

    Impressum

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

    Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

    Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und -auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

    © 2010 novum publishing gmbh

    ISBN Printausgabe: 978-3-99003-138-4

    ISBN e-book: 978-3-99003-695-2

    Lektorat: Silvia Zwettler

    Gedruckt in der Europäischen Union auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem -Papier.

    www.novumpro.com

    AUSTRIA · GERMANY · HUNGARY · SPAIN · SWITZERLAND

    Fortsetzung vom 21. Kapitel

    David fühlte sich alleingelassen nach dem, was sie erlebt hatten. Ina war im OP, Barbara bei ihr und er musste allein warten. Wäre wenigstens Alex bei ihm! Er rief seine Schwester an und weinte am Telefon, weil er nicht wusste, ob seine Kinder und Ina überleben würden. Seine Schwester versuchte ihn zu trösten. Doch David sehnte sich in diesem Moment nach den Eltern und fragte wieder, warum sie nicht da waren. Er spürte eine warme beruhigende Hand an seinem Arm und die Wärme durchströmte seinen Körper. Er drehte sich um, um zu sehen, wer das war, doch es stand niemand in seiner Nähe. Er setzte sich hin und vollkommen beruhigt sagte er nach oben schauend: „Mama, du warst im OP und weißt, dass alles in Ordnung ist? Deine Enkel leben." Er fing an laut zu lachen und Tränen flossen aus seinen Augen. In dem Moment kam Barbara mit ausgestreckten Armen auf ihn zu.

    „Ich weiß, Barbara, meine Mutter hat mir schon ein Zeichen gegeben. Sie war die ganze Zeit bei Ina. Es sind Jungs und es ist alles in Ordnung!"

    Sie wirkte völlig verblüfft und sprachlos. „Hat er etwa den Verstand verloren?", fragte sie sich ängstlich.

    „Barbara, ich saß hier und fühlte mich vollkommen verlassen, unruhig und ängstlich! Da spürte ich eine Hand auf meinen Schultern und ihre Wärme hat mir die göttliche Ruhe gegeben. Ich wusste in dem Moment alles, was ich wissen wollte. Meine Mutter war bei euch und kam sofort danach zu mir und übermittelte mir dieses Glück."

    „David, ist alles in Ordnung? Ich glaube, nach dem Schock, den ihr alle erlebt hat, braucht ihr psychologische Behandlung."

    „Aber es sind zwei Jungs?"

    „Ja, und sie sind recht munter! Jetzt möchtest du deine Kinder sicher sehen. Und sie nahm ihn an die Hand und führte ihn auf die Säuglingsstation. „Bedenke, sie müssen nicht mal in einen Inkubator! Aber zierlich sind sie schon. Sie hätten noch einen Monat gebraucht. Aber was soll’s, sie sind gesund und quietschlebendig! Sobald sie in der Säuglingsstation eintrafen, sagte Barbara belustigt: „Jetzt halte deine beiden Arme bereit! Und sie legte ihm zwei winzige Wesen in jeden Arm und sagte warmherzig: „Herzlichen Glückwunsch, das sind deine Söhne!

    David schaute von dem einen, der tief schlief, zu dem anderen, der sein kleines Gesicht verzerrte und womöglich zu weinen anfangen wollte. David schaukelte ihn leicht und sprach sanft:

    „Alles ist gut, du brauchst nicht zu weinen. Ich bin bei dir. Er wirkte tief gerührt. Es war für ihn unfassbar, plötzlich zwei lebendige Wesen in den Armen zu halten, die fast aus dem Nichts entstanden waren. Er hatte Tränen in den Augen, als er Barbara wieder anschaute und unruhig fragte: „Und Ina? Ich muss zu ihr!

    Barbara sagte beruhigend: „Es geht ihr gut, sie ist im Wachraum, aber es wäre schon ratsam, dass du bei ihr bist, wenn sie aufwacht. Weißt du, David, so eine Trennung ohne Bewusstsein von einem Kind, das man monatelang in sich getragen hat, ist nicht einfach. Und dazu unter solchen Umständen. Sie wird dich sicher sehr brauchen. Ich glaube, das Ganze wird einige Probleme auslösen. Deswegen braucht sie nicht nur nach dem, was sie erlebt hat, aber nach der Geburt, die sie nicht mitbekommen hat, besonders viel Zuneigung."

    David schaute seine Söhne noch mal an und sagte gerührt: „Sie sind so süß."

    „Und sie werden immer süßer, bis sie irgendwann anfangen zu nerven!", lachte sie vergnügt, weil sie in dem großen Mann nie eine so hochempfindliche Seele vermutet hätte. Sie wusste schon, dass David ein sehr feinfühliger Mensch war, aber doch nicht in dem Maße, wie es sich jetzt gezeigt hatte.

    Als Ina aus der Narkose aufwachte und die Realität sich in ihren Verstand drängte, fing sie zuerst an zu weinen. David saß bei ihr und fand keine Worte, um sie zu beruhigen oder zu trösten, nicht mal ein Wort, um das Glück über die Geburt ihrer Kinder zu vermitteln. Er hielt nur ihre beiden Hände an seinen Mund gedrückt und kämpfte mit eigener Rührung und Angst um sie. Sie hatte auch keine tröstenden Worte gebraucht. Es gab keine, die sie beruhigen konnten. Sein Schweigen war ihr viel lieber. Er flüsterte nur nach einer Weile:

    „Wir haben zwei Söhne und es geht ihnen sehr gut."

    Ina dachte: „Davids Wunsch ist in Erfüllung gegangen, und ein schwaches Glücksgefühl durchzuckte ihr Herz. Seine Wünsche wollte sie erfüllen, denn das hatte er mit seinem großen Herzen verdient. Dabei wäre sie beinahe gezwungen, statt Davids Marks perverse Wünsche zu erfüllen. Das Bild, als er vor ihr stand und sie auf die Knie zwang, wurde wieder lebendig und sie fing an am ganzen Körper zu zittern und laut zu weinen. David nahm sie vorsichtig in die Arme und drückte sie an sich. „Es ist alles gut, mein Schatz, es ist alles gut.

    Barbara, die gerade den Wachraum betrat und sah, in welchem Zustand sich Ina befand, sagte leise: „Wir bringen Ina jetzt auf die Station. Ich habe verordnet, dass sie ein Einzelzimmer bekommt. Sie braucht viel Ruhe. Und dann beugte sie sich zu Ina: „Herzlichen Glückwunsch, Ina, du hast zwei Prachtkerle zur Welt gebracht. Wir fahren dich jetzt auf die Station und ich bringe euch sofort eure Babys.

    Sie hoffte, dass der Anblick und Körperkontakt mit ihren Kindern ihren Zustand vielleicht ein wenig stabilisieren werde. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine tiefe Furche, was ihre Sorgen um Ina bestätigte. Sie beschloss sich mit den Psychologen und Stationsärzten zusammenzusetzen, um eine Therapie für sie auszuarbeiten. In dem hellen Zimmer mit einem großen Fenster, durch das man die grünen Kronen der Bäume sich leicht bewegen sah, stand schon ein Blumenstrauß von Barbara und Alex. Erst als Barbara ihr die Kinder brachte und auf ihre Brust legte, leuchte ihr Gesicht auf, als hätte es einen Sonnenstrahl gefangen. Sie betrachtete liebevoll die kleinen Köpfchen mit den dunklen dichten Haaren, die sich ein wenig kräuselten. Dann schaute sie zu David und Barbara auf und sah Davids glückliche Augen und Barbaras mit Tränen gefüllt. Sie flüsterte nur: „Danke."

    Der Junge, der an ihrer linken Seite lag, machte ein Auge einen Spalt auf, als wollte er skeptisch die Eltern beäugen. Doch er schloss das Auge schnell wieder. David musste unwillkürlich lachen: „Ich glaube, er ist nicht zu sehr von uns begeistert!"

    „Ina konnte er noch nicht sehen, das könnte nur dir gelten, scherzte Barbara. „Ina, gib einen Jungen David und versuch den anderen an die Brust zu legen. Sie nickte stumm und zögerte einen Moment, welchen sie bevorzugen sollte. Nach dem Blick in ihre kleinen Gesichter war es ihr klar. Es waren eineiige Zwillinge. Da der Junge auf dem rechten Arm ruhig schlief und der andere eine gewisse Unruhe zeigte, gab sie den Schlafenden in Davids Arme. Die dünnen Beinchen und das kleine Körperchen schienen bei dem hochgewachsenen Mann noch winziger zu sein. Dieser Anblick berührte tief ihr Herz und ihr apathischer Verstand fing langsam an zu arbeiten. Sie durfte ihm das Glück nicht verderben, sie musste sich zusammenreißen. Im Namen der Liebe, die er mehr als alle anderen Menschen verdient hatte! Durch sie musste er schon genug leiden und jetzt noch dazu dieser Schock, in den Mark alle versetzt hatte. Sie spürte, wie ihr Söhnchen anfing gierig zu saugen, und das beglückte sie. Barbara beobachtete mal Ina, dann wieder David, der die Augen von seinem Sohn kaum abwendete, und lächelte warmherzig.

    „Barbara, wie kam es dazu, dass die Polizei …", fragte Ina.

    Barbara unterbrach schnell: „Denk jetzt nicht daran, davon sprechen wir später. Das regt dich nur auf. Während du stillst, sollst du ruhig und glücklich bleiben. Schau dir David und euer Glück an."

    David setzte sich zu Ina, gab ihr einen Kuss auf den Mund und schaute dann zu, wie sein Sohn sich satt trank. Trotz aller Sorgen, die sein Inneres schwer belasteten, trotz der Angst um Ina und davor, was ihnen noch wegen Mark bevorstand, konnte er sein Glück nicht verbergen. Barbara verließ das Zimmer und versprach, später zu kommen. Nachdem Ina beide gestillt hatte und sie zufrieden schliefen, legte David sie in seine Bettchen, schaute die beiden noch kurz an und kam dann zu Ina zurück. Sie streckte die Arme nach ihm aus und im Bruchteil einer Sekunde erinnerte sie sich an die gleiche Bewegung, als Martin geboren wurde und Mark versuchte, sie zu trösten. Nein, nicht Mark, befahl sie sich und schloss ihre Arme um Davids Hals. Er legte sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Mit kleinen zärtlichen Küsschen bedeckte er ihr Gesicht und flüsterte ergriffen:

    „Ich danke dir für deine Liebe, die du mir schenkst, und das Glück."

    Ina weinte leise in seinen Armen, doch sie spürte, dass diese Tränen sie stärkten und ihr Glück bewusster machten.

    Viel später wurden alle Geschehnisse rekonstruiert und aus den Puzzleteilen entstand ein vollkommenes Bild.

    Die Jungs spielten im Garten. Martin und Timo sollten sich verstecken und nach Möglichkeiten ein paar Spuren hinterlassen, damit Tobi aufgrund der Spurensuche ihr Versteck finden konnte. Tobi verschanzte sich in den Büschen neben dem Eingang und sollte eine absehbare Zeit abwarten, bis sie die Spuren präparierten und sich dann versteckten. Timo nahm Martin an der Hand und beschloss sich mit Martin im eigenen Garten zu verstecken, während Tobi geduldig wartete. Plötzlich sah er, wie das Hintertor im Garten aufging und eine Frau und ein Mann den Garten betraten. Nachdem er bemerkte, wie brutal er die Frau vor sich schob, blieb er vor Angst erschüttert, bewegungslos in den Büschen und hörte, wie Mark zu Karin sagte: „Jetzt schelle und wenn du nur ein Warnzeichen von dir gibst, dann puste ich dir dein Gehirn weg! Er hörte, wie Karin schluchzte. Dann kam das Summen und die Tür ging auf. Sobald die Tür geschlossen wurde, löste sich die ängstliche Lähmung langsam und machte seine Glieder beweglich. So schnell, wie er nur konnte, rannte er nach Hause total aufgeregt, endlich von einem richtigen Verbrechen berichten zu können! „Mama, Mama! Ein Mann mit einer Frau ist zu Onkel David nach Hause gekommen und er wollte der Frau das Gehirn wegpusten! Barbara glaubte zuerst, dass seine Fantasie mit ihm verrücktspielte. Doch Alex ging geistesgegenwärtig in die Hocke und fragte Tobi, ihn dabei fest an den Oberarmen fassend: „Wo sind Timo und Martin?"

    „Ich habe sie vor Kurzem bei uns im Garten gesehen, informierte Barbara sie und fragte Tobi mit strenger Stimme: „Sind das deine neu ausgedachten Krimigeschichten?

    „Nein, Mami, die Frau hat schrecklich geweint!"

    Barbara wurde plötzlich kreidebleich. „Tobi, geh in den Garten und ruf Martin und Timo sofort nach Hause! Sobald er weggerannt war und sie ihn nach Martin und Timo rufen hörte, sagte sie zu Alex: „Die Schwester von Ina hat sich doch angesagt. Sie hat schon am Telefon geweint, so wie mir Ina erzählte. Das ist bestimmt Inas Exmann, der auf diese Weise ins Haus eingedrungen ist. Wir müssen sofort die Polizei anrufen! Alex kratzte sich zuerst am Hinterkopf, dann sagte er unsicher: „Ich rufe zuerst David an, wenn was Bedrohliches dort abläuft, wird er mir es auf irgendeine Weise zu verstehen geben. Er ging ans Telefon und wählte Davids Nummer. Während er wartete, versuchte er die Ruhe zu bewahren, um die Kinder, die gerade ins Wohnzimmer kamen, nicht zu ängstigen. Nach einer Weile schaltete sich der Anrufbeantworter an. Alex legte auf. „Geht nach oben spielen!, befahl er den Kindern.

    „Warum?, protestierte Tobi. „Ich bin doch der Zeuge!, bemerkte er stolz.

    „Klar, aber wir sind noch nicht im Gericht!", stellte sein Vater nüchtern fest.

    „Was für ein Zeuge? Hast du einen Verbrecher entlarvt?, erkundigte sich Timo aufgeregt. „Und was für einen Verbrecher!, brüstete sich Tobi und wollte die Geschichte von dem „Gehirn wegpusten" erzählen, doch seine Mutter bremste ihn:

    „Kein Wort mehr darüber! Wollt ihr, dass Martin durch euren Blödsinn Angst bekommt? Nach oben mit euch und wehe, wenn ich erfahre, dass du Martin etwas davon erzählt hast."

    Sie zogen beleidigt und mürrisch ab. „Blödsinn!", murmelte Tobi leise.

    Alex rief sofort die Polizei an und schilderte ihnen die Situation. Als sie versprachen gleich zu kommen, nahm er den Schlüssel, den er für Davids Garage hatte, und wollte schon weggehen, als das Telefon klingelte.

    „Ja?", meldete er sich vor lauter Aufregung ganz ungewöhnlich.

    „Bin ich bei Familie Gutmann?", hörte er Susannes aufgeregte Stimme.

    „Ja, Entschuldigung, Susanne."

    „Herr Gutmann, ich habe grad eben meine Mutter angerufen und sie hat sich eigenartig am Telefon verhalten. Sie sagte, mein Vater und ihre Schwester sind dort." Er überlegte schnell, was er sagen sollte, um sie nicht zu sehr beunruhigen zu müssen. Aus der Entfernung konnte sie sowieso nicht helfen, sie würde nur in Angst versetzt werden.

    „Ich bin grade auf dem Weg zu ihnen, wir haben einen Termin wegen der Scheidung."

    „Ach so … Dann entschuldigen Sie bitte die Störung. Gruß an Ihre Familie. Auf Wiederhören!"

    In dem Moment führte Barbara fünf Polizisten ins Haus. Tobi und Timo, nachdem sie Martin ihre geliebten Spielzeuge, die er bis jetzt nicht anfassen durfte, zum Spielen gaben und ihn im Zimmer einsperrten, lauerten liegend oben am Geländer und beobachteten das Geschehen in der Eingangshalle.

    „Ich habe einen Schlüssel für die Garage. Wir können durch die Garage ins Haus gehen."

    „Sie zeigen uns nur den Weg und halten sich dann zurück." Alex nickte und sie verließen alle zusammen das Haus. Barbara hatte nicht mal daran gedacht, den Jungs zu sagen, dass, falls Lina weinen sollte, sie ihr das Fläschchen geben mussten, die schon in der Küche vorbereitet stand. Das Telefon klingelte wieder und Tobi rannte nach unten. Es war Ina, die ausrichtete, dass sie heute nicht kommen konnten! Timo stand schon bei ihm mit von der Aufregung roten Wangen.

    „Es war Ina … Alles ist höchst verdächtig, weil sie sagte, sie können heute nicht kommen. Dabei sollten sie gar nicht zu uns kommen, nur Mama und Papa zu ihnen. Und Martin sollte bei uns schlafen."

    „Oweia!", rief Timo erschrocken.

    „Komm, wir setzen uns auf die Mauer vor dem Haus und beobachten alles!, schlug Tobi vor. „O ja!

    Der Polizeiwagen stand vor Davids Haus und die Jungs schlichen sich hinter den Baumstämmen versteckt immer näher an das Haus. Plötzlich hörten sie einen Schuss und zuckten erschrocken zusammen.

    „O du Scheiße, sagte Tobi erschrocken, „er hat ihr tatsächlich das Gehirn weggepustet!

    „Komm lieber nach Hause, Tobi", fing Timo weinerlich an.

    „Bist du verrückt? Jetzt, wo es spannend wird?"

    Nach der für Tobi endlosen Warterei führten drei von den fünf Polizisten den Verbrecher in den Streifenwagen. Seine Arme, mit den Handschellen an den Handgelenken, hatte er auf dem Rücken!

    „Wie ein echter Verbrecher!, flüsterte Timo Tobi zu. „Er ist auch ein echter Verbrecher! Und ich habe ihn entdeckt!, sagte er stolz. Dann kamen noch zwei Krankenwagen und sie sahen, wie ihre Mutter miteinstieg. Mit Erleichterung stellten sie fest, dass David am Leben war und wahrscheinlich unverletzt geblieben war. Nur Ina und die andere Frau, die sie nicht kannten, wurden mit einer Trage in den Krankenwagen gebracht. Als alle Wagen abgefahren waren, kam ihr Vater aus der Garage und wollte sie gerade zuschließen, als er die beiden Jungs bemerkte. Sie rannten um die Wette nach Hause zurück und hörten gleich nicht nur Lina schreien, aber auch Martin weinen und an die Tür hämmern. „Ich muss Pipi, ich muss Pipi! Tobi, in Panik geraten, wusste nicht, was er zuerst machen sollte, zu Lina rennen oder Martin befreien. Da kam der Vater schon ins Haus und nahm immer zwei Stufen auf einmal, um schneller oben zu sein und Martin auf die Toi-lette zu lassen. Aus Martins Nase hing eine lange Rotze. Er war erhitzt, verängstigt, und als er endlich seine Blase entleeren konnte, sagte er immer noch weinend: „Ich möchte zu Mami.

    Alex gab ihm ein Taschentuch und sagte sanft: „Putz deine Nase, dann waschen wir dein Gesicht und nehmen uns die Jungs vor, die dich eingesperrt haben!"

    Lina weinte Gott sei Dank nicht mehr, weil Tobi, um Vater ein bisschen zu besänftigen, die Flasche in der Küche fand und sie schon fütterte. Um seine Freunde in Schutz zu nehmen, sagte Martin zu Alex: „Aber sie haben mir erlaubt, mit ihren liebsten Spielzeugen zu spielen!"

    „Wenn du es gewusst hättest, warum sie das getan hatten! Aus Freundschaft zu dir sicher nicht", dachte er außer sich. Martins Gutmütigkeit haben die zwei Rabauken nicht verdient! Andererseits hätte Tobi nicht so schnell reagiert, wüsste man nicht, wie alles ausgegangen wäre.

    Noch in der Nacht vom Samstag auf Sonntag benachrichtigte David Susanne, dass die Kinder geboren wurden und dass es zwei Jungs waren.

    „O mein Gott!, rief Susanne vor Freude weinend. „Wie sehen sie aus?

    David musste ein paar Mal schlucken, um die Ergriffenheit zu bekämpfen.

    „Sie sind die hübschesten Kinder der Welt und ich glaube, sie werden so wie Ina und du lockige Haare haben!"

    „Wie schrecklich! Jungs mit lockigen Haaren! Och David, ich komme so schnell wie möglich nach Hause! Wie geht’s Mami?"

    David atmete tief durch. „Sie muss noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben, aber so im Allgemeinen gut."

    „David, und Martin? Wie hat er reagiert?"

    „Er weiß noch nichts, er ist bei Gutmanns untergebracht. Ich bringe ihn erst morgen ins Krankenhaus."

    „Ach David, wie dumm von mir, herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich auf meine Brüderchen und natürlich auf dich, den stolzen Vater, auch!"

    „Einen stolzen Vater kann ich mich erst dann nennen, wenn sie mal so wie du sein werden. Aber danke, Susanne. Auch für dich herzlichen Glückwunsch zu deinen Geschwisterchen. Sie sehen gleich aus und ich frage mich, wie wir sie wohl unterscheiden werden."

    „Einem malen wir ein paar Punkte auf die Nase!, lachte Susanne. „Also bis bald, David, und gib Mami und den beiden und Martin ein paar Küsschen von mir.

    „Das tue ich, meine Liebe."

    Als Nächste rief er seine Schwestern an und hatte seinen verschlafenen Schwager am Apparat. „Brüllmeier."

    „Hallo Manfred! Ich habe zwei Söhne!", rief David in den Hörer.

    „Herzlichen Glückwunsch! Und die Horrorgeschichte musst du mir mal genau erzählen. Nadine hat sich so erschrocken, dass sie mich mit den Mädels sitzen gelassen hat und auf dem Weg zu dir ist."

    „Ach wie schön!", begeisterte sich David.

    „Ich finde es gar nicht schön! Du kennst unsere Kinder. Nur sie kann sie im Zaum halten. Schick sie so schnell, wie es geht, zurück! Sonst drehe ich hier durch!"

    „Nimm dir ein paar Beruhigungsmitteln", scherzte David.

    „Danke für den Rat! Sag auch Ina herzlichen Glückwunsch und falls du vorhast, Nadine als Patentante zu nehmen, dann taufe sie sofort, weil ich Nadine nicht mehr aus dem Haus lasse."

    David fragte sich, was in der kurzen Zeit schon vorgefallen sein musste, dass Manfred so gereizt war. Nadine war höchstens ein paar Stunden aus dem Haus! Er legte sich zwar schlafen, aber versteckte den Hausschlüssel an der Stelle, wo sie ihn immer als Kinder versteckt hatten. Er glaubte nicht, dass er das Klingeln nicht gehört hätte, aber um sicher zu sein. Im Krankenhaus haben sie ihm irgendwelche Medikamente gegeben, wer weiß, was für Wirkung sie hatten. Er fühlte sich innerlich beruhigt und erleichtert, dennoch konnte er sein Glück voll begreifen und genießen, was ihm von Anfang an direkt nach den Erlebnissen ziemlich schwergefallen war. Trotz der Müdigkeit und innerlichen Ausgeglichenheit konnte er nicht einschlafen. Susanne tat ihm leid. Sie wird es sicher schwer verkraften können, was aus ihrem Vater geworden war. Ob sie vielleicht einen Groll ihm gegenüber hegen wird, weil er Ina nicht erlaubte zu ihm Kontakt zu haben? Am Telefon sagte er ihr nichts davon, denn er dachte, dass es kein Thema für ein telefonisches Gespräch war. Bevor er einschlief, hörte er die Eingangstür aufgehen. Schnell zog er seinen Bademantel über und ging seine Schwester begrüßen. Sie nahmen sich schweigend in die Arme und Nadine fing plötzlich an hemmungslos zu weinen. Nachdem sie sich in seinen Armen ein wenig beruhigt hatte, gestand sie:

    „David, als ich mir vorgestellt habe, dass du tot sein könntest, erkannte ich erst, was du mir bedeutest!" Und ihre Tränen rollten wieder. Er wischte sie mit seinen Händen fort und lächelte ihr zu:

    „Aber ich lebe noch und das Wichtigste ist, dass Ina und die Kinder auch leben."

    „Sind sie da?", fragte sie fröhlich.

    „Ja, ihr habt Mädchen und wir haben Jungs! Komm, darauf müssen wir doch etwas trinken! Warte mal, ich habe vergessen meinen Freund anzurufen!"

    „David, es ist vier Uhr morgens!", ermahnte ihn Nadine.

    „Das macht doch nichts!"

    Alexander meldete sich fast sofort.

    „Was hältst du davon, Alex, wenn du mit meiner Schwester und mit mir auf meine Söhne anstößt?"

    „Um diese Zeit? Ich glaube, du hast den Schock noch nicht überwunden! Aber was soll’s, kommt rüber, weil ich die Kinder nicht allein lassen kann. Barbara ist noch nicht da."

    Nach zwei Stunden kam noch Barbara dazu und bemerkte in die fröhliche Runde schauend: „Ich habe geahnt, dass man dir, David, keine starken Beruhigungsmittel geben darf. Die Wirkung mit dem Alkohol könnte verheerend sein! Doch dann nahm sie ihn noch mal in die Arme und drückte ihn ganz fest. Man sah ihr die Erschöpfung im Gesicht an, doch ihre Augen strahlten: „Ich glaube, Ina wird aus Liebe zu dir das Ganze gut wegstecken. Sie möchte dein Glück nicht zerstören. Man muss nur sehr aufpassen, dass sie sich selbst nicht zerstört und fachmännische Hilfe zulässt. Sie darf nicht sich selbst überlassen werden. Du musst bedenken, dass sie sich Vorwürfe macht, ihrem Exmann nicht helfen zu wollen.

    „Hat sie mit dir darüber gesprochen?", fragte David.

    „Ja, ein wenig. Noch nicht viel. Aber ich kann mir vorstellen, was in ihr vorgeht."

    „Wir werden auf sie aufpassen!", beteuerte Alex fröhlich und prostete allen zu.

    David und Ina waren sich einig, dass David weiter ganz normal seiner Arbeit nachgehen sollte, solange Ina mit den Kindern im Krankenhaus bleiben musste. Seine Schwester beschloss ein paar Tage zu bleiben, um David ein wenig zu helfen. Sie blieb mit Martin, nachdem er kurz bei der Mutter und den Brüderchen war, meistens draußen auf dem Spielplatz. Martin betrachtete die kleinen Geschöpfe liebevoll, nahm ihre kleinen Händchen behutsam in seine und streichelte ihre Gesichter.

    „Und welcher ist Finn und welcher Felix?", fragte er einmal plötzlich.

    David musste sich ergeben: „Das weiß ich selbst nicht, Martin, aber wir schauen auf die Bändchen", mit diesen Worten zeigte er ihm den Unterschied zwischen den geschriebenen Namen.

    „Merkst du den Unterschied?", erkundigte sich David interessiert.

    „Wenn sie unterschreiben sind, ja! Aber so nicht!" Sogar Ina fing an zu lachen.

    „Ich glaube, wir müssen die Bändchen für immer auf den Ärmchen lassen", seufzte David vergnügt.

    „So schlimm ist es nicht, David. Ich kann sie ganz gut unterscheiden, sie sind einander zwar fast gleich, aber nur fast, die Feinheiten, in denen sie sich unterscheiden, wirst du auch bald merken. Und sie sah besorgt in sein müdes Gesicht auf: „David, komm mal zu mir bitte.

    Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante und sie streichelte liebevoll sein Gesicht.

    „Barbara hat mir gesagt, du könntest dich krankschreiben lassen, du brauchst auch Ruhe nach dem, was geschehen ist."

    Nadine saß mit Martin am Fenster und schaute sich mit ihm eins von seinen Büchern an.

    „Was soll ich zu Hause ohne dich? Es wäre noch schlimmer für mich gewesen! Ich muss dich im Haus um mich haben. Du kannst schweigen, du kannst auch ab und zu in einem anderen Raum sein, aber ich muss wissen, dass du in der Nähe bist. Weißt du, manchmal wissen die Menschen gar nicht, was ihr Dasein für die anderen bedeutet. Sie schweigen darüber, statt es zum Ausdruck zu bringen."

    Ihre Blicke trafen sich und die Wärme und das Ausmaß an Gefühlen, die sie im Moment füreinander ausstrahlten, waren gewaltig! Nadine erschauderte: „Hoffentlich bleibt es so für immer! Sie kannte ihren „kleinen Bruder und seine zarte Seele und hatte Angst um ihn. So gern hätte sie ihn vor allen Enttäuschungen im Leben beschützt. Ein noch sehr zaghaftes mit hohen Tönen gefärbtes Weinen ließ sich vernehmen und Ina lächelte und bat David:

    „Bring mir bitte Felix, er hat sicher Hunger."

    Es war tatsächlich Felix, der weinte. David staunte, doch er hoffte, dass er zu Hause die Unterschiede auch im Weinen herausbekam.

    Nachdem Inas Mutter erfuhr, was sich in Davids Haus am Samstag zugetragen hatte und dass die Zwillinge geboren wurden, eilte sie ins Krankenhaus. Zuerst schaute sie bei Karin vorbei, wo sie auch Andrea antraf. Von Karin erfuhr sie im Großen und Ganzen, was passiert war, und bemerkte mit einem Schulterzucken: „Ich habe immer gewusst, dass er nicht normal ist, aber dass er zu so etwas fähig ist, hätte ich nicht gedacht! Meine arme Karin, was musstest du durchmachen! Aber wäre Ina bei ihm geblieben, wäre es dazu auch nicht gekommen!"

    „Oma, so wie ich weiß, hat er Tante verlassen, nicht sie ihn!", bemerkte Andrea genervt, weil sie Omas Einstellung nicht begriff. Vor Kurzem hatte Andrea Ina besucht und gesehen, dass es ihr gar nicht gut ging. Sie sah auch Davids rührende Sorge um Ina und das öffnete in Andreas Herzen ein geheimes Türchen für den eigenartigen Mann.

    „Ja, mein Kind, erklärte inzwischen Oma. „Aber, wenn es so weit kommt, dann sind immer beide Partner schuldig!, gab Oma ihre Weisheiten preis.

    Andrea erhob sich sofort, weil sie keine Lust auf solche Gespräche hatte. „Ruf mich an, falls du morgen entlassen wirst!"

    „Willst du schon morgen aus dem Krankenhaus nach dem, was du erlebt hast?"

    „Mutter, mir geht’s einigermaßen gut und es ist kein Vergleich mit dem, was Ina erleben musste, sagte Karin und fügte dann schnell hinzu: „Und ich bitte dich, mäßige dich, wenn du zu ihr gehst! Ich war mit Andrea vor Kurzem bei ihr und es geht ihr nicht gut. Sie braucht Kraft, wenn sie nach Hause geht, um die Zwillinge Tag und Nacht zu versorgen!

    Wenn jemand Ina ihre Worte wiederholt hätte, hätte sie sicher nicht geglaubt, dass Karin zu solchen Äußerungen fähig war.

    „Ja wenn sie mich braucht, könnte ich ihr am Tag ab und zu zur Hand gehen, aber so wie ich sie kenne, wird sie das nicht haben wollen!"

    „Frag sie, vielleicht doch? Sie braucht im Moment, so wie mir die Ärztin gesagt hat, jede Hilfe. Nur du musst dich mit deinen Belehrungen und einigen Sprüchen zurückhalten. Vergiss nicht, dass sie einen schweren Schock erlitten hat."

    Die Mutter streckte sich übertrieben gerade und gab sich beleidigt: „Was hältst du überhaupt von mir?"

    Karin machte die ermüdeten Augen zu und sagte leise: „Was ich von dir halten muss."

    Ihre Mutter verließ empört und beleidigt das Krankenzimmer und war dankbar, dass die andere Frau, die mit Karin das Zimmer teilte, nicht da war. Was hätte sie von dem Verhältnis zwischen Mutter und Tochter gehalten? Und dabei war sie immer so eine aufopferungsvolle Mutter! Was wollen sie jetzt von ihr? Sie hatte sich um sie liebevoll gekümmert. Sie war doch eine gute Mutter! Sie hatte alles getan, damit es ihnen gut ging! Ja, damals, als Ina so jung schwanger wurde, hatte sie falsch gehandelt, das gab sie zu. Sie hatte sich einfach geschämt! Ein gut erzogenes Kind, eine gute Schülerin und plötzlich war ein Bild von einem Vorbildkind zerstört. Und in der Zeit war auch ihr Mann gestorben und sie war mit der ganzen Belastung alleingelassen! Sie ging zuerst nach unten, um einen Kaffee zu trinken, bevor sie Ina besuchte. Sie grübelte und grübelte, fühlte sich tief verletzt, denn sie glaubte, dass sie als Mutter alles von sich gab, was sie nur geben konnte. Aber sowohl Karin wie auch Ina konnten das gar nicht schätzen. Und die Dankbarkeit? Das war wahrscheinlich ein Fremdwort bei den beiden. Sie hatte es doch mit ihrem Vater auch nicht leicht gehabt und trotzdem hatte die Ehe bis zuletzt gehalten. Sie hatte sich von ihm nicht getrennt, wie Ina es getan hatte. Plötzlich spürte sie eine Hand an ihren Schultern und hörte David sagen: „Hallo Monika, warst du schon bei Ina?"

    Sie wachte wie aus einem Traum auf und sah eine junge Frau und Martin vor sich.

    „Nein, noch nicht. Ich war zuerst bei Karin, um sie ein bisschen auszuhorchen, um zu wissen, was ich bei Ina sagen darf oder auch nicht darf. Das ist entsetzlich, was Mark getan hat!"

    Inzwischen begrüßte Martin sie stürmisch und kletterte sofort auf ihren Schoß. Sie nahm ihn automatisch in die Arme, gab ihm einen Kuss auf die Wange, schaute dabei von der fremden Frau zu David auf.

    „Das ist meine Schwester Nadine. Sie ist vom Westerland gekommen, um mir zu helfen, nachdem sie erfahren hat, was hier passiert ist."

    „Hättest du mich angerufen, wäre ich auch sofort gekommen!", bemerkte sie ein bisschen gekränkt.

    „Ich weiß, aber in solchen Momenten denkt man gar nicht klar und oft unterschätzt man die Menschen, die für uns sicher da wären." Seine Stimme klang sehr matt und müde.

    „David, ich bin jederzeit für euch da. Ich habe zwar meine Enkelkinder noch nicht gesehen, aber ich habe mit Karin gesprochen und ich werde mich bemühen Ina jederzeit zu unterstützen. Ich habe sie sehr alleingelassen, als sie mit Susanne schwanger geworden ist. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Ich möchte es wieder gutmachen. Ich bin dir sehr dankbar, dass du sie liebst."

    Was sollte das bedeuten?, dachte Nadine. Sie stand da und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie spürte, dass irgendetwas Gravierendes zwischen Ina und ihrer Mutter vorgefallen war, doch sie konnte es nicht ergründen. Es wurde ihr wieder klar, dass die menschlichen Beziehungen sehr kompliziert sein konnten. So richtig konnte sie es auch nicht nachvollziehen, weil sie keine Eltern mehr hatte. Und zwischen ihr und den Schwiegereltern herrschte ein ganz normales, freundschaftliches Verhältnis. David schob einen Stuhl für Nadine zurecht und setzte sich dann Inas Mutter gegenüber. Er griff nach ihren Händen und sagte ernst.

    „Monika, du brauchst mir nicht dankbar zu sein, dass ich deine Tochter liebe, im Gegenteil, ich bin dankbar, dass deine Tochter mich liebt. Sie ist ein besonderer Mensch, gestand er, um dann mit einem besonnenen, doch im Tiefen amüsanten Lächeln zuzufügen: „Sie ist ein Engel auf der Erde, den ich immer gesucht habe.

    „Ich wusste nicht, dass ich einen Engel geboren habe!", rettete sie sich mit einem Scherz aus der in ihr aufsteigenden Verlegenheit.

    „Oma, kommst du mit mir auf den Spielplatz?", fragte plötzlich Martin.

    Nadine mischte sich das erste Mal ein: „Martin, deine Oma möchte zuerst zu deiner Mami gehen und deine Brüderchen sehen. Du gehst mit mir auf den Spielplatz und wir warten, bis David dazukommt. Ist das in Ordnung? Martin nickte und rutschte von dem Schoß der Großmutter runter. „Bis später, David! Und falls wir uns nicht mehr sehen, wandte sie sich an Inas Mutter, „dann auf Wiedersehen und herzlichen Glückwunsch zu Ihren Enkelkindern! Tschüs Oma!, rief Martin und winkte beiden zum Abschied.

    „Ist er nicht süß?", fragte Inas Mutter ihm nachschauend.

    „Doch, er ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit im positiven Sinne des Wortes. Und das ist auch, was ich vorher gesagt habe, dass ich in Ina einen Engel getroffen habe. Ich denke, nicht jeder Mensch wäre dazu fähig, so ein Schicksal anzunehmen und aus ihm das Beste zu machen. Ich hatte selbst, bevor ich Ina kennengelernt hatte, eine sehr skeptische Einstellung zu den behinderten Menschen. Dank Ina habe ich vieles verstanden und dazugelernt. Und jetzt sind unsere Kinder geboren. Du hast gesagt, du wusstest nicht, dass du einen Engel geboren hast. Sind nicht alle Kinder, die zur Welt kommen, Engel? Sie haben sich doch mit der Geburt nichts zuschulden kommen lassen. Was aus ihnen sein wird, ob sie Engel bleiben oder auch teuflische Neigungen übernehmen, ist von vielen Faktoren und Einflüssen abhängig. Nicht immer von den Eltern selbst."

    Inas Mutter war in dem Augenblick mit Davids Äußerungen überfordert.

    „Die genetischen Bestimmungen spielen sicher auch eine gewisse Rolle", versuchte sie ihre Position als erfahrene und gewandte Frau zu verteidigen.

    „Das bestimmt. Doch auch die Gene können durch einen fremden Einfluss manipuliert werden."

    „Wir wollen hoffen, dass es bei euren Kindern nicht der Fall sein wird."

    Um sich auf keine weitere Diskussion einzulassen, die sie im Endeffekt vielleicht bloßstellen konnte, beschloss sie schnell: „Ich gehe jetzt zu Ina. Kommst du mit?"

    „Ich komme später nach, ich muss noch etwas erledigen. Bis gleich."

    So stand er auf und ließ sie allein am Tisch. Sie schaute dem jungen, gut aussehenden Mann nach. Er hat einen Engel getroffen, wunderte sie sich. So viele Mütter haben behinderte Kinder, sie meistern ihr Schicksal genauso gut oder auch manchmal besser als Ina und keiner sah in ihnen einen Engel! Als sie das Zimmer, in dem dieser angebliche Engel lag, betreten hatte, war Ina gerade dabei, Finn zu stillen, und Felix fing gerade an laut und schrill zu weinen.

    „O mein Gott!, rief Inas Mutter erschrocken. „Er hat eine Stimme! Sie schaute in das Bettchen und betrachtete ihn kurz: „So zierlich und klein, wie eine Puppe! Dann kam sie zu Ina ans Bett. „Hallo Ina, wie geht es dir?

    Ina bewegte die Schultern, was es bedeuten könnte, wusste Mutter selbst nicht.

    „Na dann, herzlichen Glückwunsch! Sie sehen ganz niedlich aus!"

    Sie beugte sich zu dem trinkenden Finn, streichelte seinen Kopf und gab Ina einen Kuss auf die Wange.

    „Mark ist wahrscheinlich verrückt geworden! Karin hat mir erzählt, wie er sie zu Hause überrumpelt und gezwungen hat, zu dir zu fahren! Stell dir mal vor, sie musste sich unter diesen Angstzuständen ans Steuer setzen!"

    „Ich weiß, Mutter, alles. Ich möchte nicht darüber sprechen!"

    „Na gut, wie du willst! Aber meiner Meinung nach solltest du darüber sprechen, um dieses Trauma zu verarbeiten!"

    „Doch nicht mit dir und nicht jetzt", dachte Ina irritiert.

    „Ich habe unten David und seine Schwester getroffen. Ich wundere mich, warum David mich nicht angerufen hat, als das Ganze geschehen ist? Wir verstehen uns doch gut!"

    Ina spürte, dass Mutter von Davids Benehmen ihr gegenüber ziemlich enttäuscht war. Es lag ihr viel daran, ein freundschaftliches Verhältnis mit ihm aufzubauen und auch zu erreichen, dass er sie schätzte und achtete. Das Achten war nicht das Problem, denn David war ein Mensch, für den es selbstverständlich war, die anderen Menschen zu achten. Nachdem ihre Mutter ihm erlaubte, sie zu duzen, was Ina recht überraschte, denn nicht mal Mark, mit dem sie verheiratet war, durfte das, schloss Ina daraus, dass ihre Mutter sich um jeden Preis bemühte seine Sympathie zu gewinnen. Nur warum? Das hätte sie gern gewusst!

    „Es ging an dem Abend alles ziemlich schnell. Er wollte dich sicher nicht beunruhigen. Du hättest die ganze Nacht nicht geschlafen und damit auch keinem geholfen."

    „Aber seine Schwester hat er angerufen und ihr erzählt, was passiert ist!", bemerkte sie nicht nur vorwurfsvoll, sondern auch gekränkt.

    Ina nahm den schlafenden Finn von der Brust weg und bat ihre Mutter:

    „Gib mir bitte den schreienden Felix. Und nimm dann bitte Finn auf den Arm, damit er Bäuerchen macht."

    Ihre Mutter erfüllte brav ihre Wünsche und als sie mit Finn auf dem Arm am Bett stand und Felix endlich beruhigt trank, erklärte Ina sanft:

    „Mutter, er ist mit seiner Schwester groß geworden. Dich kennt er erst ein paar Monate. Das darf dich doch nicht wundern, dass er, wenn es ihm nicht gut geht, zuerst den Menschen anruft, der ihm am nächsten am Herzen liegt."

    „Aber da wart ihr, meine Töchter, in tödlicher Gefahr!"

    Ina wurde ungeduldig: „Als wir in Gefahr waren, konnte er dich nicht anrufen, weil er selbst in Gefahr war! Und ich bitte dich, lass es sein! Ich will nichts mehr da-rüber hören!"

    „Es ist ja gut! Ich weiß, ich war eine schlechte Mutter, die heute nicht verdient hat, als Mutter behandelt zu werden!", sprach sie provokativ. In dem Moment klopfte es an die Tür und Davids Kopf versteckte sich hinter einem riesigen Blumenstrauß. Mutter stellte sich mit Finn auf dem Arm ans Fenster und beobachtete ihre Tochter. Ihr Lächeln erhellte ihr bis jetzt trübes Gesicht mit Tausenden Sonnenstrahlen. Den einen freien Arm streckte sie nach David aus und drückte seine Hand, die er ihr reichte, an den Mund.

    „Seit wann küssen Frauen die Männerhand?", dachte ihre Mutter dem Ganzen stumm zuschauend. David legte ihr den Blumenstrauß an das Bettende, nahm den satten Felix aus ihren Armen und reichte ihr ein sorgfältig verpacktes Geschenk, der Form nach konnte es ein Bild sein. Inas Mutter stand schweigend am Fenster und betrachtete neugierig, wie Ina es auspackte. Zum Vorschein kam tatsächlich ein Bild. Ina sah David und sich auf dieser Bank sitzen, auf der das behinderte Mädchen sie angesprochen hatte. Es war kein Foto. Es war ein gemaltes Bild, nach dem Foto, das ein Mann ihnen damals gemacht hat. Es bildete einen Hintergrund zu den Worten, die im sonnigen Himmel geschrieben waren. Ina las sie schweigend:

    „Manche Menschen wissen nicht,

    wie gut es ist, sie jeden Tag zu sehen.

    Manche Menschen wissen nicht,

    wie ihr sanftes und strahlendes Lächeln wirkt.

    Manche Menschen wissen nicht,

    wie arm und einsam wir ohne sie wären.

    Manche Menschen wissen nicht,

    wie sehr sie uns glücklich machen.

    Manche Menschen wissen nicht,

    dass sie ein Geschenk des Himmels sind.

    Sie wüssten es, würden wir es ihnen sagen.

    Ich sage es dir heute, am Tag,

    an dem unsere Söhne geboren sind.

    Dein David."

    Je mehr sie las, desto heftiger flossen Tränen aus ihren Augen. Am Ende drückte sie das Bild an ihr Herz und schluchzte laut. Ihre Mutter erkannte, dass es ein glückliches Schluchzen war. Was war auf dem Bild, das sie so krampfhaft an ihr Herz drückte? David legte den schlafenden Felix ins Bettchen, setzte sich zu Ina und nahm sie in die Arme, als wäre Mutter gar nicht da! Sie sprachen gar nichts, sie schwiegen, als hätte ihnen die Nähe ohne Worte gereicht, und sie wüssten, was sie damit sagen wollten. Was hätte Inas Mutter dafür gegeben, das Bild oder was es auch war, zu sehen zu bekommen. Nein, es wurde ihr nicht gestattet, einen Blick darauf zu werfen.

    „Soll ich das Kind hinlegen? Es schläft!", fragte sie innerlich genervt, doch äußerlich ließ sie sich davon nichts anmerken.

    „Ja, bitte, Mutter. Und ich glaube, ich werde auch gleich einschlafen, ich bin sehr müde!"

    Es war das deutliche Zeichen für ihre Mutter, dass sie das Zimmer verlassen sollte. Sie drehte sich zu David: „Gehst du auch mit, David? Deine Schwester wartet sicher auf dem Spielplatz mit Martin! Da könnten wir vielleicht noch zusammen Kaffee trinken."

    „Meine Schwester ist schon mit Martin nach Hause gefahren."

    „Ach so. Aber wenn Ina jetzt schlafen möchte?", fragte sie und wollte ihm gleichzeitig damit zu verstehen geben, dass er lieber mit ihr das Zimmer verlassen sollte.

    „Ich lege mich einfach zu Ina und wir werden beide schlafen, denn ich bin auch sehr müde."

    „Also dann … träumt schön!", lachte sie gezwungen. David kroch tatsächlich zu Ina ins Bett, nahm ihr das Bild aus der Hand und legte es mit dem Rücken auf den Nachttisch. Sie kuschelte sich an ihn und beide schliefen sofort ein. Monika ging langsam die Treppe runter mit einem eigenartigen Gefühl im Herzen. Es war so etwas wie aufsteigende Sehnsucht nach Liebe, die in den beiden Herzen, die sie jetzt verlassen hatte, lebte.

    22. Kapitel

    Am Mittwoch kam Susanne zurück. Für Ina war es eine große Überraschung, denn David hatte ihr nicht verraten, dass sie ihre Ankunft angekündigt hatte und er sie vom Flughafen abholen musste. Direkt vom Flughafen brachte er sie ins Krankenhaus. Es war Vormittag. Martin war im Kindergarten. Davids Schwester versprach etwas zu Mittag zu kochen, damit sie mit Susanne, die sie noch nicht kannte, gemütlich essen könnten.

    Die Krankenschwester kam ins Zimmer und wollte Ina helfen die beiden Babys zu wickeln, doch Ina lehnte ihre Hilfe ab.

    „Zu Hause muss ich auch damit fertig werden", lächelte sie die junge Säuglingsschwester an.

    „Ja natürlich, aber nach einem Kaiserschnitt muss man sich doch ein bisschen mehr schonen als nach einer normalen Geburt. Lassen Sie sich doch verwöhnen, solange Sie die Möglichkeit dazu haben. Frau Doktor Gutmann hat uns gebeten, Ihnen so viel wie möglich zur Hand zu gehen, denn Sie brauchen noch viel Ruhe und Erholung. Und wir müssen die beiden heute baden. Vielleicht möchte Ihr Mann das gern machen?", fragte sie lächelnd.

    In dem Moment klopfte es an der Tür und Susanne und David kamen ins Zimmer. Inas Augen weiteten sich vor Freude und Rührung. „Susi!", rief sie und ließ von Felix ab, der am Wickeltisch lag, und ging auf ihre Tochter zu. Sie nahmen sich in die Arme und beide weinten vor Ergriffenheit und Freude. Ina durchbrach als Erste das Schweigen:

    „Mein Gott, wie ich dich vermisst habe!", rief sie die Tränen wegwischend.

    „Ich dich auch, Mami! Ich war ständig in Gedanken bei euch! Die Welt dort hat mich zwar auf eine bestimmte Art und Weise fasziniert, aber auf Dauer hätte ich die Lebensweise dort nicht ertragen können. Ich bin mit meiner Familie und meiner Heimat zu sehr verwurzelt", gestand sie.

    Keine von beiden bemerkte Barbara, die gerade ins Zimmer kam und still neben David an der Tür stand und wartete. Erst das schrille Weinen von Felix holte Ina und Susanne ins wirkliche Geschehen zurück. Susanne schaute sich ein wenig zerstreut im Zimmer um. Sie sah erst jetzt die junge Säuglingsschwester mit Felix auf dem Arm und Barbara bei David, still an der Tür stehend. Ina nahm ihre Umgebung auch langsam wahr und begrüßte zuerst Barbara, dann David.

    „Warum hast du mir nicht gesagt, dass Susanne zurückkommt?" Es klang zwar ein bisschen vorwurfsvoll, aber doch glücklich genug, damit sich David um die Heimlichtuerei keine Gedanken machen musste.

    „Ich wollte dich überraschen!", sagte er reumütig.

    Barbara mischte sich plötzlich an:

    „Hallo Susanne! Es ist schon eine andere Welt, die dich auch hier erwartet! Aber pass mal auf, ich nehme jetzt David und die Zwillinge mit, weil ich sie wiegen und untersuchen muss. Und dann werden sie vom Papa David gebadet und ihr habt dann genug Zeit, um euch in aller Ruhe zu unterhalten."

    Susanne lächelte und es war Inas zum Teil sanftmütiges und vergnügtes Lächeln.

    „Ich habe zwar nichts dagegen, wenn David bei unserem Gespräch dabei ist, aber vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn er schon zu üben anfängt!"

    David lachte. „Und was ist mit dir, brauchst du keine Übung?", fragte er Susanne.

    „Ich? Frag meine Mami, wie viele Male ich damals Martin gebadet habe! Aber darf ich wenigstens meine Brüderchen anschauen?"

    „Aber sicher!", lachte Barbara und während Susanne die Jungs betrachtete, sagte Barbara zu David und Ina:

    „Soll ich dir, David, ein zusätzliches Bett hierher stellen lassen? Wann war das? Ich glaube vorgestern, als wir zur Visite kamen, habt ihr beide im Bett tief geschlafen."

    Ina war sichtbar peinlich berührt, doch David lachte:

    „Ich war todmüde und wollte nicht allein zu Hause schlafen! Wahrhaftig hatte ich vor mich nur ein bisschen auszuruhen und war von einer Sekunde auf die andere eingeschlafen. Doch das zusätzliche Bett ist nicht nötig, weil meine Schwester morgen zurückfährt und ich morgen nach drei Tagen Urlaub wieder arbeiten muss. Also in der Nacht werde ich wohl zu Hause schlafen."

    Susanne kam mit Finn und Felix auf den Armen auf David und Ina zu, die am Bett standen. „Herzlichen Glückwunsch! Sie sind so hübsch, so süß … Und ich glaube, trotz Kräuselhaaren sehen sie doch dir, David, ähnlich!"

    „Das finde ich auch!", bestätigte Barbara.

    David strahlte. Die Schwester, die die ganze Zeit dabei stand und nicht wusste, was sie machen sollte, nahm jetzt einen Säugling aus Susannes Arm und legte ihn ins Bettchen, dann auch den zweiten und sie rollten die Bettchen mit den Säuglingen aus dem Zimmer. Ina setzte sich aufs Bett zurück und streckte sich ein wenig, weil die Wunde ihr noch wehtat und die Nähte in der Bauchdecke zwickten. Susanne holte sich einen Stuhl und setzte sich zu ihr ans Bett.

    „David hat mir erzählt, dass der Kaiserschnitt notwendig war, dass sie nicht mal Zeit hatten, die örtliche Betäubung vorzunehmen, sie mussten dir eine Vollnarkose geben. Was ist denn wirklich passiert? David wollte mir nichts sagen. Er meinte, du wirst mir sicher alles erzählen."

    Ihre Augen hingen erwartungsvoll auf Inas Gesicht. Ina vermied ihren direkten Blick.

    „Sag mir zuerst, wie geht es dir? Wie geht’s Robert?!"

    Susanne wurde ernst: „Robert geht es gut und mir wird es wohl nach einer absehbaren Zeit sicher auch gut gehen. Wie man so sagt, Zeit heilt die Wunden."

    Inas Herz schrumpfte fast zusammen, als sie das hörte. Sie schaute sie zwar fragend an, doch sie versprach keine direkten Fragen zu stellen. Ob Susanne die Fragen, die in ihren Augen standen, beantworten mochte?

    „Wir haben uns getrennt", berichtete sie knapp und trocken.

    „Warum?", rutschte ihr die Frage doch heraus. Susanne seufzte.

    „Erstens bleibt er noch einige Zeit in den USA und ich habe keine Lust auf so eine Beziehung. Und zweitens, so wie ich vermutete, hat er dort ein Verhältnis mit der Tochter des Besitzers der Klinik, in der er arbeitet. Er behauptete zwar das Gegenteil und stellte es so dar, als wäre das nur eine Freundschaft gewesen, denn sie kannten sich schon als Kinder, aber ich sehe das anders. Und außerdem werden seine Eltern doch nicht erlauben, dass er sich, statt für so eine wohlhabende Frau, wie die Kindheitsfreundin ist, für mich entscheidet."

    „Und wenn sie dazu gewusst hätten, dass dein Vater im Gefängnis sitzt, dann erst recht nicht", dachte Ina. Und vielleicht war es gut so, denn sonst hätte sich Susanne in dieser Familie immer minderwertig gefühlt. Man heiratet doch mehr oder weniger die Familie mit. Susanne war ein wertvoller Mensch und sehr darauf bedacht, ihren Weg selbstständig zu gehen und im Leben allein etwas zu erreichen. Von den anderen, die ihr schon voraus waren, zu profitieren war nicht ihre Art. Deswegen konnte sich Ina vorstellen, dass sie freiwillig auf Robert verzichtet hatte, weil sie nicht bereit war, sich vor ihm und seiner Familie erniedrigen zu lassen.

    „Mami, ich gehe mir nur vom Automaten einen Kaffee holen, bin gleich wieder da. Soll ich dir auch einen bringen?"

    „Nein danke, Susi."

    Sie führte sie mit den Augen zur Tür. „Sie ist noch schmäler geworden", dachte sie besorgt. Was konnte in ihr jetzt vorgehen? Wie bewältigte sie den Schmerz? Immerhin waren sie ein paar Jahre, zwar nicht täglich, aber doch zusammen. Er war ihre erste große Liebe. Na und? Mark war auch Inas erste große Liebe und heute dachte sie, dass sie ihn nicht mal zur Hälfte so geliebt hatte, wie sie David liebte. Susanne kam zurück und setzte sich wieder auf den Stuhl, auf dem sie vorher gesessen hatte.

    „Du bist trotz der Situation doch ziemlich lange dort geblieben", bemerkte Ina nachdenklich.

    „Ja, weil ich mir dachte, wenn ich schon dort bin, dann möchte ich doch ein wenig das Land kennenlernen. Und Robert hat mir trotz der Umstände viel Zeit gewidmet, um mir einiges zu zeigen."

    Nach einer Pause gab sie zu:

    „Vielleicht war dabei doch eine winzige Hoffnung, dass alles anders ausgehen würde. Zumal ich doch bemerkt hatte, dass ich ihm gar nicht so gleichgültig bin. Ich vermute, hätte er diesen Druck von der Seite der Eltern nicht, wären wir noch weiter zusammen. Doch in dieser Familie zählen nur Geld und Erfolg."

    Ina ergriff Susannes freie Hand und streichelte sie leicht.

    „Robert tut mir wirklich leid, weil ich glaube, er hat die wirkliche Liebe und Zuneigung auch als Kind nicht erfahren. Vielleicht aus dem Grund hatte er sich in dich verliebt, weil du ein zärtliches und liebevolles Mädchen warst und jetzt auch so eine Frau bist."

    „Wenn ihm Geld wichtiger ist als die Gefühle, da kann ich ihn nur bedauern."

    Susanne spürte plötzlich, dass sich ein Arm um sie legte, und David tröstete sie:

    „Er wird mal merken und bereuen, was er an dir verloren hat. Aber dann wird es wohl zu spät sein. Solche Menschen werden erst dann wach, wenn sie einen geliebten Menschen verlieren. Kennen wir so eine Geschichte, mein Schatz?", wandte er sich mit dieser Frage an Ina und lächelte ihr schwach zu. Sie nickte nur, auf die Anspielung nicht eingehen wollend.

    „Wo sind die Kinder?", fragte sie stattdessen.

    „Sie kommen gleich. Ich brauche deinen Mutterpass."

    Ina holte ihn aus der Nachttischschublade und reichte ihn David.

    „Danke, ich bin gleich wieder da."

    Sobald die Tür hinter ihm zuging, drehte Susanne lächelnd den Kopf schüttelnd:

    „Mein Gott, er sprüht direkt vor Glück!" Was sie von ihrer Mutter nicht sagen konnte. War sie noch nach der Geburt so mitgenommen oder war da etwas anderes, was ihr Glück beschattete? Bevor sie fragen konnte, rollten die beiden Bettchen ins Zimmer zurück und man hörte schon Felix schreien. Ina legte ihn sofort an die Brust und Finn bekam ein Fläschchen, denn Ina hatte zu wenig Muttermilch. Diesmal hatte es Susanne übernommen.

    David setzte sich zu Ina aufs Bett und fragte flüsternd: „Hast du es ihr gesagt?"

    Ina verneinte stumm, dann bat sie leise: „Kannst du das bitte tun? Ich kann es nicht."

    Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und nickte zustimmend. Es klopfte an die Tür und Karin mit Andrea kam rein.

    „Susanne!", riefen beide wie auf Kommando.

    Karin kam auf sie zu und küsste sie auf beide Wangen. „Seit wann bist du zurück?"

    „Vor drei Stunden bin ich gelandet und kam direkt ins Krankenhaus."

    „Und bist du gar nicht müde? Wie schaffst du die Zeitumstellung?, erkundigte sich Andrea. Susanne lachte: „Die Zeitumstellung ist nichts im Vergleich zu dieser Lebensumstellung, die mich hier begrüßt hat!

    Sowohl Karin wie auch Andrea betrachteten die kleinen Würmchen und Andrea stellte fest:

    „Sie haben sich seit Sonntag, als ich sie das erste Mal gesehen habe, schon verändert! Wie süß! Sie sind haargenau gleich!"

    „Aber sie haben schon jetzt verschiedene Persönlichkeiten, Finn ist der Ruhige, Geduldige und Felix der Schreiende und Anspruchsvolle", verriet David.

    „Das hast du gut bemerkt", lobte ihn Ina.

    „Ina, ich bin heute entlassen worden, ich darf nach Hause, verkündete Karin. „Wenn du nach Hause kommst und meine Hilfe brauchst, ruf einfach an.

    „Wieso bist du heute entlassen worden, Tante Karin, lagst du auch im Krankenhaus?", staunte Susanne. Karin wechselte mit Ina einen schnellen Blick und begriff, dass Susanne keine Ahnung hatte, was geschehen war.

    „Ja, aber es ist nicht der Rede wert."

    „Karin, wir werden dich wahrscheinlich brauchen, mischte sich David ein, um von dem heiklen Thema abzulenken, „wenn Martin eingeschult wird. Und das ist am 16. August. Ich nehme an, dass du, Susanne, zu der Einschulung auch mitkommen möchtest?

    „Aber sicher, ich muss doch sehen, wie mein kleines Knuddelchen ein großer Schüler sein wird."

    „So habe ich mir das auch gedacht!, bestätigte David. „Nun, ich glaube, da muss auch die Mutter einspringen, denn du allein mit zwei Kindern wärest sicher überfordert.

    „Ich bin auch noch da, so wie es aussieht, finde ich doch keinen Ausbildungsplatz. Ich kann meiner Mutter helfen, zu zweit schaffen wir das sicher", schlug Andrea vor und sah David erwartungsvoll an, der bei Ina mit leuchtenden Augen saß.

    „Das ist aber nett, Andrea, danke. Ich sage es so, wie Susanne mir mal gesagt hat, wenn du mal Kinder hast, bin ich bereit bei deinen Kindern der Babysitter zu sein. Bis dahin habe ich sicher genug Erfahrung", bemerkte er amüsant.

    „Nur langsam, David! Sie werden auch eine Oma haben, die für sie da sein wird. Und das lasse ich mir nicht nehmen! Also denk dir eine andere Gutmachung aus!"

    „Wenn es so ist, dann muss ich mir natürlich etwas anderes ausdenken. Wärest du ein Teenager, könnte ich dein Taschengeld ausbessern. Aber du bist schon eine erwachsene Frau."

    „Du spinnst ja!, rief Andrea empört, um weiter zu sagen: „Wofür hat man eine Familie!

    David nahm jetzt den satten Felix, der inzwischen auch ein Bäuerchen gemacht hatte und friedlich schlief, und legte ihn ins Bettchen. Danach setzte er sich zu Ina aufs Bett zurück, legte den Arm um sie, die irgendwie teilnahmslos schwieg, und zog sie leicht an sich.

    „Wie schön, dass ich mit dir gleich eine wunderbare Familie gewonnen habe! Das hat mir bis jetzt wirklich gefehlt."

    Ina schien die herrschende Fröhlichkeit nicht ertragen zu können. Aus ihren Augen rollten plötzlich Tränen, nur keine konnte sich entscheiden, ob Freude oder Trauer in ihr weinte. „Mami, was ist los?, rief Susanne beunruhigt. David versteckte Inas weinendes Gesicht in seinen Armen und bat Karin: „Kannst du vielleicht Susanne nach Hause fahren? Meine Schwester wartet auf sie sicher sehr ungeduldig.

    Susanne verstand nicht ganz, warum er über sie so bestimmte, aber sie ahnte, dass es in dieser Situation die richtige Entscheidung war. Er und ihre Mutter, die Susanne augenblicklich absolut nicht verstand, weil ihre Mutter doch jeden Grund hatte, glücklich zu werden, wollten allein bleiben. Vielleicht wird ihr die Tante etwas erklären können?

    „Du brauchst bestimmt ein bisschen Ruhe, wandte sich David an Susanne. „Deine Müdigkeit ist im Moment durch Emotionen unterdrückt. Ich schlage vor, leg dich nach dem Mittagessen ein bisschen hin, damit wir uns abends unterhalten können.

    Es war schon ein deutlicher Hinweis, dass einiges zu besprechen war, und das machte sie nicht nur neugierig, sondern

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