Wer ist deine Mutter?: Dr. Daniel 104 – Arztroman
Von Marie Francoise
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»Jara! Oh, Gott, ich kann das nicht!« rief Silke Steffen völlig verzweifelt.
»Du mußt!« Jara Berthold keuchte unter der Anstrengung der Wehen. »Ohne dich schaffe ich es nicht!«
Sie schrie auf, weil die nächste Wehe sie mit einer nicht gekannten Wucht überfiel. Mit bebenden Händen stand Silke daneben und wußte nicht, was sie tun… wie sie ihrer besten Freundin helfen sollte.
»Wenn nun etwas schiefgeht?« Silke war den Tränen nahe. »Ich meine… du warst nie beim Arzt. Woher weißt du, daß das Baby richtig liegt… daß es gesund ist…«
Jara ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen. Ihr langes dunkles Haar fiel in nassen Strähnen über ihre schmalen Schultern.
»Wenn es schiefgeht, dann sterben wir eben beide… das Baby und ich«, flüsterte sie nahezu tonlos.
Silke zuckte zurück, als hätte Jara sie geschlagen.
»Bist du verrückt?« stieß sie hervor. »Du darfst nicht sterben! Meine Güte, Jara, du bist erst achtzehn! Wie kannst du vom Tod sprechen?«
Teilnahmslos zuckte Jara die Schultern. »Was hat mein Leben denn noch für einen Sinn? Ohne Bastian…« Sie konnte den Satz nicht mehr beenden, weil die nächste Wehe kam. Erneut schrie sie auf und begann schließlich lauthals zu weinen.
»Es tut so weh«, schluchzte sie.
Spontan nahm Silke sie in die Arme, aber Jara konnte jetzt keine Berührung ertragen. Jeder einzelne Nerv in ihrem Körper
schien zu schmerzen. In diesem Moment hätte sie vor dem Tod wirklich keine Angst gehabt. Vielmehr erschien er ihr weit tröstlicher als das Leben, das nun vor ihr lag.
Mit Silkes Hilfe war es ihr gelungen, ihre Schwangerschaft irgendwie geheimzuhalten, aber wenn
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Wer ist deine Mutter? - Marie Francoise
Dr. Daniel
– 104 –
Wer ist deine Mutter?
Marie Francoise
»Jara! Oh, Gott, ich kann das nicht!« rief Silke Steffen völlig verzweifelt.
»Du mußt!« Jara Berthold keuchte unter der Anstrengung der Wehen. »Ohne dich schaffe ich es nicht!«
Sie schrie auf, weil die nächste Wehe sie mit einer nicht gekannten Wucht überfiel. Mit bebenden Händen stand Silke daneben und wußte nicht, was sie tun… wie sie ihrer besten Freundin helfen sollte.
»Wenn nun etwas schiefgeht?« Silke war den Tränen nahe. »Ich meine… du warst nie beim Arzt. Woher weißt du, daß das Baby richtig liegt… daß es gesund ist…«
Jara ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen. Ihr langes dunkles Haar fiel in nassen Strähnen über ihre schmalen Schultern.
»Wenn es schiefgeht, dann sterben wir eben beide… das Baby und ich«, flüsterte sie nahezu tonlos.
Silke zuckte zurück, als hätte Jara sie geschlagen.
»Bist du verrückt?« stieß sie hervor. »Du darfst nicht sterben! Meine Güte, Jara, du bist erst achtzehn! Wie kannst du vom Tod sprechen?«
Teilnahmslos zuckte Jara die Schultern. »Was hat mein Leben denn noch für einen Sinn? Ohne Bastian…« Sie konnte den Satz nicht mehr beenden, weil die nächste Wehe kam. Erneut schrie sie auf und begann schließlich lauthals zu weinen.
»Es tut so weh«, schluchzte sie.
Spontan nahm Silke sie in die Arme, aber Jara konnte jetzt keine Berührung ertragen. Jeder einzelne Nerv in ihrem Körper
schien zu schmerzen. In diesem Moment hätte sie vor dem Tod wirklich keine Angst gehabt. Vielmehr erschien er ihr weit tröstlicher als das Leben, das nun vor ihr lag.
Mit Silkes Hilfe war es ihr gelungen, ihre Schwangerschaft irgendwie geheimzuhalten, aber wenn das Baby erst da ist… wie sollte es dann weitergehen? Jara kann ja nicht zu ihren Eltern gehen und sagen: »Hier ist euer Enkelkind.«
Wieder wurde sie von einer Wehe überrollt. Die Gedanken an ihre ungewisse Zukunft lösten sich auf in an- und abschwellenden Schmerzen. Jara gab dem schier unerträglichen Preßdrang nach.
»Oh, Gott, es kommt!« hörte sie Silkes Stimme durch den Schleier des Schmerzes, der sie umgab. »Ich sehe den Kopf! Jara, was soll ich denn bloß tun?«
Jara gab keine Antwort. Es war ihr egal, was Silke tun würde. Wichtig war nur, daß die Schmerzen endlich aufhörten! Wieder preßte sie… hatte das Gefühl, als würde das Baby sie zerreißen, und dann hörte sie auf einmal das leise quäkende Stimmchen.
Silke stand da und starrte auf das Wunder, dessen Zeugin sie soeben geworden war. Da lag dieses winzige Wesen naß und blutverschmiert zwischen Jaras Beinen. Silke wußte, daß sie irgend etwas tun sollte, aber sie hatte keine Ahnung, was.
In diesem Moment richtete sich Jara schwerfällig auf. Sie fühlte unangenehm brennende Schmerzen im Intimbereich, schob das aber auf die gerade überstandene Geburt. Vorsichtig nahm sie ihr Baby in den Arm und betrachtete es liebevoll.
»Mein Kind«, flüsterte sie. »Mein kleiner Liebling.«
»Ich glaube, man sollte die Nabelschnur irgendwie durchtrennen«, murmelte Silke – gerührt von dem, was sie hier miterlebte, aber zugleich sorgenvoll, weil es in diesem Fall für Mutter und Kind keine gemeinsame Zukunft geben würde. Dafür würden allein schon Jaras Eltern sorgen.
Jara gab auf Silkes Hinweis keine Antwort. Für sie zählte in diesem Moment nur der kleine Junge, den sie zur Welt gebracht hatte. Vorsichtig bettete sie ihn neben sich und streichelte mit den Fingerspitzen über das verklebte Büschelchen Haare.
Inzwischen hatte Silke die Nabelschnur durchgeschnitten und hoffte inständig, daß sie dabei keinen Fehler gemacht hatte. Als Jara aufstöhnte, blickte Silke erschrocken hoch. Ihre Freundin preßte wieder, und Silke fühlte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Sollten es womöglich Zwillinge werden?
Aber dann fuhr sie erschrocken zurück, denn was da zum Vorschein kam, war kein Kind, sondern ein dunkelrotes Etwas.
Die Plazenta, fiel es Silke ein. Daran hatte sie im ersten Schock gar nicht gedacht. Sie zögerte einen Moment, ehe sie die ausgestoßene Plazenta in mehrere Küchentücher wickelte und dann in den Abfall warf.
Inzwischen hatte Jara ihr Baby wieder in den Arm genommen und bemerkte, wie der winzige Mund nach der von der Natur eingerichteten Nahrungsquelle suchte. Mit unwahrscheinlicher Kraft begann der Kleine zu saugen, während Jara Tränen über das Gesicht liefen.
»Wie soll es mit uns nur weitergehen, Silke?« stieß sie schluchzend hervor.
Ihre Freundin setzte sich zu ihr ans Bett. »Sehr viele Möglichkeiten wirst du nicht haben. Deine Eltern vermuten dich als Au-pair-Mädchen in England. Es ist ohnehin beinahe ein Wunder, daß sie diesen ganzen Schwindel nicht durchschaut haben.« Sie atmete tief durch. »Wenn du deinen Eltern also nicht nachträglich noch die Wahrheit sagen willst, dann…« Sie zuckte die Schultern. »Dir wird nichts anderes übrigbleiben, als das Baby wegzugeben.«
Wieder brach Jara in Tränen aus. »Ich kann nicht! Es ist mein Kind! Das einzige, was mir von Bastian geblieben ist!«
Unwillkürlich schnitt Silke eine Grimasse. »An Bastian würde ich an deiner Stelle lieber nicht erinnert werden. Dieser Schuft hat dich einfach im Stich gelassen.«
»Ich liebe ihn aber!« begehrte Jara trotzig auf. Ihr Blick traf wieder das Baby in ihrem Arm. »Und ich liebe mein Kind.«
Silke betrachtete den Kleinen und lächelte. »Er ist ja wirklich ein herziges Kerlchen.« Ihr Blick wanderte zu Jaras Gesicht. »Wenn du deinen Eltern nun doch die Wahrheit sagst?«
Jara senkte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich muß darüber nachdenken.«
*
Die ganze Nacht über fand Jara keinen Schlaf, obwohl sie nach den Anstrengungen der Geburt todmüde war. Der kleine Christian war inzwischen gebadet und trug einen Strampelanzug, den Silke schon vor Wochen besorgt hatte.
Jara hatte die Nachttischlampe eingeschaltet. Je länger sie ihr Baby betrachtete, um so sicherer wurde sie, daß sie den Kleinen nicht würde weggeben können. Andererseits… sie wagte sich gar nicht vorzustellen, wie ihre Eltern reagieren würden, wenn sie mit einem Baby nach Hause zurückkäme.
»Was sollen wir denn bloß tun?« flüsterte sie verzweifelt, obwohl sie ja wußte, daß von ihrem Baby keine Antwort kommen würde.
Am Anfang ihrer Schwangerschaft… als Bastian sie so schmählich im Stich gelassen hatte… da hatte alles noch ganz einfach ausgesehen. Jara hatte gedacht, sie würde ihr Baby heimlich zur Welt bringen und es dann vor irgendeine Haustür legen. Aber dann hatte sie die ersten Bewegungen ihres Kindes gespürt und im Laufe der Monate war es ihr immer unmöglicher erschienen, ihr Kind einer ungewissen Zukunft auszusetzen.
»Aber mit mir zusammen hast du ja gar keine Zukunft.« Wieder war Jara den Tränen nahe. Ihre Eltern würden sie mit absoluter Sicherheit zwingen, Christian zur Adoption freizugeben. Das hatten sie damals bei ihrer Schwester Simone auch so gemacht. Jara war erst zwölf gewesen, aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie bitterlich Simone geweint hatte… wie sie ihren Vater angefleht hatte, ihr Baby behalten zu dürfen, aber er war hart geblieben.
Nach der Geburt des Babys und der erzwungenen Freigabe zur