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Ein Vandale ist kein Hunne
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eBook184 Seiten2 Stunden

Ein Vandale ist kein Hunne

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Über dieses E-Book

Alois Brandstetter ermittelt in der geheimnisvollen Welt der Sprayer.

Ein Graffito namens "Korks" zieht sich durch die ganze Stadt. Ein wenig später erscheinen Schriftzüge mit "Süs". Was ist der Antrieb für diese seltsamen Markierungen? Vom Ursprayer und Stammvater aller Graffitikünstler Josef Kyselak ausgehend, der sogar das Stehpult des Kaisers Franz I. "bemalerte", erzählt Alois Brandstetter von seinem persönlichen Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens. Dabei sinniert er über Formen der Jugendkultur, des Widerstands oder einfach die Lust am Verbotenen. Und es gibt zahlreiche Ursachen des Ärgers: von der Einführung der Helmpflicht bis zur Erhöhung der Geschwindigkeitsbegrenzung, von sozialer Ungerechtigkeit zum behaupteten Recht auf individuelle Freiheit, von Günter Grass zu ...

Im Zuge der "Jagd" nach Korks komponiert Brandstetter ein großes Sittenbild der heutigen Gesellschaft. Doch die Welt der Sprayer ist und bleibt voller Rätsel.

Ein sprachgewaltiges, witziges und geistreiches Vademekum durch das Reich der "unbekannten Vandalen".
SpracheDeutsch
HerausgeberResidenz Verlag
Erscheinungsdatum11. Sept. 2012
ISBN9783701743056
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    Buchvorschau

    Ein Vandale ist kein Hunne - Alois Brandstetter

    978-3-7017-1480-3

    Wenn ich auf meinem Weg in die Klagenfurter Innenstadt aus der Ankershofen- in die Rosentaler Straße einbiege, sehe ich auf der Mauer des Eckhauses eine Inschrift, ein sogenanntes Graffito, ein »Tag«, das ich als KORKS lese. Eigentlich ist dieses »Style«, wie die Sprayer graphisch gestaltete Decknamen auch nennen, relativ leicht zu entziffern. Einige der folgenden KORKS sind freilich schlampiger hingefetzt und sehen wirklich wie verkorkst und wie MURKS aus. Dieses Buchstabengebilde begegnet einem also dann bis zur Villacher Straße und dem Rothauer Hochhaus mindestens 30 Mal. Was heißt »es begegnet einem«! Es springt einen an! Und es gibt einem Rätsel auf. Auf der gegenüberliegenden Seite, auf jener Mauer einer Messehalle, die die Stadt für Sprayer freigegeben hat, findet man KORKS nicht. Hier hat KORKS nicht zugeschlagen oder unterschrieben. Hier hat er kein Style hinterlassen. Das Verbot ist der Motor der Lust, erst an der Ablehnung durch »die Gesellschaft« spürt man die eigene Kraft und hat den anarchischen Genuß. Kyselak was not here. Ein Sprayer mit Charakter beteiligt sich nicht an einem solchen, vom Jugendamt des Magistrats inszenierten Unfug der albernen Eventkultur! Hall of Fame, wenn das ein wahrer Sprayer nur hört! Das ist etwas für Anfänger. Lächerliche Toys! Das ist Kindergarten! Widerstand auf Kommando gibt es nicht, Aversion wird nicht gespielt. Sie ist echt und muß einen Ernst haben. Ohne Frust und Power im Hinter- und Untergrund geht gar nichts. Bei aller Hetz. Vandalismus muß Vandalismus bleiben!

    Ich verstehe KORKS wie das erwähnte Kyselak als einen Personennamen. Josef Kyselak war jener bekannte Ursprayer und Stammvater der Graffitikünstler, der in der Monarchie sein Unwesen trieb und sich mit seinem Namen an allen möglichen und unmöglichen Stellen verewigte. Kyselak lebte und »malerte« von 1799-1831. Er wollte berühmt werden, bis berüchtigt hat er es immerhin gebracht. Er wurde zur Kenntnis genommen! Sogar der Kaiser, Franz I., ist bekanntlich auf den Sonderling aufmerksam geworden. Kyselak wurde nach Schönbrunn »eingeladen«, eigentlich vorgeladen, und vom Kaiser höchstpersönlich gnädigst aufgefordert, seinen Unfug endgültig gefälligst aufzugeben. Majestät habe später aber zu Ihrer Verblüffung entdeckt, daß Ihr Kyselak das Stehpult während der kurzen Audienz unversehens mit seinem, Kyselaks, Namen verunziert hatte. Verunzieren hieß der ironische »Fachausdruck« für nicht bestellte Beschriftungen. Positiv, aber noch ironischer, also schon sarkastisch ausgedrückt, liest man heute oft in den Zeitungen, ein unbekannter Vandale habe in der Nacht auf Sonntag dieses oder jenes Gebäude mit obszönen Graffiti verziert

    Das Sprayen ist also bereits alt und damit ehrwürdig! Das heißt, das Bemalen oder »Beschmieren von dafür nicht vorgesehenen Flächen«, wie die verständnislose Justiz formuliert, ist alt, das Sprayen selbst »unter Zuhilfenahme einer Dose mit Treibgas« ist natürlich neu und modern. Kyselak hat sich schließlich ja auch nicht mit Rasierschaum aus der Dose rasiert – ausrasiert –, er war an sich ja Bartträger, sondern mit Rasierseife und Pinsel und Schermesser. Mit dem Pinsel konnte er umgehen! Ein verantwortungsbewußter Sprayer von heute wird als sogenannter Grüner übrigens darauf achten, daß in seiner Dose kein umweltschädigendes Gift auf Basis der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe, sondern nur harmlose Treibgase für den Farbnebel sorgen. Sogenannte Edelgase, ein Furz gewissermaßen. Keine chemischen Keulen und Bomben! Wir sind Pazifisten und Anhänger des stillen Wassers. Wir wollen nicht »verbrannte Erde«. Ein Vandale ist kein Hunne!

    Was aber mag den Korks umtreiben, wann vor allem mag er seiner Arbeit nachgehen, damit ihn niemand dabei sieht oder die Polizei auf frischer Schrift ertappt? Sicher tätowiert er die Häuser, eins nach dem anderen, nicht am hellichten Tag, sondern erst lange nach Mitternacht, wenn die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet ist, wenn die Bürger schlafen und die Bürgersteige hochgeklappt sind. Die Zeit des Tags ist die Nacht, paradoxerweise. Der Morgen, der Tag bringt es ans Licht, ans Tageslicht. Die Tagger sind »lichtscheues Gesindel« und »umnachtet«, hat einmal ein rabiater Kritiker der Jugend und der Jugendkultur verständnislos, uneinsichtig und unnachsichtig geschrieben. Sicher hatte der keine Kinder! So wie auch der kinderlos verstorbene Dichter Thomas Bernhard in einem Interview gesagt hat, mit der heutigen Jugend könne man nicht reden und nichts anfangen. Und keiner seiner großen Romane »Kalkwerk« und »Die Auslöschung« handelt von Jugendlichen oder Sprayern, wie es die Titel vermuten ließen …

    Im Schutze der Dunkelheit also geht der Tagger die Häuser der Reihe nach durch. Ein Feigling ist der »Schädling« aber deshalb nicht. Ein Haus nach dem anderen? Nein, er ist wählerisch. Korks signiert vor allem jene Häuser, die ordentlich grundiert sind. An einer Stelle hat er sich sogar den Malgrund selbst bereitet und geweißt. Alles muß man selber machen! Es sind also die sogenannten besseren Häuser, die er unterschreibt, jene Gebäude, die ihm behagen. Damit verfährt er ganz anders als etwa ein Förster, der die vom Borkenkäfer befallenen Bäume mit seiner Blaukreide bezeichnet, die geschlägert werden müssen. Korks markiert eher jene Gebäude, die seiner Meinung nach stehen bleiben dürfen. Sein Tag, wie nun eben der englische Fachausdruck für diese besonderen »Pieces« und Markierungszeichen lautet, bedeutet nicht: Gehört geschleift! Häuser werden übrigens geschleift, nicht geschliffen, wie man oft liest oder hört. Bitte den Duden konsultieren! Aber mit Vorsicht: Was weißt Duden?, lautet ein Spontispruch. Ich bin nach der Rechtschreibreform aus der Duden-Konfession ausgetreten. Messer werden also geschliffen, Soldaten, vor allem Rekruten, die den Präsenzdienst leistenden jungen Männer, werden geschleift oder geschliffen. Diese Schleifanstalt heißt Militär oder auch »Schule der Nation«. Einem echten Tagger kann das egal sein, er ist ganz sicher ein Wehrdienstverweigerer, vermutlich auch ein Schulverweigerer, ein Schulabbrecher oder zumindest ein Schulschwänzer und Schulverächter. Schule ist eine Jugendstrafe! Schule macht Angst – Angst macht Schule! Schule macht Spaß, und ich hasse Spaß! In München sah ich einmal in der Nähe einer Schule an einer Wand die Parole: Seit es Lehrer gibt, sind die Schüler nicht mehr die Dümmsten. Und aus Berlin wird gemeldet: »Die Hauptursache aller schlechten Zensuren ist die Schule.« Und wo bleiben die Eltern?, fragt die besorgte Öffentlichkeit. Die aber definieren sich, wie es das Wort anzeigt, durch das Alter und sind voll mit ihren Altersleiden beschäftigt. Von den Freuden und Sorgen ihrer Sorgenkinder haben sie wenig Ahnung. Sie sitzen in den Wartezimmern der Ärzte und warten auf ihre Behandlung.

    Ein wenig entmündigend heißen die Wehrdienstverweigerer nach heutiger Sprachregelung auch »Zivildiener«. Immer heißt es Dienst und Dienen, verständlich, daß die Jugend damit nichts anfangen kann. Wem sollten sie dienen? Diesen jämmerlichen und armseligen und windschiefen sogenannten Erwachsenen? »Non serviam«, hat schließlich schon der gute alte Luzifer seinen Dienst beim obersten Herrn aufgesagt. »Ich will nicht dienen!« Man muß aber kein Satanist sein, um eine solche Absage der Servilität als richtig zu empfinden und Bravo! zu rufen. »Krieg den Palästen, Friede den Hütten!« könnte Korks Devise sein, die ein anderer Jüngling, nämlich der 21jährige Georg Büchner in seinem »Hessischen Landboten« im Jahr 1834, den Herrschenden als Fanal an die Wand geknallt hat. Mit Korks verhält es sich freilich wieder anders. Seine Devise ist eben KORKS. Das Schwert des Korks, der den Dienst mit der Waffe verweigert, ist das Wort, das Einwort, das Schlag-Wort. Der Hessische Landbote hat viele Wörter und macht viele Worte, dem »unbekannten Vandalen« reicht auch manchmal ein lapidares KORKS oder KORK! Ist sein Tun eigentlich »politisch motiviert«, wie es immer in Prozessen von seiten der Verteidigung bei Fällen von »Gewalt gegen Personen oder Sachen« zugunsten der des Vandalismus beschuldigten Jugendlichen heißt? Wer ist er denn? Ach wie gut, daß niemand weiß, wie ich, Korks, tatsächlich heiß! Mich kriegt ihr nie! Im hessischen Frankfurt las ich einmal auf einer Mauer den Spontispruch: Krieg den Hütten, jedem seinen Palast! Der das erfunden hat, müßte wirklich auf einem »Wall of Fame« sprayen dürfen! Blockbuster. In Blockbuchstaben!

    Er, Korks, könnte durchaus ein Architekturkritiker sein. Und viele schöne Häuser wie etwa das Palais Morzé gibt es in der Rosentaler Straße und im anschließenden Villacher Ring ja nun wirklich nicht! Ein Gesellschaftskritiker ist Korks ganz bestimmt. Er formuliert einen Protest gegen die sogenannte Unwirtlichkeit unserer Städte. Er macht sie freilich, wie seine Kritiker, also die Kritiker des Kritikers, und alle Hausbesitzer in jener Häuserzeile meinen, selbst nicht wirtlicher und einladender! Und er ist nicht konsequent. Das muß man ihm schon vorwerfen, bei aller Freundschaft! Er läßt wirklich lohnende und einladende Flächen aus, um zehn Meter weiter an einer unmöglichen und schwer erreichbaren Stelle seine Paraphe, sein Tag, anzubringen. Manchmal kommt es einem vor, als müßte er betrunken gewesen sein, als er sein Namensschnörkel an eine halb verborgene Stelle kritzelte. Hier sieht es doch niemand! Ist der Korks-Tagger vielleicht überhaupt ein Verrückter und längst in der Klapsmühle oder einer »Anstalt für abnorme Rechtsbrecher«? Dann müßte er freilich zu den Tags noch andere Straftaten auf sein Kerbholz geschnitzt haben. Es heißt freilich: Wenn jemand verrückt wird, gibt er ein Zeichen. Sind Tags solche Zeichen? Und natürlich heißt ein uraltes deutsches Sprichwort: Narrenhände beschmieren Tisch und Wände …

    Einige Signaturen scheinen das Ergebnis einer Wette oder Mutprobe zu sein. Bist eh feig! Hais- und Beinbruch! Fassadenkletterer! Am glatten und spiegelnd polierten Marmor einer Versicherung ist er übrigens fast gescheitert. Das gehört doch längst wieder nachgezogen! Aber das Denkmalamt schläft wieder einmal! Es ist andauernd nur mit dem Renovieren von sogenannten Sakralbauten beschäftigt!

    Be careful! Be cautious! Das gilt ganz besonders für alle Nachtarbeiter, also all jene »destruktiven« Personen, die recht verständnislos und uneinsichtig, auch unnachsichtig als Räuber, Diebe, Vandalen, Brandstifter, Friedhofsschänder, Müllcontaineranzünder, Reifenaufschlitzer, Verkehrszeichenumbieger, Baustellenverwüster oder eben auch als Sprayer bezeichnet und verleumdet werden. Nur nicht stürzen! Die Ordnung stürzen, ja, aber nicht selbst stürzen! Wer die Ordnung verletzt und dabei sich selbst verletzt, weil er den Halt verloren hat, und ins Unfallkrankenhaus muß, der ist verloren. Wer ins Spital eingeliefert werden muß, der ist geliefert! Die Ärzte sind ja verpflichtet, die Patienten zu fragen, wo und bei welcher Arbeit oder Tätigkeit sie sich eine Verletzung zugezogen haben und bei Verdacht den Patienten, also den Leidenden oder »Leidtragenden«, zur Anzeige zu bringen. Laß dich nur ja nicht von einem Polizeihund beißen! Auch von keinem Haushund! Bißwunden sprechen eine deutliche Sprache! Und alles glaubt das Krankenhauspersonal auch nicht, viele von den im Spital Beschäftigten sind alles andere als leichtgläubig, ja schon sehr mißtrauisch. Stellt sich aber ein Übeltäter besonders übel und albern an, dann kann er sich bei der jährlich stattfindenden Wahl zum »dümmsten Bankräuber«, »blödesten Brandstifter« »doofsten Dieb« oder auch »dämlichsten Sprayer« ein- oder wiederfinden. Und mancher, der sich als dümmer erwiesen hat als die Polizei erlaubt, hat, noch nicht gehfähig, gleich vom Operationstisch weg den Weg ins Gefängnis oder in die erwähnte »Anstalt für abnorme Rechtsbrecher« angetreten. Die sogenannten Ordnungshüter sind ja sehr stur. Aber ein Bankräuber, der die Hose verliert und über den Knäuel seiner Beinkleider stolpert und stürzt, hat wirklich die Hose heruntergelassen und sich geoutet. Da kann er, der Purzelbaumschlager, gleich auch eine Visitenkarte am Schauplatz zurücklassen. Die Überwachungskamera liefert ein sogenanntes »gestochen scharfes Bild«! Der arme Irre braucht sein Visier erst gar nicht mehr lüften oder den Strumpf vom Kopf ziehen, er ist nicht der erste, der von hinten oder unten, eben vom Arsch her, identifiziert wurde. Ein Sprayer, dem die Farbe ausgeht und der den leeren Farbtopf, die in der Branche sogenannte Kanne, mit einem Pickerl oder Etikett, auf dem der Name des Geschäftes steht, in dem er sie gekauft hat, am Tatort stehen und zurückläßt, ist wohl ein wenig zurückgeblieben, jedenfalls nicht ganz gescheit, so geistreich auch der Spontispruch sein mag, den er auf der Mauer angebracht hat. Auf diese Weise macht sich ein »unbekannter Vandale« selbst bekannt und zu einem bekannten Vandalen. Bitte Handschuhe verwenden und keine Fingerabdrücke hinterlassen! Sonst gilt auch keine Unschuldsvermutung mehr! Das lernt man doch aus den billigsten Krimis im Fernsehen! Wer dumm ist, braucht noch lange nicht blöd zu sein! Ein halbwegs heller Sprüher wird sowieso seine benötigten Utensilien und Waren auf einem anderen als dem sogenannten regulären Wege sich zu verschaffen wissen. Die Lager sind voll. Die Wirtschaft sitzt nicht nur auf einem Butterberg, auch Farbe gibt es im Überfluß. Oder wie die Mundart sagt: Zum Säuefüttern! Natürlich könnte auch kein sogenannter Allesfresser wie das Hausschwein das chemische Acrylzeug verdauen! Vielleicht ein Wildschwein? Es geht wie bei jeder Arbeit, auch bei jeder bürgerlichen und sogenannten angesehenen Arbeit darum, keine Spuren zu hinterlassen. Man darf schließlich ja auch an einem Möbelstück, das die Tischlerwerkstatt verläßt, keine Blutspuren finden, auch wenn sich der Tischler bei der Herstellung an der Kreissäge einen Finger abgeschnitten haben mag. Das geht die Kundschaft nichts an, das interessiert keinen Käufer. Der abgeschnittene oder verstümmelte Finger ist Sache des Tischlers. Der Kunde verlangt ganze Arbeit. Man schämt sich fast, das alles zu sagen, weil es doch selbstverständlich sein sollte, aber man muß es trotzdem sagen, weil immer wieder Unfälle passieren: Wer also nachts auf dem Friedhof arbeitet und schwere Marmorsteine umlegt, bitte, immer von dir wegdrücken, nie zu dir hin ziehen! Das ist ja geradezu hirnrissig! Du schaufelst dir selbst dein Grab! Es wurde nicht nur ein Friedhofsarbeiter von einem Steinblock oder einem Grabengel aus Marmor auf teuflische Weise erdrückt. Würgengel! Gefallener Engel! Der Teufel schläft nicht, auch nicht um drei Uhr nachts auf dem Friedhof! Manchmal ist es, als wäre kein Segen, ja geradezu ein Fluch auf dieser Tätigkeit!

    Sieht man es nüchterner und weniger theologisch, dann muß man sagen, daß leider sehr oft der Alkohol im Spiel ist. Mancher hat sich schon Mut – oder auch Wut – angetrunken, bevor er an die Arbeit, ans Malen oder Friedhofsheimsuchen ging! Zuerst den Friedhof und dann das Wirtshaus besuchen! Nach getaner Arbeit ist gut ruhn. Ora et labora! Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen! Andersherum kann nichts Gescheites dabei herauskommen. Für Autofahrer gilt heute die 0,8- oder neuerdings die 0,5-Promille-Grenze. Die müßte man auch für Bankräuber und Sprayer und alle anderen gesellschaftlichen Sondertätigkeiten einführen. Ein schwer Betrunkener kann keine schwere Axt mehr führen, da führt eher die

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