Bilderwechsel: Kirche - herausgefordert durch ländliche Räume
Von Echter Verlag
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Bilderwechsel - Echter Verlag
Zeichen der Zeit: Neu sehen
„Bilderwechsel" – Akzente zur pastoralen Neuausrichtung im Spiegel ausgewählter aktueller Verlautbarungen deutscher Bischöfe
Hubertus Schönemann
Kirche im Transformationsprozess
Unzweifelhaft befindet sich die katholische Kirche in Deutschland in einem tief greifenden und fundamentalen Transformationsprozess. Unabhängig davon, ob man ihn an einen von außen – durch die veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten – in Gang gesetzten und somit als „aufgezwungenen" oder als einen von innen heraus im Sinne eines gestalteten Aufbruchs versteht: Das Selbstverständnis, die Strukturen und die pastorale Praxis der Kirche sind im Wandel. Alte Selbstverständlichkeiten werden im besten Sinne frag-würdig, Neues bricht sich Bahn. Wenn die in diesem Band vertretene These, dass sich der derzeitige Umbruchsprozess der Kirche in ländlichen Räumen am deutlichsten zeigt und von dorther zu neuen Perspektiven und zu neuen Haltungen und Handlungsoptionen für eine missionarisch-lernende Kirche führt, so mag es als orientierende Lesehilfe dienlich sein, den Blick auf die pastorale Situation in ländlichen Räumen auf dem Hintergrund von Akzenten wahrzunehmen und zu deuten, die deutsche Bischöfe in ihren jüngeren Verlautbarungen über den Wandel der pastoralen und kirchlichen Situation insgesamt derzeit setzen. Möglicherweise erschließt sich von dort her die pastorale Situation in der Fläche als theologischer Ort, der Ausgangspunkt eines neuen pastoraltheologischen Erkenntnisprozesses ist. Dies kann zu einer dem Evangelium und der veränderten gesellschaftlichen Situation gleichermaßen adäquaten kirchlichen Praxis führen.
Die entsprechenden bischöflichen Verlautbarungen haben die Gestalt von Hirtenbriefen, Predigten und Ansprachen, die in unterschiedlichen Situationen gehalten und/ oder veröffentlicht wurden. Die Befassung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch wurde bei der Auswahl der Texte auf einen Bezug zur grundlegenden Neuorientierung in der Kirche und auf eine gewisse geografische „Ausgewogenheit" geachtet. So kommen Bischöfe aus Bistümern zur Sprache, die eine mehrheitlich volkskirchliche Situation aufweisen, aber auch Bischöfe aus Diasporadiözesen im Norden und Osten Deutschlands. Dies macht deutlich, dass der Transformationsprozess zwar kontextuell in unterschiedlicher Weise begriffen und angegangen wird, dass aber in den meisten Bistümern die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kirchlichen Zeugnisses erkannt worden ist.
Bischof Norbert Trelle, Hildesheim
Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle nimmt in seinem Hirtenbrief zur Österlichen Bußzeit 2011 die Vorbereitungen zum Bistumsjubiläum zum Anlass, über die Veränderungen kirchlicher Pastoral nachzudenken.¹ In Aufnahme des prophetischen Wortes „Es kommt Neues, schon kommt es zum Vorschein, seht ihr es nicht (Jes 43,18) entwickelt er „Prozesse lokaler Kirchenentwicklung
für das Bistum Hildesheim im Sinne einer induktiven Pastoral, wie sie beispielsweise im pastoralen Ansatz der „Small Christian Communities versucht wird. Damit sei gemeint, dass jeder Ort ein bestimmtes Charisma hat. Aufgabe der Kirche sei es, „diese Chancen und Aufbrüche gemeinsam zu entdecken, sie weiterzuentwickeln und zu fördern
. Bischof Trelle sieht christliche Gemeinschaft zukünftig in vielfältigen und unterschiedlichen Formen, die Integration möglich machen, die Gemeinschaften für andere sind und sich an Gotteswort, Gebet und Gottesdienst orientieren. Grundlegende Dimension der Kirche ist für Trelle die Taufberufung der Christen als Geistträgerinnen und -träger. Er wirbt für eine Kirche, die offen für zukünftige Veränderung ist und Vertrauen in Gott und aufeinander wagt.
Bischof Felix Genn, Münster
Bischof Felix Genn betont auf seiner grundlegenden Ansprache vor 800 pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums Münster² die veränderten gesellschaftlichen und pastoralen Herausforderungen, die dazu führen, dass eine bestimmte Sozialgestalt von Kirche zu Ende ist, in der nämlich jeder Bürger einer Kommune ein getaufter Christ ist. Diese Selbstverständlichkeit ist vergangen. In dieser Situation bestehe die Gefahr, sich als Kirche der Entschiedenen auf eine „reine Herde zurückzuziehen. Vielmehr müsse die Kirche das Geschenk der christlichen Berufung bedenken und ihre missionarische Sendung leben. Ziel sei ein authentisches Glaubensleben in der Vertiefung der persönlichen Beziehung zu Christus, in der inneren Aneignung dessen, was im Credo bekannt wird. Genn votiert für eine lebendige Feier der Eucharistie, die im Zusammenhang einer gelebten Eucharistie gesehen und vollzogen werden solle. Mystagogie, so der Bischof, beinhalte, Gottes Gegenwart im Leben der Menschen entdecken zu helfen. Dies geschieht insbesondere, indem die Glieder der Kirche ihre Sendung wahrnehmen (Laienapostolat). Die Zusammenführung von Pfarreien ist ein „Weg, der helfen kann, leichter die oft unter sich bleibenden kleinen ‚Gemeindefamilien‘ auf die Menschen, die außerhalb davon sind, zu öffnen und im Zusammenwirken vieler Charismen neue Wege zur Verkündigung des Evangeliums wagen und beschreiten zu können.
So entsteht durch den Einsatz von Hauptamtlichen, Charismen und Begabungen ein Netzwerk von Gemeinschaften und eine Synergie von Aktivitäten. Nach Genn muss es die Möglichkeit geben, das Glaubensleben in einer sehr großen oder ländlichen gegliederten Pfarrei dezentral zu gestalten. Beheimatung vor Ort und gleichzeitig Durchlässigkeit auf die größere Einheit hin ist das Erfordernis einer mobiler gewordenen Gesellschaft. Es müsse ein besseres Miteinander der Dienste und Ämter mit dem Ziel der Sensibilisierung für die Armen und der Vertiefung des Glaubens geben. Der Bischof von Münster wirbt für eine Kultur der Wertschätzung und des Vertrauens, für eine „Seelsorge mit Gesicht. In diesen Zusammenhang gehören für ihn auch Überlegungen zur Teilhabe der Laien am Leitungsdienst. Im Bereich Liturgie betont Genn die Bedeutung des Wortes Gottes, des Gebets, der Schönheit der Liturgie, bei der insbesondere die Eucharistiefeier als Zentrum der Sammlung erlebbar wird. In der Katechese weist Genn den punktuellen Kontakten mit Menschen eine hohe Bedeutung zu und verweist auf die Bedeutung der Kasualien. Für ihn verbindet sich jedoch damit die Frage, wie man mit den Menschen in Kontakt kommt. Vertiefung und Erneuerung des Glaubens seien vorrangige Optionen. So sollten sich Pfarrgremien, Seelsorgeteams und Pastoralkonferenzen als „Glaubensgruppen
verstehen. Schließlich legt Bischof Genn Wert auf den Dienst „mit" den Armen: Kirche bleibt da lebendig, wo sie sich denen zuwendet, von denen sie rein äußerlich nichts zurückbekommen kann.
Bischof Dr. Franz-Josef Bode, Osnabrück
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode nimmt im Geleitwort zu Beginn des Katechetischen Prozesses „Vom Wort des Lebens sprechen wir" zu den Herausforderungen des heutigen Kirche-Seins Stellung.³ Sein primäres Ziel ist es, dass die Glieder der Kirche im Glauben erwachsen werden. Er verbindet damit ein Wachsen und Reifen in der Begegnung von Glaubenden und Suchenden. Im Weiteren beschäftigt den Bischof im Rahmen des Christ-Werdens, welche Türen geöffnet werden können, im Rahmen des Christ-Seins, wie ein Weg als lebenslange Glaubensvertiefung gestaltet werden kann. Christsein bekennen bedeutet für Bode Auskunftsfähigkeit und insbesondere die Entdeckung, Bildung und Stärkung glaubwürdiger Personen als Zeuginnen und Zeugen.
Erzbischof Hans-Josef Becker, Paderborn
In seinem Fastenhirtenbrief zur Österlichen Bußzeit 2010 „Die eigene Berufung entdecken und leben"⁴ stellt der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker den Prozess „Berufung 2014 für sein Bistum in den Mittelpunkt. Angesichts der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gilt es zu „lernen, die Zumutungen, die uns begegnen, aus dem Glauben an Gott anzunehmen
⁵. Wir „können und dürfen […] jetzt nicht einfach so weitermachen wie bisher!⁶ Manches muss zugrunde gehen, anderes entsteht neu. Entscheidend sei für kirchliches Tun „das wirkliche Rechnen mit Gott im Leben des Einzelnen und im Alltag der Kirche
.⁷ Wenn der Ausgangspunkt der Pastoral die Erkenntnis ist, dass Gott mit uns unterwegs ist zum Heil der Welt, so ergebe sich daraus als Auftrag jeder einzelnen Kirchengemeinde, sich für die Umgebung zu öffnen, Schwerpunkte zu setzen und ihre Grundmotivation zu klären. Es geht nicht darum, so Becker, im Sinne einer „additiven Pastoral alles noch mehr draufzusatteln, sondern vielmehr darum, „das übliche Programm zugunsten eines solchen Innehaltens zurückzufahren
⁸. Erzbischof Becker unterstreicht die Verantwortung aller Getauften. Es geht nicht um die Aufrechterhaltung aller kirchlichen Strukturen, Organisationen und Einrichtungen, sondern darum, den Glauben mehr als bislang ins Gespräch zu bringen und miteinander zu erfahren. Zu diesem Zweck müsse sich eine stärkere Kultur des Willkommens entwickeln sowie das Bewusstsein, als Christen und als Gemeinschaft von Gott angesprochen und in seine Gemeinschaft berufen zu sein. Die zentrale Kategorie ist für Becker eine Pastoral der Berufung. Die Berufung der Amtsträger ist theologisch und pastoral-praktisch auf dem Horizont und im Dienst der Berufung aller Getauften zu entfalten.
Mit diesen Überlegungen schreibt der Erzbischof die Gedanken weiter, die er unter dem Stichwort „Perspektiven 2014" bereits beim Diözesanen Forum am 21. 11. 2009 entwickelt hatte.⁹ Die derzeitigen Veränderungen „berühren den theologischen und geistlichen Kern dessen, wozu die Kirche da ist." Es ist wichtig innezuhalten, um Zeitreserven und Freiraum zu gewinnen für eine nüchterne und schonungslose Analyse dessen, was im Sinne der Glaubenserneuerung und -vertiefung nottut. Dem Fortbestand des Glaubenslebens haben sich alle Formen und Strukturen, auch die der neuen pastoralen Räume, und auch die der kirchlichen Verwaltung, der Schulen, Hochschulen und sonstigen Bildungseinrichtungen, in Dienst zu stellen. Erzbischof Becker sieht die Notwendigkeit, hauptberufliche wie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche gut auszubilden und zu begleiten, sie vor allem zu befähigen, über ihren Glauben zu sprechen, ihre Glaubensfragen und Glaubenszweifel ernst zu nehmen, ihr Leben und das, was dazugehört, mit Kategorien des Glaubens deuten zu helfen.
Bischof Heinrich Mussinghoff, Aachen
Eine differenzierte Analyse der Situation bietet der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff in den „Leitlinien der Pastoral in den Gemeinschaften der Gemeinden des Bistums Aachen".¹⁰ Er entwickelt einen dynamischen Begriff von Pastoral als beständig neues Kirche-Werden (Pastoral und Ekklesiogenese in den Grundvollzügen von Kirche) und einen weiten, weil differenzierten und damit missionarischen Begriff von „Gemeinde. Mussinghoff spricht von Pastoral im Plural: Neben „Gemeinde
treten pastorale Sachgebiete und Einrichtungen. Hier ist zu bedauern, dass in dieser Formulierung von „Gemeinde die bis dahin weite Sicht von Gemeinde gegenüber einer klassischen Pfarrei-Perspektive nicht mehr durchgehalten wird. Zentrale Kategorie der Pastoral sei die Begegnung mit Gott und untereinander. Der Aachener Bischof erinnert an das gemeinsame Priestertum der Gläubigen mit Anteil am Heiligen, Lehren und Leiten und das Priestertum des Dienstes sowie an das Verständnis der Kirche als Grundsakrament (Zeichen und Werkzeug) für die Welt.¹¹ Er entwickelt den zentralen Begriff der „Weggemeinschaft
zur Deutung kirchlichen Tuns. Missionarische Pastoral sei eine Tautologie, recht verstanden sei jede Pastoral missionarisch und die Kirche kein Selbstzweck. Im Folgenden entfaltet Mussinghoff seine Pastoraltheologie. Den Ungleichzeitigkeiten der Situation sei es geschuldet, dass es kein einheitliches Pastoralkonzept gebe. Kategoriale Seelsorge versteht er als Seismograf für Veränderungen in der Gesellschaft mit Rückwirkung auf die gesamte Pastoral. Er votiert für eine recht verstandene kirchliche Dienstleistungsorientierung. Es gehe darum, die Kräfte zu bündeln, sinnvolle Aufgabenteilung zu versuchen und das je spezifische Profil zu schärfen. Sozialraum- und lebensweltorientiert müsse heutige Pastoral sein und nicht-katholische Kooperationspartner (Ökumene, Stadtteilkonferenzen und Bürgerinitiativen) in den Blick nehmen. Der Bischof schlägt vor, zu diesem Zweck Kundschafterrollen für „religiöse Suche und für „soziale Not
zu schaffen und zu besetzen.
Der Bischof von Aachen kann sich in Zukunft unterschiedliche Modelle von Leitung vorstellen, die jedoch allesamt geistlich akzentuiert sein sollen: Neben die „klassischen Modelle (can. 519/524: Ein Pfarrer als Leiter der Pfarrei, can. 526: Ein Pfarrer als Leiter mehrerer Pfarreien) tritt can. 517 §1 (gemeinschaftliche Leitung durch Priester) und §2 (Gemeinschaft von Personen auf Zeit zur Teilhabe an der Wahrnehmung der Pastoral, Modell Poitiers) als Gemeindeleitung im Team. Mussinghoff zitiert abschließend Bonhoeffer: „Wir sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen […]. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.
¹²
Bischof Dr. Gerhard Feige, Magdeburg
Unter dem Motto „Winterdienst oder Frühjahrsputz?"¹³ beleuchtet der Magdeburger Bischof Gerhard Feige Herausforderungen und Chancen der Gemeinden in gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüchen. Aus der Sicht eines ostdeutschen Bistums in radikaler Diasporasituation konstatiert Feige einen fundamentalen Gestaltwandel der Kirche. Personelle und finanzielle Ressourcen nehmen ab. Angesichts dieser Situation kann es nicht mehr nur um die Versorgung der bestehenden Gemeinden gehen, nicht darum, wie bisher, „den Laden am Laufen zu halten. Für den Magdeburger Bischof bedeutet „Winterdienst
eine gemeinsame Vergewisserung: Welche Nahrung brauchen die Menschen? Was stärkt, was macht Mut und Hoffnung? Zum „Frühjahrsputz gehört für ihn die Wahrnehmung eines zunehmenden Hungers nach geistlicher Tiefe. Neue Beauftragungen und Dienste entstünden oft gerade an den Orten, an denen es keine Hauptamtlichen mehr gibt. Kirchliche Einrichtungen erhalten größere Bedeutung, zu biografischen Anlässen wird nach Lebensbegleitung durch die Kirche gesucht. Es sei daher unter anderem Aufgabe der Kirche, ihre Haltung und Einstellung zu Menschen mit „gebrochenen Biografien
zu überprüfen.
Feige schließt seinen Beitrag mit der Ermutigung, „auf Gottes Verheißung hin unsere Besitzstände aus der Hand zu geben und seine Gegenwart unter ganz neuen Formen zu entdecken. Hier in diesem Land, unter diesen Menschen, sind wir so als Kirche gefragt."
Bischof Dr. Joachim Wanke, Erfurt
Sein Erfurter Mitbruder Joachim Wanke hat am 30. 1. 2010 in einem Vortrag in der Katholischen Akademie in Berlin einen „Versuch der Verständigung über notwendige gemeinsame Schritte" gemacht.¹⁴ Für Wanke ist entscheidend, dass der österliche Mehrwert, den der Gottesglaube schenkt, in den Blick kommen muss. Der Erfurter Bischof plädiert dafür, Veränderungen in Kirche und Gesellschaft wahrzunehmen („sehende, „hörende Kirche
), das Evangelium neu in den Blick zu nehmen und in seinem Anspruch und seinem Zuspruch tiefer zu verstehen („urteilen). Dazu muss alles auf den Prüfstand, was im Leben der Ortskirchen eine säkulare Eigendynamik entwickelt und sich von der Mitte des Evangeliums entfernt hat. Kirche sei Ferment im Ganzen, nicht Rückzugsort für die Vollkommenen. Weil sie dies unter eschatologischem Vorbehalt in Hoffnung versuche, sei sie „pilgernde Kirche
.
Schließlich sei die Verabredung konkreter, aber verbindlicher Schritte wichtig („handeln). In diesem Zusammenhang ist es Wanke wichtig, lebensdienliche Kirche zu bleiben und noch mehr zu werden („dienende Kirche
). Es brauche eine Pastoral, die gestuft der unterschiedlichen Situation der Menschen Rechnung trägt. Es gebe Sakramente, die vor den Kirchentüren gespendet werden (Hans Urs von Balthasar). Wanke gebraucht das Bild der Veränderung der Aggregatzustände: Tragende Grundkomponenten einer christlich-religiösen Existenz werden sich in einem anderen Aggregatzustand bemerkbar machen und neue Ausdrucksformen ausprägen. Dafür ist es notwendig, das Handeln von Laien in der Kirche zu fördern und zu profilieren, auf kirchliche Leuchttürme zu setzen und insgesamt demütiger zu werden. Der Erfurter Bischof vertraut dem Glaubenssinn des Gottesvolkes zur Bezeugung des Evangeliums und erhofft sich einen Frömmigkeitsstil, der mit den geistigen und intellektuellen Fragestellungen der Zeit korrespondiert.
Bischof Dr. Karl Kardinal Lehmann, Mainz
Anlässlich der Diözesanversammlung des Bistums Mainz am 27. 8. 2011 und beim 20-jährigen Bischofsjubiläum von Bischof Bode am 1. 9. 2011 in Osnabrück hat der Bischof von Mainz, Karl Kardinal Lehmann, einen Vortrag mit dem Titel „Wohin geht die Kirche?" gehalten.¹⁵ Er kennzeichnet den gesellschaftlichen Pluralismus als unhintergehbare Realität und fordert eine im Glauben begründete Diagnose und Interpretation der Zeichen der Zeit. Lehmann ermutigt „zum Spurenlesen: Nur wenn wir uns tief hineinbeugen in den Staub der Zeit, vermögen wir Spuren des Heils zu unterscheiden von Holz-, Ab- und Irrwegen."¹⁶
Ebenfalls macht der Kardinal Mut zum eigenen Platz und wünscht sich mehr geistigen Wettbewerb: „Warum befragen wir andere nicht mehr nach ihren Konzepten und Lösungen, nach ihrem Menschenbild und Weltverständnis?"¹⁷ Schließlich ermutigt er zur konkreten Alternative und zum persönlichen Zeugnis in einem neuen (auch ökumenischen) Miteinander der Christen. Insbesondere die gesellschaftlichen Probleme sind für Lehmann konkrete Herausforderungen (Jugendarbeitslosigkeit, Fragen nach dem Sinn und den Vollzugsweisen menschlicher Sexualität, Umverteilung von Vermögen, Ungerechtigkeit in der Welt …). Es sei wichtig, die Radikalität und Einfachheit des Glaubens und die Leidenschaft für Gott wiederzugewinnen. Gegen Selbstgenügsamkeit gehöre das Über-sich-Hinausgehen zum Wesen der Kirche.
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Freiburg
Schließlich kommt der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, mit seinem viel beachteten Referat „Zukunft der Kirche – Kirche für die Zukunft. Plädoyer für eine pilgernde, hörende und dienende Kirche" auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda zu Wort.¹⁸
Zollitsch begreift die kirchliche Gestalt unter den Begriffen von Pilgerschaft und Aufbruch: „Es gibt kein Reich Gottes, über das wir einfach verfügen könnten. Das