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Kirche: Eine ökumenische Vision
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eBook532 Seiten6 Stunden

Kirche: Eine ökumenische Vision

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Über dieses E-Book

Mitten in einer großen kirchlichen Umbruchsituation wagen evangelische und katholische Christen den Aufbruch. Was als kleine Arbeitsgemeinschaft zwischen einer Landeskirche und einem Bistum begann, entwickelte sich zu einer Bewegung. Inspiration durch das Evangelium und die gemeinsame Sendung setzen Energie frei. Erfahrungen aus anderen kirchlichen Kontexten und Ländern öffnen weite Horizonte. Menschen mit Leidenschaft geben der Kirche neue Gesichter, kreativ, überraschend, phantasievoll. Fachbeiträge und Praxisbeispiele machen deutlich: die Zukunft der Kirche wird ökumenisch sein und in die Welt ausstrahlen. Diese Vision will das Buch Kirche² vor Augen stellen und zugleich ermutigen, den gemeinsamen Weg weiter zu gehen.
Mit Beiträgen von Christina Budereck, Gisèle Bulteau, Graham Cray, Christian Hennecke, Michael Herbst, Estela Padilla, Matthias Sellmann u. a.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum27. Sept. 2013
ISBN9783429061227
Kirche: Eine ökumenische Vision

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    Buchvorschau

    Kirche - Echter Verlag

    Inspirationen

    Graham Cray

    Kirche ganz frisch

    ¹

    1. Mission-shaped Church

    Der Arbeitszweig „fresh expressions (neue Ausdrucksformen von Kirche) in der Kirche von England begann mit der Publikation des Berichts „Mission-shaped Church (Mission bringt Gemeinde in Form) über „Gemeindepflanzungen und neue Ausdrucksformen gemeindlichen Lebens in einem sich wandelnden Kontext", den die Generalsynode im Februar 2004 verabschiedet hat.²

    Damals waren in der Kirche von England bereits 30 Jahre lang neue Gemeinden gepflanzt worden. Der Bericht wertete diese Entwicklungen aus, führte den Begriff „fresh expressions of church ein und gab Empfehlungen aus. In jeder Diözese sollte es eine Strategie zur Förderung und Ausstattung von Gemeindepflanzungen und „fresh expressions of church geben, die der netzwerkorientierten und nachbarschaftlich geprägten Realität der Gesellschaft und der Missionssituation entspricht. Diese Strategie sollte in ökumenischer Zusammenarbeit entwickelt werden.

    In den ersten acht Jahren nach der Veröffentlichung von „Mission-shaped church" geschah Folgendes:

    – die Einsetzung eines nationalen „Fresh-Expressions-Teams" in Zusammenarbeit mit mehreren Konfessionen; die Methodistische Kirche war von Anfang an als Partner dabei.

    – Anglikanische Missionsorganisationen (Church Mission Society und Church Army) machten dies zum Schwerpunkt ihrer Arbeit in Großbritannien. Die 24/7-Gebetsbewegung schloss sich der Partnerschaft an.

    – Ein neuer Berufszweig innerhalb des ordinierten Gemeindedienstes wurde eingerichtet. 136 Kandidaten wurden in sieben Jahren für den Ausbildungsgang zum Ordinierten Pionierpastoren (Ordained Pioneer Ministers) empfohlen.

    – Ein neuer kirchenrechtlicher Rahmen für Netzwerkgemeindepflanzungen, eine bischöfliche Missionsordnung (Bishop’s Mission Order), wurde geschaffen.

    – Die Generalsynode bestätigte diese Strategie einstimmig nach sechs Jahren und dann noch einmal 2012 durch einen Bericht des Ausschusses für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order Report).

    – 2010 gab es bereits 2000 neue „fresh expressions of church", je 1000 in der Kirche von England und in der Methodistischen Kirche.

    – 60 000 Menschen zählten sich zu diesen neuen gemeindlichen Ausdrucksformen.

    Nationale Strategie

    Die Kirche von England setzt sich für die Teilnahme an Gottes Mission durch die Entwicklung einer Mischwirtschaft („mixed economy) von neuen Ausdrucksformen von Kirche neben traditionellen Parochialgemeinden ein. Der Begriff der Mischwirtschaft ist von Erzbischof Rowan Williams eingeführt worden, um auszudrücken, dass wir uns sowohl dem traditionellen Gemeindedienst als auch den neuen Ausdrucksformen verpflichtet sehen. Es geht nicht um eine Entscheidung für die traditionellen oder für die neuen Formen, sondern um ein Sowohl-als-auch. „[Heute sind die neuen Ausdrucksformen] nicht mehr eine Art Randerscheinung oder Freizeitbeschäftigung der Kirche von England. In den vergangenen Jahren sind sie immer mehr zu einem selbstverständlichen Teil unserer Entwicklung und unseres Wachstums als Leib Christi geworden (Rowan Williams).

    2. Was sind „fresh expressions"?

    Wir verstehen die neuen Ausdrucksformen von Kirche als eine Kirchenform für unsere sich wandelnde Kultur, die zuallererst für jene Menschen geschaffen werden, die noch nicht Mitglieder einer Gemeinde sind.

    Man beachte, dass die Kirche von England keine formale Kirchenmitgliedschaft kennt, so dass der Ausdruck „die keine Mitglieder sind" solche Menschen meint, die nicht am Gottesdienst teilnehmen und die die Relevanz des Evangeliums für ihr Leben noch nicht entdeckt haben.

    Die neuen Ausdrucksformen von Kirche können verschiedene Gestalt haben. Neuere Untersuchungen haben 17 verschiedene Modelle in einer Diözese gefunden. Es gab Zellgruppengemeinde, Café-Kirche, Jugendkirche, Überraschungskirche, Netzwerkgemeinde, neue monastische Gemeinschaften und vieles mehr.

    Wie auch immer dieses jeweilige Modell konkret aussieht, eine „fresh expression" ist durch vier Charakteristika gekennzeichnet:

    – missional

    Sie will für Menschen da sein, die sonst nicht zur Kirche gehen.

    –kontextbezogen

    Sie will in den Kontext passen, in dem sie ihren Ort hat.

    – gestaltungsorientiert

    Sie will ein Leben in der Nachfolge Jesu fördern.

    – kirchlich

    Sie will Kirche werden, eine eigenständige Gemeinde sein, nicht Brücke zu einer bereits bestehenden Gemeinde.

    Diese Arbeit stellt sich einer dreifachen Herausforderung: Dem Rückzug des Christentums angesichts des veränderten Verhältnisses zwischen Kirche und Gesellschaft, massiven kulturellen Veränderungen im Westen und dem zahlenmäßigen Rückgang sowie alternden Gemeinden.

    Sie ist aber auch zentralen anglikanischen Werten verpflichtet und knüpft damit an die Tradition an:

    – Sorge für die Seelen (Cura Animarum): Wenn ein Priester in eine Gemeinde eingesetzt wird, erklärt der Bischof: „Empfange die Sorge für die Seelen, die du und ich gemeinsam tragen; im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes. Amen." Anglikanische Priester sind nicht nur Prediger mit Zuständigkeit nur für ihre Gottesdienstgemeinden, sondern sie sind zur Verantwortung für das geistliche Wohl (die Sorge für die Seelen) aller in der Parochie berufen. Allerdings haben in England 34 % aller Erwachsenen keine Verbindung zu einer Kirche in ihrer Lebenszeit, und bei weiteren 31 % hat einmal eine Verbindung bestanden, die aber verloren gegangen ist.

    – Erklärung der Einwilligung („declaration of assent), die jeder Priester bei der Ordination und Beauftragung mit jedem neuen Amt leistet: „Die Kirche von England … bekennt den Glauben, wie er einmalig in den Heiligen Schriften offenbart und in den katholischen Bekenntnissen ausgelegt wurde, den Glauben, den die Kirche neu („afresh) in jeder Generation zu verkünden berufen ist, um damit dieser Generation die Gnade und Wahrheit Christi zu bringen. Dieser Wille, das Evangelium neu zu verkünden, ist der Grund für die Begriffsprägung „fresh expression of church.

    3. Theologische Grundlagen

    Es gibt weitere theologische Grundlagen dieser Arbeit:

    – Die Kirche ist eine Gemeinschaft, die Jesus begegnet.

    In seinem Vorwort zum Bericht „Mission-shaped Church schrieb Erzbischof Rowan: „Wenn ‚Kirche‘ dort Gestalt bekommt, wo Menschen dem auferstandenen Jesus begegnen und ihr Leben darauf ausrichten, diese Begegnung in der Begegnung miteinander fortzuführen und zu vertiefen, dann gibt es theologisch gesehen genügend Raum für eine Vielfalt bei Rhythmus und Stil.³

    – Die Kirche nimmt an der Mission Gottes teil.

    Der zur Kirche von Schottland gehörende Theologe James Torrance schrieb: „Die Mission der Kirche ist das Geschenk der Teilnahme durch den Heiligen Geist an der Mission des Sohnes, die vom Vater ausgehend in die Welt führt. Dies ist nach den Worten Jesu in Joh 20,21 f formuliert: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch … Nehmt hin den Heiligen Geist!

    – Dies ist eine inkarnatorische Mission.

    Die Teilnahme der Kirche an der Mission Gottes ist inkarnatorisch. Es kann nicht nur darum gehen, Menschen an bereits bestehende Formen von Kirche heranzuführen. „Wenn wir sowohl das Was als auch das Wie von Mission inkarnatorisch auslegen, dann müssen wir unbedingt immer betonen, dass die Inkarnation das einmalige Ereignis ist, das dem Zeugnis der Kirche Grund und Form gibt. … Das Ereignis bestimmt, wie es zur Gestalt gebracht und damit kommuniziert werden muss" (Professor Darrell Guder, Princeton Theological Seminary).

    Kirche ist ein Verb, sie ereignet sich. Insofern gilt: „Christlicher Glaube ist Gestalt gewordener Glaube; Christus nimmt Fleisch an inmitten derer, die ihm im Glauben begegnen. Allerdings gibt es nicht die Menschheit im Allgemeinen; Inkarnation muss immer kulturspezifisch sein" (Andrew Walls). Mit anderen Worten: Unsere Christologie formt unsere Missiologie, die wiederum unsere Ekklesiologie formt.

    – Diese Mission folgt der Leitung des Heiligen Geistes, der die Kirche erschafft als Vorgeschmack auf das Reich Gottes.

    All dies erfordert in jedem Kontext neu Unterscheidungsvermögen und ein gehorsames Folgen des missionarischen Geistes. Ich zitiere den anglikanischen Missiologen Bischof John V. Taylor: „Der Hauptakteur bei der Mission der christlichen Kirche durch die Geschichte ist der Heilige Geist. Er ist der Direktor des gesamten Unternehmens. Mission besteht aus dem, was er in der Welt tut. In besonderer Weise besteht sie aus dem Licht, das er auf Jesus Christus konzentriert." All dies erfordert Treue gegenüber dem Evangelium, wie es uns überliefert ist, und missionarisches Sich-Einlassen auf eine veränderte und sich verändernde Welt. Dies hat besonders gut Jürgen Moltmann zum Ausdruck gebracht: „In Hinsicht auf die Rückverbindung zu den Aposteln wird die geschichtliche Kirche nach Kontinuität fragen und auf Kontinuität drängen. In Hinsicht aber auf die Zukunft, der ihr Apostolat dient, wird sie für Sprünge und überraschend Neues offen sein."

    4. Praxis

    Im Licht dieser Überzeugungen haben wir eine Praxis für die Pflanzung von neuen Ausdrucksformen von Kirche entwickelt. „Die meisten neuen Ausdrucksformen von Kirche fangen klein an mit den ausgesandten Teams, die damit beginnen, Kirche zu sein" (George Lings). Die Form der neuen Gemeinde kann ganz verschieden sein. Die Verschiedenartigkeit der Kontexte erfordert verschiedenartige neue Ausdrucksformen von Kirche. Obwohl es eine dominante westliche Kultur gibt, liegt der Schlüssel zur Pflanzung einer neuen Ausdrucksform von Kirche im lokalen Kontext, der sehr unterschiedlich sein kann. Welche Kräfte prägen eine Lokalität? Ist es eine Nachbarschaft oder ein Netzwerk, oder eine Kombination von beiden? Gemeindepflanzen macht ein Studieren des lokalen Kontextes nötig.

    Wir schlagen das folgende Vorgehen vor: Die Arbeit beginnt und wird immer durch hörendes Gebet getragen, eine Phase des geistlichen Beurteilens, wie und wo der missionarische Geist bereits am Werk ist und den Weg bereitet. Dies entwickelt sich dann zu einer geeigneten Form von christlichem Dienst in diesem Kontext. Um diese Anfänge herum formiert sich eine neue Gemeinschaft. Wir wollen christliche Gemeinschaften schaffen, nicht nur christliche Veranstaltungen. Innerhalb dieser Beziehungen wird der Ruf Christi in die Jüngerschaft erkundet. Erst dann kann eine geeignete Form von öffentlichem Gottesdienst Gestalt annehmen.

    Diese Praxis hat ihren Preis. Es heißt in „Mission bringt Gemeinde in Form: „Eine heilige Kirche wird der eigenen Kultur absterben, um für Gott in einer anderen Kultur lebendig zu werden.⁵ Im Hintergrund dieser Aussage steht Joh 12,24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein: wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht." Dieser Bibelvers hat uns als Arbeitsgruppe sehr betroffen gemacht und zu denken gegeben. In Jesu Beispiel erkannten wir ein Prinzip des liebevollen Opfers für andere, das wir daraufhin auf das Pflanzen neuer Gemeinden angewandt haben.

    Wir nannten es „Sterben um zu leben, denn nur dann kann etwas Unvorhergesehens wachsen: „Der Same verliert seine ursprüngliche Identität, nämlich die als Teil der aussendenden Gemeinde mit ihrer ganz bestimmten Prägung und Kultur. Er wird etwas anderes, als er es vorher war. Sterben, um zu leben ist also natürlicher Bestandteil des Pflanzungs-Prozesses.

    Wenn eine neue Ausdrucksform von Kirche einmal zu einer Gottesdienstgemeinde geworden ist, dann entwickelt sie Trittsteine: um den Teilnehmern zu helfen, in den christlichen Glauben hinein und im Glauben zu wachsen. Diese werden im Gottesdienst gefeiert. Neue Ausdrucksformen von Kirche sind daher anfangs oft katechumenale Gemeinschaften: Menschen erkunden den Glauben oder denken über eine Rückkehr zum Glauben nach. Es ist oft notwendig, dass Menschen zur Gemeinschaft gehören, bevor sie ihre Botschaft glauben können. Oft bringen sie wenig Vorwissen mit, aber sie erwarten, teilnehmen zu können. In diesem Stadium bereitet die neue Ausdrucksform von Kirche einen Weg zu Jesus, indem sie eine Reihe von Einzelschritten auf dem Weg einrichtet – wobei Taufe/Erneuerung des Taufversprechens/Konfirmation und Heiliges Abendmahl sich ganz natürlich eingliedern lassen.

    Untersuchungen in drei Diözesen (Liverpool, Canterbury und Leicester) im Jahr 2012 zeigen, dass „fresh expressions of church" zwischen 10 und 11 % der Gottesdienstbesucherzahl insgesamt und sie 18 % der Kirchengemeinden in diesen Diözesen ausmachen. Durchschnittlich gehören ihnen 40 Personen an. Sie sind im gesamten Spektrum sozialer und ökonomischer Kontexte eingerichtet worden, die von wohlhabenden Schichten bis zu prekären Milieus, von ländlichen Räumen bis zu Großstädten reichen.

    Von je fünf Mitgliedern war einer bereits zuvor Kirchgänger – meistens ein Mitglied des Pflanzungsteams, es gibt wenig Transferwachstum. Zwei waren entkirchlicht, sie hatten bereits zuvor mit Kirche zu tun, hatten aber schon länger keinen Kontakt mehr mit dem kirchlichen Leben. Zwei waren gänzlich unkirchlich, sie haben noch nie zu einer Kirche gehört.

    Ein geordnetes sakramentales Leben kann in verschiedenen Entwicklungsstadien von neuen Ausdrucksformen von Kirche entstehen. In diesen Diözesen hatten 47 % der neuen Gemeinden Abendmahlsgottesdienste und 26 % Taufgottesdienste gefeiert.

    Das größte Wachstum im Bereich der „fresh expressions" in der Kirche von England verzeichnen wir in den letzten drei Jahren. Insofern setzt sich eine dynamische Entwicklung weiterhin fort.

    Drei entscheidende Faktoren wirken sich dabei positiv aus: Es gibt neue Vorstellungen von möglichen kreativen Formen von Kirche auf der örtlichen Gemeindeebene, die im Zeichen einer inkarnatorischen Mission stehen. Ohne die entsprechende Dynamik an der Basis hätte eine landesweite Initiative nicht diese Resonanz. Es herrscht ein neues Klima auf kirchenleitender Ebene. Anstelle von „Der Bischof würde es nie erlauben!" erleben Kirchengemeinden, dass der Bischof sehr enttäuscht wäre, wenn es zu keinen Experimenten käme. Es gibt neue Ressourcen zur Ideenvermittlung und Ausbildung von Mitarbeitenden.

    Vor allem aber spüren wir, dass wir von einer Bewegung des Heiligen Geistes erfasst sind.

    Unser Kollege George Lings schrieb kürzlich: „Die Zunahme von neuen Ausdrucksformen von Kirche in der Kirche von England seit 1980 … ist ein deutliches Wirken des Geistes in unserer Zeit."

    1 Übersetzung Astrid Quick, Überarbeitung Dirk Stelter und Philipp Elhaus. Vgl. auch die Beiträge von Graham Cray auf der Konferenz Gemeinde 2.0: Dieser Weg wird kein leichter sein – Mut zur Veränderung, in: Heinzpeter Hempelmann, Michael Herbst, Markus Weimer (Hg.), Frische Formen für die Kirche von heute, Neukirchen-Vluyn 2011, 63–76 sowie „Ekklesiologie, Kultur und Mission" in: Christoph Ernst, Christopher Hill, Leslie Nathaniel, Friederike Nüssel (Hg.), Ekklesiologie in missionarischer Perspektive, Leipzig 2012, 198–221.

    2 Church house publishing (Hg.), Mission-shaped Church. Church Planting and Fresh Expressions of Church in a Changing Context, London 2004. Vgl. die deutsche Übersetzung: Michael Herbst (Hg.), Mission bringt Gemeinde in Form, Neukirchen-Vluyn 2006. Die folgenden Zitate stammen, soweit nicht anders benannt, aus der deutschen Übersetzung.

    3 Rowan Williams, Vorwort zu „Mission-shaped Church", in: Michael Herbst (Hg.), Mission bringt Gemeinde in Form, Neukirchen-Vluyn 2006, 25.

    4 Jürgen Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes, München 1975, 386.

    5 Michael Herbst (Hg.), Mission bringt Gemeinde in Form, Neukirchen-Vluyn 2006, 181.

    6 Ebd., 78.

    7 Vgl. die umfangreichen Informationen zu Trainingsprogrammen, Publikationen, DVDs und anderes mehr auf www.freshexpressions.org.uk.

    Hans-Hermann Pompe

    Im Westen was Neues? Ein Kommentar

    1. Gott ist auf der Überholspur. Sind wir da, wo Gott ist?

    Ein Schlüsselelement der Erneuerung ist für die Anglikaner: Es ist Gottes Mission. Nicht: „Die Kirche hat eine Mission, sondern: „Mission formt und schafft die Kirche. Gott liebt Experimente – denn er will seinen Menschen nahe sein. Die Kirche ist nicht da zu ihrer Selbsterhaltung, sondern zum Besten der Menschen, die nicht vom Evangelium erreicht wurden. Frage an uns: Wollen wir Mitglieder erreichen oder Menschen gewinnen? Das Erste kann nur eine Folge des Zweiten sein, aber nicht umgekehrt.

    2. Schwarz-Weiß ist vorbei. Altes und Neues, Bewährtes und Innovatives werden parallel entwickelt.

    Die deutsche Kultur des „Entweder-oder verhindert vieles: Wir stellen zu oft gegeneinander, was neben- oder miteinander gedacht werden muss. Manchmal habe ich den Verdacht, dass die Engländer sowohl durch eine diszipliniertere Debattenkultur als auch durch ein komplementäreres Denken gegangen sind – jedenfalls wird dort bei der Suche nach einer „Mission-shaped church zusammengehalten, was zusammengehört: Altes wird wertgeschätzt – und zugleich weiterentwickelt. Neues wird zugelassen, gefördert und ermutigt. Beides wird zu wechselseitiger Ergänzung verlockt.

    Eine offene Frage, zumindest aus evangelischer Sicht: Die Church of England ist eine synodal verfasste Kirche. Wie kommt es zu einmütigen synodalen Bewegungen und Entscheidungen? Ist das nur mit einem Wunder zu erklären? Vermutlich gibt es eine kluge Strategie und viel Geduld derjenigen, die ihrer Kirche zu einer Neubesinnung auf ihre Mission helfen wollen.

    3. Top-down und bottom-up ergänzen sich. Wir brauchen eine kluge Kombination von geistlicher Leitung und Basisverankerung.

    Zumindest bei den Evangelischen gibt es ein weit verbreitetes Misstrauen gegen die nächsthöheren kirchlichen Ebenen: „Das sind die da oben, was kann von denen schon Gutes kommen!" Parallel gibt es eine Scheu vieler Leitungsverantwortlicher vor Initiativen, Impulsen und Visionen: Sie haben aber ein Mandat, das den synodalen Interessenausgleich weit übersteigt. Als Basis müssen wir lernen, unsere Leitenden zu ermutigen: Fordert uns heraus, damit wir unseren Teil an der Veränderung entdecken und annehmen. Als Leitende werben wir um das Vertrauen der uns Anvertrauten: Wir brauchen nicht nur euer Mandat, sondern auch eure Mitarbeit, denn Leitung der Kirche geht nicht ohne euch.

    4. Alles bleibt anders! Eine gesamte Kirche reagiert konsequent auf die Veränderung der Gesellschaft.

    Wir können bei den Anglikanern gut lernen, wie man

    – wahrnimmt, was sich ändert.

    – durchdenkt und analysiert, was das für Folgen hat.

    – die Veränderungen erneut im Licht der Bibel deutet.

    – als Kirche sinnvoll reagiert.

    All dies ist ein tief geistlich motivierter Nachvollzug des Weges Jesu. „Incarnational church" meint: Wenn die Kirche die Hingabe Christi verkörpert, ist sie an der richtigen Stelle.

    5. Vielfalt ist Stärke. Innerkirchlich und zwischen den Kirchen können wir so nur gewinnen.

    „Better together as crazy apart – Verschiedenheit (diversity) ist keine Alternative zur Einheit (unity) der Kirche in Christus. Die wechselseitige Unterstützung nutzt Verschiedenheit als Verbreiterung der Zugänge zum Evangelium. Die Vision einer „mixed economy mit einem verbreiterten Angebot erweitert die Resonanz auf das Evangelium, statt Menschen von vorhandenen Angeboten abzuwerben.

    Zusammengefasst: Es geht darum

    – den großen Auftrag neu zu hören für eine Gesellschaft, die wenig oder gar nichts vom Evangelium gehört hat.

    – Kirche von den Unerreichten her zu denken: Wenn Menschen das Evangelium nicht kennen, dann ist das unser Problem, nicht nur ihres.

    – alles zu tun, damit Menschen das Evangelium so hören, dass sie reagieren können.

    Gisèle Bulteau

    Die Ortskirche von Poitiers

    ¹

    „Mitten in der Welt gibt es christliche Gemeinden, die ihre Sendung wahrnehmen und so durch ihren Dienst Kirche aufbauen."

    Dieser Satz war für uns wesentlich und hat den Elan aller gebündelt, als es um die entscheidende Frage ging: Sollten auch wir – so wie in einer Reihe von anderen Diözesen – die bestehenden Pfarreien zusammenlegen und so zu einer begrenzten, kleineren Zahl von Pfarreien kommen? Unsere Entscheidung war ein klares Nein. Priorität war es vielmehr, die örtlichen Gemeinden neu zu beleben, gemeinsam mit Menschen, die sich aus ihrer Taufe heraus in eine Verantwortung rufen lassen; eine weitere Priorität war die Realisation des Prinzips der Nähe. So sind 1995 die ersten „örtlichen Gemeinden" entstanden.

    Ein wesentliches Prinzip der Ortskirche von Poitiers ist die Synodalität. In der Zeit zwischen 1988 und 1993 haben sich alle kirchlichen Akteure auf dem Gebiet der Diözese Poitiers, alle diakonischen Dienste, die Verbände usw. mit den kirchlichen, den gesellschaftlichen und den menschlichen Realitäten in der Diözese befasst. Dies führte zur Aufteilung der Diözese in 74 Pastoralsektoren.

    Alle Erfahrungen in dieser Zeit wurden immer synodal ausgewertet und dies führte 1993 zur Feier der ersten Diözesansynode und zu einer zweiten Diözesansynode im Jahre 2003 mit den Themen: Sendung und Zusammenspiel von unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Diensten.

    Die örtlichen Gemeinden² (nach dem Beispiel der Basisgemeinden in Brasilien)

    Bald nach dem Ende der ersten Synode kam 1994 der neue Bischof, Albert Rouet. Für ihn war beim Aufbau der örtlichen Gemeinden eine Frage wichtig, zu der er immer wieder Priesterrat und diözesanen Pastoralrat konsultierte: Wie kann man Verständnis und Bewusstsein für die Priorität der Sendung schaffen, zu der ja das ganze Volk Gottes gerufen ist? Er wollte so etwas wie einen apostolischen Elan ankurbeln, gegründet in der Gnade, den Charismen und Fähigkeiten der Getauften. Die Mehrheit der Räte konnte ihm in diesem Denken folgen.

    Hierbei ging es aber nicht um die Neustrukturierung eines Gebietes, vielmehr geht es um ein Suchen, ein Wahrnehmen der Sendung am jeweiligen Ort, mit den Menschen, die dort leben. Ein wesentlicher Aspekt der örtlichen Gemeinden ist daher die „proximité" (Nähe) – nahe bei den Menschen sein. Den Menschen am jeweiligen Ort zu begegnen, ihnen zuzuhören, in ihnen den Wunsch nach örtlichen Gemeinden zu wecken, so wie sie sie brauchen, das war die Arbeit vieler Verantwortlicher in der Diözese. Oder anders ausgedrückt: Es ging darum, dass Menschen sich ihrer eigenen Taufe neu bewusst werden und entdecken, wie Taufe, wie die Taufwürde konkret gelebt werden kann.

    Vor der Errichtung einer örtlichen Gemeinde gibt es eine Vielzahl von Abenden, die Schulung und Austausch dienen, und immer geht es darum, das Verständnis für die christlichen Initiationssakramente zu vertiefen, besonders für die Taufe, durch die wir zu Christen werden und die uns dazu ruft, die uns von Gott geschenkte Teilhabe am Priester-, König- und Prophetentum Christi zu leben.

    Das geografische Gebiet einer örtlichen Gemeinde definiert sich durch die Christen vor Ort: Um eine Kirche herum kann eine örtliche Gemeinde entstehen, es kann aber auch nur eine örtliche Gemeinde um mehrere „Kirchtürme" herum entstehen. Wichtig ist immer, den Beziehungsraum der Nähe zu respektieren, Beziehungen, die bereits existieren, oder solche, die man aufbauen möchte – auf Augenhöhe, in Reichweite.

    In einem solchen klar definierten Gebiet können dann auch die Menschen eine Sendung wahrnehmen, die dies in einem komplexeren Gebilde nicht könnten.

    Die Basisequipe in einer örtlichen Gemeinde

    Eine Basisequipe besteht immer aus fünf Personen, die auf der Grundlage ihrer Taufe (Priester – König – Prophet) und entsprechend ihren Charismen gerufen werden:

    – Pastoralbeauftragter – hält die Equipe lebendig, dient ihr und ist Bindeglied zwischen der örtlichen Gemeinde und den zivilen Behörden und kirchlichen Instanzen, besonders dem Pastoralsektor

    – Beauftragter für materielle Belange

    – Beauftragter für das Gebet

    – Beauftragter für die Glaubensverkündigung

    – Beauftragter für den Dienst der Nähe und der Nächstenliebe Jede Person wird in ein Mandat über drei Jahre gerufen, das einmal für weitere 3 Jahre erneuert werden kann.

    In einer Eucharistiefeier, der der Bischof vorsteht, wird die neu entstandene örtliche Gemeinde der Versammlung und dem Bischof vorgestellt, der sie dann dem Priester des Pastoralsektors anvertraut. Dieser stellt dann die Mitglieder der Basisequipe dieser örtlichen Gemeinde vor.

    Was daran neu ist, könnte man so beschreiben: Wir befinden uns nicht mehr in einer Situation, in der die Laien dem „Herrn Pfarrer" helfen, sondern auf der Grundlage ihrer Taufe dienen sie dem Leben der Menschen in der örtlichen Gemeinde. Sie versuchen Antwort zu geben auf ihre Erwartungen, ihre Bitten. Jedes Mitglied der Basisequipe wird so für den örtlichen Beziehungsraum ein Gesicht von Kirche.

    Eine wesentliche Aufgabe der Basisequipe ist es daher, herauszufinden, was die jeweilige örtliche Gemeinde braucht, und dann, mit den anderen Gemeinden des Pastoralsektors und dem Pastoralrat in einem Prozess geistlicher Unterscheidung zu sehen, was umgesetzt werden sollte, oder auch nicht. Denn: Keine örtliche Gemeinde genügt sich selbst, sie ist eine Gemeinschaft von Gemeinschaften im Herzen eines Pastoralsektors.

    Den Aufgabenbereich in einer örtlichen Gemeinde könnte man in etwa so umreißen:

    – die Einsamen und Alleinstehenden besuchen

    – den Kranken die Kommunion bringen

    – Gebetszeiten initiieren, z. B. im Advent oder der Fastenzeit

    – über die Projekte des Pastoralsektors informieren und sie mit den örtlichen Gemeinden verbinden

    – alle möglichen Wünsche und Bitten entgegennehmen und Informationen aus dem Pastoralsektor weitergeben

    – Tauf- oder Ehevorbereitung usw.

    – die Sonntagsliturgie vorbereiten, sei es eine Eucharistiefeier oder ein Wortgottesdienst. Dazu gehört auch, weiträumig zu informieren und Transportmöglichkeiten zu organisieren für diejenigen, die an Gottesdienstfeiern teilnehmen möchten

    – Trauernde begleiten, Begräbnisfeiern vorbereiten, sei es mit oder ohne die Anwesenheit eines Priesters. Sehr oft wird in den örtlichen Gemeinden die Beerdigung von jemandem aus der Gemeinde selbst geleitet.

    Für die Sakramentenvorbereitung – Taufe, Ehe –, aber auch für andere Formen von Katechese oder z. B. auch für die Jugendpastoral sind die örtlichen Gemeinden so etwas wie ein Verbindungsglied im Nahraum. Es gilt jedoch das Prinzip der Subsidiarität, sie müssen und können nicht alles vor Ort selber organisieren, dafür ist dann auch noch der Pastoralsektor als pastorale Basiseinheit da.

    Nach 17 Jahren …

    Einige wesentliche Aspekte möchte ich hier benennen:

    Die örtlichen Gemeinden sind Wege zum Glauben. Die Beziehungen, die dort geknüpft werden – besonders mit den Schwächsten –, machen die Kirche nahbar, liebenswert. Sie sind auch ein Ort, wo Geschwisterlichkeit eingeübt werden kann. Man wählt sich ja die Mitglieder seiner Equipe nicht aus, man empfängt den anderen als einen Bruder, eine Schwester, die es zu lieben gilt. Dies ist aber zunächst einmal nicht immer naturgegeben.

    Bei ihren regelmäßigen Treffen sammeln sich die örtlichen Equipen um das Wort Gottes. Das Evangelium wird in die Mitte des Lebens der Gemeinde gestellt, wie ein Licht für den Weg.

    Männer, Frauen aus allen Milieus und Lebensbereichen sind ein Gesicht von Kirche. Sie lassen das Evangelium lebendig werden, selbst an den unwahrscheinlichsten Orten. Durch sie sind wir überzeugt, dass das Evangelium Nahrung für das Leben auch der Menschen ist, die wir nie in der Kirche antreffen. Sendung, das heißt, wir werden herausgefordert und befähigt, Mittel und Wege zu finden, wie alle Menschen aus dem Evangelium Jesu Christi leben können.

    Der Motor dafür heißt Vertrauen. Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der christlichen Initiationssakramente, die den Getauften und Gefirmten die Fähigkeit verleihen, das Evangelium zu bezeugen. Vertrauen in die Christen, dass sie das kirchliche Leben neu beleben und ihre Talente in den Dienst der Gemeinschaft stellen können.

    Aber dieses Vertrauen zu leben, das kostet auch etwas, im Blick auf die Zeit und die Personen. Es kostet Zeit und Hingabe, diejenigen, die gerufen sind, zu begleiten, sie zu unterstützen, ihnen Wege vorzuschlagen, wie sie ihren Glauben vertiefen können, sie zu unterstützen in ihren Schwierigkeiten und Enttäuschungen – und auch sie zu begleiten, um ihren Weg des Glaubens immer wieder neu anzuschauen, zu überprüfen und zu deuten (Relecture).

    Eine örtliche Gemeinde ist nur in Gemeinschaft mit den anderen und mit den Weiheämtern wirklich christliche Gemeinde. Diese müssen dort sehr präsent sein und die Gemeinde immer wieder daran erinnern, dass sie sich nicht selber Quelle sind, sondern aus der Gnade Gottes leben, besonders in den Sakramenten.

    Nähe leben: dieses Leben eines Beziehungsgeflechts, das die Diözese den örtlichen Gemeinden anempfiehlt, ist auch ein Imperativ für die Diözese selbst. Es braucht eine Bewegung „hin zu …, um der „Welt zu begegnen und sie zu verstehen. Durch die Beziehungsräume der Nähe in den örtlichen Gemeinden lebt die Kirche ihre Sendung inmitten der menschlichen Gesellschaft als „Salz der Erde".

    Synodalität leben: das heißt, dass wir alle gemeinsam (Bischof, Priester, Diakone, Ordensleute, Laien mit einem kirchlichen Sendungsauftrag) lernen, geschwisterlich zu leben, gemeinsam mit dem Volk Gottes hin zu seinem Reich.

    Nähe, Mut, Vertrauen, Geschwisterlichkeit, Hoffnung – diese Wörter sind die kleinen Leuchtpunkte auf unserem Weg und so etwas wie Schlüsselwörter in meiner Aufgabe der Begleitung der örtlichen Gemeinden. Einige der gestern genannten Aspekte möchte ich hier noch einmal vertiefen.

    Verstehen, unterscheiden und antworten

    Sehr bald ging es in den örtlichen Gemeinden nicht mehr nur um Fragen der Organisation, es kamen immer häufiger Anfragen nach Vertiefung. So besuchte ich die örtlichen Gemeinden, habe mich mit den Basisequipen getroffen. Wichtig war mir im Vorfeld immer, den verantwortlichen Priester zu informieren, aber oft war es auch so, dass der Priester selber mich gebeten hatte zu kommen. Zuhören, das war und ist, was meine Aufgabe wesentlich charakterisiert. Man könnte sagen, dass Anerkennung und Sendung einer Equipe auf der Grundlage des Vertrauens den Christen die Freiheit schenkt und sie befähigt, von dem zu sprechen, was sie bewegt.

    Um meine Rolle in der Begleitung der örtlichen Gemeinden noch genauer zu beschreiben, ist es auch wichtig, klar zu sehen, dass ich nicht als Verantwortliche komme, die zur Hierarchie gehört.

    Oft ist es so, dass ich einen Raum öffnen kann, in dem Probleme benannt und Antworten gefunden werden können. Es kann aber auch so sein, dass ich die geeigneten diözesanen Dienste ins Spiel bringe.

    Durch dieses Leben von Beziehungen im Nahraum durfte ich Menschen entdecken, die aus einem tiefen, lebendigen Glauben heraus leben, die aber vorher nicht gewohnt waren, ihren Glauben ins Wort zu bringen und sich über ihn auszutauschen. Sie waren für meine Begleitung sehr dankbar.

    Nach und nach ist dank dieser Menschen das christliche Leben in den Gemeinden wieder lebendiger geworden. An den Orten, wo sie leben, sind sie zu Akteuren geworden und sagen: „Wir haben das Recht, unser Christsein da zu leben, wo wir auch wohnen." ohne das swir dafür immer irgendwo hinfahren müssen (in ein Zentrum oder in die Stadt, wo der Priester ist).

    Keine örtliche Gemeinde ohne Priester

    Im Allgemeinen besucht im Kontext der Begleitung der örtlichen Gemeinden der Priester des Pastoralsektors regelmäßig die Gemeinden. Er ist eingeladen, sich regelmäßig mit jeder örtlichen Basisequipe zu treffen und so den Glauben und den apostolischen Elan der engagierten Christen zu stärken.

    Seine Gegenwart verdeutlicht die Gemeinschaft aller Gemeinden miteinander, aller Christen, die im gleichen Sektor leben, in dem er seinen Dienst tut.

    Der Priester verbindet die einzelne örtliche Gemeinde mit allen anderen Gemeinden im Sektor. Er erinnert auch an die gemeinsamen Ziele im Blick auf die Sendung im gesamten Pastoralsektor. Keine örtliche Gemeinde darf sich selber genügen oder sich in sich abschließen.

    Der Priester ermutigt und hilft den Christen zu beten, das Wort Gottes zu lesen und miteinander zu teilen, die Augen offen zu halten für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Situationen in der Gemeinde: einsame Menschen, alte Menschen, die in Altenheimen leben, Einrichtungen für Behinderte, Gewalttätigkeit in Familien oder Trauerfälle. Er unterstützt – ohne dass er immer vor Ort wäre oder alles selber machen würde – die Christen in ihrem Glaubensleben.

    Menschen kommen vor Strukturen

    Eine lebendige örtliche Gemeinde erkennt man daran, dass sie es versteht, eine möglichst große Zahl von Menschen zu rufen, ihnen zu signalisieren: Das, was du bist, was du kannst, genau das braucht unsere Gemeinde. Komm! Es gibt keinen „fruchtlosen" Christen. Niemand ist überflüssig. Jeder getaufte Christ ist dazu aufgerufen, seine Taufwürde zu erkennen und anzuerkennen; die verschiedenen Dienste in der Kirche geben ihm hierzu die Möglichkeit. Der Heilige Geist, der uns in der Firmung geschenkt ist, befähigt alle, auf den Ruf des Herrn zu antworten, das Vertrauen, das Gott uns schenkt, lädt uns ein, einander zu vertrauen.

    Die örtlichen Gemeinden öffnen einen Weg des Glaubens für die, die sich darauf einlassen. In einer Basisequipe lernt man – wenn auch manchmal mühsam – sich auszutauschen, einander zuzuhören, den Standpunkt der anderen in Betracht zu ziehen. Bei den gemeinsamen Initiativen geht es um konkret gelebte Solidarität. Jede Basisequipe ist so etwas wie ein Laboratorium der Geschwisterlichkeit, um so sichtbares Zeichen für die ganze örtliche Gemeinde zu sein, dass Geschwisterlichkeit möglich ist und alle dazu eingeladen sind.

    Ein alter Mann, ungefähr 80 Jahre alt, war der erste Pastoralbeauftragte seiner Gemeinde für einen Zeitraum von sechs Jahren und er sagt: „ Ich habe mich immer engagiert, im Beruf, in der Zivilgemeinde … das ist auch in der örtlichen Gemeinde so weitergegangen, aber erst jetzt, wo ich alt bin, entdecke ich, dass all mein Engagement seine Wurzel in der Taufe hat." Und er fügt hinzu : „Was für ein Glück habe ich doch, dass ich diese Kirche kennenlernen durfte!" Jetzt ist er nicht mehr nur ein alter Mann, sondern ein glücklicher Christ. Lernen wir durch die örtlichen Gemeinden nicht auch die Kirche zu lieben?

    Die Sendung stärken

    Jährliche Treffen der Priester und der Pastoralbeauftragten jeder örtlichen Gemeinde in der Diözese mit dem Bischof und den Bischofsvikaren sind – geschwisterlich, spirituell und kirchlich – Grundlage für die örtlichen Gemeinden. Durch diese Treffen hat sich ein Bewusstsein gebildet, dass nämlich alle zusammen – Dienstamt und Diener des Evangeliums – an der gleichen Sendung teilhaben.

    Formation – Ausbildung, Weiterbildung, Schulung

    Der Aspekt der proximité, der Nähe, ist ein absolutes Muss für alle Christen in der Diözese, welche Verantwortung sie auch immer haben mögen. Neben dem Centre Théologique haben sich nach und nach auch neue, dezentrale Modelle herausgebildet, die so etwas sind wie ein „spiritueller Zwischenstopp". Es gibt Angebote in verschiedenen Klöstern und auch Angebote des diözesanen Dienstes für Spiritualität. Es gibt Schulungen für Glaubensverkündigung, für Trauerbegleitung, Lektorenausbildung, liturgische Ausbildung – dieses sind aber eher Angebote des Centre Théologique.

    Zeiten der Relecture und Aufgabe der Unterstützungsequipen

    Mit den ersten Erneuerungen der Basisequipen wurde auch deutlich, wie wichtig es ist, den Weg anzuschauen und zu deuten, den eine Equipe gemeinsam gegangen ist.

    Tatsächlich ist es oft so, dass die erste Reaktion von Personen, deren Mandat zu Ende geht, die ist, dass sie nach Nachfolgern suchen. Das Risiko ist hoch, dass es nur ein Rufen in eine bestimmte Aufgabe ist, die getan werden muss, und man übersieht, dass es in erster Linie um einen spirituellen Schritt im Herzen der örtlichen Gemeinde geht. Deshalb ist es zur Norm geworden, dass es vor jeder Erneuerung einer Basisequipe eine Zeit der Relecture gibt.

    Die Relecture wird geleitet von einer Person „von außen, die nicht zur Basisequipe gehört. Es werden einige Arbeitsblätter vorbereitet, sie sind in dem Handbuch zu finden, das jeder örtlichen Gemeinde übergeben wird. Bei der Relecture geht es darum, die Früchte des Lebens der Gemeinde zu entdecken und zu ernten. Wir könnten diese Zeit auch als „Überprüfung des Lebens im Licht des Wortes Gottes bezeichnen, wo jedes Mitglied der Basisequipe mit den anderen teilt, was sich in ihm/ihr ereignet hat – Entdeckungen, Freude, Schwierigkeiten und den Ruf, den er/sie wahrnimmt. Was für ein Christ bin ich geworden? Das ist immer ein großer Augenblick der Gnade. Für manche Menschen mag es zunächst schwierig sein, den anderen Mitgliedern der Basisequipe vom eigenen Glaubensweg, den Zweifeln und Freuden zu erzählen. Die Aufgabe des Leiters ist es hier, zu ermöglichen, dass jede und jeder sprechen kann.

    Diese Zeit des Austauschs stärkt den Zusammenhalt der Gemeinde und ermöglicht, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken. Es entsteht der ernsthafte Wille, den Menschen, die wenig in der Kirche engagiert zu sein scheinen, aber trotzdem großes Interesse zeigen, auch die Möglichkeit zu geben, diese Glaubenserfahrung zu machen. Deshalb haben wir auch den starken Willen, an der „Kultur des Rufens in den örtlichen Gemeinden" zu arbeiten.

    Anwesend bei der Relecture ist auch fast immer der Priester der örtlichen Gemeinde und oft ist er es, der am meisten über die Kraft der Glaubenszeugnisse staunt.

    Einige Aspekte der Erneuerung der Equipen sind hier noch zu erwähnen:

    Im Blick auf die immer größer werdende Zahl der örtlichen Gemeinden haben wir den Mitgliedern der ersten Equipen signalisiert, dass sie – jetzt, wo sie ihre Aufgabe erfüllt haben – nun ihrerseits die örtlichen Gemeinden in ihrer Nähe unterstützen könnten. Die Verfügbarkeit und die Großzügigkeit dieser Menschen sind bemerkenswert. In jedem der 14 Territorien der Diözese wenden sich Menschen aus den örtlichen Basisequipen an diese Unterstützungsequipen. Sie sind wie große Brüder und Schwestern – Wegbegleiter aus einer guten Distanz heraus, aber doch auf Augenhöhe mit den Engagierten in den Gemeinden. Alle tun dies ohne Bezahlung, sie übernehmen diese Aufgabe auf der Grundlage ihrer Taufe und nicht auf der Grundlage eines besonderen Dienstes.

    Besonders werden sie gerufen für Zeiten der Relecture. Sie tragen zusammen, sie ermutigen, sie teilen ihre Erfahrungen, sie erinnern an die Grundlagen und berichten,

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