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Die sexuellen Neurosen unserer Eltern: Das Buch zum Film »Dora" von Stina Werenfels
Die sexuellen Neurosen unserer Eltern: Das Buch zum Film »Dora" von Stina Werenfels
Die sexuellen Neurosen unserer Eltern: Das Buch zum Film »Dora" von Stina Werenfels
eBook73 Seiten47 Minuten

Die sexuellen Neurosen unserer Eltern: Das Buch zum Film »Dora" von Stina Werenfels

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Über dieses E-Book

»Mit »Die sexuellen Neurosen unserer Eltern" stürmt Lukas Bärfuss die deutschen Bühnen", schrieb »Die Welt"; und das Schweizer Radio feierte das Stück als »Sternstunde des Theaters". In der Tat: Bis heute gibt es zehn Inszenierungen in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie Übersetzungen in 12 europäische Sprachen für Bühnen von Island bis Griechenland. Der Autor, der seit 1998 Theaterstücke schreibt und mit der freien Gruppe »400asa", die sich in der Tradition der dänischen Dogma-Filmemacher sieht, für Furore sorgte, nahm das gelassen und bekannte, ihn interessiere das Theater gerade »als eine besonders unvollkommene Kunst. Alles knirscht. Ich selber knirsche, die Schauspieler knirschen, sogar die alten Sessel." In gewissem Sinne ist in »Die sexuellen Neurosen ..." die geistig zurückgebliebene Dora solch ein Sand im Getriebe der guten, der liberalen Gesellschaft - nicht, solange sie die Rolle der nur Bemitleidenswerten ausfüllt, aber sofort, wenn sie eigene Ansprüche stellt und nicht länger als Projektionsfläche allen Toleranzgeschwafels dient.
SpracheDeutsch
HerausgeberWallstein Verlag
Erscheinungsdatum11. Feb. 2015
ISBN9783835327788
Die sexuellen Neurosen unserer Eltern: Das Buch zum Film »Dora" von Stina Werenfels

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    Buchvorschau

    Die sexuellen Neurosen unserer Eltern - Lukas Bärfuss

    Dora

    Doras Mutter

    Doras Vater

    Doras Chef

    Doras Arzt

    eine Frau, das ist die Mutter des Chefs

    der feine Herr

    Ein Gemüsestand

    eine bürgerliche Wohnung

    eine Arztpraxis

    ein Hotelzimmer

    eine Bahnhofshalle

    ein Campingplatz

    Mitarbeit: Barbara Frey, Judith Gerstenberg

    1. ARZTPRAXIS.

    AN EINEM FAHLEN NACHMITTAG.

    Die Mutter. Der Arzt. Dora.

    MUTTER Tagsüber war Dora apathisch, und mitten in der Nacht hat sie dann manchmal geschrieen in einem hohen Ferkelton. Einmal hatte sie sich eingeschlossen und die Zimmertür verriegelt. Es war nicht auszuhalten. Und als die Feuerwehr kam und einstieg über den Balkon mit einer Leiter, da wurde sie auf der Stelle still und meinte, ich solle Kaffee kochen für die Männer. Es sei kalt draußen und schließlich immer noch Nacht.

    ARZT Ich habe die Geschichte gehört.

    Die Gegend ist nachsichtig dank ihrem Humor.

    MUTTER Wir haben alles versucht, jeden Wirkstoff, jede Kombination, wir gaben nicht auf, bis wir das Richtige hatten. So wurde sie stiller und stiller: mit meiner Liebe und der Beharrlichkeit und Ausdauer des Arztes.

    ARZT Schön, daß es Dora bessergeht.

    MUTTER Ich weiß nicht, ob es ihr bessergeht. Ja, sie schreit nicht mehr, aber sie lacht auch kaum, weint nie, ißt, was man ihr vorsetzt. Seit zwei Jahren hat sie kein rechtes Gespräch geführt, nur Phrasen wiederholt sie, Aufgeschnapptes. Hin und wieder summt sie ein Lied, von dem keiner weiß, wo sie es herhat. Verstehen Sie mich nicht falsch. Undankbar bin ich nicht. Aber manchmal wünsche ich die Tobsuchtsanfälle zurück. Doras Lachen, das lauter war als das Lachen meines Mannes, und tiefer. Man glaubte, in meinem Mädchen hocke ein Seemann oder ein Schlachter.

    ARZT Haben Sie darüber mit meinem Vorgänger gesprochen.

    MUTTER Ich traute mich nicht. Er hat sich unendlich Mühe gemacht mit ihr. Dora war seine Passion, er hat alles versucht. Schrieb über sie. Kam zu uns nach Hause, wenn’s nötig war, auch an Sonntagen und nachts. Nie habe er ein Mädchen getroffen, das sei wie sie. Auf den ersten Blick wie jedes andere Kind. Ein Haarbreit nur neben unserer Welt, und von ihr doch unüberwindlich getrennt. Der Mann liebte meine Tochter. Mehr als mir gehörte sie ihm. Jetzt ist der gute Mann tot. Ich möchte meine Tochter zurück.

    ARZT Ich verstehe nicht.

    MUTTER Ich will, daß Sie die Medikamente absetzen.

    ARZT Haben Sie sich das gut überlegt.

    MUTTER Wenn’s schiefgehen sollte, bleibt uns diese Kombination. Damit ist sie eingestellt. Darauf können wir immer zurück.

    ARZT Ihre Tochter ist auf die Medikamente angewiesen.

    MUTTER Zum letzten Mal hatte ich meine Tochter, als sie ein Kind war. Jetzt ist sie beinahe erwachsen. Ich sah, wie sich ihr Körper veränderte. Ich möchte sehen, wie verändert ihr Inneres ist. Was unter dem ewig gleichen Gesicht liegt.

    ARZT Wenn ich mir die Krankengeschichte ansehe.

    MUTTER Sie brauchen mir das nicht vorzulesen. Ich kenne die Geschichte gut. Ich kenne sie ausgezeichnet. Ich möchte einen Schritt wagen. Ich habe Zeit. Mein Mann arbeitet viel, und andere Verpflichtungen als Dora habe ich keine. Mit Ihnen will ich’s versuchen. Oder mit einem anderen Arzt.

    ARZT Kann Dora mich verstehen.

    MUTTER Natürlich.

    ARZT Guten Tag, Dora.

    DORA Hallo.

    ARZT Wie fühlst du dich.

    DORA zeigt dem Arzt die Zunge.

    MUTTER Ist gut, Dora.

    Nimm die Zunge rein.

    Er wird dich nicht untersuchen.

    ARZT Was meinst du zur Idee deiner Mutter.

    DORA Weiß nicht.

    ARZT Sie möchte deine Medikamente absetzen.

    DORA Ooch.

    ARZT Gefällt dir das nicht.

    DORA Weiß nicht.

    ARZT Hast du Angst davor.

    DORA Weiß nicht.

    ARZT Du hast dich daran gewöhnt.

    DORA Weiß nicht.

    ARZT Verstehst du überhaupt, was Medikamente sind.

    DORA Weiß nicht.

    MUTTER Natürlich weißt du es, Dora.

    DORA Ah ja, klar weiß ich es.

    ARZT Also.

    DORA Wir sollten zuerst Papa fragen.

    MUTTER Ich hab’s mit ihm besprochen.

    ARZT Und was meint er.

    DORA Ja, was meint er.

    MUTTER Er ist einverstanden.

    DORA Nun, dann los, auf was warten wir.

    2. AN EINEM GEMÜSESTAND AM BAHNHOF. MAN HÖRT VON FERN DIE ZÜGE. ES GEHT SCHON GEGEN ABEND.

    Der

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