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Gerfried Göschl: Spuren für die Ewigkeit
Gerfried Göschl: Spuren für die Ewigkeit
Gerfried Göschl: Spuren für die Ewigkeit
eBook435 Seiten3 Stunden

Gerfried Göschl: Spuren für die Ewigkeit

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Über dieses E-Book

Für den österreichischen Alpinismus bedeutete die Jahreswende 2011/2012 sowohl einen Hoch- als auch einen Tiefpunkt. Hochpunkt war Ende August 2011, als die Öberösterreicherin Gerlinde Kaltenbrunner als erste Frau, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffgerät bestieg. Tiefpunkt war Anfang März 2012, als der Steirer Gerfried Göschl bei dem Versuch, als erster Mensch einen Achttausender im Winter über eine neue Route zu besteigen und zu überschreiten, starb.
Gerfried Göschl war eine Ausnahmeerscheinung im Höhenbergsteigen - und zwar nicht allein aufgrund seiner Leistungen, sondern vor allem wegen seiner Persönlichkeit und Kreativität. Von Beginn seiner Laufbahn als Bergsteiger trug er den persönlichen Nutzen und Wert des Bergsteigens nach außen und gab ihn weiter: Kindern vermittelte der ausgebildete Pädagoge über das Bergsteigen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Als Expeditionsorganisator schaffte er es, in dem häufig von Egozentrikern und Einzelkämpfern dominierten Feld des Spitzenalpinismus schlagkräftige Teams zu formieren, in denen jeder entsprechend seiner Stärken optimal wirken konnte. Damit lieferte er ein Beispiel für wahrhaftige Führungsarbeit, dessen Vorbildwirkung weit über das Bergsteigen hinaus reicht.
In den zehn Jahren seiner Laufbahn als Höhenbergsteiger bestieg Gerfried Göschl sieben Achttausender ohne Sauerstoffgerät - darunter als fünfter Österreicher und erster Steirer den Mount Everest (8848 m), den höchsten Berg der Welt. Unter seiner Expeditionsleitung konnten sich fast 40 Bergsteiger den Traum von einem der welthöchsten Gipfel erfüllen. Höhepunkt war 2009 die Erstbegehung des landschaftlich großartigen Nordwestsporns am gefürchteten Nanga Parbat (8125 m). Gerfried Göschls zu früher Tod beim Versuch der ersten Winterüberschreitung des Hidden Peak (8080 m) im Karakorum bedeutete den Verlust eines Alpinisten mit zahllosen Ideen - und dem Potential, das österreichische Höhenbergsteigen in eine neue Zukunft zu führen.
SpracheDeutsch
HerausgeberEgoth Verlag
Erscheinungsdatum31. Okt. 2014
ISBN9783902480972
Gerfried Göschl: Spuren für die Ewigkeit

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    Buchvorschau

    Gerfried Göschl - Jochen Hemmleb

    GERFRIED

    GÖSCHL

    Impressum:

    1. Auflage

    Copyright © 2014

    egoth Verlag GmbH

    Untere Weissgerberstraße 63/12

    1030 Wien

    Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten.

    ISBN: 978-3-902480-90-3

    Lektorat: Katharina Martl

    Fotos:

    Sepp Bachmair: 133, 137 (o., u.)

    Karl Fanta: 64 (o.), 106 (o.)

    Hans Goger: 80/81, 84, 85 (o.), 86 (o., m., u.), 96 (u.), 132, 135, 138 (o.), 139 (o.), 141 (o.), 144, 145 (u.), 153 (u.)

    Cedric Hählen: 235, 237, 239 (m., u.), 243, 244 (o., u.), 245 (o., m., u.), 246, 247 (o., u.), 248, 249 (o., m., u.), 250 (o., m., u.), 255 (o., u.)

    Jochen Hemmleb: 28/29, 54 (u.), 55 (o., m.), 64/65, 66/67, 79, 159, 213, 239 (o.)

    Alfred Klafl: 23

    Wolfgang Kölblinger: 134 (u.)

    Manfred Lubensky: 24

    Ali Muhammad: 260/261, 266/267, 270/271

    Louis Rousseau: 113 (u.), 116/117, 122, 127 (u.), 139 (m., u.), 140, 141 (m., u.), 142/143, 145 (o., m.o., m.u.), 146 (u.), 148 (o., m.), 150/151m 152, 153 (o.), 154, 155 (o., u.), 160 (m.,u.), 163, 164/165, 166 (o., m.), 167 (u.), 189 (o., m.), 190/191, 192 (o.), 194, 195 (o.), 204/205, 206 (o., u.), 217 (o., u.), 220, 221 (o.), 222, 223 (o.), 230/231

    Elmar Steiner: 26 (o., m.)

    Günther Straub: 12 (o.), 50, 110/111, 114 (m., u.)

    Günther Unterberger: 74 (o.), 115 (u.), 119 (o.), 120/121, 124/125, 134 (o.), 136 (o., u.), 137 (m.), 218, 219 (o.), 226 (o.)

    Kilian Volken: 104, 106/107, 119 (m.), 123 (u.), 126, 241 (o., m., u.)

    Hans Wenzl: 227 (u.)

    Gerfried Göschl / Servus TV: 251 (o., m., u.), 252 (o., m., u.)

    Stefan Zechmann: 214, 215 (o., m., u.), 216, 221 (u.), 227 (o.)

    Alle übrigen Fotos stammen von Gerfried Göschl, Heike Göschl-Grünwald, Käthe, Rainer und Wolfgang Göschl.

    Coverfotos: Louis Rousseau & Karl Fanta (Portrait)

    Grafische Gestaltung und Satz:

    Clemens Toscani – studio.toscani.at

    Printed in the EU

    Gesamtherstellung:

    egoth Verlag GmbH

    Mit freundlicher Unterstützung von KWIZDA

    Sollte trotz intensivem Bemühens ein Rechteinhaber von Abbildungen nicht oder falsch aufgeführt worden sein, danken wir für entsprechende Hinweise an den Verlag. Allfällige Ansprüche werden gerne nachträglich abgegolten.

    JOCHEN HEMMLEB

    GERFRIED

    GÖSCHL

    SPUREN

    FÜR DIE EWIGKEIT

    INHALTSVERZEICHNIS

    VORWORT
    ERÖFFNUNG
    VOM GESÄUSE INS KARAKORUM
    POSITIONSSPIEL
    SHISHA PANGMA & MOUNT EVEREST
    MEISTERPARTIE
    KÖNIGSWEG AM NANGA PARBAT
    PATT
    SCHEITERN UND VORBEREITUN AM HIDDEN PEAK
    ENDSPIEL
    DER LETZTE WEG

    Vorwort von Hanns Schell

    Mai 1979: Mit Gerfried Göschls Vater Rainer steige ich vom Lhotse ab, nachdem wir wegen eines Wettersturzes auf 8300 m umkehren mussten. Rainer ist unruhig, weiß er doch, dass seine Frau Käthe ein Kind erwartet. Zur damaligen Zeit kamen Nachrichten oft einige Wochen verspätet per Postläufer zum Empfänger.

    Mit Hilfe von Jugoslawen, die zur gleichen Zeit am Everest unterwegs waren, bauten wir eine damals schier unglaubliche Kommunikationskette auf: Die jugoslawischen Bergkameraden hatten bereits eine so starke Funkverbindung, dass sie Landsleute auf einem im Roten Meer ankernden Schiff erreichen konnten, die unsere Anfrage nach Neuigkeiten von Familie Göschl an ihr Außenministerium in Laibach weiterleiteten. Über die österreichische Botschaft kam eine Verbindung zu Käthe zustande – und so erfuhr Rainer binnen weniger Tage, dass ihm ein dritter Sohn geboren worden war.

    Ich war mit Familie Göschl schon seit langer Zeit befreundet und erlebte so natürlich auch das Heranwachsen des Zweitgeborenen. Gerfried ließ schon sehr früh außergewöhnliche Fähigkeiten erkennen. Vor allem zeigte er bereits in jungen Jahren großes organisatorisches Talent und analytisches Denken. Nicht umsonst war er ein begehrter Schachpartner und Steirischer Jugendmeister.

    Zum Höhenbergsteigen kam er erst als Student. Zunächst mit seinem Vater und seinem älteren Bruder Wolfgang. Gemeinsam standen die Brüder auf dem Cho Oyu und dem Gasherbrum II. Gerfried aber wollte noch mehr! Nachdem er 2005 erfolgreich eine Gruppe auf den Shisha Pangma geführt hatte, fuhr er alleine zum Mount Everest und bestieg diesen ohne künstlichen Sauerstoff. Es war eine Grenzerfahrung, bei der er nur durch seine außerordentliche Kraft, Erfahrung und Leidensfähigkeit den Rückweg schaffte. Später bestieg er Broad Peak und Gasherbrum I, versuchte sich mehrfach am K2 und beging mit einer leistungsstarken kleinen Mannschaft im Alpinstil eine neue Route am Nanga Parbat.

    Obwohl wir nie zusammen eine größere Bergtour unternahmen, nannte Gerfried mich immer seinen alpinen Ziehvater – für mich sehr schmeichelhaft, da ich nie auch nur annähernd an seine Leistungsfähigkeit herankam. Unsere Verbundenheit stützte sich wesentlich auf unsere gemeinsame Vorliebe für alpine Geschichte. Er war der einzige mir bekannte junge Bergsteiger, der sich auf so unglaubliche Weise in der Besteigungsgeschichte von Karakorum und Himalaya auskannte. Für mich war Gerfried nicht nur deshalb eine Ausnahmeerscheinung: Er war zudem menschlich absolut integer. Seine Unternehmungen plante, organisierte und führte er selbständig durch. Auch war er bereit, etwas Neues zu probieren und schaute dabei nicht nur auf sich und seinen Erfolg, sondern war bemüht, so viele Teilnehmer wie möglich auf den Gipfel zu bringen – und das für relativ wenig Geld.

    Mit der Zeit erkannte Gerfried, dass er seine alpinen Träume im engen beruflichen Korsett als Erzieher und Lehrer nicht verwirklichen konnte. Er ließ sich karenzieren, wurde Profi und lebte nur mehr für seine beiden Leidenschaften: das Bergsteigen und seine Familie.

    So hatte er es sich in den Kopf gesetzt, als erster Mensch im Winter auf einem Achttausender im Karakorum zu stehen – wo die Stürme und die Kälte noch um vieles härter sind als im Himalaya. Sein Ziel wurde der Hidden Peak. Mit der gleichzeitigen Begehung einer Neuroute und der Überschreitung des Gipfels wollte er neue Maßstäbe im Höhenbergsteigen setzen.

    In der für ihn typischen Art hatte sich Gerfried gründlich auf das Projekt vorbereitet: Nach einem ersten gescheiterten Versuch im Winter 2010/2011 bestieg er den Berg im Sommer, erkundete dabei den Abstiegsweg für die Überschreitung und deponierte Zelte und Verpflegung. Als dann im Winter 2011/2012 einer kleinen internationalen Gruppe die erste Winterbesteigung eines Achttausenders im Karakorum gelang, konzentrierte sich Gerfried mit noch mehr Biss auf die Neuroute und Überschreitung. Nach erfolgreicher Bewältigung des neuen Wegs bis zum Anschluss an die Erstbesteigerroute über die Südostseite verschwanden Gerfried und seine beiden Begleiter, der Schweizer Cedric Hählen und Nisar Hussain aus Pakistan, wenige hundert Meter unter dem Gipfel im Höhensturm.

    Hatte ich 1979 die neuen technischen Möglichkeiten der Kommunikation als Segen empfunden, wurden sie nun zur ungeheuerlichen seelischen Belastung, fast zu einem Fluch. Seine Frau, seine Familie und wir als seine Freunde hofften Tag für Tag auf eine gute Nachricht von Gerfried, auf ein Wunder – obwohl der Verstand sagte, dass ein solches Wunder bei diesen furchtbaren Bedingungen nicht möglich sein konnte.

    Schließlich mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass ein außergewöhnlicher Mensch und Bergsteiger nicht mehr zurückkehren und uns mit seinem Lachen erfreuen würde. Ich bin überzeugt, Gerfried hätte noch einiges im Höhenbergsteigen bewegt, wäre er noch am Leben. Nachfolger in Österreich sind dünn gesät. Die Lücke, die er hinterlässt, ist groß.

    In seiner Frau und seinen beiden Töchtern, die seine Fröhlichkeit und Sportlichkeit von ihm geerbt haben, lebt er weiter.

    Gerfried, mein jugendlicher Freund und Seelenverwandter, du wirst mir unvergessen bleiben!

    Hanns

    Hanns Schell (*1938) ist neben dem Innsbrucker Wolfgang Nairz der bedeutendste österreichische Expeditionsleiter der 1970er und 1980er Jahre. Bei 13 Expeditionen zu 11 verschiedenen Achttausendern erreichte Schell viermal den Gipfel. Zu seinen herausragenden Leistungen zählen die Erstbegehung einer neuen Route am Nanga Parbat mit einer Kleinexpedition sowie die dritte Besteigung des Hidden Peak. Zudem ist Schell der Bergsteiger mit fünf und somit den meisten Erstbesteigungen von Siebentausendern.

    Schell war seit 1969 Gesellschafter des steirischen Eisenwaren- und Sanitärgroßhandels Odörfer und später Alleineigentümer des Bereichs Eisenwaren. Aus seiner privaten Sammelleidenschaft für Schlüssel, Schlösser, Kassetten und Eisenkunstgussobjekten entstand das mit 13.000 Exponaten weltweit größte Spezialmuseum zu diesem Thema, die „Hanns Schell Collection" in Graz (www.schell-collection.com). Mit seiner Frau Lieselotte lebt Hanns Schell in Mariatrost bei Graz.

    Alpiner Ziehsohn und - vater: Gerfried Göschl und Hanns Schell

    Die Autoren

    Jochen Hemmleb, geb. 1971, wurde vor allem durch seine historischen Spurensuchen im Himalaya und die sensationelle Entdeckung des 1924 verschollenen Everest-Pioniers George Mallory bekannt. Der Diplom-Geologe ist als Buch- und Drehbuchautor, Übersetzer und Fachberater im Bereich Alpinismus für verschiedene Verlage und Filmformate tätig. Sein Dokumentarfilm Der zerfallene Berg – Petit-Dru-Nordwand wurde auf dem Internationalen Berg- und Abenteuer-Filmfestival in Graz 2012 mit der Kamera Alpin in Gold ausgezeichnet. Jochen Hemmleb lebt mit seiner Familie in Lana, Südtirol.

    www.jochenhemmleb.com

    Heike Göschl-Grünwald, geb. 1978, wuchs im steirischen Wörschach auf.

    Die vielseitige Sportlerin (Tennis Landesliga, Schifahren, Laufen, Berg- und Schitouren) ist ausgebildete Volksschullehrerin mit zusätzlicher Qualifikation in Sonderpädagogik und Inklusion. Nach Abschluss des Lehramts 2002 begann sie als Lehrerin in einer sozialen Einrichtung in Admont zu arbeiten, wo sie im Herbst 2002 ihren späteren Ehemann Gerfried kennenlernte. Heike Göschl-Grünwald lebt mit ihren beiden Töchtern Hannah Katharina Sagarmatha (geb.2006) und Helena Agnes Chogori (geb.2010) in Liezen.

    Lieber Gerfried,

    Mit dem Tod endet alles, hört man häufig. Manchmal beginnt damit aber auch etwas Neues. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass du vom Achttausender Hidden Peak nicht mehr zurückgekommen bist. Nun, wie ich diese ersten Zeilen des Buches über dich schreibe, merke ich, dass es das ist, worüber wir oft gesprochen haben: unsere gemeinsame Expedition.

    Nur auf eine etwas andere Art.

    Es ist kein leichter Rucksack, den ich damit schultere. Aber das wäre an einem Berg nicht anders gewesen. Und wie dort vertraue ich auch jetzt auf deine Führungsqualitäten und weiß, dass du mir ein starkes Team zur Seite gestellt hast: deine Frau und Kinder, deine Eltern, Schwiegereltern und Brüder, deine Freunde, Bergkameraden und Arbeitskollegen. Sie alle werden mich auf dieser „Klettertour durch dein Leben" leiten und begleiten. Nur auf den letzten Seillängen, der Fertigstellung dieses Buchs, wirst du den Vorstieg an mich und Verleger Egon Theiner abtreten müssen – aber das hattest du ja bereits so geplant, wie ich in Gesprächen und bei der Durchsicht deiner Notizen feststellen durfte …

    Aus der Ferne höre ich deinen Ruf: „Nachkommen!"

    Langsam strafft sich das Seil.

    Ich steige ein.

    Jochen Hemmleb

    1. AKT

    ERÖFFNUNG

    VOM GESÄUSE INS KARAKORUM

    „Ich bin dem Ennstal so verbunden, ich möchte nirgends anders wohnen. Ich fahre zwar gerne fort – aber wenn ich dort bin, fahre ich so gerne heim."

    (Gerfried Göschl)

    Heimat: Das steirische Ennstal mit dem Gesäuse am Horizont.

    Jeder Weg, jede Tour hat irgendwo einen Anfang. Gerfrieds Lebensweg begann in Hall bei Admont in der nördlichen Obersteiermark.

    Es ist kein typisches Dorf. Verstreut liegen die Häuser inmitten weitläufiger Wiesen, beim Gang entlang der Straßen ist der Blick fast immer frei auf den Himmel und die umliegenden Berge. Was dem Ort an kleinräumiger Geschlossenheit fehlt, macht seine großräumige Lage wett: Geborgen in einer trogförmigen Ausbuchtung des Ennstals, kesselartig umschlossen von den kantigen Gipfeln der Haller Mauern im Norden und den zinnengekrönten Wänden des Gesäuses im Osten und Südosten ist es ein Platz, der wie ein Nest wirkt und an dem man sich gleichzeitig frei fühlt.

    Wo jemand Wurzeln haben kann, den es in die Ferne und hoch hinaus zieht.

    Wurzeln

    Über tausend Jahre ist es her, dass Hall als älteste Salzquelle der Steiermark erstmals urkundlich erwähnt wurde. Seitdem hinterlassen Menschen ihre Spuren in der Region – selbst wenn es manchmal nur ganz unscheinbare sind, wie jene Silbermünze, die ein unbekannter Wanderer oder Salzhändler einst verlor und die Gerfried Göschls Mutter Käthe eines Tages beim Umgraben im heimischen Garten fand. Das Prägejahr der Münze: 1672 – genau 300 Jahre vor Gerfrieds Geburt.

    Katharina „Käthe Göschl stammt aus Gstatterboden im Ennstal, östlich von Admont. Ihr Vater war Förster, ihre Mutter Bäuerin. Ihr Großvater väterlicherseits, ein Eisenbahner in Hieflau, hatte trotz eines nicht gerade üppigen Gehalts gemeinsam mit seiner Frau alles darangesetzt, ihren drei Söhnen in den Vorkriegsjahren eine gute Ausbildung zu ermöglichen – „ein für die damalige Zeit bemerkenswerter Weitblick, meint Käthe anerkennend. Neben der Försterlehre für Käthes Vater ermöglichten sie den anderen beiden eine Ausbildung an der HTL (Höhere Technische Lehranstalt) in Graz. Auch förderten sie die musikalischen und künstlerischen Talente der Söhne.

    So sei ihr Vater zum Beispiel zeichnerisch sehr begabt gewesen. Von ihrer Mutter, so Käthe, habe sie vor allem gelernt, „aus wenig viel zu machen". Bodenständigkeit, Vielseitigkeit, künstlerisches Talent, die Fähigkeit zum Selbermachen und zur Improvisation, Naturverbundenheit – all das lebt und vermittelt Käthe auf inspirierende Weise. Sie ist Keramikmalerin, kocht, backt und bestellt mit Hingabe den ausgedehnten heimischen Obst- und Gemüsegarten. Kaum etwas, das im Haushalt der Familie Göschl auf den Tisch kommt, ist ein Fertigprodukt. Das meiste ist selbst geerntet, eingemacht und zubereitet.

    Die Eltern von Vater Rainer Göschl (*1940) stammten aus Donnersbach und Gröbming, südwestlich von Liezen. Er selbst wurde in Frauenberg bei Ardning geboren. Während des Zweiten Weltkriegs war der Vater Stiftsjäger, musste diesen Posten dann aber wegen seiner politischen Vergangenheit aufgeben. So zog die Familie ins Ennstaler Oberland, nach Assach, und später wieder in den Raum Gröbming, wo die Geschwister der Mutter mehrere Bauernhöfe bewirtschafteten. Wie die anderen Familienmitglieder half auch Rainer als Kind bei der Arbeit auf dem Land, genoss aber eine größere Freiheit, die er zu stundenlangen Touren in den Wäldern und im Gebirge nutzte. „Da ich abends stets wieder zu Hause sein musste, gab es nur eine Möglichkeit, den Aktionsradius auszudehnen: durch Schnelligkeit." Nachdem Rainer bei einem Schulausflug auf den Stoderzinken bei Gröbming im Abstieg alle Klassenkameraden abgehängt hatte, prophezeite ihm die Lehrerin, er werde einmal Bergsteiger. Bereits mit 12 Jahren arbeitete er im Sommer als Hirte auf einer Alm in den Schladminger Tauern. Von der alten, weisen Sennerin habe er damals viel gelernt, erzählt Rainer – insbesondere Ordnung und Organisation. Die Arbeit bestand darin, Ställe auszumisten, zu melken, Vieh zu treiben und das auf den höheren Almen weidende Jungvieh zu betreuen – was bisweilen Zeit und Gelegenheit zu Abstechern auf den ein oder anderen Gipfel gab.

    Als Rainer 13 war, bezog die Familie ihr eigenes Haus in Liezen und er wechselte für die letzte Klasse auf die dortige Hauptschule. Es war keine leichte Zeit: Als „Neuankömmling" fand er nur schwer Anschluss, wozu auch eine schwache Legasthenie beitrug. So herrschte nach der Schule oft eine große Leere.

    Für Abhilfe und Erfüllung sorgte schließlich der lokale Alpenverein. Jugendführer Rudi Hönigmann aus Graz setzte Vertrauen in seine Schützlinge und führte sie mit der Zeit an immer schwierigere Bergfahrten heran – und mit den Schwierigkeiten wuchsen Selbstsicherheit, Können und Kondition. Mit 17 Jahren konnte Rainer an ersten Fahrten in die Westalpen teilnehmen, damals noch fast eine kleine Expedition. Fünf Jahre später, 1962, durchstieg er mit Viktor Heiss die Nordwand des Matterhorns, eine der drei großen Nordwände der Alpen. Anschließend wechselten beide hinüber ins Montblanc-Gebiet. Ziel: die Nordwand der Grandes Jorasses.

    Die Begehung des berühmten Walkerpfeilers wurde für Rainer Göschl zu einem Schlüsselerlebnis. Nach einem Wettersturz gelang es dem 22-Jährigen, sowohl den bedeutend älteren Seilpartner wie auch eine andere Zweierseilschaft bei winterlichen Verhältnissen sicher aus der Wand zu führen. Rückblickend meint er: „Bergsteigen wurde damals zu einem ganz wesentlichen Teil meiner Persönlichkeitsentwicklung. Es stärkte mein Selbstbewusstsein. Beim Bergsteigen hatte ich Erfolgserlebnisse!"

    Im folgenden Jahr erhielt Rainer nicht zuletzt aufgrund dieser Leistung eine Einladung zum internationalen Bergsteigertreffen in Chamonix. So entwickelten sich bald erste Pläne für Reisen in die Gebirge der Welt. Nach der Hauptschule war Rainer zunächst als Hilfsarbeiter beim Forstwegebau tätig gewesen, hatte dann eine Lehre als Maschinenschlosser an der Schmiedhütte Liezen abgeschlossen. Gearbeitet wurde im Schichtbetrieb, nicht selten ging es nach einer Frühschicht noch auf Bergtour. Als Facharbeiter konnte Rainer die Abendschule besuchen und erhielt schließlich ein Begabtenstipendium für eine Maschinenbauausbildung an der HTL in Graz – wodurch endlich Zeit für Expeditionen blieb.

    1964 reiste Göschl zum ersten Mal in den Hindukusch. 1966 und 1968 dann gemeinsam mit dem jungen Grazer Industriellen Hanns Schell, der zum langjährigen Expeditionspartner werden sollte. Es gelangen die Erstbesteigungen der beiden Siebentausender Akher Chioh (7020 m) und Diran (7266 m).

    In dieser Zeit seiner ersten Expeditionen lernten sich Käthe und Rainer kennen. 1969 heirateten sie, noch im gleichen Jahr wurde Sohn Wolfgang geboren. Und auf den Tag genau drei Jahre später, am 3. Oktober 1972, kam Gerfried auf die Welt.

    Gerfrieds Eltern: Rainer und Käthe Göschl

    Von Beginn an bildeten die beiden Brüder eine fast untrennbare Allianz, denn, so Wolfgang: „Eigentlich gibt es für mich keine Wahrnehmung ohne ihn. Ich weiß nicht, wie es ohne ihn war. Bis zum Vorschulalter lebten die beiden Brüder gemeinsam mit den Eltern und den Großeltern in einem Mehrgenerationenhaus im Südwesten von Hall, was Wolfgang rückblickend keineswegs als beengend empfindet, sondern als eine für die Kinder genussvolle Zeit. 1976 – Gerfried war vier Jahre alt – zogen sie dann in das jetzige Elternhaus etwas talaufwärts, welches Käthe und Rainer Göschl in Eigenregie gebaut hatten. Ein Jahr lang lebten die Kinder, abgesehen vom Schlafen und der Schulzeit, auf der Baustelle – ein aufregender Spielplatz der anderen Art. „Würde man unser Haus abtragen, so Vater Göschl, „fände man im Beton der Grundmauer noch die Fußstapfen von Gerfried!"

    Trotz des Umzugs in einen anderen Schulort blieben Wolfgang und Gerfried an der Volksschule in Admont und es war für sie gang und gäbe, die zwei Kilometer dorthin zu Fuß zu gehen. Zwar habe es später auch einen Schulbus gegeben, aber auf dem Fußweg bildeten sich schnell Gruppen, es gab die ersten „Raufereien, Nicht-Raufereien, Sympathien" – kurzum: Es war einfach interessanter!

    Gerfried kam als einer der Jüngsten seines Jahrgangs 1978 an die Schule. Während die Älteren wie Wolfgang so

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