Der Comte de Céret: Ein Spätsommer in den französischen Pyrenäen
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Über dieses E-Book
Ein Deutscher, der dort einige Freunde hat, nimmt in diesem Jahre erstmals an dem legendären „Marathon“ de Céret teil. Während seines Aufenthaltes erlebt er seltsame Geschichten. Er nimmt auf eigene Faust die Recherchen auf, um die Hintergründe in Erfahrung zu bringen.
Was zunächst wie ein Unfall aussieht, entpuppt sich schließlich als ein von langer Hand vorbereitetes Mordkomplott.
Karl-Heinz Schmehr
Karl – Heinz Schmehr wurde 1944 in Gemünden am Main als drittes Kind geboren. Im Saarland – der Nähe von Saarbrücken – verbrachte er Kindheit und Jugend. Sein Lebenslauf führte ihn später in die Rhein-Neckar-Region. In Mannheim absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften und war danach lange Jahre in einem Konzern in Führungsaufgaben tätig. Oft war sein Wunsch, wieder an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren. Doch das Leben hatte anderes mit ihm vor! Er blieb in der Rhein-Neckar-Region und ist nach seiner Berufstätigkeit seit einigen Jahren als Autor tätig. Mit großer Leidenschaft widmet er sich insbesondere dem Schreiben von Romanen.
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Buchvorschau
Der Comte de Céret - Karl-Heinz Schmehr
Karl-Heinz Schmehr
Der Comte de Céret
Ein Spätsommer in den französischen Pyrenäen
Books on Demand
Inhalt
Kapitel 1 Die Vorpyrenäen Südfrankreichs
Kapitel 2 Unheimliches Céret
Kapitel 3 Der Beginn einer großen Liebe
Kapitel 4 Das Rätsel klärt sich auf
Kapitel 5 Glück und ein neues Leben
Kapitel 1
Die Vorpyrenäen Südfrankreichs
Die Vorpyrenäen sind das überwiegend bewaldete, bergige Gebiet zwischen Spanien und Frankreich. Es fügt sich wie eine Verknüpfung der beiden großen Staaten in die herrliche Berglandschaft ein. Die Menschen sind herb – die Bergwelt und das raue Klima im Winter tragen dazu bei –, aber herzlich. Die Bewohner nennen sich Katalanen, und die gesamte Region ist zweisprachig. Neben Katalanisch wird im spanischen Teil Spanisch, im französischen Teil der Region Französisch gesprochen. Die Menschen sind stark verwurzelt in ihrer Region und lieben es, dort zu leben, zu arbeiten und gemeinsam zu feiern. Gegenüber Fremden sind sie zwar zunächst zurückhaltend, doch später, wenn sie dich kennen, aufgeschlossen, ja herzlich.
Céret ist eine kleine Stadt am Fuße der Vorpyrenäen. Dieser herrlich gelegene Ort ist ein echtes Kleinod. Kirchen und Kunst – das milde Klima lockte stets namhafte Künstler nach Céret – haben es bei Kennern berühmt gemacht. Besonders beliebt ist bei Besuchern die mittelalterliche Altstadt mit ihrer idyllischen Atmosphäre – wenn du dort bist, musst du dich einfach wohlfühlen. Jedes Jahr im September findet die inzwischen legendäre Ronde Céretane statt – ein Marathonlauf in die Höhenlagen oberhalb der Stadt, zur gleichen Zeit, in der die Katalanen ihr Fest feiern. Auf dem Festival de Sardane, wie sie es nennen, treffen sie sich jährlich, um ausgelassen zu tanzen und zu feiern, und jeder, wirklich jeder aus dem Ort ist dabei. Da fehlt auch nicht der Comte de Céret! Als Gast, zudem als Ausländer, fühlst du dich hier von vornherein aufgenommen, bist dabei und hörst und schaust ruhig, amüsiert, aber voller Hochachtung, dem Treiben zu, wirst vielleicht zum Mitmachen animiert. Nicht zuletzt dies ist ein Anreiz, dort die Ferien zu verbringen, zumal der Ort nicht sehr überlaufen ist und du alles in Ruhe genießen kannst. Und Perpignan, die heimliche Hauptstadt der Katalanen, liegt gerade einmal sechzig Kilometer entfernt. Ich habe diese Region und ihre Menschen, deren unkomplizierte Lebensart, über die Jahre lieben gelernt. Freundschaften sind entstanden, die meine Bande in diese wunderbare Region festigten. Gerne flaniere ich in Perpignan oder Céret durch die Gassen, freue mich an dem südländischen Flair und träume davon, genauso zu leben. In Gedanken geht mir dann durch den Kopf, wie es wäre, wenn es hier eine mich liebende Frau gäbe. Dieser bedürfte es, damit ich mich hier dauerhaft glücklich fühlen könnte. Ob ich sie hier finde? Die vielen Winkel der Altstadt, die kleinen, verschachtelten Häuschen, die selbst im Sommer oft dunklen Gässchen, dies alles birgt Geheimnisse und gab mir in den vielen Wochen, die ich an diesem versteckten Ort schon verbracht hatte, oft Rätsel auf. So geschah es auch im Spätsommer 2005. Es war ein wunderbarer, kühler, aber sonniger Vormittag. Céret beherbergte, da der Marathonlauf bevorstand, viele Gäste. Sie kamen aus vielen Teilen Europas, um diesen legendären Berglauf miterleben zu können. In diesem Jahr wollte auch ich wieder dabei sein.
Kapitel 2
Unheimliches Céret
In der Frühe des Tages schlenderte ich, lebenslustig und vergnügt, durch die Gassen von Céret. Es ging mir gut, ich war voller Tatendrang. Dabei war es beinahe beängstigend still. Was steht mir heute bevor, fragte ich mich. Mein erster Weg führte mich zu den Museen, ich wollte nach den Öffnungszeiten schauen, um auch dieses Jahr vielleicht später das eine oder andere zu besuchen. Alle Museen liegen unmittelbar hinter dem Tor zur Altstadt, nicht weit entfernt von der Ferienwohnung, die mir meine Freunde wie jedes Jahr überließen. Dort, wo auch immer wieder die Feierlichkeit des Jahres, die Fête de Céret oder, wie sie von den Einheimischen auch genannt wird, das Festival de Sardane, einer alten Tradition folgend stattfand. Noch immer war es sehr ruhig, ab und an war das Bellen eines Hundes zu hören, gelegentlich krähte ein Hahn. Wieso war eigentlich kein Mensch zu sehen oder zumindest zu hören, schließlich war es schon sieben Uhr in der Frühe. Warum auch immer schoss mir spontan der Gedanke durch den Kopf: Spielt sich in den Winkeln und Ecken der Kleinstadt vielleicht etwas Geheimnisvolles ab? Ich ging weiter, in Richtung Stadtrand. Die Landschaft hinter den Häusern war auch auf dieser Seite, auf der ich bisher noch nie unterwegs war, reizvoll und inspirierend. Wie ich so vor mich hin schlenderte, stand ich plötzlich vor einem stattlichen Anwesen. Es war umgeben von einer großzügigen Parkanlage, einer Anlage, wie ich sie bisher selbst in dieser Region, wo es eine große Zahl von herrlichen Residenzen gibt, noch nie gesehen hatte. Ein Schild am Eingangstor verriet, dass hier der Comte de Céret lebte, darunter stand auf Französisch »Zutritt für Unbefugte verboten«. Doch die Neugierde packte mich, und nach einigem Zögern fasste ich Mut und ging den Weg in die Einfahrt, in Richtung des Hauses. Schon von Weitem sah ich, wie prunkvoll es war. Zwar hatte ich dieser Tage schon einige hübsche Villen entdeckt, aus dem 18. und 19. Jahrhundert oder vielleicht noch viel älter. Dieses Haus aber, das sah ich mit jedem Schritt deutlicher, war etwas Besonderes. Das Ambiente der gesamten Anlage war einmalig für die Region. Reichtum und Geschmack gingen hier eine Symbiose ein, vereinten sich zu einem atemberaubenden Gesamtbild, eingebettet in die Natur, als wäre es schon immer hier gewesen. Eine wahre Residenz, dachte ich und atmete tief durch. Dann nahm ich mich zusammen und schritt weiter. Ich schaute mir alles genau an. Sah die Mammutbäume und die Magnolienbäume, die herrlich gepflegt da standen, Hortensien und Hibiskus in prachtvoller Vielfarbigkeit, wunderbar blühenden Oleander und großzügige Blumenrabatten, die, herrlich aufeinander abgestimmt, wie bunte, ausgebreitete Kleider aussahen. Wie viel Arbeit das für den Gärtner sein muss, kam es mir in den Sinn. Das muss schon ein Mensch sein, der seiner Tätigkeit mit großer Freude nachgeht, ja sich berufen und fähig fühlt für eine solch interessante Aufgabe. Auch der Eigentümer des Anwesens muss ein Mensch sein, dachte ich, der die Natur gerne erlebt und viel Geschmack für derartige fantasievolle Ideen mitbringt. Auf dem Parkweg näherte ich mich dem feudalen Herrschaftshaus. Dem Baustil nach zu urteilen, stammte es wohl aus der Zeit Ende des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts. Die teils bunten, mit Blei eingefassten Fensterscheiben mussten, dies erkannte man sofort, von Meisterhand erarbeitet worden sein. Als ich näher kam, konnte ich Bilder von Menschen, Tieren und der Natur darauf erkennen, vielleicht Hinweise auf die Vergangenheit der Dynastie der Rochiers – so der Familienname –, der vielen Comtes, die dieses Haus schon bewohnt hatten. Wie es wohl erst von innen aussehen mag? Bestimmt ebenso geschmackvoll gestaltet und eingerichtet, vermutete ich. Bisher hatte mich offenbar niemand bemerkt. Warum war es hier so ruhig? Es war weder jemand zu sehen noch zu hören. Einen unbewohnten Eindruck machte das Anwesen trotzdem nicht. Dafür war der großzügige Park viel zu gut in Schuss. Zudem gab es das Verbotsschild am Eingangstor.
Nun stand ich vor der einladenden Terrasse. Der wunderbare Mosaikfußboden war mit einem herrlichen, filigran gearbeiteten Geländer versehen. Da standen Stühle und Tische, auf die frische Tischdecken aufgelegt waren. Sicherlich erwartete der Besitzer bald Gäste zu einem gemütlichen Miteinander. Kein Zweifel, dass hier Menschen wohnten und lebten. Während ich diese Eindrücke, langsam vor mich hin trottend, aufnahm, hörte ich plötzlich, wie in den Büschen unterhalb des Hauses etwas raschelte. Es klang nach schnellen, hektischen Bewegungen, ich drehte mich um und sah einen Schatten hinter den Büschen verschwinden. Wer oder was das war, hatte ich nicht erkennen können, aber offenbar wollte sich da jemand schleunigst aus dem Staub machen, so viel war klar. Beherzt ging ich in Richtung der Büsche, deren Zweige noch vibrierten. Es wurde mir unheimlich, ich registrierte jetzt jedes noch so kleine Geräusch. Aus Richtung der Sträucher und Bäume schallten undefinierbare Laute zu mir hinüber, die mir eine Gänsehaut über den Rücken trieben. Es war aber, wie ich schnell begriff, nur der Wind, der sich mit aller Kraft einen Weg durch das Gehölz bahnte. Ich war erleichtert, ich hatte schon befürchtet, derjenige, der sich eben noch aus dem Staube gemacht hatte, würde zurückkommen. Vielleicht hatte er eine Tat zu verheimlichen, und dann würde er mich … ich konnte vor Aufregung kaum weiterdenken. Schweren Schrittes schlich ich weiter, den großen Park hinab. Er war wunderbar anzuschauen, und die Lebensfreude, mit der ich heute am frühen Morgen aufgebrochen war, kam schnell wieder zurück. Dies sollte jedoch nicht lange anhalten, denn die Bäume und Büsche bewegten sich erneut. Was steckte hinter diesen angsteinflößenden Geräuschen, die die unheimliche Stille unterbrachen – die mir nun beinahe wie Totenstille vorkam? Meine Neugierde war noch größer als meine Angst. Doch dann fiel mir ein, dass ich ja zum Start zur Ronde Céretane wollte! Worauf ließ ich mich hier ein? Vielleicht spielte hier nur jemand mit mir – aber vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte es jemand auf mich abgesehen. Ich wagte mir kaum auszumalen, was der oder die Unbekannte wohl vorhatte. Ich merkte, dass ich am ganzen Körper zitterte, doch immer noch trieb mich die Neugierde voran. Da kam plötzlich ein Hund aus dem Gebüsch. Ein Chien de Céret? Ein schöner Kerl, dachte ich, obwohl mir das Herz raste. Eigentlich unverständlich – ich bin Hunde seit früher Kindheit gewöhnt und großer Hundeliebhaber. Er war ruhig, doch voller Spannung, beobachtete jede Bewegung, jeden Schritt von mir. Ich blieb wie angewurzelt stehen und versuchte mich zu beruhigen. Da, der Hund lief auf mich zu, wirkte aber schon zutraulicher, freundlicher. Er schnupperte an mir herum, wedelte mit dem Schweif. Anscheinend fasste er Vertrauen zu mir; während mir das Herz nun wirklich fast in die Hose rutschte!
Dieser wunderbar anzusehende Hund, ich nannte ihn für mich Chien de Céret, war ein schwarzer Labrador. Sein Fell glänzte, er hatte ein nettes Gesicht. Der Körper war muskulös, kein Gramm Fett war an ihm, ein gepflegtes, offenbar gut trainiertes Tier. Was ja gut zu diesem Anwesen passte. Sicherlich kam er häufig mit zur Jagd. Und auf diesem riesigen Gelände hatte er mehr als genug Platz, um sich täglich auszutoben. Während er mich beschnupperte, fasste auch ich Vertrauen zu ihm. Ein netter Hund! Der würde mir gefallen, dachte ich, der wäre ein toller Partner! Ich festigte meine Stimme und rief ihn leise und ruhig: »Alors, Chien de Céret, je t’appelle Anton! D’accord?« Und ich sprach weiter mit ihm. »Wer bist du denn? Wem gehörst du eigentlich? Du bist aber ein schöner Bursche.« Er wedelte, als hätte er es verstanden, mit seinem Schweif. Dabei hatte der Hund bisher sicher nur französische Worte gehört, oder?
Zunächst begriff ich nicht, dass er mir etwas zeigen, mich an einen bestimmten Ort führen wollte. Doch er gab nicht nach, sprang an mir hoch, stupste mich an! Dann hatte er mich so weit, er bewegte mich zum Gehen, an einen Ort, den er vermutlich zuvor beobachtet hatte. Ein gutes Gefühl hatte ich dabei wirklich nicht, hier, auf einem großen, fremden Anwesen herumzulaufen, einem Hund zu begegnen und so zu tun, als wäre es mein Zuhause. Schwer atmend folgte ich ihm. Auch er war wieder voller Spannung, drehte sich immer wieder nach mir um, so als würde er meine Unsicherheit spüren. Wir näherten uns einer kleinen Baumgruppe, der Hund hielt inne, und ich, dicht hinter ihm, ebenso. Fast war es, als hätte der eine mit dem anderen und seiner Ängstlichkeit Mitgefühl. Was erwartete uns? Würden wir Hilfe brauchen? Ich erblickte jetzt eine Frau auf der Terrasse bei den Tischen, wahrscheinlich eine Haushälterin, die offenbar aufdeckte. Sie erweckte von Weitem nicht den Eindruck, als sei hier irgendetwas Beunruhigendes im Gange – oder war es die Gewohnheit der Alltagsarbeit, die ihr diese Ruhe gab? Sie hatte meinen neuen Verbündeten und mich noch nicht bemerkt. Wir gingen ein Stück weiter in Richtung der großen Baumgruppe und sahen dort ein Bündel. Es schien sich um einen Sack mit Gartenabfällen zu handeln – nichts Außergewöhnliches. Die Frau auf der Terrasse sah jetzt auf und schaute sich um, aber blickte nicht in unsere Richtung.
Näher bei der Baumgruppe würden wir vor ihren Blicken geschützt sein. Der Hund war ruhig und schien auf einen Befehl von mir zu warten. Ich fühlte mich nun erleichtert, nicht alleine sein zu müssen. Schließlich fasste ich den Mut und streichelte ihn. Er nahm es wohlwollend an, schien Vertrauen in mich gefasst zu haben! Ich drehte mich in Richtung des herrschaftlichen Hauses um, die Terrasse war wieder leer. Offenbar war die Frau inzwischen wieder hineingegangen. Ich blickte erneut auf das Bündel, traute mich aber nicht, es näher zu untersuchen. Immer wieder drehte ich mich nach allen Seiten um, ob uns jemand entdeckte, stets auf dem