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Suche nach neuen Ufern 1945 - 1950: Studienjahre eines Sudetendeutschen im Nachkriegsdeutschland
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eBook187 Seiten2 Stunden

Suche nach neuen Ufern 1945 - 1950: Studienjahre eines Sudetendeutschen im Nachkriegsdeutschland

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Über dieses E-Book

Erlebte Zeitgeschichte

Die Kapitulation aller deutschen Streitkräfte im Mai 1945 erlebt der Autor nach seinem Genesungsurlaub als junger Offizier der Waffen-SS in seiner sudetendeutschen Heimat. Die einrückenden Sowjets und die beginnenden Exzesse der Tschechen zwingen ihn zur Flucht über die wieder errichtete Staatsgrenze. Seine Reflexionen über die Ursachen des hereingebrochenen Chaos geben ein beredtes Bild von dem Seelenzustand, in dem große Teile der damaligen jungen Generation mit dem Zusammenbruch ihrer anerzogenen Ideale vor dem Nichts standen.

Quo vadis hieß wie für viele seiner Landsleute die Frage, um trotz ihrer Herkunft einen neuen Anfang zu finden. In Hamburg bot sich wider Erwarten mit seiner Jugendliebe, die er auf abenteuerliche Weise aus der Sowjetzone holte, eine gemeinsame Zukunft. Doch nur ihm öffneten sich die Tore für einen Studienplatz. In eindrucksvoller Weise werden die Bedingungen des Lebens und des Studiums für einen Wiederbeginn in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren geschildert. Gewürzt mit Robinsonaden bei illegalen Schmuggelfahrten erfährt der Leser von einem „Interzonen-Handelspraktikum“ sui generis. Ein Buch, das zum Nachdenken anhält.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Juni 2012
ISBN9783844835175
Suche nach neuen Ufern 1945 - 1950: Studienjahre eines Sudetendeutschen im Nachkriegsdeutschland
Autor

Rüdiger Bauer

Der Autor, Jahrgang 1925, ist als Sudetendeutscher aus Komotau in Boehmen in einem deutschnationalen Elternhaus mit liberaler Grundeinstellung aufgewachsen. Hier erlebte er die Jahre des Volksstumskampfes gegen die staatliche Vorherrschaft in der CSR als aktives Mitglied der Jungturnerschaft. Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich wurde er 1939 Internatsschüler einer NAPOLA bei Leitmeritz und legte 1943 sein Kriegsabitur ab. Sein Berufsziel lag im diplomatisch-konsularischen Dienst. Dazu ließ er sich als Student für das Studienfach Auslandswissenschaften fernimmatrikulieren. Mit 17 Jahren meldete er sich, seinen damaligen Erziehungs-Idealen folgend, freiwillig zum Kriegsdienst. Nach seiner Rekrutenzeit und Ausbildung als Pionier folgte einer Frontbewährung im Osten und späteren Lehrgängen zur Ausbildung als Reserveoffizier nach der Beförderung in den Leutnantsrang ein Fronteinsatz in Ostpommern. Hier wurde er im März 1945 verwundet und über die Ostsee aus dem eingekesselten Gotenhafen Gdingen im Geleit auf einem Lazarettschiff gerettet. Nach seiner Genesung erlebte er das Kriegsende in der Heimat. Auf abenteuerliche Weise und nach kurzzeitiger Rückkehr gelang ihm 2 Mal die Flucht über die neuerrichtete Staatsgrenze. Auf sich gestellt, studierte er in Hamburg Volkswirtschaft und legte dort 1949 sein Diplom ab. Aus seiner Eheschließung 1948 mit einer Sudetendeutschen aus der Heimat entstammen 2 Söhne. Sein Berufsweg führte ihn als Nachwuchskraft zuerst ins kaufmännische Management eines Chemiefaser-Konzerns und danach in die Geschäftsführung einer Seeschiffswerft. Anschließend übernahm er die Beteiligungsverwaltung eines bekannten Hamburger Unternehmers. Zeitweise wurde er als Personal-und Unternehmensberater tätig. Gegen Ende des Berufslebens leitete er erfolgreich eine berufliche Bildungsstätte für arbeitslose Jugendliche in Zusammenarbeit mit maßgebenden Institutionen des öffentlichen Lebens in Hamburg. Zahlreiche Bildungsreisen führten ihn in alle Welt. Sportlich hat er sich vielseitig aktiv betätigt. Nach dem Tot seiner ersten Frau hat er 2005 wieder geheiratet. Heute lebt er vor den Toren Hamburgs im Ruhestand und widmet sich seinen schriftstellerischen Ambitionen.

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    Buchvorschau

    Suche nach neuen Ufern 1945 - 1950 - Rüdiger Bauer

    geboren.

    2.   Zwischen Gestern und Heute

    Mein gutes, altes Fahrrad war in den Tagen des deutschen Zusammenbruchs ein lieber Freund und Gefährte. Es brachte mich in jener denkwürdigen Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 vom elterlichen Haus in Komotau (Sudetenland) Kilometer für Kilometer weiter den bei dem weltbekannten Kurort Karlsbad Gewehr bei Fuß stehenden US-Streitkräften entgegen. Fort von meinen Eltern und meiner heimlichen Verlobten Susanne, von denen ich am Abend, wenige Stunden vor dem Einmarsch der Roten Armee einen schweren und tränenreichen Abschied genommen hatte. Einen Abschied von den Stätten meiner Jugend am Fuße des Erzgebirges, wo ich glückliche Jahre unter der Obhut der Eltern bis zum Eintritt in die als Internat geführte Nationalpolitische Erziehungsanstalt Sudetenland in Ploschkowitz bei Leitmeritz verbracht hatte.

    Jetzt war ich unterwegs auf der Flucht vor den Sowjets, deren Einmarsch in meine Heimatstadt unmittelbar bevorstand. Der Kampf war zu Ende. Meine Zeit bei der Waffen-SS war mit einem Urlaubsschein nach meiner leichten Verwundung in Ostpommern und meiner Genesung mit dem letzten Kommando über eine Schar von etwa 50 halbwüchsigen Hitlerjungen, Gottlob ohne erneute Feindberührung, zwei Tage vorher zu Ende gegangen. Sie sollte ich auf Befehl des heimatlichen Wehrbezirkskommandos auf den letzten, verzweifelten Kampf gegen die „Rote Flut am Fuße des Erzgebirges vorbereiten, um die Heimat zu verteidigen. Die Jungs waren nach Bekanntgabe der endgültigen Kapitulation aller deutschen Streitkräfte befehlsgemäß von mir nach Hause entlassen worden. Damit war ich mir und meinem zukünftigen Schicksal selbst überlassen worden. So etwa nach dem Motto: „Rette sich wer kann!

    Das war nun zunächst die Richtschnur meines weiteren Handelns. Ich trug jetzt meine Zivilklamotten und hatte nichts mehr bei mir, was an meine wenige Tage vorher noch getragene Uniform mit dem Toten-kopfembleme als ehemaliger SS-Führer erinnern konnte. Lediglich das „Brandmal" unter dem linken Oberarm mit der Blutgruppe, das fast jedem Angehörigen der Waffen-SS während seiner Rekrutenzeit für den Fall schwerer Verwundung eintätowiert worden war, verriet etwas über meine Zugehörigkeit zu dieser besonderen Truppe. Meine letzte Pistole habe ich wenige Tage später bei den Eltern eines ehemaligen Mitschülers aus der NAPOLA in Karlsbad in deren Garten vergraben. Der Krieg war zu Ende, mir konnte nichts mehr passieren.

    Das waren meine Gedanken auf der nächtlichen Fahrt durch die vertraute Landschaft meiner sudetendeutschen Heimat. Doch ich war nicht allein. Viele ehemaligen Landser, größtenteils noch in ihren Uniformen, aber auch zahlreiche Zivilpersonen waren wie ich auf der Flucht vor den anrückenden Sowjets oder den bunt zusammengewürfelten hasserfüllten tschechischen Milizen, die sich aufmachten, unser Land zu okkupieren.

    Ich spare mir hier die Einzelheiten meiner gelungenen Flucht im Gefolge der letzten deutschen Truppenteile, die sich von den vordringenden russischen Einheiten zu den US-Streitkräften abzusetzen versuchten. Auch die Einzelheiten meiner abenteuerlichen Rückkehr gegen Ende Mai 1945 mit getürkten Papieren in das von den Sowjets besetzte jetzt wiederum auf tschechischem Staatsgebiet liegende Ko-motau zu Susi, meiner heimlichen Verlobten, sind schon von mir in nachstehender Veröffentlichung ausführlich geschildert worden. Unser Jahrestag zum 30. Mai 1943, da wir uns kurz vor meiner Einberufung nach Dresden zu meiner Rekrutenausbildung kennen gelernt und unsterblich ineinander verliebt hatten, war hierfür der Hauptgrund gewesen. In meinem Büchlein, das zur Jahreswende 2009/10 im Wagner-Verlag unter dem Titel „Wie und warum wir so waren? – Erinnerungen an Damals / Schicksalsjahre 1925 – 1945" erschienen ist, kann das nachgelesen werden.

    An dieser Stelle ist es mir rückschauend ein Herzensbedürfnis, etwas Licht in meine damalige Gedankenwelt zu bringen, die mich in diesen Tagen und Wochen immer wieder erneut im Banne hielt. Quälende Fragen, meist noch ohne eine klare Antwort, gingen mir durch den Kopf und hielten mich oft stundenlang im Bann.

    Warum hat das deutsche Volk diesen Schicksalskampf, wie er uns immer wieder als solcher von der NS – Propaganda eingehämmert worden war, verloren? Haben wir versagt, war der Feind zu übermächtig? War die Führung der Aufgabe, in die sie sich selbst hinein manövriert hatte, nicht gewachsen gewesen? Waren am Ende die ganzen Vorstellungen von der so genannten Überlegenheit der arischen Rasse nur leerer Schaum – eine Ausgeburt von einigen fanatisierten Nationalsozialisten und Besserwissern, die schließlich selbst das glaubten, was sie uns predigten? Was wird jetzt aus unseren Idealen, die sie in unsere Hirne eingebläut und in unseren Herzen als ewige Wahrheiten zum Glühen gebracht hatten? An all das hatten wir so vorbehaltlos geglaubt. Haben die vielen auf den Schlachtfeldern in Ost und West gefallenen Kameraden umsonst ihr junges Leben lassen müssen? War das alles nur eine Schimäre, ein böser Traum, aus dem es vielleicht doch einmal ein Erwachen geben würde? Nein, den konnte es nicht geben. Das sagte mir die menschliche Vernunft und einen solchen Traum durfte es auch nicht geben, wie ich mir später, als die schreckliche Wahrheit über unsere Vergangenheit allmählich in mein Bewusstsein drang, selbstkritisch eingestehen musste.

    Ich vermag die wirr und völlig ungeordnet durcheinander laufenden Gedanken und Vorstellungen, die mich in jenen Tagen bewegten, gar nicht recht zu entwirren. Es waren einfach zu viele Fragen ohne Antworten. Die schlimme Wahrheit über all das, was in unserem Namen geschehen, was an Verbrechen begangen worden war, ist mir, wie den Allermeisten unserer Generation und auch unserer Couleur mit den schwarzen Kragenspiegeln und den Totenköpfen als Embleme unserer Hingabe an eine Idee und unseren toten Führer, damals noch gar nicht bekannt und bewusst gewesen. Vielleicht war das zu diesem Zeitpunkt auch gut so, denn gar Manche wären wahrscheinlich daran mit dem völligen Verlust ihres inneren Haltes zerbrochen. Viele haben später, als alles offenkundig geworden war, die Orientierung für ein neues Leben verloren.

    Doch ein Gedanke drängte sich in immer stärker zunehmendem Maße in mein Bewusstsein: Du musst das durchstehen, Dich soll man persönlich nicht unterkriegen, Du musst Dich behaupten und einen Weg aus dem Chaos finden. Das bist Du nicht nur Dir selbst schuldig, sondern auch Deinen Eltern und vor allem dem Menschen, dem Dein Herz gehört und der an Dich mit allen Fasern ihrer jungen Seele glaubt, Deiner heimlich Verlobten. Wir beide, Susi und ich, hatten uns versprochen, was immer auch kommen werde, zusammenzustehen und eine gemeinsame Zukunft zu bauen. Das wollte ich nicht nur unter den soeben im Nichts zerplatzten Zukunftsträumen eines jungen viel versprechenden Führungsnachwuchses des Großdeutschen Reiches, sondern erst recht jetzt unter den neu eingetretenen Bedingungen des in einem im Chaos zu versinken drohenden Nachkriegsdeutschland, das ohnmächtig am Boden lag.

    So schnell sollte man mich nicht unterkriegen, das waren meine Gedanken, getreu dem von mir während meiner Zeit im Internat der NAPOLA gewählten Wahlspruch: „Es gibt ein Wort, das Tore sprengt, das weder Schild noch Schranke kennt, ein Wort, das trotzig stark und still, es heißt: ich will!" Damit bin ich meinen Weg in die Zukunft, wenn auch auf so manchen Umwegen, zu neuen Ufern gegangen, unbeirrt und zielbewusst. Damals wusste ich noch nicht, wie ich das schaffen sollte und wo ich einmal landen würde. Heute bin ich dankbar dafür, dass ich im Internat eine harte Erziehung genossen und mir die Grundlagen für meinen späteren Weg erworben habe mit dem geistig erforderlichen Rüstzeug, wenn auch zunächst auf weltanschaulich einseitigen und teilweise in die Irre führenden Gleisen.

    Wenn ich rückblickend diese Eindrücke heute einmal nüchtern bewerten soll, dann glaube ich, dass viele meiner Generation so dachten und ähnlich empfanden, sonst wäre der Wiederaufbau unseres zerbombten und geteilten Landes nicht in so eindrucksvoller Weise, beseelt von dem Willen zu einem Neubeginn, im Laufe der folgenden Jahre möglich gewesen.

    3.   Heimatlos - Quo vadis?

    Nach meiner abermaligen Flucht vor den tschechischen Häscherbanden, der berüchtigten Partisanenarmee des Generals Svoboda und den zahllosen zugelaufenen Horden plündernder und mordender tschechischer „Freischärler", die in zusammengewürfelten Fantasieuniformen ihren von dem selbsternannten Präsidenten Edvard Benesch geschürten blinden Hass gegen alles Deutsche freien Lauf ließen, war ich heilfroh, am 6. Juni 1945 bei Weipert im Erzgebirge die neue deutsche Grenze nach Sachsen erneut ein zweites Mal wohlbehalten zu überschreiten. Ein waghalsiges Abenteuer mit zunächst ungewissem Ausgang lag glücklich hinter mir. Ermöglicht hatte mir mein abermaliges Entkommen ein Passierschein vom tschechischen Narodni Výbor, den mir ein dort tätiger guter tschechisch stämmiger Freund meiner Schwiegereltern, der von meinem Versteck bei ihnen wusste, mit erheblichem persönlichem Risiko in eigener Machtvollkommenheit ausgestellt hatte. Trotz großer Gefahr, in die er sich damit bewusst begeben hatte, ist er dieses in der damaligen Zeit lebensgefährliche Wagnis eingegangen. Ich werde dem braven Mann das nie vergessen.

    Nun war ich also endgültig in Deutschland angekommen. Meine Eltern und meine Susanne waren wohlauf. Sie hatten den Einmarsch der roten Armee in meiner Heimatstadt wohlbehalten überstanden. Davon hatte ich mich persönlich überzeugen können. Meine Eltern hofften, ihr Hab und Gut in den von der tschechischen Regierung wieder annektierten sudetendeutschen Gebieten behalten zu können. Sie waren mangels anderer Möglichkeiten ohnehin gezwungen, auszuharren und auf die Dinge zu warten, die da kommen würden. Mein Vater glaubte, seine Position bei den Mannesmann-Röhrenwerken in Komotau würde ihm einen ausreichenden Schutz vor tschechischen Übergriffen bieten, was sich aber später als schwerwiegender Irrtum erweisen sollte. Meine zukünftigen Schwiegereltern mit Familie waren gewillt, so bald das möglich sein würde, heimlich Komotau zu verlassen, um vor der tschechischen Willkür über die nahe Grenze zu ihren Verwandten nach Braschwitz bei Halle zu fliehen. Dort hatte ein verstorbener Bruder der Familie schon vor dem Kriege ein Gut erworben, das z. T. mit Hilfe seiner Komo-tauer Verwandten finanziert worden war. Ich durfte also hoffen, meine Susi zu einem nicht allzu fernen Zeitpunkt einmal wieder im Arm halten zu können.

    Dieses Land, in dem ich nun angekommen war, das nicht mein engeres deutsches Heimatland war, hatte ich als kleiner Junge schon über alle Maßen verehrt. Unzählige kulturelle Bande haben es mit den deutschsprachigen Gebieten im Osten, so auch dem Sudetenland, seit eh und je verbunden. Von Franken und Sachsen setzte im 12. und 13. Jahrhundert die Kolonisierung der Randgebiete des böhmischmährischen Raumes ein. Hier fühlte ich mich eigentlich nicht als ein Fremder. Hatte ich nicht schon als Schuljunge bei einem kurzen heimlichen Grenzübertritt dort anlässlich eines Ausfluges über die Staatsgrenze beliebige Steine am Wegesrand aufgesammelt und als ein hohes Gut zum Andenken an Deutschland für mich nach Hause gebracht?

    Und doch kam ich mir einsam und verlassen vor, als ich weiter in die Pedale meines alten Drahtesels trat, um das nächste Domizil, Saalfeld in Thüringen, zu erreichen. Die Sonne meinte es gut in jenen Tagen. Ab und zu lud ein lauschiges Plätzchen am Waldesrand zu einer kurzen Rast für den müden Radfahrer und Heimatlosen ein. Ich musste mich nur in Acht nehmen vor den ab und zu auftauchenden US – Patrouillen auf ihren Jeeps. Natürlich besaß ich keinen gültigen Passierschein, den man damals brauchte, um von Ort zu Ort zu kommen. Einen Entlassungsschein aus alliiertem Gewahrsam in einem Gefangenenlager von irgendeiner amtlichen Stelle konnte ich schon gar nicht aufweisen. Also hieß es, auf der Hut zu sein, um nicht doch noch in einem solchen Lager als Internierter zu landen. Damit wäre in meinem Fall die Aussicht auf Freiheit womöglich für längere Zeit verloren gegangen.

    In Saalfeld hatte ich die Adresse von der mit einem vermissten deutschen Offizier verheirateten Tochter eines Arbeitskollegen meines Vaters bei Mannesmann. Dort hatte ich bereits vor meinem waghalsigen Ausflug Ende Mai 1945 zurück in die alte Heimat zu meiner Susi bereitwillig Aufnahme für knapp 3 Wochen gefunden. Also war mein nächstes Reiseziel damit klar. Doch auf wie lange? Die bereitwillig gewährte Gastfreundschaft konnte ich nicht auf Dauer in Anspruch nehmen. Ich hatte nur knapp 1000 RM in meiner Tasche, die ich von meinem Konto daheim noch vor der Besetzung durch die Russen rechtzeitig bei der Bank abgehoben hatte. Wie lange würde das reichen? Was sollte ich dann tun? Doch kommt Zeit, kommt Rat, das war meine Devise. Zunächst ließ ich mir darüber keine grauen Haare wachsen. Ich war noch mal davon gekommen und hatte das Schlimmste überstanden. Was konnte mir denn noch passieren? So oft schon hatte ich in meinem Leben Glück gehabt. Warum sollte es mich jetzt verlassen, wo ich es doch so dringend brauchte?

    Vor allem wurde mir in diesen Tagen das große Glück bewusst, dass mir mein späterer Schwiegervater während des mehrtägigen Aufenthaltes im Versteck seiner Wohnung durch die Hilfe eines befreundeten Komotauer Arztes aus dem dortigen Krankenhaus die verräterische Blutgruppen-Tätowierung als Zeichen meiner früheren SS-Zugehörigkeit aus dem linken Oberarm hat herausoperieren lassen. Die Stelle war wie eine von einer Kugel verursachte Ein - und Ausschusswunde jetzt als frisch verbundene Verwundung getarnt. Zwar wäre vermutlich nicht jeder misstrauische Zeitgenosse so ohne weiteres auf diese Tarnung hereingefallen. Aber zunächst schien mir das zu genügen.

    Ich hatte mich bereits vor meiner Robinsonade in die alte Heimat

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