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Eben Dubai: Es geht eben auch anders!
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eBook341 Seiten4 Stunden

Eben Dubai: Es geht eben auch anders!

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Über dieses E-Book

Eben Dubai handelt von äusseren und inneren Reisen, Abenteuern, alltäglichen Begebenheiten und der Suche nach Erfülltheit, Ausgewogenheit und Angekommensein.
Dem Autor schwebte lange eine Fernreise mit dem Motorrad vor. Die Idee war, auf möglichst direktem Weg in den Indischen Himalaya zu fahren. Dieses Buch dokumentiert seinen Weg. Eine der Hauptbotschaften ist: «Es geht auch anders!» Anstatt sich ein Erwerbsarbeitsleben lang unachtsam, getrieben und egozentriert in beruflichen und privaten Hamsterrädern abzustrampeln, ist auch ein Leben in Achtsamkeit und mit Mitgefühl, Einsicht, Auszeiten und Selbstentwicklung denkbar und machbar! Der Autor stellt sich im Buch viele Fragen und liefert oft nur implizite oder bestenfalls individuell hilfreiche Antworten. Denn DIE Antwort gibt es nicht.
Was ihn betrifft, findet er im Lesen, Schreiben und Reisen Antworten.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Sept. 2015
ISBN9783735703781
Eben Dubai: Es geht eben auch anders!
Autor

Mick Soier

Mick Soier wurde 1974 geboren, hat ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert und befasst sich seit Jahrzehnten intensiv mit psychologischen Themen und Selbstverwirklichung. Er wendet die in diesem Pocket Guide vorgestellte Methodik seit vielen Jahren ein bis zweimal pro Jahr für sein eigenes Leben an und hat die Inhalte im Laufe der Zeit so angepasst, dass ein möglichst effizientes und effektives Arbeiten möglich ist. Die Inhalte stammen in manchen Fällen von ihm selbst, sind aber grossteils inspiriert durch die Arbeiten von Lothar Seiwert, Karl Kälin, Reinhard Sprenger, Jens Corssen, Stefan Frädrich, Maja Storch und viele mehr.

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    Buchvorschau

    Eben Dubai - Mick Soier

    2015

    Eben Dubai

    // AUFTAKT //

    Das Wasser im Teekessel muss eine Zeit lang auf der Feuerstelle weilen, bis es zu kochen anfängt. Ähnlich müssen die Träume in uns eine Zeit lang reifen, bis sie sich zu manifestieren beginnen. Der Traum, mit dem Motorrad die Welt zu bereisen, schlummerte mehr als ein Jahrzehnt lang in mir. Mit der Umsetzung dieses Traumes geht Hand in Hand damit, auf der Suche nach innerem Frieden voranzukommen. Denn so eine Reise ist nicht nur eine nach aussen, aus der Heimat in die Welt hinaus, sondern genauso eine nach innen, in die Tiefen meiner Selbst.

    Von 1996 bis 2005 unternehme ich zwei Langzeitreisen und mehrere kurze Ausflüge in die Welt hinaus. Als ich im Jahr 2005 in meinem Job nach Monaten des Wartens nicht mehr daran glaube, dass in absehbarer Zeit ein Folgeprojekt startet und die Routine des Arbeitsalltags unerträglich wird, packe ich die Gelegenheit beim Schopf: Ich kündige und freue mich auf die Umsetzung des Traumes, mit dem Motorrad Richtung Himalaya in die Welt hinaus zu fahren.

    Anfang Dezember steigt an meinem Wohnort in Bayern die Abschiedsparty für meinen Lieben. Mit dabei ist unter anderem Tom, mein treuer Begleiter während der ersten zig tausend Kilometer. Unsere Antworten auf Fragen wie: „Habt ihr denn nun schon Visa? oder „Gibt es Neuigkeiten bezüglich dem Kauf der Motorräder? stossen so gut wie bei jedem auf Unverständnis. Wir haben uns nämlich drei Wochen vor dem geplanten Abreisetermin noch um nichts gekümmert. Aber zumindest können wir behaupten: „The spirit is alive". Es ist nicht mein Stil, gross und detailliert zu planen. Meine zwei Langzeitreisen haben mich gelehrt, dass das A und O bei dieser Art zu leben, Flexibilität und Gleichmut ist. Die Dinge laufen selten bis nie so, wie du es gerne hättest oder im Vorfeld planst. Wenn du da nicht anpassungsfähig bist, verlierst du schnell die Freude am Sein. Selbst nach erfolgter Anpassung ist nicht alles nur erfreulich und toll. Wenn du nicht den Mut aufbringst, sowohl den angenehmen als auch unangenehmen Erlebnissen gleich zu begegnen, ist es schnell vorbei mit dem Seelenfrieden in deinem tiefsten Inneren.

    Ein weiteres Merkmal unserer Planlosigkeit ist die Nichtbenutzung von Strassenkarten. Dies trifft zumindest für die Strecke bis nach Istanbul voll zu. Immerhin wissen wir grob, wo Dubai, das wir ursprünglich als Ziel ins Auge gefasst hatten, liegt, und dank des Abschiedsgeschenks auf meiner Party auch die Himmelsrichtung. Das Geschenk ist ein Kompass, der Wochen später bei einer Wüstenquerung Diego schockieren sollte, zumal sich dieser augenscheinlich etwas anderes darunter vorgestellt hat. Wir queren die Wüste ohnehin mithilfe seines GPS. Da denke ich mir, dass es nicht auf einen Hochleistungskompass ankommen wird.

    Das Motorrad, eine Suzuki DR 800, erwerbe ich eine Woche vor der Abreise. Sie wird unter Kennern fallweise liebevoll „DR Big" genannt und mit ihren fast 800 ccm und nur einem Zylinder dem Kosenamen durchaus gerecht. Tom ist mit der Beschaffung seiner mächtigen Zweizylinder-BMW ähnlich spät dran. Probefahrt kann ich keine durchführen, zumal ich immer mit Schneefahrbahnen konfrontiert bin. Mich reizt es zwar nichtsdestotrotz, der Händler hat dafür aber kein Verständnis. Die erste Fahrt auf dem neuen fahrbaren Untersatz findet kurz vor dem Aufbruch nach Italien statt. Denn da nenne ich die DR Big bereits mein eigen und der Händler kann mir nicht mehr dazwischenfunken. Erste Fahrt? Gut, ich muss mir eingestehen, dass der Händler so daneben nicht lag. Das Ding ist auf Schnee- und Eisfahrbahn mit der aufgezogenen Bereifung nicht fahrbar. Und: Das klar südlich von Österreich gelegene Italien auf einer Tour in Richtung Dubai, d.h. Südosten, bereisen? Nun, dies sollte nicht die letzte Abweichung vom Kurs sein.

    // KAPITEL 1 // (Eben – Damaskus)

    Na dann halt ein Kennenlernen auf der Reise selbst. Die ersten Kilometer müssen freilich überbrückt werden. Knackpunkt ist vor allem der Blosabichl, ein kurzer, aber steiler Hang ganz in der Nähe des elterlichen Hauses in Eben, dem Ausgangspunkt der Reise und Suche. Andere schlafen am 1. Jänner ihre Räusche aus, Tom und ich machen uns hingegen auf den Weg. Die Starthilfe in Form des Transports der Motorräder auf einem Hänger ist notwendig, um die Sache ins Rollen zu bringen. Meine billige Ausrede, dass wir aufgrund der Gegebenheiten die Abfahrt vielleicht verschieben sollten, erkenne ich schnell als solche. Will ich meinen Traum verwirklichen oder will ich es nicht? Ist die Zeit reif? Ja, sie ist es – und ich will. Da ist kein Platz mehr für Ausreden und Selbstbelügen.

    Die nächste Prüfung kommt gleich nach den ersten Kilometern auf den Motorrädern selbst. Wir fahren entlang der Inntalautobahn. Es herrschen widrigste Witterungsbedingungen und das Visier meines Helms beschlägt binnen kürzester Zeit. Tom scheint es besser zu ergehen. Somit Visier hoch, Augen zusammenkneifen und hindurch durch das Vergnügen. Immer meinem Freund hinterher. Ab Wattens bleibt auf der Überholspur, die wir wegen der Sichtverhältnisse ohnehin nicht nutzten, der Schnee liegen. Ich fühle mich so richtig unwohl in meiner Haut. Was mache ich hier bloss? Ist das als Zeichen zu verstehen, dass die Zeit doch noch nicht reif für die Umsetzung meines Traumes ist? Oder prüft mich das Leben, um herauszufinden, dass ich es jetzt tun kann? Auf der Raststätte in Innsbruck fragen wir bei einem Schneepflugfahrer nach, ob denn zum Brenner hoch ähnliche Verhältnisse herrschen und mit Schnee auf der Fahrbahn zu rechnen ist. Er ermutigt uns, den Pass in Angriff zu nehmen. Nach dem Bergisel können wir uns tatsächlich das erste Mal auf die Überholspur wagen. Die Sache rollt, wenn auch nicht rund.

    Der Kassier nach der Europabrücke scheint das zu erkennen und nutzt die Gunst der Stunde unserer Verzweiflung. Er prellt uns um ein paar Euro. Spätestens beim Überqueren des Passes und Sichten des „Willkommen in Italien" ist aber jeder Unmut ob der Kälte, Nässe und des Abzockens verflogen. Ich kann und will einen kräftigen Jauchzer nicht zurückhalten und erfahre später, dass die Einfahrt ins Nachbarland Tom ebenfalls emotional bewegt hat. Als es bei Bozen bereits dunkel wird und es wieder zu schneien anfängt, beenden wir unsere erste Etappe. Wir lassen den Tag bei einem leckeren Abendessen in einem urigen Restaurant Revue passieren und freuen uns des Lebens und der Aussicht auf die nächsten tausenden von Kilometern. Für mich sollten es für Monate die letzten Knödel mit Sauerkraut sein. Und dazu, wie in unseren Breitengraden üblich, Bier vom Feinsten.

    Der Spruch „andere Länder, andere Sitten" greift bereits in Südtirol. Anstatt mittels dem gewohnten Heizkörper, wird das Hotelzimmer über eine wilde Konstruktion beheizt. Wir sind schon am ersten Abend mit der Herausforderung konfrontiert, wie wir am besten unsere Motorradbekleidung getrocknet bekommen. Denn dass diese bis auf das letzte Stück völlig durchnässt ist, überrascht bei den herrschenden Witterungsverhältnissen nicht. Wir fügen der Heizkonstruktion eigene bizarre Elemente hinzu, und fertig ist der Trockner. Es tut am nächsten Morgen gut, in trockene, warme Kleidung zu schlüpfen. Vor allem, da draussen schon wieder Sauwetter herrscht. Jeder von uns trägt mehrere Schichten an Klamotten. Das Anziehen ist stets eine Aktion. Wir begehen den Fehler, uns im beheizten Zimmer startklar zu machen. Ich bin bereits vor dem Verlassen des Hotels durchnässt. Dieses Mal nicht wegen äusserer Einflüsse, sondern wegen innerer. Schweissgebadet schwinge ich mich auf das Motorrad.

    Über Verona geht es in die Lagunenstadt: Venedig. Es regnet in Strömen und uns ist bereits nach wenigen Deka Kilometern saukalt. Mein Helm setzt mir neben dem Beschlagen des Visiers mit enormen Windgeräuschen sowie Zugluft gleicherweise zu. Da bleibt wenig Aufmerksamkeit für das Umland. Und ausser den Zweifeln und dem Verfluchen des Wetters beschäftigt mich nicht viel. Wir haben uns im Vorfeld überhaupt nicht über die Strecke zum venezianischen Fährhafen schlau gemacht. Interporto klingt entfernt danach, erweist sich aber als völliger Flopp. Wir wenden, um zurück auf die Autobahn zu fahren. Bei der Mautstelle testen wir gleich das erste Mal an, wie robust Suzuki und BWM gebaut sind. Unsere Maschinen küssen nämlich den Boden. Warum? Nun, wir kommen nebeneinander zu stehen, Tom verliert das Gleichgewicht und löst den Dominoeffekt aus. Merke: Nie nebeneinander stehenbleiben! Ausserdem gewinne ich den Eindruck, dass ich die Big im Leben nicht alleine aufrichten kann. Der Schwerpunkt ist zu hoch und das Teil mit den weit über 200 Kilogramm zu schwer.

    Vor dem Verschiffen nach Griechenland stehen uns einige Stunden für Venedig zur Verfügung. Ich war noch nie in dieser Stadt. Sie scheint mir in Europa ein kulturelles Musstdu-gesehen-Haben zu sein. Nach 31 Jahren Leben war es für mich also so weit. Ich verbinde damit Karneval, Gondolieri, viel Wasser, Gebäude auf Pfählen und alles, was Italien sonst zu bieten hat. Wie etwa köstlichen Wein und leckeres Essen. Trotz dieses Halbwissens, von dem manches mehr und anderes weniger zutreffend sein mag, wollen wir doch ernsthaft die Stadt mit unseren Fahrzeugen erkunden. Bringen wir da nicht etwas durcheinander? Es ist Winter, und nicht Sommer, die Aussentemperatur liegt um den Gefrierpunkt und das Wasser ist richtig kalt. Und vor allem: Wir sind mit Motorrädern unterwegs und nicht zwei Jetskis. Uns ist nicht danach, zu Fuss eine der Perlen Norditaliens zu erforschen. So beschränkt sich das Sightseeing auf einen fünfminütigen Abstecher in die Stadt hinein. Zuerst ist Tom dran, ich Suzi und die BMW bewachend, dann ich, Tom auf dem Posten. Denn wir schleppen folgendes Klischee mit uns herum: In Italien sind deine Sachen schneller weg, als du A sagen kannst. Zumindest kommen wir kulinarisch in einer der Vorstädte mehr oder weniger auf unsere Kosten.

    Für die über vierundzwanzigstündige Fahrt mit der Fähre gönnen wir uns nach genauerer Betrachtung ein Upgrade von Auf-Deck auf Komfort-Sitz. Denn Deck klingt nicht gerade einladend und mit dem Sitz versichert man uns einen Komfort wie im Flugzeug. Was uns der Ticketverkäufer verschweigt: Es handelt sich um Sitze wie in einer 30 Jahre alten Iljuschin. So sind unter anderem die Lehnen nicht klappbar, ein Querliegen über mehrere Sitze also undenkbar. Ich finde unter Deck ein Sofa und damit Schlaf. Dass ich dort an sich nichts verloren habe, kümmert mich und die Besatzung wenig. Der Folgetag am Schiff zieht sich. Wir wollen Motorrad fahren, und nicht die Adria kreuzen. Bis dato werde ich das Gefühl nicht los, dass diese Reise mehr Leiden als sonst was ist. Das stille Pochen in mir bezüglich „Warum tue ich mir das an? wird aber deutlich von einem „Das ist sehr gut! übertönt. Weil ich es mir schönrede? Ein Zwei-Mann-Gruppendruck herrscht? Ich nicht umkehren möchte, bevor der Spass richtig anfängt? Dabei habe ich noch keine rechte Vorstellung von dem, was mir in den kommenden Monaten widerfahren sollte. Wenn ich sie hätte, würde ich dennoch weiterfahren?

    Ich habe auch die Musse, über Hintergründe, welche mit meinem neuen Lebensabschnitt zu tun haben, zu reflektieren. Dazu wühle ich in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten. Anfang der 1990er Jahre stecke ich mitten in der Pubertät. Sie ist ein altersbedingtes Faktum. Ob daraus notwendigerweise Stimmungsschwankungen und Gemütslagen resultieren, welche unter anderem meinen Eltern und meiner Schwester das Leben mit mir zur Hölle machen, lasse ich offen. Ich „versuche" meinen Weg in der Gesellschaft, dem österreichischen Staat, in Europa und auf dem Erdball zu finden. Über ein Jahrzehnt später habe ich für mich zwar schon seit längerem erkannt, dass ich letzten Endes nur nach Frieden in mir, also dem Seelenfrieden, suche. Einzig mein Leben führe ich nach wie vor selten basierend auf diesem Verständnis. Daran werde ich noch länger arbeiten müssen.

    „Sex, Drugs and Rock 'n' Roll sind Themen, die mich beschäftigen. Ursprünglich bin ich bezüglich Musik ein eingefleischter Heavy-Metal-Freak. Durch einen sehr guten Freund komme ich jedoch mehr und mehr in den Bannkreis der elektronischen Musik. Und in die Mühlen der diesbezüglichen Klischees. Es dauert lange, bis ich realisiere, dass es keine Rolle spielt, was die anderen denken. Und das es leichtfällt, gegen den Strom der Massen zu schwimmen, wenn ich von innen heraus angetrieben bin. Ich kann tanzen, die ganze Nacht lang tanzen, wenn ich mich voll und ganz der Musik hingebe. Wenn ich sie lebe und der Magie mit Demut begegne. Ganz ohne Drogen und Verschwendung von Gedanken an „Wie sieht die Tanzschrittfolge aus? oder „Bin ich eh im Rhythmus?".

    Die Ankunftszeit in Griechenland ist alles andere als günstig. Am späten Abend driften wir über schmierige Rampen ins Freie. Um diese Zeit ist es nicht mehr lustig, Motorrad zu fahren. Wir checken also nach nicht einmal einer Handvoll Kilometern in einem Hotel ein. Wie reibungslos die Einreise erfolgte, wird mir erst Wochen und Monate später so richtig bewusst. Die EU lässt grüssen. Keine Grenzkontrollen, keine Visaformalitäten, keine Einreisebestimmungen, wenn man mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, eine einheitliche Währung, relativ vertrautes Umfeld und ähnliche Kultur. Je näher ich auf der Reise meinem Ziel kommen sollte, desto mühsamer würden die Grenzübertritte sein. Vor allem jene, wo ich Suzi und mich verschiffen musste. Von Jordanien nach Ägypten gab es einen ersten Vorgeschmack, der Grenzübertritt Ägypten Sudan war mit zwei Tagen Kampf mit der Zoll- und Hafenbürokratie sehr zeitintensiv, Dschibuti Jemen toppte bisher Erlebtes, und der Knaller war schliesslich VAE Indien.

    Die Etappe von Igoumenitsa nach Thessaloniki ist erneut nicht gerade purer Spass. Regen, Schnee, Regen und dann auch noch Dunkelheit. Zumindest gibt es an diesem Tag eine Lektion in Landeskunde sowie die Erinnerung, dass Klischees häufig fernab der sogenannten Wirklichkeit sind. Griechenland verband ich immer mit Strandurlaub, vielen Inseln, Ortschaften mit verwinkelten Strassenlabyrinthen und engen Stufenwegen, weissen Würfelhäusern, Terrassendächern, zahllosen Kirchlein und Kapellen mit lichtblauen Kuppeln. Berge und Passstrassen, Schneepflüge und Skilifte passen nicht in die von mir konstruierte Griechenlandwirklichkeit. Die Arbeit an einem der Ziele der Reise, nämlich mehr Bewusstheit für den Gegensatz Mythos und Wirklichkeit zu entwickeln, hat damit begonnen. Die Lektion ist nicht ganz schmerzlos, da uns die Landesstruktur bremst und Witterungsbedingungen zusetzen. Dafür klappt die Navigation gut. Wir sind zwar ohne Strassenkarte, dafür aber mit Roadmap unterwegs. Diese ist selbstgezeichnet und erweist sich als absolut ausreichend. Wenn wir auch die eine und andere Überraschung bezüglich der Strassenverläufe und Steigungen sowie Gefälle erleben. Ein Motorradhändler, bei dem ich mir noch Ersatzteile besorge, kann unserer Zeichenkunst allerdings wenig abgewinnen und skizziert uns die Strecke kurzerhand selbst.

    Es handelt sich gerademal um den dritten Fahrtag, und mein Frontlicht quittiert schon seinen Dienst. Nun haben Tom und ich zwar in Sachen Maschinenbau maturiert, als Schrauberhelden gehen wir aber nicht durch. Es ist sicher keine Kunst, den Defekt an Ort und Stelle selbst zu beheben. Stattdessen wählen wir aber den bequemsten Weg. Wir akzeptieren den Ausfall und kompensieren ihn durch ein Vorausfahren von Tom, dicht gefolgt von mir. Sein vorderer Scheinwerfer weist uns beiden den Weg. Wie hervorragend dieser funktioniert, zeigt sich gerade in Tunnels und bei Einbruch der Dunkelheit. In der Werkstatt am Etappenziel haben sie zwar prompt eine passende Birne parat, bekommen diese jedoch nicht mehr korrekt eingebaut. Das merke ich erst einen Tag und viele hundert Kilometer später. Das glühend heisse Teil hat inzwischen die Fassung aus Plastik, in der es sitzt, völlig zerschmolzen. Das improvisierte Befestigen mit Klebeband, meinem bevorzugten Werkstoff und -zeug bei Mängeln jeglicher Art, fruchtet wenig. Wir greifen auf die bewährte Methode der gemeinsamen Nutzung des BMW-Scheinwerfers zurück.

    Als Entschädigung für die relativ wilde reine Griechenland-Etappe gönnen wir uns am Abend ein Hotel vom Feinsten. Weder Reisevorbereitungen noch Nutzung von Strassenkarten und Reiseführern – wie finden wir unseren Weg und die Unterkünfte? Wir haben eine grobe Vorstellung davon, wo wir hin wollen, kennen die grossen Städte auf dem Weg dorthin und scheuen uns nicht, nach einem Hotel zu fragen. Und wenn äussere oder innere Umstände ein Weiterfahren zu einem gewaltigen Kraftakt machen, fahren wir ins Zentrum des Ortes, an dem wir uns gerade befinden und sehen uns nach einem Hotel um, das uns schon von aussen anspricht. Als nächstes wird von einem von uns ein kurzer Blick ins Zimmer geworfen und meistens nicht lange gefackelt. Bis jetzt drei Schüsse mit dem heutigen Volltreffer. Und die anderen zwei Unterkünfte gingen dito ins Schwarze.

    Im Zentrum zu wohnen hat den Vorteil, nahe am Geschehen und der von uns erwünschten Infrastruktur zu sein. In Thessaloniki tauchen wir ins Nachtleben ein. Schöne, aufgebrezelte Mädels, Bars mit Stil, tolles Ambiente, schmackhafte Drinks und angenehme Musik. Alles ziemlich Schicky-Micky, abgesehen vom Augenschmaus der weiblichen Outfits und ihrer Trägerinnen, an sich nicht so mein Ding. Gerade mit meinem abgetragenen Biker-Outfit komme ich mir ausgesprochen deplatziert vor. Ich spreche mir selbst Mut zu, indem ich mir vor Augen führe, dass die anderen Gäste keinen blassen Schimmer davon haben, auf welch cooler Tour ich mich befinde. Schon verrückt, wie wir uns die Wirklichkeit zurechtbiegen. Uns mit anderen vergleichen. Gedanken machen, was die Aussenwelt von uns denkt. Anstatt natürlich aufzutreten. Authentisch und mit heiterer Gelassenheit. Ohne zu vergleichen, zu bewerten, zu klassifizieren und Begierden oder Aversionen zu entwickeln.

    Wie in vornehmen Hotels üblich, ist das Frühstücksbuffet der Hit. Der Tag beginnt also schon einmal sehr gut. Und den Energieschub vom ersten Mahl des Tages haben wir dringend nötig, zumal die Monsteretappe Griechenland-Türkei ansteht. Es ist mir im Nachhinein völlig schleierhaft, wie Tom es bei seiner Rückfahrt fertigbringen sollte, die erwähnte Strecke und jene des Vortages auf einmal zu bewältigen. Die Etappe bei der gemeinsamen Hinfahrt ist nicht ganz, aber zumindest ziemlich genial. Wir sind so richtig im Flow. Erstmals ist die Fahrt mit ein paar Stunden Sonnenschein garniert. Immer wieder verblüffend, wie sehr wir uns teilweise über Kleinigkeiten freuen können, wenn uns miese Tage in Erinnerung rufen, dass Liebgewonnenes nicht selbstverständlich ist. Das ist eines der Ziele der Reise. Ich arbeite an der Bewusstheit, dass in unseren Breitengraden Alltägliches und nur allzu Natürliches so selbstverständlich nicht ist. Wenn du es über einen längeren Zeitraum mit Nahrung mit zweifelhaftem Geschmack und Nährgehalt, kaltem Wasser im Bad, abenteuerlichen sanitären Einrichtungen, lautem Umfeld oder verschmutzter Luft zu tun hast, schätzt du von zuhause Gewohntes plötzlich umso mehr. Und begegnest dem Leben vielleicht mit grösserer Dankbarkeit und Demut.

    Für die Strecke Thessaloniki Istanbul haben wir uns nicht einmal die Mühe gemacht, eine Roadmap zu skizzieren. Die Herausforderung beginnt nach wenigen Minuten, zumal weder „Türkei" noch sonst etwas Vertrautes beschildert ist. Planlos irren wir der Autobahnumfahrung entlang und bewegen uns klar in die falsche Himmelsrichtung. Es ist an der Zeit, Hilfe einzuholen. Wir stoppen bei einem Strassenwachttrupp und fragen nach dem Weg zur Metropole am Bosporus. Sind ja schliesslich nur zig hundert Kilometer. Zunächst ernten wir lediglich Ungläubigkeit. Als unseren Helfern aber klar wird, dass unsere Frage ernstgemeint ist, erklären sie uns mit Händen und Füssen, wo wir abzubiegen haben und wie es danach weitergeht. Später wird mir klar, wie unsinnig unsere Frage war. Es ist etwa so, als ob du in Wien nach dem Weg zur Hauptstadt der Schweiz fragst.

    Das Durchfragen funktioniert tadellos. Dennoch brauchen wir zur Grenze länger als erhofft. Und der Übertritt nimmt erstmals auf dieser Reise Zeit in Anspruch. Wir verlassen das Territorium der Union. Als wir die Einreiseformalitäten hinter uns haben, bricht bereits die Dunkelheit an. Dennoch teilen wir das Gefühl, noch genug Kraftreserven zu haben, um das Etappenziel zu erreichen. Die Fahrt nach Istanbul dauert noch mehrere Stunden. Es ist stockfinster und regnet in Strömen. Die von anderen Fahrzeugen aufgewirbelte Gischt ist mit Schmutz und Schmiere vermischt. Mein sowieso schon getöntes Visier beschlägt, wie unter diesen Bedingungen die Regel. Ich habe keinen Frontscheinwerfer und fühle mich beim Fahren unwohler denn je. Frage mich, warum wir denn unbedingt mit der Brechstange ans Ziel müssen? Ob der vorausfahrende Tom mit ähnlich unguten Gefühlen und Gedanken wie ich zu kämpfen hat? Ob er sieht, wohin er fährt? Ihm ist doch hoffentlich bewusst, dass die Strassenverhältnisse in der Türkei nicht unbedingt zentraleuropäischen Standards entsprechen. Mich würde überhaupt nicht überraschen, wenn sich mitten auf der Strasse ellentiefe Schlaglöcher auftun. Ich trimme mich auf „Let go und „Vertraue ins Leben. Einfach nicht die rote Schlussleuchte der BMW aus den Augen verlieren, ungefähr in derselben Spur fahren, Strassenunebenheiten und Rutschpartien mit Gefühl korrigieren. In etwa so wie beim Skifahren auf Buckelpisten.

    Mir erscheint es wie eine Ewigkeit, bis sich die ersten Vorstädte von Istanbul vor uns ausbreiten. In der über zehn Millionen Einwohner beherbergenden Stadt finden wir durch ein Fahren nach Gefühl die Unterkunft. In diesem Fall kenne ich das Hotel von meinem Besuch im Vorjahr und weiss um seine ungefähre Position. Wir gönnen uns einen Ruhetag und nutzen ihn, um durch die Metropole zu flanieren, uns mit der orientalischen Kultur vertraut zu machen und uns an den Ruf des Muezzins zu gewöhnen. Die Gegend hat mich schon 2005 in ihren Bann gezogen. Antik trifft auf modern, alt auf neu, konservativ auf progressiv, Islam auf Christentum, Ost auf West, Asien auf Europa. Völlig eingehüllte Frauen begegnen dir in Istanbul selten. Und selbst in diesen raren Fällen lehnen sie mitunter als Nutzerinnen moderner Einrichtungen cool am Geldautomaten, ihre Körpergrösse durch hochhackige Schuhe betonend. In einem Restaurant im obersten Stock eines zentral gelegenen Gebäudes geniessen wir den 360-Grad-Rundumblick auf die Stadt, die unzähligen Minarette der Moscheen, Kirchtürme, imposante Hochhäuser und den Bosporus. Vergessen sind die Leiden aufgrund von Kälte, Nässe, Wartungsarbeiten am Motorrad und stundenlangen Fahrten. Umkehren kommt mir erst gar nicht mehr in den Sinn. Weiter, immer weiter in Richtung Dubai. So soll es sein. Das fühlt sich richtig, im Sinne von derzeit absolut passend, an. Die Tage in Istanbul sind nicht zuletzt ein Highlight, weil die Metropole die Brücke zu Asien bildet. Mit dem eigenen Motorrad den Bosporus zu überqueren, ist wohl nach dem Brennerpass der erste wirkliche Meilenstein der Reise.

    Von Istanbul geht es erstmals mit einer vernünftigen Strassenkarte weiter in Richtung Osten. Warum ich vom totalen Chaosprinzip Abstriche mache, ist mir selbst nicht ganz klar. Denn die Methode des Weg-Erfragens hat sich bewährt. Tun sich Zweifel bezüglich meiner Lebensphilosophie auf? Ich glaube nicht an Glück und Vorherbestimmung. Ich glaube an die Konzepte „Alles hängt zusammen und „Nichts ist permanent. Schlussfolgerungen daraus sind ein Leben in Liebe und mit Mitgefühl, heiterem Gleichmut, der Fähigkeit und Bereitschaft, loszulassen und dem Vertrauen ins Leben selbst oder dem, was ich Flow nenne. Was braucht es da Strassenkarten und Stadtpläne? Versicherungen gegen alle nur erdenklichen Eventualitäten? Impfschutz? Ersatzteile und Werkzeuge, mit denen ich das Motorrad in seine letzten Einzelteile zerlegen kann? Die Antwort ist klar: Die konsequente Umsetzung meiner Grundhaltung bedeutet, dass es nichts von alledem braucht. Woher kommt also das plötzliche Bedürfnis nach der Scheinsicher- und -informiertheit, welche eine Strassenkarte bietet? Ist meine Grundeinstellung Schwachsinn? Oder bin ich einfach noch nicht reif genug, sie voll und ganz zu leben?

    Der Kampf während der Fahrt durch Nässe und Kälte bringt mich schnell wieder auf andere Gedanken. Weit kommen wir heute nicht. Nach nicht einmal 200 Kilometern sind wir bis auf die Unterhosen durchnässt und Temperaturen von nur knapp über dem Gefrierpunkt setzen uns enorm zu. Mich fröstelt es gehörig, die Zähne klappern, Finger und Zehen werden gefühllos. Mit Ach und Krach schaffen wir es zum nächtlichen Zwischenstopp in einem Provinznest. Dieses Mal geht die Rechnung der Hotelsuche im Ortskern nicht auf. Schliesslich treffen wir aber auf zwei freundliche Türken, die uns mit ihrem Auto durch von Schlaglöchern übersäten Zubringer- und Seitenstrassen, teilweise nicht asphaltiert, vorausfahren und eine nette Unterkunft am Stadtrand zeigen. Wir sind nahezu die einzigen Gäste und erwecken nicht nur wegen unserem Erscheinungsbild Aufsehen beim Personal. Unter Google Earth, von dem ich zwar schon gehört, es aber bis dato noch nie live gesehen habe, müssen wir denn auch den Rezeptionisten zeigen, von woher wir kommen. Schon verrückt, da stehst du in der Lobby eines Hotels in einer unbekannten türkischen Kleinstadt östlich von Istanbul und zoomst dich bis auf wenige Meter ans Haus deiner Eltern heran. Und wünschst dir vielleicht insgeheim doch, in der Heimat geblieben zu sein? Denn Tage wie heute sind nicht wirklich erbaulich.

    Wenige Stunden und einige Ouzos später sollte alles schon wieder ganz anders aussehen. Mit dem Taxi lassen wir uns zurück ins Stadtzentrum chauffieren. Und lernen in einer Bar einen Deutsch-Türken kennen, der gerade zu Besuch bei seinen Verwandten ist. Er kippt sich einen Ouzo nach dem anderen rein und macht mit uns so richtig

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