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Feen Buch 2: Häretiker und Magier
Feen Buch 2: Häretiker und Magier
Feen Buch 2: Häretiker und Magier
eBook480 Seiten6 Stunden

Feen Buch 2: Häretiker und Magier

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Über dieses E-Book

In einer Stadt, die ihre eigenen Priester fürchtet, vereinen sich die Pfade von Häretikern, Magiern, Inquisitoren und Mördern.
Die einen sind hier, um einen Ausweg für sich und ihre Freunde zu finden, die anderen, um dies zu verhindern.
Doch wer sind tatsächlich die Häretiker, wenn der Gejagte mehr über die Götter weiß als der Jäger?
Wer sind die Magier, wenn eine göttliche Gabe doch das selbe bewirkt wie der Zauber eines Hexers?

Im zweiten Band der Feen-Reihe verhärten sich die Fronten, während die Pläne der beiden größten Mächte der Welt kollidieren und die erste Schlacht bahnt sich an.

SpracheDeutsch
HerausgeberPeter Singewald
Erscheinungsdatum6. Jan. 2015
ISBN9781311985132
Feen Buch 2: Häretiker und Magier
Autor

Peter Singewald

Aufgewachsen im Mittleren Westen der bundesdeutschen Republik, erkannte Freya Singewald schon früh, dass sie nicht ganz normal war. Vielleicht hätte ihr ein Hund geholfen, öfter vor die Tür zu kommen. Stattdessen halfen ihr Fantasy Rollenspiele und ein C64 dabei, eine normale Sozialisierung zu vermeiden und ihre Gedanken fest in dem zu verankern, was damals noch eine Subkultur war und heute fest in Fernsehen, Film und Literatur verankert ist: Science Fiction und Fantasy in all ihren Spielarten.Aus den Spielen entstanden Geschichten, aus den Geschichten wurden Manuskripte, aus den Manuskripten schließlich E-Books.Bei so einer kaputten Sozialisation ist es dann kaum noch von Bedeutung, dass ihr Selbstbild nicht mit dem Übereinstimmte, was auf der Geburtsurkunde stand.Heute lebt sie mit ihrer Frau und drei Kindern in einem kleinen Dorf zwischen Hannover und Hildesheim und verdient ihren Lebensunterhalt mit Programmieren, wenn sie nicht gerade Bücher liest oder schreibt.

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    Buchvorschau

    Feen Buch 2 - Peter Singewald

    Feen

    Band 2: Häretiker und Magier

    Von Peter Singewald

    Published by Peter Singewald at Smashwords

    Copyright 2015 Peter Singewald

    Copyright © 2015 Peter Singewald, Heisede

    sinewald@gmail.com

    http://xpoch.de

    https://www.facebook.com/peter.singewald

    Covergestaltung Matthias Utomo

    Ich möchte ein weiteres Mal all jenen danken, die die Mühe auf sich genommen haben, ein uneditiertes E-Book zu lesen und mir trotzdem nicht an den Hals gesprungen sind.

    Imanahm war der Heimathafen aller seefahrenden Händler.

    Dies entsprach natürlich nicht der Wahrheit und die Händler aus Maranal und Rakjahm hätten eine mit unschönen Worten gefüllte Antwort für jeden parat gehabt, der gewagt hätte, solche Worte aus seinem Mund quellen zu lassen. Die vereinte Flotte Imanahms und die Menge der Waren, die sie transportierte, überstieg jedoch um ein vielfaches alles, was die anderen Städte aufzubieten hatten, so dass die Imanahmer die Erwiderung ihrer Kollegen nur müde belächelt hätten, um später bei einem gemeinsamen Essen eine Strategie zu ersinnen, mit der man eine solch impertinente Person ruinieren konnte.

    Der Handel und seine Akteure spielten jedoch für die Anführer der kleinen Gruppe, die am Nachmittag eines Tages im frühen Herbst die Stadt betrat, kaum eine Rolle. Nicht, dass jemand die Gruppe als solche in der Herbstkarawane hätte ausmachen können. Sie bewegten sich zwischen den vielen Karren und Wagen, Kutschen und Trägern, als wären sie Gesellen und Mitarbeiter der einzelnen Händler. Der große Chuor, dessen Geweihaxt unter den Waren eines der Händler versteckt lag, dem er geholfen hatte, seinen Karren aus dem Matsch zu ziehen, war wohl der einzige, der aus den vielen Menschen herausstach, aber auch nur so lange, bis sie die Stadtmauer hinter sich gelassen hatten. Imanahm unterhielt einen regen Handel mit den Chuor, die Flussaufwärts am südlichen Ufer des Großen Jahm lebten. Und die Wolfsmenschen besaßen als einzige Nichtmenschen ein Kontor in der Stadt. Man traf sie zwar nicht auf Schritt und Tritt, die Einwohner hatten sich jedoch an sie gewöhnt und beachteten sie kaum.

    Dass die einzelnen Menschen und der Chuor, die sich nach und nach unter Umarmungen, Schulterklopfen und Händeschütteln von der Karawane verabschiedeten, tatsächlich zusammengehörten, hätte ein uneingeweihter Beobachter frühestens feststellen können, als sie sich an den Werften trafen. Auf dem Weg mochten sich die einzelnen noch nach etwaigen Verfolgern umgesehen haben, sobald sie sich jedoch wiedergetroffen hatten, agierten sie sorglos.

    „Ich weiß, dass ihr den Plan inzwischen auswendig und im Schlaf aufsagen könnt, Shaljel, der leichtfüßigste unter den vier Menschen, lächelte sein verschmitztes Lächeln, „aber hat noch jemand eine Frage? Dabei blickte er seine beiden jüngeren Mitreisenden an, einen Mann und eine Frau, wettergegerbt, mit Tätowierungen im Gesicht, die sich auf der rechten Gesichtshälfte vom Haaransatz bis auf das Augenlid erstreckten. Neben dieser Markierung, die sich kaum verbergen ließ, war jedoch die Kleidung der vier Menschen das, was sie an diesem Ort herausstechen ließ. Sie war schlicht und nach bestem Messen und Ermessen hässlich. Aber sie hielt wärmer, als alles, was diese Stadt zu bieten gehabt hätte. Wenn man die Gruppe so sah, hätte man kaum geglaubt, dass sie beabsichtigten, eine Flotte bauen zu lassen, die der der Händler an Größe nahe kam oder sie sogar übertreffen würde.

    Shaljel zog aus seinem Umhängebeutel mehrere goldene Münzen hervor. Es waren alte Münzen, wie sie seit langem nicht mehr gebräuchlich waren, das Gold sprach jedoch eine zeitlose Sprache. Woher er die Münzen hatte, konnte keiner seiner Gefährten sagen, Estron, der vierte Mensch, und der Chuor Streiter hätten einige Vermutungen anstellen können, denn Streiter war lange mit Shaljel gereist und Estron kannte zu viele der alten Geschichten, um nicht von den alten Reichen zu wissen, deren Tote mehr Schätze besaßen als die Lebenden, denen er begegnete. Estron, der Keinhäuser, dessen Lebensinhalt, wie er meinte, lange Zeit nur daraus bestanden hatte, zu reisen und zu beobachten, wäre früher niemals auf die Idee gekommen, ein Grab aufzubrechen und hätte es wohl aus Respekt vor den Angehörigen sogar verurteilt. Aber mit der Zeit war ihm bewusst geworden, dass für die Toten das Grab keine Bedeutung besaß. Deswegen vergeudete er jetzt keinen Gedanken mehr an den Ursprung des Geldes.

    Die Münzen wechselten die Hand und verschwanden in den jeweiligen Beuteln. Nur Streiter ging leer aus, da ein Chuor, der bei Menschen ein Schiff in Auftrag gab, noch mehr Fragen aufgeworfen hätte, als einige abgerissene Wanderer mit alten Münzen. Die Chuor bauten ihre eigenen Boote und würden eine solche Aufgabe niemals den Menschen anvertrauen.

    Als sich die fünf trennten, machte er sich stattdessen zu einem der Sägewerke auf, die im Nordosten der Stadt das Wasser des Ima ausnutzten, um ihre Sägen zu betreiben. Denn wer Schiffe baute, benötigte Holz. Die Stämme würden bald eintreffen aber zu Brettern mussten sie noch verarbeitet werden. Sie wussten, dass die Bretter, die sie auf diese Weise erhielten noch hätten trocknen müssen, aber die Zeit drängte und sie hofften, dass die Schiffe eine einzige Überfahrt überstehen würden, zumal sie göttlichen Schutz erhalten würden.

    „Wie viele Schiffe könnt ihr bis zum Frühjahr fertigstellen?"

    „Das hängt ganz von dem ab, was ihr haben wollt." Der Besitzer dieser kleinen Werft am äußersten Rand des Hafengeländes hatte Tro-ky zuerst nicht sprechen wollen. Er hatte sogar mit Prügeln gedroht, wenn der ungewaschene und tätowierte junge Mann das Gelände nicht verließe. Der Glanz der Münze, die Estrons Schüler ihm für einen kurzen Moment zeigte, hatte ihn jedoch umgestimmt.

    „Ich benötige Schiffe, die viel Ladung tragen können. Sie müssen nicht schnell sein."

    „Ihr wollt Handel treiben?"

    „Ja. Ich habe eine Quelle im Norden."

    „Wovon sprechen wir? Als Tro-ky nur mit einem misstrauischen Blick antwortete, fügte der Mann schnell hinzu: „Nur damit wir die richtigen Einbauten anlegen können.

    „Herden. Mehr kann ich nicht sagen."

    Der Werftbesitzer nahm sich eine Schiefertafel und kritzelte etwas darauf. Tro-ky hatte nie zu rechnen gelernt. Er konnte die alltäglichen Dinge zusammenzählen und abziehen, aber mit großen Zahlen wusste er nicht umzugehen, vor allem nicht schriftlich. Deswegen beobachtete er interessiert, wie der Schiffbauer fremde Zeichen auf seine Tafel schrieb, übertrug, wegwischte und neu schrieb.

    „Wenn wir jetzt beginnen, dann könnten wir in drei Monaten das erste zu Wasser lassen. Dann kämen die Aufbauten, Takelage und alles andere dran. Allerdings könnten wir an bis zu drei Schiffen mehr oder weniger gleichzeitig arbeiten, so dass wir dann fast jede Woche ein weiteres vom Stapel lassen." Er zeigte Tro-ky die Tafel, deren Existenz jener mit einem Nicken zur Kenntnis nahm, deren Inhalt sich ihm jedoch nicht erschloss.

    „Das Problem ist nur, dass wir erst noch das Holz dafür besorgen müssten. Und natürlich alles andere auch."

    „Ich denke, ich kann euch beruhigen. Tro-ky versuchte ein freundliches Lächeln, was vielleicht nicht ganz erfolgreich war, denn der Werftbesitzer sah ihn irritiert an. „Die Chuor werden in den nächsten Tagen ausreichend Holz den Großen Jahm hinunterbringen.

    „Dann sind sie aber früh dran. Aber das wird nicht reichen."

    „Das wird es. Vertrauen sie mir."

    „Wenn ihr es sagt. Aber wie viele Schiffe wollt ihr, dass wir bauen?"

    „So viele, wie ihr im nächsten halben Jahr bauen könnt." Der Mann begann wieder zu kritzeln.

    „Zehn, wenn ihr euch um die Ressourcen kümmert."

    Tro-ky nickte.

    „Und die Hälfte im Voraus."

    „Selbstverständlich. Nennt euren Preis."

    Zwei Stunden später trafen sich die fünf auf dem Marktplatz. Sie blickten sich an und lächelten, jeder auf seine Weise, mehr war nicht erforderlich. Ähnlich wie Tro-ky hatten auch seine Freundin Kam-ma wie auch Estron und Shaljel eine große Anzahl Schiffe in Auftrag gegeben. Auch Streiter kam vom Sägewerk mit guten Nachrichten zurück. Bisher schien alles wie geplant zu laufen, und für den Moment würden sie noch in Heimlichkeit verweilen.

    Doch natürlich würden sich solch große Aufträge herumsprechen. Natürlich würden die einzelnen Werften voneinander erfahren und sich Gedanken über ihre Auftraggeber machen. Natürlich würden auch die Priester und wenig später die Drachen von diesen seltsamen Vorgängen Meldung erhalten. Spätestens dann würde es zu Nachforschungen, Verfolgungen und vermutlich auch Gewalt kommen. Als sie sich auf ihr Vorgehen geeinigt hatten, war ihnen bald klar geworden, dass ihre einzige Chance darin bestand, sich selbst und ihre Pläne möglichst lange vor ihren Feinden zu verbergen und so schnell wie möglich zu agieren, während sie gleichzeitig für eine Ablenkung sorgten, auf die sich die Priester konzentrieren konnten.

    Die Zeit der Heimlichkeit würde bald vorbei sein. Ein Teil ihres Plans würde bekannt werden. Jetzt galt es, ein halbes Jahr durchzuhalten und alles das, was sie in den letzten Monaten in Bewegung gesetzt hatten, auch zu einem Ende zu bringen.

    *

    Manchmal, für einen kleinen Augenblick, wunderte ich mich, wie jemand wie Shaljel, der älter war als nahezu jedes andere lebende und denkende Wesen auf dieser Welt, so ungeduldig sein konnte. Es waren die Augenblicke, in denen ich zu vergessen schien, wer oder vielmehr was Shaljel war. Verglichen mit den wenigen anderen Feen, die noch lebten, war er geradezu ein Ausbund der Gelassenheit und stillen Meditation. Kein anderer Feen hätte einen Plan entwickeln können, wie er es zusammen mit Estron und mir getan hatte. Sie hätten es wohl nicht einmal versucht, denn selbst wenn ihre Gedanken sich den anderen Völkern zugewandt hätten, ihre Aufmerksamkeit wäre nicht lange genug bei jemand anderem als ihnen selbst geblieben. Aber selbst Shaljel, der in der Lage war, still zu sitzen, anderen zuzuhören und zu beobachten, wäre vermutlich mit seinen Überlegungen bald bei etwas anderem gewesen. Ihm den weisen Keinhäuser zur Seite zu stellen, war nicht viel gewesen, und es hatte mich mehr geschmerzt, als Shaljel es sich vorstellen konnte. Ich wusste jedoch, dass der Feen die Hilfe benötigen würde. Denn ich bin zwar alle Götter, aber ich bin nicht allmächtig. Ich verfolgte meinen eigenen Plan. Einen langsamen, weitreichenden Plan, der erst in vielen Jahren Früchte tragen würde, aber dennoch meine Aufmerksamkeit erforderte. Und auch wenn die meisten Priester sich von mir abgewandt hatten, ihre Gedanken und Gebete forderten immer wieder meine Anteilnahme. Ich hörte die vielen Gebete und versuchte sie zu achten, meine Kraft hatte jedoch ihre Grenzen. Ich betrachtete die Welt durch die Augen derjenigen, die glaubten, aber ich konnte nicht überall gleichzeitig meine Blicke hinwenden.

    So konnte ich vieles von dem, was geschah, nicht verhindern. Oft gelang es mir nur, meinen eigenen und Shaljels Plan zu wahren, nicht aber das Leben aller zu schützen. Mir war bewusst, dass Shaljel die Dinge, die ich Estron und Ohnfeder angetan hatte, nicht gut hieß, nicht gut heißen konnte. Ich selbst hatte lange mit mir gerungen, ob ich dazu das Recht besaß. Am Ende war ich jedoch der Gott aller und durfte nicht nur an den Einzelnen denken. Dennoch werde ich bis an mein Ende hoffen, dass Shaljel mir diese Untaten vergeben konnte.

    *

    Ohnfeder erholte sich nur langsam von den Strapazen vor zwölf Tagen. Niemand konnte es ihr verdenken, auch wenn die anderen Frauen sie immer wieder dazu zwangen, ihre Kinder anzulegen und zu stillen. Natürlich konnte sie unmöglich sechs Babys alleine ernähren, auch wenn die beständigen Flecken von überschüssiger Milch auf ihrem Bett etwas anderes zu behaupten schienen. Ihre Kraft reichte dennoch kaum aus, um eigenständig im Haus herumzugehen.

    Treureigen war die ganze Zeit bei ihr geblieben. Sie fehlte ihren Eltern auf dem Hof, aber diese besonderen Umstände machten ihre Abwesenheit verzeihlich und die Hilfe, die sie ihnen senden konnte, sorgte dafür, dass die Arbeit trotzdem getan wurde. Denn Treureigen besaß inzwischen einen gewissen Einfluss unter den Aleneshi, nicht nur unter denen, die zu dieser Gemeinschaft gehörten, sondern auch unter denjenigen, die den Pilgerpfad bereisten und sogar bei den Unterirdischen. Es fiel ihr immer noch nicht leicht, ihre alte Gewohnheit, sie Zurückgebliebene zu nennen, abzulegen, da sie jedoch nachts beinahe genauso oft den Pilgern aus den Höhlen an der Tür gegenüberstand wie Tagsüber den denjenigen aus dem Licht, gab sie sich große Mühe.

    Glücklicherweise wurden die meisten Gläubigen von den rauen Kerlen, die Feldzieher um das Haus postiert hatte, abgewiegelt. Ohnfeder zu liebe hatte sie anfänglich versucht, das Haus vollständig gegen die Fremden abzuriegeln, die seit Wochen auf dem Hof lagerten. Sie waren ärgerlich, aufdringlich, und nahmen keine Rücksicht, weder auf die Bewohnerin, die sie angeblich verehrten, noch auf die Pilger, die weiterhin den Pfad zum Reshan suchten, für die dieser Hof immer eine Anlaufstelle und ein Lagerplatz gewesen war auf dem letzten Abschnitt auf ihrer Reise in die Dunkelheit.

    Leider wurden es immer weniger, die die alte Pilgerreise in die Präsenz ihres Gottes antraten, und dafür immer mehr, die den kürzeren Weg zu seinen Kindern nahmen. Nach nur zwei Tagen, nachdem sich die Kunde von der Geburt anscheinend in Windeseile bis zur letzten Siedlung des Aleneshivolks herumgesprochen zu haben schien, war der Hof dermaßen überfüllt, dass einige der Frauen, die Treureigen bei der Pflege unterstützten, nicht mehr zum Haus vordringen konnten. Den ersten Tag mochten sich besonders die Ammen noch von der Aufmerksamkeit geschmeichelt gefühlt haben, schien doch etwas von der Heiligkeit der Kinder auf sie abgefärbt zu haben. Als die Pilger jedoch begannen, sie zu berühren und sogar Fetzen aus ihrer Kleidung zu reißen, waren sie verängstigt geflohen. Für die mit Knüppel bewaffneten Wächter waren es einfach zu viele, um den Weg freihalten zu können.

    Und so hatte Treureigen mit Ohnfeder gesprochen. Die Mutter der Gotteskinder und damit das heiligste Wesen, dass es nach dem Gott selbst in der Gedankenwelt der Aleneshi geben konnte, hatte nur die Augen geschlossen und im Stillen versucht, einen Ausweg zu ersinnen. Sie fand keinen.

    „Mir fällt nichts ein, Treureigen. Ich will die Kinder nicht den verrückten dort draußen aussetzen."

    „Ohnfeder! Sie sind doch nicht verrückt. Das solltest du wirklich nicht sagen." Treureigen schämte sich ein wenig ihres Lächelns, das sie nicht unterdrücken konnte.

    „Kann ich nicht? Diese stumpfen Trottel beten meine Kinder an, tun aber nichts, um ihnen zu helfen." Ohnfeder hatte sich kurz im Bett aufgestützt, ließ sich aber wieder zurück fallen.

    Treureigen setzte sich neben ihre Freundin. „Wenn nichts passiert, werden sie immer weiter warten."

    Ohnfeder atmete resigniert aus. „Du hast wohl Recht." Sie schwiegen gemeinsam, während Ohnfeder Ideen im Kopf herumwälzte.

    „Kannst du noch ein paar kräftige Rabauken hierher holen?"

    „Wenn ich durch die Pilger komme."

    „Nimm dir einen von Feldziehers Jungs. Und achte d‘rauf, dass die Rabauken nicht besonders gläubig sind."

    „Ich hab da schon einige in der Nase."

    „Ich sehe, dass die Pilzschabers auf dich Abfärben.

    „Weiß gar nicht, was du meinst. Sie lachten, Treureigen wurde aber schnell wieder ernst. „Und was soll ich ihnen versprechen, damit sie auch kommen?

    „Sag ihnen, dass sie die Priester und Pilger ärgern können."

    „Mhm, vielleicht reicht das ja. Aber ich glaube, ich verspreche ihnen auch ein anständiges Mal. Was sollen sie denn machen?"

    „Also, ich hatte mir überlegt, dass wir die Kinder einmal am Tag zeigen. Die Rabauken schützen uns dabei und du, zwei Ammen und ich halten die Babys. Sie sah Treureigen an, die keine Reaktion zeigte. „Ich weiß, es ist kein großartiger Plan. Aber ich glaube, wir müssen langsam anfangen. Irgendwann werden wir vielleicht sogar durch die Menge gehen. Noch traue ich mich aber nicht vom Haus weg. Kannst du das verstehen?

    „Nur zu gut."

    „Und was meinst du?"

    „Zu deinem nicht großartigen Plan? Ich denke, du hast Recht: es ist ein Anfang."

    Es dauerte zwei Tage, bis Treureigen eine Horde Jugendlicher zusammengesammelt hatte. Die pubertierenden jungen Männer wurden jedes Jahr auf eine Wanderschaft um die Gemeinschaften geschickt, damit ihr störender Einfluss auf die Gemeinden gerecht verteilt wurde. Diese Zeit wurde ihnen zugestanden, um sich auszutoben, bevor man von ihnen erwartete, ernsthafte, gläubige Aleneshi zu werden. Jeder wusste, dass man sich besser von ihnen fernhielt, wenn man nicht verspottet, gestoßen oder angespuckt werden wollte. Für die Menschen mochten dies kaum ernstzunehmende Vergehen sein, aber für die von Natur aus friedfertigen Aleneshi waren dies Verbrechen, die mit Stockschlägen bestraft werden konnten. Nur die Jugendlichen wurden davon ausgenommen.

    Als sie eintrafen, bildete sich hastig eine Gasse zwischen den Pilgern. Gleichzeitig öffnete sich die Tür von Ohnfeders Hütte und Treureigen sowie drei andere Frauen brachten Krüge, Schüsseln und Teller hinaus.

    „Los Jungs, lasst uns essen." Die zehn Rabauken beschleunigten ihre Schritte, bis sie vor der Hütte zu stehen kamen. Ohne weiteres Aufheben machten sie sich über die Speisen her. Als Schalen und Krüge geleert waren, stand der augenscheinliche Anführer auf und wandte sich in einem überheblichen Ton an Treureigen, die die ganze Zeit über im Türrahmen gewartet hatte.

    „Das war ganz nett, Gnädigste. Das reicht für heute. Sollen wir uns dann mal aufstellen? Wir haben nicht den ganzen Tag."

    Treureigen quittierte die Worte mit einem Augenrollen.

    „Hockt euch bitte, in einem Halbkreis. Und schubst jeden, der näher kommt."

    Die Jungs kicherten gehässig, ließen sich aber Zeit, der Bitte Folge zu leisten. Sie schlenderten auf ihre Plätze und sackten einer nach dem anderen in die Hocke.

    Treureigen ließ den Kopf hängen und hob ihn erst wieder, als der Anführer grummelte: „Geht’s jetzt endlich los?"

    Sie straffte sich und blickte in die Hütte hinein, bis sie Ohnfeder nicken sah. Dann erhob sie ihre Stimme: „Die Frau Ohnfeder von den Grünhainen kommt jetzt heraus. Sie wird euch die Babys zeigen." Die Pilger, die nach und nach in Erwartung verstummt waren, als Treureigen sich aufgerichtet hatte, brachen zuerst in Gemurmel, dann in Geschrei aus, während sich die Nachricht weiter nach hinten verbreitete. Immer mehr erhoben sich und drangen nach vorne. Treureigen wich zum Türrahmen zurück, Die rauen Jungs blieben jedoch ruhig und der Anführer begann sogar zu lachen. Die Stimme hatte eine ungewöhnliche Wirkung auf die Pilger, die dem Haus am nächsten waren. Treureigen konnte sehen, wie ihre Gesichter sich vor Erschrecken verzogen. Sie hielten in ihrer Bewegung inne, konnten jedoch nicht verhindern, dass sie noch ein Stück weiter geschoben wurden. Die Verzögerung verstärkte die Unruhe in den Reihen der Andrängenden. Die Stimmen wurden lauter, so laut, dass den Frauen im Haus Angst und Bange wurde. Die Jugendlichen standen jetzt auf und machten sich bereit, zu schubsen und zu spucken. Ihren angespannten Rücken konnte man ansehen, dass sie die Situation inzwischen nicht mehr ganz so lustig fanden.

    Plötzlich spürte Treureigen eine Hand an ihrer Schulter. Es war eine große Hand, die jedoch zitterte. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Ohnfeder hinter ihr stand. Sie schloss die Augen, denn sie fürchtete, dass sie versagt hatte. Sie hatte sich die Worte, die sie sagen wollte, die ganze Nacht durch den Kopf gehen lassen. Sie waren jedoch so ganz anders aus ihrem Mund gekommen, als sie in ihrem Verstand geklungen hatten. Jetzt waren die Pilger in Aufruhr, weil sie nicht die richtigen Worte hatte finden können. Ihretwegen musste Ohnfeder um ihr Leben fürchten.

    „Mach dir keine Vorwürfe. Ohnfeder umarmte ihre Freundin von hinten. Sie kannte sie zu gut, um ihre Haltung nicht deuten zu können. „Ich habe doch gesagt, dass sie verrückt sind. Damit schob sie sich durch die Tür. Sie blieb kurz hinter den Rabauken stehen, die inzwischen unruhig hin und her blickten. So hatten sie sich den Spaß nicht vorgestellt.

    Dann verharrten sie.

    Vielleicht lag es daran, dass die Pilger plötzlich an ihnen vorbei sahen. Vielleicht spürten sie aber auch Ohnfeders Anwesenheit hinter sich. Auf jeden Fall gewannen die Jungs neue Kraft und schubsten den einen oder anderen.

    Sie blickten sich um und als sie Ohnfeders Gesichtsausdruck sahen, wichen sie zur Seite. Ihre Züge schienen noch freundlich zu sein, aber aus ihren Augen blitzte etwas, dem jede Freundlichkeit fehlte. Sie hatte frisch entbunden, was ihr eine fast übernatürliche Aura und ein böswilliges Selbstbewusstsein gab, und sie war wütend. So wütend. Auf die dummen, dummen Pilger auf ihrem Hof. Auf die Jungs, die sie schützten, weil sie keine Ahnung von dem hatten, was um sie herum vor sich ging und trotzdem glaubten, darüber lachen zu dürfen. Auf den Gott, der sie ausnutzte. Und vor allem auf sich selbst, weil sie sich die ganze Zeit hinter Treureigen und den anderen versteckt hatte.

    „Hört mir zu, krächzte sie hervor. Sie schluckte trocken und wiederholte lauter: „Hört mir zu! Es wurde stiller, aber weiter hinten schien man noch nicht mitbekommen zu haben, was sich vor der Hütte abspielte.

    „Ich bin enttäuscht. Ich bin wirklich enttäuscht von euch. Und sehr wütend. Sie machte eine Pause, während sie die betroffenen Gesichter betrachtete. „Was fällt euch ein? Ich bin nur eine einfache Bäuerin. Was fällt euch ein? Ihr kommt auf mein Land! Mein Land! Ihr belästigt mich Tag und Nacht! Ihr stört meine Kinder, weckt sie auf! Jetzt bedroht ihr uns auch noch? Eine einsame Träne quoll aus ihrem linken Auge. „Was fällt euch ein? Schämt euch! Ja, schämt euch! Ihr seid keine Rabauken mehr!"

    Inzwischen war es ganz still geworden und nur die wenigen Onren, die noch übrig waren, schrien in ihrem Stall. Einige der Pilger nickten betroffen.

    „Ich wollte euch meine Kinder zeigen. Meine Kinder! Versteht ihr das? Ich habe mein Wort gegeben. Deswegen werden meine Freundinnen mir helfen, sie herauszubringen. Die Gesichter hellten sich auf. „Dafür erwarte ich von euch, dass ihr euch benehmt. Und ich erwarte, dass ihr dann von meinem Hof verschwindet.

    Ohnfeder hatte wenig Hoffnung, dass wirklich alle gehen würden, aber jeder, der weg war, war in ihren Augen eine Verbesserung. Sie fürchtete nur, dass immer mehr kommen würden.

    Sie musste einen Ausweg finden, der die Pilger von ihren Kindern auf Dauer fernhalten würde.

    *

    Er war wieder auf dem Weg nach Imanahm. Er hatte nicht sofort seinen Karren wenden können, nachdem die Karawane an ihm vorübergezogen war. Erst hatte er Lanei loswerden müssen, der immer noch in seinem Versteck unter den Kisten gelegen hatte. Enk hatte ihn schlechterdings einfach aussetzen können, was er bedauerte. Lanei schien ein anständiger Kerl gewesen zu sein, aber das Risiko, dass er irgendjemandem von seiner Flucht erzählen würde, war einfach zu groß gewesen. Enk hatte ihn schnell getötet, so schmerzlos, wie es mit einem kleinen Messer möglich war. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich dabei nicht wohl gefühlt. Normalerweise konnte er zusehen, wie sich ein Opfer in Agonie auf dem Boden wälzte, ohne etwas dabei zu empfinden. Seitdem er selbst Frau und Kinder zurück gelassen hatte, die jetzt ohne ihn zu Recht kommen mussten, verband ihn etwas mit Männern wie Lanei. Deswegen musste er zum ersten Mal an diejenigen denken, die durch seine Taten ohne einen geliebten oder einen anderen ihnen wichtigen Menschen auskommen mussten.

    Er hatte dem großen Mann vielleicht hundert Schritte vom Weg entfernt eine Luftbestattung gegeben. Es war riskant und er hätte auch die Zeit gehabt, ihn zu begraben. Aber in Ermangelung der Werkzeuge und in Anbetracht dessen, dass er seinen Karren dafür eine ganze Weile unbewacht am Wegesrand hätte stehen lassen müssen, hatte er die schnellste Methode gewählt, die Leiche zu entsorgen.

    Auf dem Weg zurück zur Stadt hatte er die Kisten mit verschiedenen Waren gefüllt, die er günstig erwerben konnte. Es war besser, in der Stadt eine gewisse Tarnung aufrechterhalten zu können, denn diesmal sah sein Plan weniger elegant aus und sein Aufenthalt mochte länger dauern, als es ihm recht sein konnte.

    Er wollte Estron finden, deswegen war er ursprünglich nach Imanahm gekommen. Denn hier wurden alle Verhörprotokolle der Priester Veshtajoshs gelagert. Auf diese Weise hatte er von Lanei erfahren, dem man unter der Folter entlockt hatte, dass Estron, der Keinhäuser, ihn besucht hatte. Enk kannte den Mann, war einst mit ihm gewandert, aber das war nicht das eigentlich Interessante gewesen. Lanei hatte etwas gesagt, das für die Priester anscheinend nicht wichtig gewesen war. Gründlich wie sie waren, hatten sie es dennoch notiert. Es war so eine Kleinigkeit, dass selbst er es beinahe überlesen hatte: Der Besucher hätte sich mit einem neuen Freund treffen wollen, jemand wichtigem, wie Lanei an anderer Stelle gesagt hatte. Soweit war es nicht bemerkenswerter als andere erzwungene Geständnisse gewesen. Nur dass Lanei beschrieben hatte, wie aufgeregt Estron gewesen sei, hatte Enks Denken angetrieben. Estron war immer neugierig und gespannt auf alle neuen Begegnungen gewesen. Wenn jemand, der ihn kannte, betonte, dass der Keinhäuser aufgeregt war, dann hatte dies etwas zu bedeuten.

    Und dann war er Estron auf der Straße begegnet. Er wusste, dass auch sein alter Weggefährte ihn erkannt hatte. Trotzdem hatten beide kein Wort verloren. Enk wusste, warum er selbst still geblieben war, hätte er doch ansonsten seine Verkleidung verraten. Aber Estron hatte das Gespräch ebenfalls vermieden, obwohl nichts zwischen ihnen stand, soweit Enk es wusste.

    Doch wichtiger an dieser Begegnung war gewesen, dass sie überhaupt stattgefunden hatte. Natürlich war es nicht unmöglich, dass man sich ein zweites Mal im Leben begegnete. Aber mit dem Verdacht, den Enk hegte, und all den anderen Umständen seiner Reise, war er sich sicher, dass dies kein Zufall sein konnte. Es waren Dinge in Bewegung geraten, von denen Enk wusste, dass er keine Kontrolle über sie haben würde, und sowohl Estron als auch er selbst wurden von ihnen mitgerissen. Er zweifelte nicht daran, dass sie beide auch selbst neue Anstöße geben würden, aber wer waren sie schon, wenn sie sich mit den Drachen messen mussten, die ihn zu einem Teil ihres Plans gemacht hatten. Ein Gedanke, der Enk nicht gefiel, der ihn aber bereits seitdem er seine Familie zurückgelassen hatte, verfolgte.

    Am liebsten wäre er geflohen, hätte sich versteckt, denn das, was die Drachen bezweckten, konnte nichts Gutes bedeuten, weder für ihn selbst, noch für die Völker, die in ihrem Herrschaftsbereich lebten. Aber gleichgültig, wie groß diese vorgestellte Gefahr sein mochte, die reale Gefahr für seine Familie war größer.

    So machte er weiter und dachte an seine Frau und seine beiden Söhne, wann immer er sich einen ruhigen Augenblick zu gönnen wagte. Er hatte wenig Hoffnung, seinen Auftrag zu erfüllen. Selbst wenn es ihm gelang, Shaljel Githon zu finden - und um niemand anderen konnte es sich bei Estrons besonderen Freund handeln - dann würde er doch versagen, denn gegen einen Feen konnte er nicht gewinnen. Nach allem, was man wusste, schliefen Feen nicht, waren immun gegen Gifte, bewegten sich schneller und waren stärker als jeder Mensch. Außerdem hieß es, dass sie große Magier seien. Bei Vielem von dem, was man über die Feen sagte, konnte Enk natürlich nicht genau wissen, ob es wahr war, seine einzige Begegnung mit einem Feen hatte ihm jedoch bewusst gemacht, dass er ihnen körperlich aussichtslos unterlegen war. Ein Hinterhalt mochte ihm den entscheidenden Vorteil verschaffen, doch eigentlich hoffte er nur, dass die Drachen ihr Wort halten würden und seine Familie verschonen würden.

    Gleichgültig, ob er seinen Auftrag zu Ende führte oder starb, seine Familie würde sicher sein.

    Die Wache am Stadttor von Imanahm meinte, den zottigen Mann auf seinem Karren wiederzuerkennen, wich aber dem grimmigen Blick aus, der ihr vom Kutschbock zugeworfen wurde. Das war nicht der schusselige Bauer, der vor vielleicht zwei Wochen die Stadt verlassen hatte. Er blickte dem Karren nach, der in Richtung des Marktplatzes verschwand. Sein herausströmender Atem war so laut, dass sein Kollege, der sich gerade um eine kleine Pilgergruppe gekümmert hatte, zu ihm hinüberblickte. Der Wächter erwiderte den Blick und man konnte in seinem Gesicht lesen, dass er meinte, nur knapp dem Tod entronnen zu sein

    *

    Hylei hatte sich schnell erholt, auch wenn die Hälfte ihres Gesichts immer noch blau und grün war. Als sie in Imanahm eintrafen, war es abgeschwollen und erregte kein Aufsehen. Sie wirkte nicht mehr entstellt, aber die Verfärbungen hatten zusammen mit der Farbe, die sie sich beide ins Gesicht geschmiert hatten, den überraschenden Effekt, dass ihre Schönheit vernebelt wurde.

    „Jetzt sind wir am Meer."

    „Noch nicht."

    Pethen deutete auf die große, uferlose Wasserfläche, die sie vom Hafen aus sehen konnte.

    „Wenn das nicht das Meer ist, dann weiß ich nicht, was es davon unterscheidet. Woher weißt du, dass es nicht das Meer ist?"

    „Ein Freund hat es mir erzählt."

    Mehr würde er nicht aus ihr herausbekommen, denn so verliefen ihre Gespräche fast immer, wenn man sie denn Gespräche nennen wollte. Wenn sie auf dem Weg waren, konnte er gut damit leben, nicht sprechen zu müssen. Sie liefen schnell, sie liefen lange, vor allem, nachdem er ihre Verfolger jetzt stärker spürte. So vergingen die Tage meist ohne ein Wort, bis sie abends ihr Lager bereiteten. Manchmal hatte er das Gefühl, dass Hyleis Hände mehr sagte, als ihr Mund, denn die meisten Anweisungen auf dem Weg waren Gesten, die den Weg wiesen oder zur Vorsicht mahnten. Während sie mit den Pilgern gewandert waren, hatte ihr Tag mit einem Lager in einem Stall geendet. Nachdem sie wieder alleine gewesen waren, hatten sie wieder auf frostigen Böden abseits der Straße geschlafen. Und sie hatten ihr Training wieder aufgenommen, aber auch da waren die Gespräche auf das Nötigste beschränkt gewesen. Was bedeutete, dass Pethen ihr viel erklärte, wenn es um Magie ging, und sie ihm knappe Anweisungen gab, wenn sie ihm Kämpfen beizubringen versuchte. In der Stadt mussten sie selbstverständlich von ihrem Training absehen, obwohl es schien, dass sie für den Moment mehr Zeit dafür haben würden, als die letzten Wochen und Monate zusammen. Zumindest, bis sie entschieden hatten, wohin sie als nächstes fliehen sollten.

    Während sie die Wellen betrachteten, die von dem kalten Wind ans Ufer getrieben wurden, grübelte Pethen über ihre nächsten Schritte nach. Sie brauchten eine Unterkunft. In der Stadt fielen sie zu sehr auf, wenn sie sich einfach in einer Sackgasse ein Lager bereiteten. Aber noch viel dringender benötigten sie Nahrung, was wiederum bedeutete, dass sie Geld besorgen mussten.

    Pethen war kein Dieb. An dieser Überzeugung hielt er fest, obwohl sie unterwegs mehrfach sogar in Höfe eingebrochen waren, um sich das Nötigste zu besorgen. Eigentlich respektierte er den Besitz anderer. Bei Hylei war er sich andererseits sicher, dass ihr der Besitz anderer gleichgültig war. Oder nein, es sollte wohl richtiger heißen: der Besitz der normalen Menschen. Pethen konnte sich nicht vorstellen, dass sie etwas von ihm oder irgendeinem Feenling stahl, noch wusste er von irgendwelchen Diebstählen in der Magierzuflucht.

    Trotzdem hoffte er, dass sie nicht an diesem Ort auf die Idee kommen würde, auf Diebestour gehen zu können. Es gab zu viele Menschen, die sie sehen oder aufhalten konnten und vor allem konnten sie nicht einfach in den Büschen untertauchen, um den Verfolgern zu entkommen.

    So blieben ihnen nur zwei Möglichkeiten, an Geld zu kommen, Betteln oder eine Arbeit annehmen. Betteln verlangte, dass sie sich an eine Straße oder einen Platz setzten und sich allen offenbarten. Ganz davon abgesehen, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob Betteln in dieser Stadt erlaubt war, war ihm nicht wohl dabei, sich jedem zu zeigen und er konnte sich nicht vorstellen, dass Hylei es wollen würde.

    Aber welche Arbeit konnten sie schon annehmen? Er war der Sohn eines kleinen Pachtbauern und von Hylei wusste er nicht mehr, als dass sie sich gut im Wald auskannte und besser mit Magie umgehen konnte, als jeder andere Schüler der Zuflucht. Vielleicht konnten sie irgendwo im Hafen beim Beladen helfen oder irgendeine andere ungelernte Arbeit übernehmen. Aber vermutlich müsste er sich eine andere Arbeit als Hylei suchen, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Er gab sich die Schuld daran, dass sie vor wenigen Tagen von einigen Pilgern gefangen genommen worden waren. Seitdem fühlte er sich für sie verantwortlich. Und wenn er sie aus den Augen verlor, konnte er sie noch weniger beschützen, als er es bisher getan hatte. Allerdings durfte sie niemals erfahren, dass er auf sie aufzupassen versuchte. Sie würde ihn vermutlich nicht nur mit ein paar knappen aber verletzenden Worten davon kommen lassen.

    Es stellte sich nur die Frage, warum sie hier blieben, an einem Ort, an dem es nur so von Priestern wimmelte, wo sie den Pilgern so leicht erneut begegnen konnten, wo die Gefahr, dass jemand Hylei für das erkannte, was sie war, größer war, als an jedem anderen Ort. Man hatte sie auf dem Weg hierher in einer Scheune enttarnt. Einem Ort, den sie mit niemandem außer ein paar Ges geteilt hatten.

    Und die Frage war leicht zu beantworten: Es wurde Winter. Es hieß, im Süden wäre es wärmer, bisher hatten sie jedoch nichts davon gespürt. Vielleicht wurde es besser, wenn sie noch weiter liefen. Allerdings hätten sie dafür ein Boot finden müssen, dass sie über den Großen Jahm oder seine gewaltige Mündung bringen würde. Dabei war es nicht einmal schwer ein solches Boot zu finden, wie sie bereits herausgefunden hatten. Nur bezahlen konnten sie es nicht.

    „Was machen wir jetzt?"

    „Wir verstecken uns."

    „Du weißt, dass wir uns Geld beschaffen müssen?"

    Hylei nickte, sah aber immer noch weiter aufs Wasser hinaus. Der Angriff auf sie, die Schläge durch den Söldner, ihr Entkommen, nur dank der Gnade derselben Söldner, hatten ihre Spuren bei ihr hinterlassen, mehr als nur die abheilenden Schwellungen, die vielleicht einige ihrer am wenigsten schmerzhaften Erinnerungen waren.

    Sie versuchte nicht ihrem Weggefährten die Schuld für diese Schmerzen zu geben. Er war jung, unerfahren und, wenn es um etwas anderes als die Magie ging, ein Idiot. Seine Kampfübungen machten zwar Fortschritte, wenn er jedoch nicht auf seine Magie zurückgreifen konnte, war er nutzlos. Wenn Meister Zelon ihr nichts verheimlicht hatte, hatte er bisher noch niemanden getötet und Hylei glaubte nicht, dass er es konnte. Manchmal fragte sie sich, warum sie ihn überhaupt mitschleppte. Wenn er nicht immer noch mehr über Magie wissen würde als sie, sie hätte ihn bereits am Wegesrand liegenlassen.

    Hylei gelang es ein weiteres Mal, wie auch schon die ganzen letzten Tage seit ihrer Gefangennahme, nicht zu weinen.

    Wie Pethen vermutet hatte, wollten die Meister im Hafen einer Frau keine Arbeit geben. Es hatte nur noch gefehlt, dass sie sie ausgelacht hätten. Er selbst hingegen wurde gerne beschäftigt, weil er billig war und die Arbeitskräfte knapp wurden. Jemand hatte

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