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Das Herz des Zahnradmädchens: Eine Steampunk-Romanze
Das Herz des Zahnradmädchens: Eine Steampunk-Romanze
Das Herz des Zahnradmädchens: Eine Steampunk-Romanze
eBook156 Seiten1 Stunde

Das Herz des Zahnradmädchens: Eine Steampunk-Romanze

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Über dieses E-Book

So technisch genial wie sozial inkompetent, schlägt Roald Baxter sich als Ingenieur durch das London der späten Industrierevolution. Der Fund eines komplexen weiblichen Automaten in der Themse stellt ihn jedoch vor große Herausforderungen. Wer ist diese geheimnisvolle Lady und kann sie als Maschine überhaupt ein Bewusstsein haben? Obwohl Baxter vom Mechanismus ihrer Geheimwaffen fasziniert ist, sorgt die Idee einer menschlichen Beziehung bei ihm für Entsetzen. Die Maschine wird jedoch von magischen und mechanischen Gegnern verfolgt. Um hinter die Rätsel ihrer Zahnräder zu kommen, müssen die beiden sich gegenseitig verstehen um nicht nur Kämpfe im brennenden Stahl, sondern auch Magie und den Grund ihrer eigenen Seele zu konfrontieren.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Juni 2020
ISBN9783752959901
Das Herz des Zahnradmädchens: Eine Steampunk-Romanze

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    Buchvorschau

    Das Herz des Zahnradmädchens - Glauconar Yue

    Kapitel 1: Die Blechjungfrau der Themse

    Es liege an uns zu befragen, inwiefern Roald Baxter ein Einzelfall oder ein typisches Produkt seiner Zeit war. In dem Moment, in dem unsere Erzählung ansetzt, erfuhr Baxter sein fünfundzwanzigstes Lebensjahr und schritt eine Steintreppe zu einem Kai an der Themse hinunter. Während sein Gesicht meistens mit sorgfältigem und methodischem Strich rasiert war, standen die braunen Haare oberhalb seiner runden Brille eher durcheinander. Wie ein ordentlicher Londoner trug er in seiner braun karierten Weste immer eine goldene Taschenuhr, nach der er sein ganzes Leben richtete. So war er auch an diesem dritten Mai wie jeden Mittwochnachmittag pünktlich um 6:30 Uhr am Eagle Wharf südlich der Vauxhall Bridge, um Geschäfte zu treiben, die für die dreiköpfige Besatzung des Fischkutters „Robin" höchst ungewöhnlich erschienen, die aber inzwischen zu einer Gewohnheit geworden waren.

    Es war nicht mehr zu bestreiten, dass die immer größeren Dampfschiffe die Fischerei komplett erobert hatten und kleinen Booten wie der „Robin keine Chance ließen. Aber die Flüsse und Küsten Englands waren nicht nur überfischt, auch waren sie durch den vielen Abfall der Großstädte für die meisten Tiere nicht mehr als Lebensraum geeignet. Wenn also die „Robin ihre Netze in einem englischen Fluss auswarf, fing sie keine Fische, sondern Essensreste, leere Flaschen und Schrott; also jene Dinge, welche die meisten Londoner als Müll ansahen.

    Obwohl er auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Londoner wirkte, der weder ein besonderes Vermögen noch finanzielle Probleme hatte, zeigte sich Roald Baxter an gewissem Müll besonders interessiert; genauer gesagt, an bestimmten Schrottteilen. Die „Robin" hatte sich ihrerseits vollständig solchen außergewöhnlichen Geschäften gewidmet, sei es unauffälliger Privattransport oder Beschaffung von Produkten, die dem Gesetz nach nicht existieren dürften. Schrott zu fischen war für sie also immerhin nicht die zwielichtigste ihrer Tätigkeiten, und auch wenn die Bootsmänner Baxter als einen komischen Kauz ansahen, war er im Vergleich zu manch anderem Auftraggeber ein anständiger Bürger. In dem, was zu dieser Zeit die größte Stadt der Welt war, kursierten reichlich Gerüchte von wahren Ausnahmen: In den Slums sammelten die Serienmörder nicht Schrott, sondern Menschenteile, und unter der high society vermehrten sich die hermetistischen Geheimbünde und Geister-Séancen. Die Matrosen sprachen gerne von diesen Sachen, gerade weil sie sie nie gesehen hatten; Augenzeugen von diesen Themen verloren dagegen kein Wort darüber.

    An jenem Mittwochnachmittag war es jedoch Baxter, den der Fund der „Robin" in Erstaunen versetzte. In den verworrenen Netzen auf dem Deck des Fischerboots, lagen die verrenkten Glieder eines Frauenkörpers. Ihre bleiche Nacktheit wurde nur teilweise durch ihre langen, schwarzen Haare bedeckt, die sich um die unverbundenen Körperteile wickelten. Der Anblick war aber nicht blutig, sondern ließ in den Löchern, die nicht mit Seetang verstopft waren, die inneren Mechanismen eines lebensgroßen Automaten erkennen. Auf den ersten Blick sah die Textur des lackierten Holzes tatsächlich wie Haut aus, doch auch an den heilen Stellen waren die Schultern und Hände sichtbar mechanisch. Dass die Finger einzeln artikuliert waren, deutete auf ein besonders detailliertes Handwerk hin. Baxters Augen flogen über den formlosen Körper und tasteten sich durch die Uhrwerke und Federn. Die Messingteile waren hier und da leicht verformt, aber es würde sich viel retten lassen, dachte er. Der verkehrt liegende Kopf des Automaten erwiderte aus großen, schwarzen Augen den Blick willenlos, fast in die Leere starrend.

    „Hübsches Mädel, was?, lachten die Matrosen. „Mein Opa, der hat mal auf hoher See eine richtige Meerjungfrau gefangen. Hat sie aber danach wieder freigelassen, die war ja noch lebendig. Tja, das waren Zeiten. Heutzutage fängt man nur noch kaputte Blechjungfrauen.

    „Das ist weder ein Mädchen noch eine Meerjungfrau, erwiderte Baxter, „keinerlei Mensch, sondern eine Maschine. Als Maschine ist sie aber durchaus sehr hübsch, das schon.

    „Auf hoher See war sie auch nicht, das war fast Canvey wo die uns ins Netz kam. Hat ja noch Glück gehabt, wär' sie wirklich ins Meer gekommen, hätte keiner sie da gefunden, das arme Ding. Aber immerhin, zehn Schilling wird sie wohl wert sein, ne?"

    Baxter schob seine Brille mit der linken Hand auf seiner Nase hoch. „Ich hab nur sechs Schilling dabei..."

    „Na gut, wird schon passen", knurrte der Schiffsfahrer.

    Baxter packte die feuchten Teile in einen großen Stoffsack und machte sich auf nach Hause. Von der Vauxhall Bridge aus lief die Menge von Fußgängern die gepflasterte Straße in Richtung Buckingham Palace und musste aufpassen, von den vielen Pferdekutschen nicht angefahren zu werden. Der für Baxter übliche Weg war zu dieser Gelegenheit etwas beschwerlicher, da er am lichten Tag etwas trug, das einem Menschenkörper ähnelte, aber sein Gewicht in Metallteilen bei Vielfachem übertraf. Nicht dass nicht abends ab und zu eine unglückliche Lady in den Gassen des Pimlico-Viertels verschwand, weshalb die Gegend in den letzten Jahren an gutem Ruf verloren hatte. Es war aber die Uhrzeit, die für die Aufgabe besonders ungünstig war. Aus den dreistöckigen Gebäuden auf beiden Seiten der Straße schauten ihm einige Gesichter nach. Darüber schwebte noch ein Strang verqualmter Himmel, in den die vielen Schornsteine mündeten.

    Sobald er zuhause war, packte Baxter die Körperteile sorgfältig aus und ordnete sie auf seinem Arbeitstisch. Der Tisch war das einzige, was im Zimmer der Dachgeschosswohnung anständig beleuchtet war. In der Dunkelheit ringsherum tickten und ratterten mehrere eigenartige Uhren, Skalamodelle von neuartigen Eisenbahnen oder Dampfschiffen, und kleinere Hausgeräte, deren Zweck der Erfinder selbst nicht hätte erklären können, sollte jemand zufällig in seine Wohnung finden. Hätte jemand sich in sein Zimmer verirren und die Rollen und Hefte durchstöbern, die in den Ecken verstaubten, würde er eine Unmenge von aufwändigen Plänen finden, unter anderen für den Crystal Palace, die Victoria Station und die Tower Bridge wie sie hätten sein können, wenn die Entscheidung nur von Baxter abhinge. Leider hatte der Ingenieur bis zu diesem Tag keinen Auftrag bekommen, der seinem Ehrgeiz angemessen wäre. Und Besuch hatte er auch seit Jahren nicht mehr.

    Stattdessen fand er sich dazu gezwungen, seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Nähmaschinen und Spielzeug, in die er heimlich experimentelle Mechanismen einbaute, zu bestreiten. Der Automat, hoffte er, würde ihm viele Möglichkeiten zum Experimentieren geben und sich auch als modisches Objekt gut verkaufen lassen. Solche menschenartigen Maschinen waren auf Technikausstellungen zu einer wahren Sensation geworden, auch wenn sie nichts konnten als repetitive Sätze zu schreiben oder ein einziges Stück auf dem Klavier zu spielen. Da es aber eigentlich kein Mensch war, würde Baxter schon gut damit umgehen können.

    Mit Pinzetten und Zangen ging Baxter an die Körperteile auf seinem Arbeitstisch und fischte den Seetang aus den Gelenken. Viel davon war tatsächlich mit der Maschine verwachsen, als hätte sie länger auf dem Flussboden gelegen. Als er es los war, setzte er eine Brille mit Vergrößerungsgläsern auf und machte sich daran, die kaputten Teile auseinander zu legen, um sie zu reparieren oder zu ersetzen. Außer den üblichen Messingteilen enthielt das Uhrwerk auch einige Stahlschichten. Die Materialien hatten nicht die Qualität, die inzwischen bei Herstellern wie Granthon Steels Standard war, sondern deuteten auf ein älteres Baujahr hin.

    Um mehrere Jahre alt zu sein, aber vor allem um ein Imitat eines Menschenkörpers zu sein, war das System dagegen außerordentlich komplex. Es hätte Baxter gereicht, den Automaten dazu zu bringen, sich menschenartig zu bewegen, doch als er das Rückgrat besichtigte, merkte er, dass überhaupt viel zu viele Teile da waren, die keiner sichtbaren Funktion entsprachen. Statt einem einzigen zentralen Stapel von Kurvenscheiben, der in Automaten und Uhren dazu diente, die Bewegungssequenzen zu definieren, hatte dieser fünf unterschiedliche Achsen. Auch eine einzige Kurvenscheibengruppe hätte komplexe Bewegungen beschreiben können. Die Anwesenheit von mehreren hieß also, dass die Maschine unterschiedliche, voneinander unabhängige Operationen gleichzeitig realisieren sollte. Was waren das aber für Funktionen, und wie kam so ein außergewöhnliches Gerät in den Fluss?

    Als er eine weitere Schraube an der linken Hüfte lockerte, sprang ihm plötzlich eine Pfeilspitze entgegen, deren gewaltiger Geschwindigkeit er nur knapp ausweichen konnte. Baxter lachte auf und dachte, dass er tatsächlich etwas viel Besseres als eine lebende Puppe in seinen Händen hatte.

    Aufgeregt ging er wieder an die Mechanismen und forschte weiter. Die Bewegung der Kurvenscheiben führte ihn zurück auf eine kleine, verzierte Kiste, von der die meisten Mechanismen ausgingen. Die Kiste selbst hatte aber keinerlei Schrauben, die Baxter hätte ordentlich öffnen können, sondern nur ein kleines Schlüsselloch. Er beschloss, erst mal nicht zu riskieren, den Automaten zu beschädigen. Stattdessen verband er mit einer Kette, die lose hing, die unteren Kurvenscheiben mit einem der Räder, die sich an der Seite der Kiste befanden. Sobald dies zusammengefügt war, fing das Rad auch an sich langsam zu drehen und die Kette sachte durchzuziehen. Baxter wollte fast jubeln, bis er eine weibliche Stimme neben sich hörte.

    „Wie darf ich Ihnen dienen, Meister?"

    Der Freudenschrei zerfloss zu einem Schauder, der ihm kalt den Rücken runterlief. Langsam wandte er sich der Hälfte der Puppe zu, die er für das Innere der Maschine soweit außer Acht gelassen hatte. Der Automat hatte seine Augen auf Baxters Gesicht gerichtet und nahm nun auch seine Hand zwischen die hölzernen Finger. Der Ingenieur schrie auf, nicht mehr vor Freude, sondern vor Schreck, und wich in eine Ecke des Arbeitszimmers zurück, wo er eine Dampfmaschine scheppernd zu Boden stieß. Obwohl die Schrauben im Bauch des Automaten noch offen lagen, richtete die Maschine sich auf und verfolgte Baxter mit dem Blick.

    „Sei still!, kreischte er. „Leg dich hin!

    Schweigend ließ sich der Automat wieder auf dem Arbeitstisch nieder. Baxter betrachtete ihn einige Sekunden aus der Ecke, bevor er sich wieder heranwagte. Als er die Werkzeuge wieder ergriff, störte ihn ein leichtes Zittern in seinen Händen. Die Kette am kleinen Zahnrad tickte noch, aber ansonsten waren die Mechanismen wieder einen Moment lang reglos.

    Dann sprach es wieder: „Wie darf ich Sie nennen, Meister?"

    „War das jetzt der falsche Hebel?, murmelte Baxter zu sich selbst. Dann antwortete er trocken, ohne dem Automaten ins Gesicht zu schauen: „Ich hab doch gesagt, du sollst still sein!

    „Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, sprach es, „aber es kann sein, dass uns jemand gefolgt ist.

    Baxter überlegte, was das für ein Spiel sein möge und wer bloß solche Sprüche in eine Puppe einbauen

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