Krimi Trio 3340 - 3 Bücher in einem!
Von Alfred Bekker
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Über dieses E-Book
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Commissaire Marquanteur und der Verurteilte
Mörder-Chip
Commissaire Marquanteur und das unverwechselbare Muster
Menschen werden explosive Mikro-Chips implantiert und anschließend als lebende Bomben missbraucht. Eine neue Dimension des Terrorismus? Wer versucht New York in Angst und Schrecken zu versetzen und führt dazu einen unmenschlichen High Tech Krieg? Den Ermittlern bleibt nicht viel Zeit, um den Wahnsinn zu stoppen...
HENRY ROHMER ist das Pseudonym von ALFRED BEKKER, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er als Conny Walden historische Romane und ist Mitautor bekannter Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair, Kommissar X und andere mehr.
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Krimi Trio 3340 - 3 Bücher in einem! - Alfred Bekker
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Commissaire Marquanteur und der Verurteilte
von Alfred Bekker
Commissaire Marquanteur und der Verurteilte: Frankreich Krimi
von Alfred Bekker
Ein neuer Fall für Commissaire Marquanteur und seine Kollegen aus Marseille.
Ein zu lebenslänglich verurteilter Verbrecher bietet an, die Hintermänner seiner Organisation zu verraten, im Gegenzug dafür, dass die Ermittler Marquanteur und Leroc den Mörder seines Sohnes ausfindig machen. Doch jeder Verdächtige wird kurz vor der Verhaftung umgebracht. Welche Ziele verfolgt der Kriminelle wirklich? Die FoPoCri muss schnell arbeiten, um vor dem Killer am Ziel zu sein.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Alles rund um Belletristik!
Prolog
Das Motorboot stellte sich steil ins Wasser. Die Gischt spritzte auf. Das Boot hob sich aus dem Wasser heraus und brauste vorwärts, über die in der Sonne glitzernde Wasserfläche des Mittelmeers vor Marseille. In der Ferne war die Küste mit der großen Hafenstadt zu sehen.
Zwei Männer waren an Bord.
Na, was sagst du? Tolles Boot, was?
Ja, gefällt mir.
Etwas mehr Begeisterung hätte ich schon erwartet.
Bin beeindruckt.
Das Ding hat so viel PS, damit braust man wie mit einem Sportwagen über das Wasser. Ich kenne kein besseres Boot.
Wie gesagt: Ich bin ganz sprachlos.
Sag mal, ich wollte noch etwas anderes mit dir besprechen.
Worum geht es?
Du hast doch vor, diesen Flic umzubringen. Pierre Marquanteur. So einen Schweinehund aus einer Spezialabteilung.
Er vermiest vielen Leuten die Geschäfte.
Ja, das mag schon sein.
Und ich hasse ihn.
Das hat persönliche Gründe, oder?
Woher weißt du das eigentlich alles?
Der Chef hat es mir gesagt.
Der Chef?
Du hast offenbar mit dem Chef darüber gesprochen.
Nun…
Stimmt das?
Was soll das jetzt? Warum fragst du das alles?
Bin neugierig.
Ist nicht immer gut, neugierig zu sein, hörst du?
So bin ich eben. Neugierig. Das ist meine Natur. Ich stelle Fragen und ich lasse normalerweise nicht locker, bis ich Antworten bekomme.
Du klingst ja fast schon, als ob du auch ein Flic wärst. Wie ein Polizist klingst du! Jawohl.
Keine Sorge, mit denen habe ich nichts zu tun. Das solltest du eigentlich wissen.
Vielleicht hätte ich doch ein paar von meinen Mädchen mitnehmen sollen. Wenn die sich oben ohne an Deck gesonnt hätten, wärst du nicht auf die Idee gekommen, so saublöde Fragen zu stellen und wir hätten vielleicht beide bessere Laune. Aber du wolltest das ja nicht.
Ich wollte das nicht, das stimmt.
Wieso eigentlich? Ich hoffe, du bist nicht schwul. Ich mag nämlich keine Schwulen.
Keine Sorge, ich bin nicht schwul. Aber es ist trotzdem besser, dass deine Mädchen nicht an Bord sind. Trotz der schönen Titten. Es ist nämlich besser, wenn niemand mitkriegt, was ich dich so frage.
Ich verstehe jetzt nicht, worauf du hinauswillst.
Du verfolgst deinen Plan noch immer, oder?
Du meinst..
Ich meine, deinen Plan, diesen Marquanteur umzubringen.
Davon lasse ich mich von niemandem abbringen.
Weil es was Persönliches ist.
Ja.
Der Chef ist deswegen besorgt.
Wieso ist der Chef deswegen besorgt?
Er denkt, dass die ganze Organisation dadurch Probleme bekommt. Er denkt, dass das Unfrieden bringt. Und er glaubt, dass es die Geschäfte noch nachhaltiger stört, als es ein einzlner Kriminalbeamter wie dieser Marquanteur jemals könnte.
Der Chef soll sich da nicht einmischen.
Der Chef hat gesagt, er hätte schon mit dir darüber gesprochen und du seist wenig einsichtig gewesen.
Weil es was Persönliches ist!
Er schrie es förmlich heraus. Das geht niemanden sonst etwas an! Hast du gehört: Niemanden! Auch den Chef nicht! Rechnungen müssen bezahlt werden. Immer. Und auch dieser Marquanteur muss seine Rechnung bezahlen - und zwar in Blut. Verstehst du? In Blut!
Siehst du, das habe ich befürchtet.
Was?
Dass du so uneinsichtig bist.
Ich bin nicht uneinsichtig! Ich bestehe einfach nur auf dem, was mein gutes Recht ist. Das Recht der Rache.
Für diesen Fall hat mir der Chef unmissverständliche Anweisungen gegeben.
Was?
Der Karateschlag gegen die Halsschlagader kam so schnell, dass der Mann am Steuer des Motorboots keine Chance hatte, sich zu wehren. Ein einziger Schlag reichte. Der Schlag von jemandem, der wusste, wie man einen Menschen schnell und effektiv tötete und der das auch keineswegs zum ersten Mal machte.
Der Mann am Steuer sachte in sich zusammen.
Sein Mörder übernahm das Steuer.
Er sorgte dafür, dass das Boot seine Geschwindigkeit drosselte.
Dann nahm der Mörder den Körper des Toten, schleifte ihn zur Reling und warf ihn ins Meer.
Futter für die Fiche, dachte er.
Du hast es nicht anders gewollt!
, sagte er laut.
*
Ich holte meinen Kollegen François Leroc an diesem Morgen an genau der Ecke ab, an der ich ihn jeden Morgen abhole. Wir bilden dann gewissermaßen zusammen eine Fahrgemeinschaft und fahren zu unserem Büro. Zwei Ermittler in einem Auto anstatt in zwei. Damit tun wir auch was für den Planeten, kann man so sagen.
Aber in Marseille ist das Autofahren schon lange nicht mehr das reinste Vergnügen.
»Tag, Pierre«, sagte François, nachdem er die Tür geöffnet hatte und einstieg.
Einsteigen wollte, muss ich wohl sagen.
Denn der Kerl aus dem folgenden Fahrzeug war jetzt ausgestiegen und hatte sich genähert.
»Was fällt Ihnen ein, hier den Verkehr aufzuhalten!«
»Wir sind ja schon weg«, sagte François.
»Das könnte Ihnen so passen! Das ist Nötigung. Ich musste Ihretwegen anhalten.«
»Nun beruhigen Sie sich. Wir sind ja schon auf und davon.«
»Nichts da, Sie bleiben hier, bis die Polizei kommt!«
Ich ließ das Seitenfenster runter und streckte meinen Ausweis hinaus.
»Wir sind die Polizei«, sagte ich. »Sie stören gerade eine polizeiliche Ermittlung.«
Der Typ atmete tief durch und ging zu seinem Wagen zurück.
»Fahr bloß los, Pierre!«, meinte François, nachdem er Platz genommen hatte.
Mein Name ist Pierre Marquanteur. Ich bin Commissaire und Teil einer in Marseille angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen Force spéciale de la police criminelle, kurz FoPoCri, trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.
Die schweren Fälle eben.
Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.
Zusammen mit meinem Kollegen François Leroc tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. »Man kann nicht immer gewinnen«, pflegt Monsieur Jean-Claude Marteau oft zu sagen. Er ist der Commissaire général de police und somit der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.
1
»Und dieser Raum ist jetzt auch wirklich absolut abhörsicher?«, fragte jemand.
Zweifel klang im Tonfall mit.
»Darum sind wir doch hier«, antwortete eine schneidende, sehr harte Stimme. Ein freudloses Lachen folgte. »Wir wollen uns doch schließlich hier ungestört unterhalten.«
»Niemand will natürlich ein unfreiwilliges Hörspiel für die Polizisten«, meinte einer der anderen Teilnehmer dieser Zusammenkunft, die im zweiten Kellergeschoss eines Altbaus in Marseille stattfand.
Die Tür fiel ins Schloss. Als Letzte waren jetzt zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer in dunklen Rollkragenpullovern in den abgeriegelten Raum getreten.
»Es wird nun Zeit, dass jetzt Klartext geredet wird«, sagte nun der Mann mit der schneidenden Stimme. Dieser Mann hatte sich zwischen die Bewaffneten gestellt und schnipste mit den Fingern. »Bringen wir es hinter uns!«, sagte er.
»Hey, das kannst du mit uns nicht machen!«, rief jemand.
»Es gibt viele Gründe, euch aus dem Weg zu räumen. Ich werde nicht in die Einzelheiten gehen«, sagte der Mann mit der schneidenden Stimme.
»Man kann doch über alles reden!«
»Dazu ist es zu spät.«
Die MPs knatterten los. Dreißig kleinkalibrige Schüsse pro Sekunde feuerten aus ihren kurzen Mündungen heraus. Die Schreie der Sterbenden gingen in den Schussgeräuschen unter. Die Kugeln durchdrangen die zuckenden Körper, fetzten dann durch die dünne Holzvertäfelung und blieben anschließend in der dicken Isolierschicht stecken, mit der dieser Raum ausgekleidet worden war.
Ein paar Augenblicke lang leckten blutrot die Mündungsfeuer aus den Läufen der MPs.
Dann war endlich Stille. Auf dem Boden lagen ein paar regungslose, durch Kugeln zerfetzte Körper in ihrem Blut.
»Irgendwer muss die Sauerei noch wegmachen«, meinte einer der Bewaffneten.
»Dafür habe ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht«, sagte der Mann mit der schneidenden Stimme. »Etwas ganz besonders Endgültiges.«
Der dritte Mann im Raum stieg über die Leichen und sah sich um. Dabei hatte er den Lauf seiner MP auf den Boden gerichtet. Es konnte ja schließlich sein, dass sich doch noch jemand rührte. Aber das war offensichtlich nicht der Fall.
Schließlich hatte er die Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erreicht. Er strich über die Vertäfelung, die an manchen Stellen regelrecht durchsiebt worden war. Er tippte mit dem Fingerknöchel gegen das Holz.
»Gut, dass da was hinter ist, was die Kugeln aufnehmen konnte«, meinte er. »Sonst hätten wir uns durch Querschläger selbst erschossen.«
»Ich sagte euch doch, ich habe an alles gedacht«, gab der Mann mit der schneidenden Stimme in einem unüberhörbar verächtlichen Tonfall zurück. »Dies war mal ein Tonstudio. Ist leider pleite gegangen. Und der Besitzer war mir noch einen Gefallen schuldig.«
2
Jahre später
»Ich bin Doktor Gerard M. Herbreteau vom Ermittlungsteam Erkennungsdienst Marseille. Lassen Sie mich bitte durch!« Herbreteau drängte sich bereits an dem Polizisten vorbei. »Gehen Sie die Treppe hinunter! Der Aufzug ist nicht in Betrieb«, sagte dieser noch. »Commissaire Raspail von der Mordkommission erwartet Sie bereits.«
»Kann ich was dafür, wenn Marseilles Straßen dermaßen verstopft sind?«, knurrte Herbreteau.
»Der hat ja ein sonniges Gemüt«, meinte ein anderer Polizist leise an seinen Kollegen gerichtet. Aber er war nicht leise genug, denn Herbreteau hatte mitbekommen, was er gesagt hatte.
»Was erwartest du?«, gab der angesprochene Polizist zurück. »Er ist ein Gerichtsmediziner.«
»Du meinst, wer seinen Job macht, muss ein Gemüt wie ein Schlachtergeselle haben?«
»Oder aus der Bretagne stammen.«
»Wieso?«
»Hast du nicht mitgekriegt, wie er redet?«
Herbreteau war inzwischen die Treppe in den Keller hinuntergegangen. Er folgte einfach den Stimmen. Und die kamen eigenartigerweise aus der Tiefe.
»Ist da jemand?«, rief er.
Dann ging er weiter und fand die Treppe, die zum unter dem Keller liegenden Stockwerk führte.
Er ging einen Flur entlang. Eine Frau im weißen Plastik-Overall des Erkennungsdienstes kam ihm entgegen. Dass es eine Frau war, konnte man nur an Größe und Körperform erkennen. Die zum Overall gehörende Kapuze ließ nur das Gesicht frei.
»Sie sind nicht vorschriftsmäßig gekleidet«, sagte sie. »Wenn Sie einen Einweg-Overall …«
»Ist Commissaire Raspail da hinten?«
Die Erkennungsdienstlerin seufzte genervt.
»Sie müssen dieser Herbreteau sein, richtig?«
»Richtig.«
»Ich bin für einen Ihrer nächsten Fortbildungskurse zum Thema Pathologie-Grundkurs für Forensiker angemeldet.«
»Ach ja, spendiert Ihnen das die Stadt Marseille?«
»Leider nicht. Ich werde die Gebühren selbst zahlen und auch noch unbezahlten Urlaub dafür nehmen müssen.«
»Sie werden sehen, dass mein Kurs das wert ist.«
»Das will ich hoffen.«
»Auch normale Erkennungsdienstler sollten wenigstens über Grundkenntnisse in meinem Gebiet verfügen. Dann wissen Sie wenigstens, wovon ich rede, wonach ich suche, und was für unsereins möglicherweise wichtig sein kann.«
»Vielleicht beachten Sie jetzt auch mal, was wir so für wichtig halten und ziehen sich einen Overall an. Sie finden welche in dem Raum links. Gehen Sie dann noch ein Stück weiter, und Sie kommen dorthin, wo die Knochen im Beton sind!«
Herbreteau ließ sie einfach stehen. Er dachte gar nicht daran, sich von irgendeiner Erkennungsdienstlerin aus irgendeiner Polizeidienststelle irgendwelche Vorschriften machen zu lassen. Und darüber hinaus hörte er jetzt Stimmen, die seine gesamte Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment in Beschlag nahmen. Die eine Stimme erkannte er sofort. Der marseiller Akzent trat so deutlich hervor, dass man ihn einfach nicht überhören konnte.
»FGF«, murmelte er. »Hätte ich mir ja denken können …«
FGF war die Abkürzung für Dr. Frédérik G. Fournier. Wie Herbreteau war Fournier Mitglied des Ermittlungsteams Erkennungsdienst in Pointe-Rouge. Ein ausgezeichneter Naturwissenschaftler, dessen chemische Analysen ebenso zu diversen spektakulären Ermittlungserfolgen des Sûreté beigetragen hatten wie seine ballistischen Untersuchungen. Manchmal kam es auf die Feinheiten und das Spezialwissen eines erfahrenen Forensikers an. Und genau das war Fourniers Domäne.
Herbreteau und Fournier respektierten sich gegenseitig. Daran änderten auch die Frotzeleien und kleinen Animositäten nichts, die es zwischen dem Bretonen und dem Marseiller gab.
Die zweite Männerstimme kannte Herbreteau nicht. Aber da Fournier diesen Mann während des Gesprächs mit Commissaire anredete, war wohl anzunehmen, dass es sich um Commissaire Raspail vom zuständigen Polizeikommissariat handelte.
Herbreteau erreichte schließlich den Raum, in dem seine Dienste gefragt waren, und blieb abrupt stehen.
»Hey, nicht einfach hier herumtrampeln!«, rief der Commissaire.
Herbreteau nahm ihn nur kurz aus den Augenwinkeln heraus wahr, ebenso wie Fournier. Beide trugen vorschriftsmäßig weiße Einwegoveralls inklusive Kapuze, so dass auch bei ihnen nur das Gesicht zu sehen war. Aber Herbreteaus Aufmerksamkeit war vollkommen von dem Anblick gefesselt, der sich ihm bot.
»Eine Hand im Beton«, murmelte er. »Das hat man nicht alle Tage.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass noch nicht allzu viele sachunkundige Hände dran waren«, erklärte Fournier. »Abgesehen von einem sympathischen Kerl mit einem Presslufthammer, der versucht hat, die alte Betondecke aufzubrechen.«
Herbreteau blickte auf.
»Dann waren Sie auch nicht schnell genug hier, Doppelkopf?«, meinte er.
»Ich bin kurz vor Ihnen eingetroffen«, gab Fournier zurück. Den Doppelkopf überhörte er geflissentlich. »Ihr Kongress der forensischen Naturwissenschaften in Paris wird wohl auf meinen Beitrag zur Vortragsreihe verzichten müssen, denn das hier wird für uns beide eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.«
»Allein die Sicherung von genetischem Material, das für eine Identifizierung ausreicht, wird in diesem Fall eine Kunst für sich sein«, war Herbreteau sofort klar.
»Mal abgesehen davon, dass völlig ungewiss ist, ob wir irgendwo eine Vergleichsprobe auftreiben können, gebe ich Ihnen vollkommen recht«, meinte Fournier. »Das hängt unter anderem davon ab, wie aggressiv die chemischen Zusätze in dem Beton sind. Ich hatte mal den Fall eines in Beton gegossenen Opfers aus …«
»Ersparen Sie mir das!«, wehrte Herbreteau ab. »Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wer der Tote sein könnte?«
»Es ist nicht nur ein Toter«, erklärte Fournier mit einem Gesicht, das keinerlei Regung erkennen ließ. »Ich habe bereits Infrarotaufnahmen gemacht, und die zeigen, dass möglicherweise ein Dutzend Personen hier erschossen wurden.«
»Erschossen?«, wunderte sich Herbreteau. »Wozu bin ich überhaupt hier, wenn Sie das alles schon wissen? Oder saugen Sie sich das nur gerade einfach aus den Fingern.«
»Wir haben ein paar Projektile sichern können«, mischte sich jetzt der Commissaire ein. »Mein Name ist übrigens Raspail. Ich leite diesen Einsatz hier.«
»Angenehm.«
»Sie müssen Doktor Herbreteau sein.«
Herbreteau antwortete nicht. Er ließ noch immer den Blick über den Boden schweifen, so als würde er irgendetwas suchen.
»Leider sind die Projektile so angerostet, dass man die Waffen, aus denen sie stammen, kaum noch identifizieren kann«, sagte Fournier. »Es sind kleinkalibrige Geschosse, die aus einer Maschinenpistole stammen könnten. Dafür spricht die Verteilung in Schuss-Clustern, wie wir sie in diesem Fall wohl annehmen können, auch wenn ich die letzten Beweise dafür zweifellos schuldig geblieben bin.«
»Na, dann mal an die Arbeit«, meinte Herbreteau. »Wird sicher eine schwierige Sache.«
3
»Sagt Ihnen der Begriff Horror-Haus etwas?«, fragte uns Monsieur Marteau, nachdem wir uns gesetzt hatten. Unser Chef kam hinter dem Schreibtisch seines Büros hervor. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt. Die Hände steckten in den weiten Taschen seiner Flanellhose.
»Im Moment hört man eine Menge davon in den Nachrichten«, meinte mein Kollege François Leroc. »Vorausgesetzt, Sie sprechen über das Horror-Haus von Marseille, wie es inzwischen in den Nachrichtensendern genannt wird.«
»Genau darüber spreche ich«, sagte Monsieur Marteau. »Da ich nicht weiß, wie intensiv Sie die lokale Berichterstattung verfolgt haben, fasse ich den Stand der Dinge mal kurz zusammen: In einem Haus mit wechselhaften und zum Teil etwas dubiosen Besitzverhältnissen sollten nach einem weiteren Besitzerwechsel eine Drainage eingebaut und die Abwasserleitungen erneuert werden. Im Zuge dieser Arbeiten sollte auch die Bodendecke im Keller entfernt und erneuert werden. Dabei sind beim Aufbrechen des Bodenbetons menschliche Überreste zutage getreten. Zunächst hat die Mordkommission des zuständigen Polizeikommissariats die Ermittlungen übernommen, dann recht schnell die Kollegen der Sûreté um Hilfe gebeten, und so ist der Fall in unsere Zuständigkeit gekommen.«
Monsieur Marteau machte eine kurze Pause und wandte den Blick in Richtung der Fensterfront. »Doktor Herbreteau und Doktor Fournier aus unserem Team wurden bereits frühzeitig zur Unterstützung der lokalen Kollegen in diesem Fall tätig. Außerdem ist ein Archäologe zurate gezogen worden, denn Sie können sich vorstellen, dass das Sichern von einbetonierten Leichen nicht so ganz einfach ist. Da ist Spezialwissen vonnöten, sonst hat man am Ende keine brauchbaren Ergebnisse. Inzwischen hat man herausgefunden, dass in dem Betonboden zwölf Leichen verborgen wurden. Diese Menschen wurde durch kleinkalibrige Geschosse getötet, die vermutlich aus Maschinenpistolen stammen. Untersuchungen an den ebenfalls gefundenen Projektilen haben ergeben, dass es mindestens zwei verschiedene Waffen waren, aus denen gefeuert wurde – und damit mutmaßlich auch mehrere Schützen.«
»Das klingt nach einer regelrechten Hinrichtung«, meinte ich.
»Das war es vermutlich auch«, erklärte unser Chef. »Die Identität der Opfer konnte bisher nur in einem Fall geklärt werden. Aber das hat dann dafür gesorgt, dass dieser Fall jetzt unsere Angelegenheit ist.«
»Um wen geht es?«, fragte François.
»Justin Duchamel.«
»Meinen Sie etwa den Sohn von Valentin 'Le Grand Patron' Duchamel?«, hakte ich nach.
»Ganz genau«, bestätigte Monsieur Marteau.
Natürlich hatten François und ich von Duchamel gehört. 'Le Grand Patron' hatte einen Zusammenschluss von kriminellen Vereinigungen geleitet, der sich das Institut für allgemeinen Wohlstand nannte und in ganz Europa aktiv gewesen war. Vor einigen Jahren hatte es einen groß angelegten Schlag gegen diese Organisation gegeben. Die Führung des Instituts war dabei verhaftet worden, darunter auch 'Le Grand Patron'. François und ich hatten damals in einem anderen Fall ermittelt. Das Marseiller Polizeipräsidium hatte sich an der konzertierten Aktion beteiligt, die für die Zerschlagung dieses Super-Bandennetzwerks letztendlich gesorgt hatte.
Allerdings war die Rolle bei diesem Fall eher klein gewesen, denn es wurden mehr oder weniger unterstützende Dienste geleistet, damit die große, sich über mehrere Staaten erstreckende Operation reibungslos vonstatten gehen konnte.
»Valentin Duchamel sitzt für alle Zeiten in einer Zelle, wie wir ja alle wissen. Er hat seitdem allen Angeboten von Seiten der Staatsanwaltschaft widerstanden, sich auf einen Deal einzulassen oder irgendwelche Informationen preiszugeben, die vielleicht dazu führen könnten, den in der Versenkung verschwundenen Rest dieses kriminellen Netzwerkes auch noch zu fassen. Wir müssen nämlich davon ausgehen, dass das sogenannte Institut für allgemeinen Wohlstand in zusammengestutzter Form seine alten Geschäfte fortsetzt. Und es gibt sogar Vermutungen darüber, dass Duchamel dort immer noch über Mittelsmänner Einfluss ausübt. Was nun seinen Sohn Justin angeht, der jetzt in diesem Horror-Haus aufgefunden wurde, so sind wir bisher davon ausgegangen, dass er sich vor ein paar Jahren mit einer nicht unerheblichen Menge an Schwarzgeld abgesetzt hat und jetzt von irgendeinem klimatisch angenehmen Ort auf der Welt, der vorzugsweise in einem Land liegt, das kein Auslieferungsabkommen mit uns unterzeichnet hat, das Geschehen aus der Ferne beobachtet.«
»Aber diese Annahme war offensichtlich ein Irrtum«, stellte ich fest.
Monsieur Marteau nickte.
»Allerdings! Durch die Identifizierung von Justin Duchamel liegt der Fall jetzt in unserer Zuständigkeit.«
»Gibt es schon Anhaltspunkte, wer die anderen Opfer sein könnten?«, fragte ich.
Monsieur Marteau schüttelte den Kopf.
»Wie ich schon sagte, ist das eine hoch komplexe Angelegenheit. Herbreteau und Fournier sind schon eine ganze Woche vor Ort. Natürlich besteht nach der Identifizierung von Justin Duchamel nun die Hoffnung, dass dies die weitere Arbeit unseres wissenschaftlichen Forschungsteams erleichtert. Schließlich kann man jetzt gezielter innerhalb von Duchamels Bekanntenkreis suchen. Zum Beispiel nach Personen, die ungefähr zur selben Zeit verschwunden sind wie Justin.«
»Weiß 'Le Grand Patron' darüber Bescheid, dass sein Sohn gefunden wurde?«, fragte ich.
»Zumindest weiß er es nicht von uns«, erklärte Monsieur Marteau. »Es wird Ihre Aufgabe sein, ihn damit zu konfrontieren. Möglicherweise ändert dies seine Einstellung zu einer möglichen Kooperation mit der Justiz und der FoPoCri.«
4
Ungefähr eine Stunde später befanden sich mein Kollege François Leroc und ich auf dem Weg zum Gefängnis Les Baumette, in der Valentin 'Le Grand Patron' Duchamel einsaß. Wir nahmen meinen Dienst-Porsche. Circa zwanzig Minuten fuhr man über die Schnellstraße, vorausgesetzt, die Verkehrsverhältnisse waren einigermaßen normal, und es kam nicht zu einem Stau.
Da Duchamel in diesem Fall bislang der einzige Ansatzpunkt für unsere Ermittlungen war, wollten wir ihm einen Besuch abstatten. Monsieur Marteau hatte das bereits für uns arrangiert. Und soweit wir informiert waren, schien Duchamel es plötzlich kaum abwarten zu können, mit der Polizei zu sprechen.
»Glaubst du, dass Duchamel bereits weiß, was geschehen ist?«, fragte François während der Fahrt.
»Du meinst, weil er so bereitwillig mit uns reden will?«
»Er hat sich bisher immer geweigert, und es gibt in den Unterlagen eine Reihe von Protokollen, die, abgesehen von den Fragen des jeweiligen Verhörspezialisten, auf Seiten von 'Le Grand Patron' nur ein einziges Wort verzeichnen: Schweigen.«
»Er kann sich gegen eine Befragung durch uns nicht wehren.«
»Früher hat er das aber. Er hat jeden Trick benutzt, Pierre. Ärztliche Gutachten inklusive. Mal ist er damit durchgekommen und mal nicht, aber insgesamt hat er immer eine Art passiven Widerstand geleistet. Und jetzt lässt er durch seinen Anwalt mitteilen, dass er bereit ist, auf unsere Fragen zu antworten.«
»Die Tatsache, dass Justin Duchamel unter den einbetonierten Toten im Horror-Haus ist, wurde nicht veröffentlicht. Der Anwalt müsste schon Zugang zu geheimen Quellen haben.«
»Es reicht, wenn man gute Beziehungen zu irgendjemandem hat, der beispielsweise für ein Labor arbeitet, das von unseren Kollegen des wissenschaftlichen Forschungsteams für irgendwelche Spezialarbeiten in Anspruch genommen wurde. Und außerdem ist das Institut für allgemeinen Wohlstand zu seinen besten Zeiten ganz sicher eine Organisation gewesen, die mächtig genug war, um Maulwürfe bei den Ermittlungsbehörden zu haben oder Cyber-Angriffe zu initiieren, die ihnen möglicherweise Zugriff auf sensible Daten ermöglichen.«
»Warten wir ab!«, meinte ich.
»Es könnte auch sein, dass Duchamel von Anfang an mehr über das mysteriöse Verschwinden seines Sohnes gewusst hat und sich inzwischen einfach ein paar Dinge zusammenreimen kann, die wir vielleicht auch berücksichtigen sollten, Pierre.«
Ich zuckte mit den Schultern.
In diesem Moment erreichte uns ein Anruf. Wir nahmen ihn über die Freisprechanlage entgegen.
»Hier Herbreteau«, meldete sich der Gerichtsmediziner unseres wissenschaftlichen Forschungsteams. »Inzwischen konnten Fournier und ich ein weiteres Opfer aus dem Horror-Haus identifizieren. Es steht zwar streng genommen noch eine letzte Analyse aus, aber FGF meint, dass das eigentlich nur eine Formsache ist.«
»Wer ist der Tote?«
»Wir sind überzeugt davon, die sterblichen Überreste von Commissaire Frederic Valverde gefunden zu haben. Alles Weitere werden Sie sicherlich selbst herausfinden können. Zum Beispiel seit wann dieser Valverde vermisst wird, an welchem Fall er gearbeitet hat, und so weiter. Tatsache ist jedenfalls, dass es sich um den Commissaire Frederic Valverde aus Marseille handelt und nicht um einen Commissaire gleichen Namens in Toulouse. Der Zahnbefund … Ach, die Einzelheiten werden Sie sicher langweilen. Der Gen-Test ist frühestens morgen da. Das liegt daran, weil das Vergleichsmaterial in einer Spezialklinik in Paris lagert, wo sich Valverde vor ein paar Jahren einer Hautkrebs-Operation unterziehen musste. Die Fingerabdrücke, die ja auch in seiner Personalakte gespeichert sind, taugen leider nicht mehr zur Identifikation. Ist alles versteinert, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.«
»Wir haben uns mit den bisherigen Untersuchungsergebnissen einigermaßen vertraut gemacht«, sagte François. »Insbesondere natürlich auch mit den zahlreichen Tatort-Fotos.«
»Wie auch immer. Sie bekommen natürlich noch einen vernünftigen Bericht, was die Identifikation von Valverde angeht.«
»Gut«, sagte ich.
»Kann aber etwas dauern. Und ich dachte, Sie beide sollten so schnell wie möglich darüber informiert sein, dass unter den Opfern ein Commissaire ist.«
»Vielen Dank, Gerard«, gab ich zurück. »Wir wissen das sehr zu schätzen.«
»Je länger ich an diesem Ort arbeite, desto mehr steht mir deutlich vor Augen, was für ein Massaker hier stattgefunden haben muss. Das war ein geplantes Gemetzel. Wussten Sie, dass dieses Gebäude früher mal ein Tonstudio im