Eine flexible Frau – Drehbuch und Materialien
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Über dieses E-Book
Die Soziologin Angela McRobbie, die Turanskyjs Arbeit bereits lange verfolgt, führt in das Material ein. Das Drehbuch wird durch vorbereitendes Material zum Dreh aus dem Nachlass der Filmemacherin sowie durch unveröffentlichte Filmausschnitte ergänzt.
„Die erste Inspiration für meinen Film war Richard Sennets Buch ,Der flexible Mensch‘. Sennet beschreibt die harten Veränderungsanforderungen des postmodernen Kapitalismus an das Individuum. […] Den eher affirmativen Frauenfiguren – der Stadt der Frauen – steht meine Heldin gegenüber. Sie ist eine Kritikerin und Zweiflerin, die vergeblich versucht, sich den Verhältnissen anzupassen, ohne dabei ihre Autonomie und Würde zu verlieren. Ihr wird aber deutlich gemacht, dass dies so nicht mehr zu schaffen ist – der Preis der Anpassung wäre die Aufgabe ihrer kritischen Haltung der Welt gegenüber.“ Tatjana Turanskyj
Die Publikation erscheint als Andenken und Aufforderung zum „Weitermachen“ zum ersten Todestag von Tatjana Turanskyj am 18. September 2022.
Tatjana Turanskyj
Während und nach dem Studium der Soziologie, Literatur- und Medienwissenschaften in Frankfurt am Main war Tatjana Turanskyj Darstellerin bei Einar Schleef in Frankfurt am Main und Berlin. Nach dem Studium war sie zunächst als Werbetexterin und Autorin tätig. 2000 gründete sie mit Saskia Draxler die OK Girls Gallery, in der u.a. Peaches und Gonzales einen ihrer ersten Auftritte hatten. Im Jahr 2000 begann sie eine künstlerische Laufbahn und war Mitbegründerin des Performancefilm-Kollektivs hangover ltd* mit Projekten an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und verschiedenen Filmprojekten. Seit 2008 Mitinhaberin der turanskyj&ahlrichs medienproduktion, die den Anspruch hat, das moderne zeitgenössische Autor*innenkino zu stärken. Turanskyjs Filme wurden auf internationalen Festivals und in Ausstellungskontexten gezeigt (u.a. Berlinale, Göteborg, Rio de Janeiro, Cannes/ACID), sie sind preisgekrönt und wurden im Kino ausgewertet. Außerdem unterrichtete Tatjana Turanskyj an verschiedenen Hochschulen, zuletzt als Professorin für Film an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach, sie hielt Vorträge auf Konferenzen über Gender & Film und war Mitbegründerin von Pro Quote Regie/Film, einer Organisation, die sich erfolgreich für Gleichberechtigung und Diversität im Film- und Medienbereich einsetzt. Am 18. September 2021 starb sie nach schwerer Krankheit in Berlin.
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Rezensionen für Eine flexible Frau – Drehbuch und Materialien
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Buchvorschau
Eine flexible Frau – Drehbuch und Materialien - Tatjana Turanskyj
Tatjana Turanskyj
Eine flexible Frau
Drehbuch und Materialien
Herausgegeben von Jan Ahlrichs und Janine Sack
EECLECTIC, 2022
Eine flexible Frau (2010) ist Tatjana Turanskyjs vielbeachteter Film über prekäre Arbeitsbedingungen, Selbstvermarktungsansprüche in der kreativen Arbeitswelt und feministische Irrwege im postmodernen Kapitalismus. Mit dieser Publikation liegt das Drehbuch des ersten Teils der „Frauen und Arbeit"-Trilogie als Text vor: Das Filmscript ist einerseits Material und Arbeitsgrundlage und gleichzeitig eine eigenständige Form.
Die Soziologin Angela McRobbie, die Turanskyjs Arbeit bereits lange verfolgt, führt in das Material ein. Das Drehbuch wird durch vorbereitendes Material zum Dreh aus dem Nachlass der Filmemacherin sowie durch unveröffentlichte Filmausschnitte ergänzt.
„Die erste Inspiration für meinen Film war Richard Sennets Buch ,Der flexible Mensch‘. Sennet beschreibt die harten Veränderungsanforderungen des postmodernen Kapitalismus an das Individuum. […] Den eher affirmativen Frauenfiguren – der Stadt der Frauen – steht meine Heldin gegenüber. Sie ist eine Kritikerin und Zweiflerin, die vergeblich versucht, sich den Verhältnissen anzupassen, ohne dabei ihre Autonomie und Würde zu verlieren. Ihr wird aber deutlich gemacht, dass dies so nicht mehr zu schaffen ist – der Preis der Anpassung wäre die Aufgabe ihrer kritischen Haltung der Welt gegenüber."
Tatjana Turanskyj
Die Publikation erscheint als Andenken und Aufforderung zum weitermachen* zum ersten Todestag von Tatjana Turanskyj am 18. September 2022.
Material I
Die Cover der Arbeitsmaterialien von Tatjana Turanskyj zu Eine flexible Frau
Inhalt
Material I
Cover von Tatjana Turanskyjs Notizbüchern
Material II
Aufnahmen vom Dreh
Tatjana Turanskyjs soziologische Imagination
Angela McRobbie
Material III
Skizzen zu Schlüsselszenen und Hauptfiguren
Eine flexible Frau – das Drehbuch
Tatjana Turanskyj
Filmausschnitte
Auswahl von Toby Ashraf
Besetzung/Stab
Material IV
Materialien zur Drehvorbereitung
Biografie
Filmografie
Beitragende
Material V
Filmische Inspiration
Impressum
Material II
Tatjana Turanskyj am Dreh von Eine flexible Frau
Tatjana Turanskyjs soziologische Imagination
Angela McRobbie
Im Gegensatz zu seinem fortschrittlichen Image und trotz der starken Tradition der (meist von Männern geleiteten) Gewerkschaften hat sich der deutsche Arbeitsmarkt für die Hälfte der Bevölkerung, nämlich für Frauen, weit weniger gut entwickelt, als allgemein angenommen wird.¹ Es gibt seit Langem, insbesondere in Berlin, eine strukturelle Unterbeschäftigung insbesondere bei Frauen. Diese Tatsache ist schwer zu ertragen vor allem für die Frauen, die jetzt zwischen 30 und 60 sind und angeblich vom Feminismus der zweiten Welle ihrer älteren Schwestern oder gar Mütter profitiert haben, die wie ich nun auf die 70 oder 80 zugehen. Diese ältere Generation musste mehr oder weniger bei null anfangen, und dazu gehörte häufig der Aufbau aller möglichen Projekte und Programme, die praktisch „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren und später professionalisiert wurden. Es scheint, als wären die jüngeren Frauen hinsichtlich Bildung und Ausbildung hingegen in den Genuss all der Möglichkeiten gekommen, die sich die ältere Generation so hart erkämpfen musste. Wie könnten sie also Anlass zur Klage haben? Es hat sogar den Anschein, als hätten sie die Gleichstellung der Geschlechter erreicht, sodass es vielleicht gar nicht mehr dringend notwendig ist, ständig unnachgiebig feministisch aufzutreten. Der jüngeren Generation wird von den populären Medien und Fernsehsendungen sowie in Büchern von Frauen wie Sheryl Sandberg,² bis 2022 COO bei Facebook, eingeredet, alle heutzutage auftauchenden Themen ließen sich durch individuelle Anstrengung überwinden, und zudem müsse man Techniken der „Resilienz
entwickeln.³ Dieser „postfeministische Moment" der frühen 2000er-Jahre stellte rückblickend einen cleveren Weg bereit, um sich genau zu dem Zeitpunkt feministisches Einverständnis zu sichern, als in der modernen Arbeitswelt der scharfe Wind einer härteren neoliberalen Wirtschaftspolitik blies. Aber in der öffentlichen Meinung, in den Medien und im Fernsehen sah es nun so aus, als wären Frauen endlich davon befreit, wütende Feministinnen sein zu müssen. Zu Hause und in der Freizeit konnten sie ein schönes Leben führen, ungestraft ausgehen und Sex haben, ohne Angst, an den Pranger gestellt oder als Schlampen bezeichnet zu werden. Die sexuelle Doppelmoral gehörte scheinbar der Vergangenheit an.
In der aufkommenden neuen Arbeitswelt, der New Economy, gab es die Verlockungen der sogenannten Kreativwirtschaft – sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland bot sich damit ein schlauer Weg, Arbeitsmarktreformen einzuführen, indem die Anreize lohnender und befriedigender Arbeit in Aussicht gestellt wurden, wozu auch gehörte, zur „Ich-AG" zu werden und möglicherweise als Freischaffende oder Selbstständige zu arbeiten. Oberflächlich betrachtet war das für Frauen mit Kindern im Schulalter hilfreich, es verdeckte aber geschickt die Nachteile wie fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschaftsurlaub oder Rente.⁴ Dies lief auf einen Umbau der Arbeitswelt hinaus, weil nun nicht mehr die Firma oder der Arbeitgeber für eine große und kostspielige Belegschaft verantwortlich war, sondern die als Selbstständige oder als Subunternehmer tätigen Arbeiter*innen ihre Kosten jetzt selbst tragen mussten. Normale Arbeit wurde bequemerweise mit einem weniger aufregenden Leben gleichgesetzt, und es dauerte eine ganze Zeit, bis die Realität dessen, was Ulrich Beck „unnormale Arbeit" nennt, deutlich wurde: Krankheiten, Burn-out, Stress, Angstzustände und Panikattacken wurden zu alltäglichen Erfahrungen.⁵ In den letzten Jahren stand diese neue Arbeitsgesellschaft im Fokus der Aufmerksamkeit von Soziolog*innen und Journalist*innen, die von der Gig-Economy oder der neuen Welt der prekären Arbeit sprechen. Aber es bedurfte einer Filmemacherin wie Tatjana Turanskyj, um wirklich einen Einblick in das Seelenleben junger talentierter Frauen zu geben, die sich in diesem urbanen Hipster-Umfeld wiederfinden, in dem eine wütende Haltung, ganz zu schweigen von einer wütenden politischen Haltung, keinen Platz zu haben scheint. Eine solche ist nicht