Der moderne Mann in unsicheren Zeiten: 50 neue Kolumnen
Von Thomas Tuma
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Über dieses E-Book
Herr K. ist chronisch irritiert, auch weil es ihm (noch?) so gut geht – finanziell wie physisch. Vorbei die Zeiten, als es noch Cognac auf der Kurzstrecke und nach dem Kantinen-Jägerschnitzel die obligatorische Zigarette gab. Heute läuft man Halbmarathon und trinkt zum Frühstück algenfarbene Smoothies. Allenfalls ein regionales Bio-Craft-Beer wird am Weber-Grillabend mit den Nachbarn noch gezischt. Mehr Nachhaltigkeit war nie. Aber wo bleiben die Inhalte?
Hier sind sie. Als Navigationshilfe durch volatile Weltenläufte.
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Buchvorschau
Der moderne Mann in unsicheren Zeiten - Thomas Tuma
WANN IST DER MANN
EIN MANN?
Was macht den modernen Mann aus? Soll er sich mit Kunst auskennen oder besser einen WLAN-Router installieren können? Reicht es, wenn er seine Faszien trainiert, oder muss er mehrfach pro Jahr an Halbmarathons in schwer zugänglichen Bergregionen melancholischer Schwellenländer teilnehmen? Welchen Rollkoffer / Dienstwagen / Internet-Provider braucht er? Soll er die westliche Wertegemeinschaft auch auf dem Stadtteil-Weihnachtsmarkt verteidigen? Und was sind die untrüglichsten Indizien dafür, dass er älter wird? Auf all diese Fragen finden Sie in diesem Buch Antworten.
Dies ist die zweite Sammlung mit Kolumnen rund um Herrn K., der seit gut drei Jahren jede Woche im Handelsblatt über das Dasein als Mann und Mensch und Mensch im Mann philosophiert. Die Zeit ist reif, dass die Kunstfigur ihren Schöpfer interviewt, Thomas Tuma.
— — —
Herr Tuma, Ihre Kolumnen drehen sich rund um meine Person, Herrn K. Wie kamen Sie ausgerechnet auf mich?
Sie sind verheiratet, haben zwei Kinder, leben in geordneten Verhältnissen und waren mir als gesellschaftlicher Durchschnitt diesseits von Neonazis, IS-Gefährdern oder Helene-Fischer-Fans auch menschlich nicht fremd.
Na danke!
Bitte! Und bitte nix gegen den Durchschnitt. Er liefert eine beruhigende Zuflucht in volatilen Zeiten wie heute, da man schon froh ist, morgens nichts über einen neuen Weltkrieg oder wenigstens Trump-Tweet lesen zu müssen.
Ihre Kolumne heißt »Der moderne Mann«. Wie geht’s dem Mann an sich?
Finanziell natürlich hervorragend angesichts einer schier endlos boomenden deutschen Volkswirtschaft. Die Generation U-40 weiß ja gar nicht mehr, was Arbeitslosigkeit bedeutet. Auch gesundheitlich war der moderne Mann in anderen Jahrzehnten deutlich schlechter gestellt. Früher gab’s ja noch Cognac auf der Kurzstrecke, und man ging zum Rauchen nicht in stickige Glaswaben, sondern in die Kantine. Wer damals Sport trieb, galt schnell als gesellschaftlicher Außenseiter. Heute geht es ohne regelmäßige Triathlons kaum noch. Andererseits ist der Mann an sich chronisch irritiert.
Von all den Geschlechter-Debatten?
Um dieses eher heikle Thema noch ein wenig zurückzustellen: Er ist heute mit vielerlei Fragen konfrontiert.
So in der Art: Wie ist Syrien zu befrieden? Oder: Welche Geldanlage hilft noch gegen die omnipräsente Nullzinspolitik?
Ach, das ist alles so weit weg. Es geht schon los bei: Bin ich der Weber-Grill-Typ, der »Beef« auswendig lernt und seinen Freunden abends eine komplette Rinderhälfte kredenzt? Oder doch der Mann für den Gemüseauflauf an Veggie-Fleischwurstscheibchen nach eigenem Rezept? Brauche ich einen Bart, einen Twitter-Account, eine stylische Lebensmittel-Allergie? Was mache ich in der obligatorisch gewordenen Elternzeit wirklich? Vielleicht ein Buch über Elternzeit-Papis schreiben? Das ist ja ein eigenes literarisches Genre geworden. Aber auch: Wie entschleunige ich richtig? Und vor allem natürlich: Wann macht die erste App mich und meinen Job überflüssig?
Das meiste davon fragen sich doch nicht nur Männer?
Aber da ich selbst einer bin, weiß ich da wenigstens einigermaßen, wovon ich spreche. Die weitaus komplexeren Frauen-Fragen überlasse ich gern anderen.
Es geht also quasi existenziell zu?
Es sind revolutionäre Zeiten. Insofern gibt auch dieses Buch Antworten auf die drei Grundfragen des 21. Jahrhunderts: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viele Bonusmeilen kriege ich bei der Lufthansa dafür?
Sie scherzen.
Leider nein.
Das sind doch keine wirklich wichtigen Fragen.
Doch, weil zugleich das Tempo der Veränderung enorm zugenommen hat und uns chronisch verunsichert. Es ist ja noch nicht sooo lange her, dass es kein Internet, Navi oder Smartphone gab, dafür Stadtpläne, Wählscheiben-Telefone und die DDR. Patchwork kannte man nur von Omas Flickenteppich, und Burn-out war noch nicht mal erfunden. Alte Sascha-Lobo-Anekdote: »Wie ging man denn früher online, Papi, als es noch keine Computer gab?«
Aha, Sie wünschen sich die gute alte Zeit zurück!
Um Gottes willen, keineswegs! In meiner Schulzeit waren die Informatik-Profis noch die Alukoffer-Außenseiter, die bei der Mannschafts-Aufstellung im Schulsport immer die Dreingaben waren. Heute regieren sie Hidden Champions im Bereich B-to-B-Solutions mit loft-ähnlichen Dependancen auf drei Kontinenten. Das ist doch toll.
IT ist nicht so Ihr Ding, was?
Zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich könnte weder meine eigene Homepage programmieren noch im Darknet Anabolika oder Flammenwerfer kaufen. Mir fehlt es schon am nötigen Vokabular, um mich auch da zu verbessern, pardon: um meine Skills straight to the point zu leveragen. Früher hat man mit so einer IT-Ignoranz ja noch kokettiert. Heute ist sie nur noch peinlich. Und das meine ich völlig unironisch.
Aber Sie klingen leicht fortschrittsfeindlich …
… bin aber das totale Gegenteil: Ich finde all die skizzierten Entwicklungen spannend und beobachte mit großem Interesse, wie schnell alles geht … So schnell, dass wir mit unseren Verhaltensweisen nicht immer Schritt halten können.
Wir Männer bleiben Neandertaler?
Da hat sich meiner Ansicht nach doch nicht nur bei uns in Deutschland erfreulicherweise viel verändert. Ich kann nicht für jeden alleinreisenden Nachwuchs-Salafisten aus unsicheren Herkunftsländern sprechen. Aber schauen Sie sich nur mal die Männerfiguren in Film oder Literatur an! Wie Sean Connery als James Bond noch mit Frauen umsprang und wie sein Nachfolger Daniel Craig in den vergangenen Jahren agierte. Das ist ein Unterschied wie zwischen Steinkeule und Magnet-Resonanz-Tomograph. Und da sind nur wenige Jahrzehnte vergangen …
… womit wir endlich beim Gender-Thema wären.
Für manche ein echtes Schlachtfeld, auf dem ich mich schon deshalb alles andere als zu Hause fühle. Aber natürlich finden sich alle Verhaltenstipps zu Geschlechterfragen im Buch …
… Sie mogeln sich mit billiger Reklame um eine Antwort!
Wenn ich Reklame machen wollte, würde ich ja sagen: »Der moderne Mann« ist das ideale Geschenk nicht nur für Männer, sondern auch für deren Frauen, Mütter, Affären, Sozialtherapeutinnen und Bewährungshelferinnen.
Hören Sie auf!
Und hatte ich erwähnt, dass das Buch nicht nur Lebenshilfe bietet, sondern auch eine wunderbare Geschenkidee ist? Quasi für die ganze Familie. Ich kann auch deshalb hier so hemmungslos dafür werben, weil ich an den Milliardenumsätzen, Hollywood-Verfilmungen und Streaming-Drittverwertungsrechten gar nicht beteiligt bin.
Da sind wir ja schon zwei.
Sehen Sie, Herr K. Und wir »modernen Männer« werden immer mehr.
Beklagen Sie sich gerade?
Nichts liegt mir ferner. Es gibt ohnehin nichts Schlimmeres als jammernde Männer. Wenn ich hier überhaupt etwas empfehlen darf, dann: Mehr Haltung bitte! Wer rumheult, hat schon verloren.
Vielen Dank für das Interview, Herr Tuma.
NEUE GESAMMELTE KOLUMNEN
1.
WIE MODERNE KUNST DAS BÜRO
EROBERT
Mit der Kunst im Büro fing Frau Dr. Schwielow an. Irgendwann hing hinter ihrem Vorstands-Schreibtisch plötzlich eines dieser Nagelbilder von Günther Uecker. Gut, es waren mehr so Nagelabdrücke auf Papier. Und nummeriert war das Werk auch (147 205). Aber das machte nichts, seither konnte sie über Uecker oder seine pommerischen Ursprünge reden, als hätte sie dort ihre Unschuld an ihn verloren.
»Ostpommern, Westpommern, is’ mir alles so was von Latte«, murmelte Koslowski, der bei sich im Büro ein Star-Wars-Filmplakat (Episode IV) und den 2011-Jahreskalender eines mittelständischen Badezimmer-Armaturen-Herstellers aus dem Ostschwäbischen hängen hat. Im Gegensatz zu Koslowski hat Berger aus dem Marketing ein feines Gespür für Trends. Eine Woche später präsentierte er stolz ein hochgradig abstraktes Werk aus Elefanten-Dung und Handyplatinen: »Von einer blinden Berlinerin.