Die Kunst der Renaissance
Von Victoria Charles
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Über dieses E-Book
Leonardo da Vinci, Michelangelo, Botticelli, Fra Angelico, Giorgione, Mantegna, Raffael, Dürer und Bruegel sind Künstler, die einen wesentlichen Beitrag zur Kunst der Renaissance leisteten.
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Die Kunst der Renaissance - Victoria Charles
Florenz.
Einleitung
Von Italien aus entwickelte sich in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine dort Rinascimento, im Französischen dann Renaissance genannte Kulturwende, die das Mittelalter von der Neuzeit trennte und vom Humanismus und der Reformation begleitet wurde. Diese Entwicklung war eine Rückbesinnung auf die klassischen Künste des griechischen und römischen Altertums. Sie führte zum intensiven Studium der lange vergessenen Dichter, zu einer Begeisterung für die Bildhauerei und für die zahlreichen, allerdings meist nur als Ruinen vorhandenen Reste der Baukunst.
Genauso wichtig für diese Entwicklung war aber die im heutigen Skandinavien, aber auch in den Niederlanden und später auch in Deutschland ihren Anfang nehmende Entwicklung der Technik und der Naturwissenschaften.
In Italien war es zunächst die Architektur, die auf die klassischen Vorbilder zurückgriff und, etwas später, die Bildhauerei, die eine engere Bindung an die Natur suchte. Als der Architekt und Bildhauer Filippo Brunelleschi nach Rom ging, um dort die Reste der antiken Bauwerke auszugraben, zu studieren und zu vermessen, begleitete ihn der Goldschmied und Bildhauer Donatello. Erst die dabei und auch später bei weiteren Ausgrabungen gefundenen Skulpturen ließ die Begeisterung auch bei den Bildhauern wachsen, die am Ende des 15. Jahrhunderts sogar so weit ging, dass Michelangelo eine seiner Arbeiten in der Erde vergrub, damit sie kurz darauf als „echt antik" ausgegraben werden konnte.
Die italienische Renaissance dauerte etwa zweihundert Jahre. Die Frührenaissance wird den Jahren 1420 bis 1500 (dem Quattrocento) zugerechnet, die Blütezeit der Renaissance endete etwa 1520 und die in den Manierismus übergehende Spätrenaissance fand etwa 1600 (dem Cinquecento) ihren Abschluss. Aus der Spätrenaissance ist als weitere Entwicklung in Italien und einigen anderen Ländern in einem unmerklichen Übergang die Barockkunst (übersetzt etwa „verschroben, exzentrisch") entstanden, die gelegentlich als Abart und Verwilderung, dann und wann aber auch als eine höhere Entwicklungsform angesehen wurde und bis an das Ende des 17. Jahrhunderts beherrschend blieb. Nachdem die Renaissance erst einmal über die Alpen nach Deutschland, Frankreich und in die Niederlanden gelangt war, nahm sie hier einen ähnlichen Verlauf und wird auch so eingeteilt wie in Italien.
Lorenzo Ghiberti,
Türen des Garten Eden, 1425-1452.
Vergoldete Bronze, 506 x 287 cm.
Baptisterium, Florenz.
Donatello,
David, um 1440-1443.
Bronze, H: 153 cm.
Museo Nazionale del Bargello, Florenz.
I. Die Kunst in Italien
Die italienische Frührenaissance
Die ältesten Spuren der Renaissance finden sich in Florenz. Im 14. Jahrhundert hatte die Stadt bereits 120.000 Einwohner und war die führende Macht Mittelitaliens. Hier lebten, zumindest zeitweise, die berühmtesten Künstler ihrer Zeit - Giotto (vermutlich 1266 bis 1336), Donatello (1386 bis 1466), Masaccio (1401 bis 1429), Michelangelo (1475 bis 1564) und Lorenzo Ghiberti (1378 bis 1455).
Brunelleschi gewann 1420 eine Ausschreibung für den Umbau des Florentiner Doms, der als stolzes Wahrzeichen eine Kuppel erhalten sollte. Grundlage seines Entwurfs war die Kuppel des aus der römischen Kaiserzeit stammenden Pantheons. Er wich jedoch insoweit von der Vorlage ab, als er eine auf einem achteckigen Unterbau (dem Tambour) ruhende ellipsenförmige Kuppel entwarf. In seinen anderen Bauwerken lehnte er sich an die Formen der Säulen, Gebälke und Kapitelle der griechisch-römischen Baumeister an. Beim Neubau von Kirchen wurde allerdings mangels neuer Ideen im Zentralbau in der Form des griechischen Kreuzes oder in der Basilika in der Form des lateinischen Kreuzes nur das krönende Kuppelmotiv übernommen. Stattdessen wurden die von den römischen Ruinen übernommenen Verzierungen nach klassischem Muster weiter entwickelt. Die Baumeister der Renaissance zeigten dabei viel Verständnis für das Reiche und Zierliche sowie das Massige und Wuchtige der römischen Bauwerke und ergänzten es mit leichter Pracht. Insbesondere Brunelleschi bewies dies in der im Klosterhof von Santa Croce errichteten Kapelle der Familie Pazzi mit ihrer von korinthischen Säulen getragenen Vorhalle im Inneren der Medici-Kirche San Lorenzo und deren zugehöriger Sakristei. Diese Bauwerke sind in der Harmonie ihrer einzelnen Teile im Verhältnis zum Gesamtbauwerk von keinen späteren, gleichartigen Bauten übertroffen worden.
Dieses Streben nach Harmonie hat vermutlich als Erster Leon Battista Alberti beschrieben, der wie Brunelleschi nicht nur Baumeister, sondern mit seinen Schriften Über die Malerei (1435) und Über die Baukunst (1451) zugleich auch ein bedeutender Kunsttheoretiker war. Er verglich die Baukunst mit der Musik. Ihm war die Harmonie zugleich das Ideal der Schönheit, denn für ihn war die Schönheit „… nichts anderes als die Harmonie der einzelnen Glieder und Teile, so dass ohne Schaden nichts hinzugefügt, nichts hinweg genommen werden kann." Dieser Grundsatz der Schönheitslehre gilt seitdem unverändert.
Alberti entwickelte beim Palazzo Rucellai einen zweiten Typ der Florentiner Palastbauten, bei dem die Fassade durch über alle Stockwerke hinweg zwischen den Fenstern angeordnete flache Pilaster gegliedert wurde.
Andrea della Robbia,
Madonna der Steinmetze, 1475-1480.
Glasierte Terrakotta, 134 x 96 cm.
Museo Nazionale del Bargello, Florenz.
Donatello,
Madonna mit Kind, 1440.
Terrakotta, H: 158,2 cm.
Museo Nazionale del Bargello, Florenz.
In Rom gab es allerdings einen den florentinischen Baumeistern gleichwertigen Architekten: Luciano da Laurana (1420/1425 bis 1479), der bis dahin in Urbano tätig war und dort Teile des herzoglichen Palastes errichtet hatte. Sein Gefühl für eine monumentale Gestaltung, für Relationen sowie Planung und Ausführung auch der kleinsten Einzelheiten hat er an seinen wichtigsten Schüler, den Maler und Baumeister Donato Bramante, der zum Gründer der italienischen Baukunst der Hochrenaissance wurde, weitergegeben. Bramante war seit 1472 in Mailand, wo er nicht nur an der Kirche Santa Maria presso S. Satiro die erste nachrömische Kassettenkuppel und darüber hinaus die Kirche Santa Maria delle Grazie und einige Paläste errichtet hatte, sondern, ehe er nach Pavia und 1499 nach Rom wechselte, dort auch als Festungsbaumeister tätig. So wie es in der Lombardei seinerzeit üblich war, errichtete er die Kirche Santa Maria delle Grazie als einen Backsteinbau und legte das Hauptgewicht auf die Gliederung des Unterbaus. Die Verwendung einer alle Gebäudeteile überziehenden Ornamentik lag den Lombarden schon seit dem frühen Mittelalter im Blut.
Diese Art der Gestaltung mit Inkrustationen als Nachfolge der mittelalterlichen Mosaiken wurde sehr schnell von den Venezianern übernommen, die schon seit jeher viel mehr Wert auf ein malerisches Element denn auf ein architektonisch-bauliches Merkmal gelegt hatten. Vorzügliche Beispiele für diese Fassadengestaltungen sind die wahren Schmuckkästchen gleichenden und die Prunk- und Prachtliebe der reichen venezianischen Kaufleute demonstrierenden Kirchen San Zaccaria und Santa Maria di Miracoli. Der venezianische Baumeister Pietro Lombardo (um 1435 bis 1515) zeigte aber mit einem der zur damaligen Zeit schönsten Paläste Venedigs, dem dreigeschossigen Palazzo Vendramin-Calergi, dass auch hier ein starkes architektonisches Gefühl zu Hause war.
Dem Architekten Brunelleschi war es gelungen, eine neue, moderne Bauweise durchzusetzen. Aber allmählich wird in einigen bildhauerischen Arbeiten des jungen Goldschmieds Ghiberti das als eine der Grundlagen der Renaissance definierte Naturgefühl erkennbar, das etwa gleichzeitig bei den niederländischen Malerbrüdern Jan und Hubert van Eyck, der den Genter Altar begann, zu finden ist. In den zwanzig Jahren, die Ghiberti an der bronzenen Nordtür des Baptisteriums arbeitete, entwickelte sich das Schönheitsgefühl der Italiener weiter. Giotto hatte die von Mathematikern herausgefundenen Gesetze der Zentralperspektive - später setzten Alberti und Brunelleschi seine Arbeiten fort - für die Malerei weiter entwickelt. Die florentinischen Maler griffen die Ergebnisse eifrig auf und steckten schließlich auch die Bildhauer mit ihrer Begeisterung an. Ghiberti schließlich hat die malerischen Elemente in der Reliefplastik zur Vollendung geführt. Er bildete damit ein gewisses Gegengewicht zum sicherlich vielseitigeren Donatello, der immerhin ein ganzes Jahrhundert lang die italienische Plastik beherrscht hatte.
Das, was Brunelleschi versuchte, war Donatello gelungen: in jedem Material, in Holz, Ton und Stein und unabhängig von der Wirklichkeit, den Ausdruck des Lebendigen zu realisieren. In seiner Wiedergabe der Figuren spiegeln sich deren schreckliche Erfahrungen wie Not, Schmerz und Elend. Er vermochte in seinen Abbildungen von Frauen und Männern alles wiederzugeben, was deren Persönlichkeiten ausmachte. Aber auch in der Dekoration von Kanzeln, Altären und Grabmälern, und hierzu zählen auch sein Steinrelief der Verkündigung Mariä in Santa Croce oder die Marmorreliefs der tanzenden Kinder an der Orgelbrüstung im Florentiner Dom, wurde er von keinem seiner Zeitgenossen übertroffen.
Nach dem Projekt Donato Bramantes,
Santa Maria della Consolazione, 1508.
Todi.
Schule von Piero della Francesca
(Laurana oder Giuliano da Sangallo?),
Ideale Stadt, um 1460.
Öl auf Holztafel, 60 x 200 cm.
Galleria Nazionale delle Marche, Urbino.
Seinem bereits 1416 für Or San Michele geschaffenen Heiliger Georg als erster Standfigur im klassischen Sinn folgte um 1430 als erste freistehende plastische Aktdarstellung eine bronzene Statue des David und 1432 mit der Büste des Niccolo da Uzzano die erste weltliche Portraitbüste. Schließlich vollendete er 1447 mit seinem für Padua geschaffenen bronzenen Reiterstandbild des venezianischen Söldnerführers Gattamelata (um 1370 bis 1443) das erste Reiterstandbild der Renaissanceplastik.
Donatellos Rang und Ruhm erreichte nur einer noch, der Bildhauer Luca della Robbia (1400 bis 1482), der