Die Wiederentdeckung der Berührbarkeit: Warum Gefühle wieder salonfähig sind
Von Susanne Pointner und Josef Bruckmoser
()
Über dieses E-Book
Hier setzt Susanne Pointners Buch an: Es lädt ein, einen freundlichen und empathischen Umgang mit sich selbst zu entwickeln und richtet sich an Menschen, die nicht cool und abgestumpft durchs Leben gehen wollen, sondern offen und sensibel – ohne sich dabei von jedem Gegenwind aus der Bahn werfen zu lassen. Das setzt einen guten Zugang zur eigenen Gefühlswelt und Aufnahmebereitschaft für die Empfindungen anderer Personen voraus.
Mythische Bilder vertiefen den Erkenntnisgewinn und zahlreiche Beispiele aus der therapeutischen Praxis stellen den Bezug zum Alltag her. Viele Leserinnen und Leser werden sich selbst darin erkennen und wertvolle Anregungen dafür finden, wie das Stille und das Laute, das Zarte und das Grelle im eigenen Inneren und in der Umgebung in Balance gebracht werden können.
Ähnlich wie Die Wiederentdeckung der Berührbarkeit
Ähnliche E-Books
Zwischen Begabung und Verletzlichkeit: Leben mit Hochsensibilität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeil wir geliebt werden wollen … Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZart im Nehmen: Wie Sensibilität zur Stärke wird Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer verborgene Ort: Symbolik und Erinnerung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebensfunken: Geschichten, Inspiration & Anleitungen aus der Praxis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWie dein inneres Kind Heimat bei Gott findet: Endlich frei sein, um das Leben zu führen, nach dem du dich sehnst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen99 Fragen an eine spirituelle Lehrerin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAm Anfang war das Ich allein: Beziehung Spiritualität Menschsein Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeilung für das Innere Kind: Arbeitsbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Hintergrundradio: Eine Dualseelengeschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKopfkino: nur dieser Tag noch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIn aller Seelenruhe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWie kann ich ich selbst sein? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLife Coach: Das ermutigende Reisebuch für die Seele Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErdung: Stark wie ein Baum, durch Gelassenheit und Vitalität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEmpathie: Ich weiß, was du fühlst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKreise schließen sich: Eine Katzengeschichte aus der alltäglichen und nichtalltäglichen Wirklichkeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Vermächtnis deiner inneren Eltern: Ausstieg aus dem täglichen Kampf um Anerkennung und Liebe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVerborgene Erinnerungen - unsere Reise zum wahren Selbst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Beziehungsformel: Endlich glücklich lieben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Suche nach Geborgenheit: Life is a Story - story.one Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKleine Helfer Große Wirkung: Wie Wegbegleiter zu neuer Lebensfreude verhelfen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLieber Vater, liebe Mutter...: Sich von den Schatten der Kindheit befreien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMy Aloneness - Das gelungene Allein-Sein: Im Leben mit Liebe aufwachen - allein und mit den anderen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Leben verletzt: Wie das Dasein meiner herzkranken Tochter meine Wirklichkeit bewegt - Eine Geschichte vom Leben und Ruhe finden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLiebenswerte Beziehungsformen: Die feine Art Glück zu leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFit für einen Alltag in Würde: Wege zur Bewusstseins-Entfaltung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAn mir selbst wachsen...!: Durch Selbstachtsamkeit zu mehr Lebensqualität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKleine Happen für einen nachdenklichen Geist Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Psychologie für Sie
Therapie to go: 100 Psychotherapie Tools für mehr Leichtigkeit im Alltag | Buch über positive Psychologie und positives Denken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAllgemeine Psychologie I Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Werde übernatürlich: Wie gewöhnliche Menschen das Ungewöhnliche erreichen Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Du bist das Placebo: Bewusstsein wird Materie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeilpraktiker für Psychotherapie: Kompakttrainer mit den wichtigsten Prüfungsthemen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen30 Minuten Power-Gedächtnis Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Wenn der Körper nein sagt: Wie verborgener Stress krank macht – und was Sie dagegen tun können. Internationaler Bestseller übersetzt in 15 Sprachen. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMartin Buber: Heilende chassidische Geschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNarzissmus: Dem inneren Gefängnis entfliehen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErgotherapie bei Autismus: Förderung durch Sensorische Integrationstherapie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZusammenfassung: I am - Gesetz der Annahme: Kernaussagen und Analyse von Neville Goddards Buch: Zusammenfassung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Lieblosigkeit macht krank: Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Tiefenpsychologie nach C.G.Jung: Eine praktische Orientierungshilfe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchöpfer der Wirklichkeit: Der Mensch und sein Gehirn - Wunderwerk der Evolution Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die 16 Persönlichkeitstypen im Überblick Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMenschenkenntnis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin neues Ich: Wie Sie Ihre gewohnte Persönlichkeit in vier Wochen wandeln können Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTräume, was du träumen willst: Die Kunst des luziden Träumens Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das Dunkle im Menschen: Das Schattenkonzept der Analytischen Psychologie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWhen: Der richtige Zeitpunkt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBewährte Techniken der Manipulation: Dunkle Psychologie in der Praxis. Wie gerissene Menschen immer das bekommen, was sie wollen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAngst frisst Seele: Wie wir uns von (ir)realen und geschürten Ängsten befreien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKommunikation meistern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNarzissmus: Werden wir zur Gesellschaft auf dem Ego-Trip? (GEO eBook Single) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Schatten in uns: Die subversive Lebenskraft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Die Wiederentdeckung der Berührbarkeit
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Die Wiederentdeckung der Berührbarkeit - Susanne Pointner
Gefühle sind wieder angesagt
Emotionen: Polyphonie oder Symphonie
Die U-Bahn ist am Nachmittag schon recht voll. Eine Kindergartengruppe ist mit zwei Pädagoginnen unterwegs, die Kinder sind erstaunlich brav. Vier dunkelhaarige Mädchen spielen mit sichtbarem Vergnügen ein Klatschspiel: „Dann geh ich in den vierten Stock …". Ein junger Mann im Anzug wirft kurz einen Blick in ihre Richtung und lächelt. Dann fängt er den Blick einer Pädagogin auf und schaut schnell wieder weg. Wahrscheinlich möchte er keinen falschen Verdacht wecken. Männer, die fremde Mädchen anlächeln, lösen Misstrauen aus.
Eine Frau mittleren Alters wendet sich irritiert ab. Sie wirkt müde, man hat den Eindruck, sie versucht sich inmitten der Menschenansammlung ihren kleinen, persönlichen Chillout-Bereich zu schaffen. Die zweite Pädagogin nimmt ihre Geste wahr und ermahnt die Mädchen: „Jetzt noch einmal, dann macht ihr Schluss damit!" Die Kinder gehorchen und werden etwas leiser. Allerdings führen sie ihren kleinen Höhenflug in einer endlosen Reihe von Stockwerken fort. Zwei Reihen dahinter haben sich drei Jugendliche unterhalten, sie beginnen plötzlich laut zu lachen. Der junge Mann steckt sich Ohrhörer in die Ohren. Dann steigen die Kinder aus, die Burschen nehmen Platz und packen ihre Handys aus. Endlich ist Ruhe im Waggon.
Die wenigen Minuten in der U-Bahn sind, unter dem psychologischen Mikroskop betrachtet, eine reichhaltige Diskussion nonverbaler Botschaften. Wir stehen von früh bis spät im Austausch mit anderen. Das passiert vielfach unbewusst, über Empfindungen und in großer Selbstverständlichkeit. Wir achten in der Regel nicht darauf und denken darüber nicht viel nach. Dabei hat der Umgang mit Gefühlen und Eindrücken mindestens ebenso viel Einfluss auf unsere ganzheitliche Gesundheit wie Essen oder Bewegung.
Ein großer Teil der Menschheit lebt heute auf engem Raum zusammen und berührt zumindest emotional, oft aber auch physisch, fremde und vertraute Personen. In der Polyphonie, in guten Momenten in der Symphonie der leise zum Ausdruck gebrachten Freuden, Ärgernisse und Ängste sind wir ständig Akteure und Publikum zugleich. Der Unterton im Satz „Schatz, nimmst du den Müll mit? kann in der Verliebtheitsphase eine Liebeserklärung und im 20. Ehejahr ein Scheidungsanlass sein. Der Gesamteindruck ist ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg bei einer Prüfung. Ob es uns passt oder nicht – was wir sagen, zählt weniger, als wie wir es sagen. Das „Wie
ist oft eine aufschlussreiche Botschaft, die wir unbeabsichtigt vermitteln. Der Empfänger nimmt sie auf über die emotionale Resonanz. Wir hören die Nuancen der Stimme, sehen die feinen Linien in der Mimik des anderen, interpretieren diese Wahrnehmungen blitzschnell und reagieren darauf. Dadurch wird der Austausch vertieft, aber unter Umständen auch erschwert. Schon allein deshalb ist es den Aufwand wert, sich der Landkarte der inneren Ströme zu widmen.
Klara hatte früher die Gewohnheit, ihre Bedürfnisse mit großer Selbstverständlichkeit zu übergehen. Inzwischen ist sie achtsamer im Umgang mit sich. Auf meine Bitte, ob wir den nächsten Termin verschieben könnten, hätte sie früher gemeint: „Klar, kein Problem., auch wenn es für sie einiges an Organisationsaufwand bedeutet hätte. Nun antwortet sie lächelnd: „Dann müsste ich den Babysitter verschieben, aber wenn es nicht anders geht, lässt sich das sicher einrichten.
Die Aussage ist selbstfürsorglich und doch entgegenkommend, und normalerweise löst diese Haltung in mir den Impuls aus, mich von meiner Seite um ein Beibehalten des Termins zu bemühen. Im Tonfall schwingt aber eine Leichtigkeit, fast Nachlässigkeit mit, die mir – eher auf einer intuitiven Ebene – vermittelt: „Ich schupf’ das Leben, mach dir keine Sorgen, und so wichtig ist es ohnehin nicht!" Spontan entsteht dadurch bei mir der Impuls, ihr die Verschiebung ohne weiteres Zögern zuzumuten. Da ich ihre Geschichte kenne, die geprägt ist durch das frühe Bemühen, die Eltern nicht zu belasten, verweile ich länger bei dem Thema, als es rein organisatorisch notwendig gewesen wäre.
Im Gespräch wird Klara bewusst, dass sie nicht vermittelt, was sie eigentlich empfindet und sagen möchte. Sie merkt auch, dass sie selbst dazu neigt, Termine zu verschieben. Sie spürt, dass diese scheinbare Flexibilität andere mehr irritiert als entlastet, kann aber die Misstöne nicht zuordnen. Die Dissonanz zwischen ihrem Bedürfnis nach Struktur und Klarheit und ihrer lässigen Art war und ist für sie selbst und für andere verwirrend, manchmal ärgerlich.
Klara versteht aber auch, warum es ihr schwerfällt, bei ihrem Vorhaben zu bleiben, sich ernster zu nehmen. Sie hadert nicht mehr mit sich, sondern versucht geduldig, die Loyalität gegenüber den Eltern zu würdigen. Die Erwachsene weiß, dass sie die Überangepasstheit nicht mehr braucht. Aber der kindliche Anteil braucht noch Zeit. Ich vermittle Klara Verständnis für ihre Situation und spreche aus, was sie selbst spürt: Es gibt bei diesem Thema eine persönliche Resonanz in mir. Für Klara ist das entlastend. Wir einigen uns am Ende des Gesprächs darauf, den Termin zu belassen, wie er ist, und uns beide um Einhaltung der vereinbarten Termine zu bemühen.
Wir haben selten den Raum oder die Zeit, den Zwischentönen einer Begegnung so differenziert nachzuspüren, wie es in der therapeutischen Praxis möglich und notwendig ist. Wir verarbeiten die Tageseindrücke, wenn überhaupt, nebenbei, unter der Dusche und im Abendverkehr. Wir spüren nach, lassen Gefühle hochkommen, assoziieren dazu Bilder und Satzfetzen. Gerade wenn wir uns entspannen, arbeitet unser neuronales Gefühlszentrum oft auf Hochtouren. Bei Beifahrern wurde wesentlich vielfältigere Hirnaktivität gemessen als bei Lenkern. Der Lenker blickt auf die Stopptafel. Der Beifahrer resümiert die Stopptafeln seines Lebens.
Im besten Fall bildet der Austausch von Zuwendung und Abwehrsignalen den Lebenssaft unseres Daseins. Immer wieder ist aber der innere Strom blockiert, oder ausufernd, und dann leiden wir. Verkümmert er, so wird es grau, einsam und langweilig um uns. Ohne Gefühle sitzen wir in einer leeren Gefängniszelle ohne Fenster. Wir fühlen uns erschöpft, sind anfällig für Süchte und grantig im Beisein von anderen. Ist der innere Strom überbordend und ungezügelt, so wird er verwirrend oder sogar zerstörerisch. Wir befinden uns dann auf einem Schlachtfeld, inmitten des Kampfgetümmels. Wir haben Angst, auch wenn wir sie oft nicht spüren, und rudern mit Händen und Beinen, um zu überleben. Wir ziehen wie Ertrinkende andere in die Tiefe und merken es unter Umständen nicht einmal.
Martin ist eher melancholisch und langsam. Er ist erfolgreich in seinem Beruf, tut sich aber schwer beim Smalltalk. Geschäftsessen und informelle Firmentreffen sind für ihn eine große Belastung. Beim gemeinsamen Frühstück am Freitagmorgen wird viel gelacht – er sitzt meist verlegen lächelnd daneben und versucht sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Er kommt oft nicht zu Wort, weil die anderen schneller reagieren und das Thema wechseln. Er hat auch den Eindruck, dass er bei den angesprochenen Bereichen – technische Neuerungen, Reisen, Klatsch und Tratsch in der Firma – nicht mitreden kann. Ihm fallen die heimlichen Techtelmechtel und Dispute gar nicht auf.
Wir schauen gemeinsam auf den Status Quo und versuchen zunächst, eine Akzeptanz dafür zu erarbeiten, in dem Sinn: Es ist, wie es ist. Martin fällt es schwer, sich nicht abzuwerten für seine „Unfähigkeit, mit den anderen in Verbindung zu kommen. Er tendiert dazu, sich dreinzufinden – aber hadernd, ohne innere Zustimmung. Nach und nach nähert er sich der Traurigkeit, die unter der Resignation liegt. Es war schon immer so. So viel ungelebtes Leben, so viel Einsamkeit hat sich in seinem Inneren angesammelt, und er hat immer von sich gefordert, anders zu sein. Wie die Eltern, die sagten: „Nun geh doch endlich zu den Kindern in die Sandkiste!
Sie meinten es gut, aber es war nicht gut. Er merkt, dass er eigentlich eine innere Abwehr hat und an der Frühstücksrunde nicht gut teilhaben kann, weil er es in seinem Inneren gar nicht will. Er möchte dazugehören, aber er kann und will nicht die Gruppenkultur übernehmen.
Wir suchen nach den Ausnahmen. Schön war der Morgen, als eine Kollegin belastet war durch eine private Situation. Er merkte, dass etwas nicht stimmte und sprach sie darauf an. Sie waren früh da, es war noch ruhig im Raum. Sie setzten sich abseits, und die Kollegin erzählte in wenigen Worten von ihrem Problem. Es gab einen Moment tiefer Verbundenheit. Das Frühstück danach war für Martin anders als sonst. Er spürte, dass seine Nähe der Kollegin guttat, und brachte sich ein, als ein Scherz auf ihre Kosten gemacht wurde. Seine Wortmeldung zeigte zu seinem Erstaunen sofort Wirkung.
Martin achtet in der Folge mehr auf solche Ausnahmen, auf Momente, in denen seine Wesensart positive Resonanz auslöst. Er sucht und gestaltet Situationen, die seiner Art des Austauschs mehr Platz bieten – am Anfang der Frühstücksrunde, im kleinen Kreis, beim Kaffee am Nachmittag. Er merkt, dass er derjenige ist, der an Nebeltagen die Stimmung aufhellen kann, nicht durch einen Witz, sondern durch seine gutmütige Wärme.
In einer guten, sinnstiftenden Beziehung mit uns selbst und anderen sind wir, wenn es uns gelingt, für unsere Empfindungen offen zu sein. Wir nähern uns den inneren Quellen, wenn wir uns berühren lassen, wenn wir unsere Sehnsucht spüren und das Kostbare dahinter erfassen, ohne gleich etwas ausagieren zu müssen. Wenn Martin früher nach einem Gespräch mit Freunden versucht hatte, etwas zu verändern, war der innere Druck dadurch noch größer geworden. Er musste erst hinspüren lernen auf das lichtvolle Geheimnis, das er ist und in sich trägt.
Offen und berührbar: Die inneren Werte finden
Sind wir in einer Übereinstimmung von Werten, Gefühlen, kognitiven Inspirationen und innerer Klarheit, dann leuchten das Leben, die Umgebung und wir selbst. Ein Abend mit Freunden, im guten Gespräch, wo gemeinsam gelacht, gedacht, geschwiegen und gelächelt wird, bleibt uns lange in Erinnerung, jedenfalls in den Körperzellen. Oft macht uns nicht die strahlende Sonne wirklich glücklich, weil wir sie als zu grell oder kitschig empfinden. Hoffnung, Liebe, Inspiration empfinden wir dann, wenn wir uns abgeholt fühlen in der Talsohle, durch die wir gerade gehen, und ein Stückchen emporgehoben werden.
Um berührbar zu bleiben, um ansprechbar zu bleiben für das, was von außen auf uns zukommt, müssen wir unsere Emotionen differenzieren. Die „primäre Emotionalität ist die spontane Reaktion, das Gefühl, das aufkommt, wenn Sie ein verlockendes Angebot betrachten, meist verbunden mit einem Impuls. Die „integrierte Emotionalität
enthält Erfahrungen, Bewertungen, den Gesamtkontext des Lebens. In der Existenzanalyse ist das Heben der spontanen und der – man könnte sagen personierten – Empfindungen eine wichtige Vorbereitung für die sinnstiftende Entscheidung. Dort sind wir auch bereits nicht mehr nur mit uns beschäftigt, sondern schon wieder mehr ausgerichtet auf den Dialog mit der Welt, der im Ausdruck seine Vollendung findet. Das teure Notebook entspricht, näher betrachtet, nicht dem, was in meiner Lebenswelt derzeit eine Priorität haben sollte. Es verschafft mir Lust, aber nicht Erfüllung. Es kompensiert inneren Mangel, aber es nährt – derzeit – nicht wirklich die Werte, die mich in mein Leben führen. Ich kann mich spannenden Spielen in schöner grafischer Auflösung hingeben, aber ich fühle mich danach leer. Das Buch im nächsten Schaufenster ist fürs erste weniger verlockend. Wenn ich mir Zeit nehme, nachzuspüren, was mich mehr nährt, dann fällt mir die Entscheidung leicht.
Gefühle sind Botschaften der Seele, so wie Lustempfindungen und Schmerzen Ausdrucksformen des Körpers sind. Ob angenehm oder nicht, sie spenden die Energie für lebensnotwendige Handlungen. Das schmutzige Geschirr der Tochter auf dem Tisch ist ärgerlich, besonders wenn auf die Aufforderung, es wegzuräumen, die lakonische Antwort folgt: „Mama, chill’ deine Basis." Wirklich lebenshemmend ist aber vielleicht die fortwährende Grenzüberschreitung der Kollegin, die meine persönliche Post öffnet. Den Konflikt mit ihr auszutragen, wäre bedrohlicher – und sinnvoller. Die eigene Wut ist viel zu kostbar, als dass wir sie in einer Schimpftirade – womöglich gegenüber einem Dritten – sollten verpuffen lassen. Wir brauchen sie, um für uns oder andere einzutreten. Der richtige Adressat und das tiefere Ziel sind nicht immer gleich erkennbar. Martin war, wie er sich später eingestand, oft insgeheim wütend auf den Kollegen Leo, der als Salonlöwe die Runde mit Witzen versorgte, und damit auch das Klima prägte. Er hatte das Gefühl: Wenn der nicht wäre, käme ich eher zum Zug. Das war nicht von der Hand zu weisen – aber Martin beneidete Leo im Grunde nicht um seine Rolle, denn die wollte er nicht einnehmen. Er beneidete ihn darum, dass er seinen Platz gefunden hatte. Und daran konnte Martin niemand hindern – außer er selbst.
Manchmal ist es ganz leicht, die Richtung zu erkennen, in die uns das innere Schwingen, die Färbung unserer emotionalen Antwort auf Signale von außen, führen will und soll. Sehnsucht und Freude, aber auch Neid und Schmerz können gute Hinweise liefern, wenn das Leben uns lockt. Dieses Buch hat Ihr Interesse geweckt? Wie haben Sie das erkannt? Welche Regung hat Ihnen verraten, dass Sie kostbare Lebenszeit auf die Auseinandersetzung mit dem Thema einsetzen wollen? An den Gedanken „Das könnte für mich interessant sein" ist immer eine Empfindung gekoppelt – auch wenn wir oft nicht darauf achten. Ohne die Aktivierung der neuronalen Bahnen, die für Gefühle zuständig sind, rühren wir keinen Finger.
Immer wieder ist der Zugang zur Emotionalität eingeschränkt, überlagert oder verschüttet. Wenn wir gefühlsarm sind, ist es schwer zu spüren, welches Essen uns guttut, welche Freundschaft uns nährt, wo wir uns wie einbringen können und welche Aufgaben für uns sinnvoll sind. Dann ersetzen