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Der verborgene Ort: Symbolik und Erinnerung
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Der verborgene Ort: Symbolik und Erinnerung
eBook417 Seiten5 Stunden

Der verborgene Ort: Symbolik und Erinnerung

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Über dieses E-Book

DER VERBORGENE ORT liegt im Inneren des eigenen Selbst und seine in ihm verborgenen verstörenden Erinnerungen sind durch Leugnungen und Verdrängungen vor dem Bewusstwerden geschützt. Aber diese können trotzdem im täglichen Umgang mit sich selbst und anderen sehr zerstörerische Wirkungen entfalten. In DER VERBORGENE ORT erzählen die Hexe, der Rabe, das goldene Kind und der Teddy einem fiktiven Ich märchenhafte Geschichten, um ihm zu ermöglichen, sich zu erinnern und sich dem Leben wieder bewusst zuzuwenden.
Durch die persönliche Auseinandersetzung beim Lesen der vielen verschiedenen Geschichten können eigene Erfahrungen erinnert und auf neue Weise akzeptiert werden, so dass bewusste Neuorientierungen und Verständnis für die Schwierigkeiten und die Grenzen von sich selbst und anderen möglich werden.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum11. Okt. 2017
ISBN9783743965669
Der verborgene Ort: Symbolik und Erinnerung

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    Buchvorschau

    Der verborgene Ort - Regine Reichwein

    Vorwort

    Dieses Buch habe ich geschrieben, weil ich geträumt habe, ich hätte es geschrieben. Leider hatte ich im Traum das Buch nur in einer französischen Ausgabe in der Hand, mit noch nicht aufgeschnittenen Seiten, so dass ich das Buch nicht aufschlagen konnte, um zu erfahren, wovon es handelt. Ich wusste im Traum nur, dass es DER ORT heißt. Beim Aufwachen dachte ich, wenn ich schon träume, dass ich ein Buch geschrieben habe, welches DER ORT heißt, dann muss ich es auch schreiben. Aber wovon handelt es? Ich wusste es nicht.

    Wochen später las mir eine Freundin aus einem anderen Text von mir den folgenden Satz vor: „Wenn ich das täte, dann käme ich an den Ort, wo ich schon einmal war und da will ich nie wieder hin", und fragte mich, welchen Ort ich denn damit meinte.

    Im gleichen Moment – und der ist jetzt schon viele Jahre her – wusste ich, wovon das Buch DER ORT handelt und habe angefangen, es zu schreiben.

    Es handelt von den abgespaltenen und verdrängten schmerzhaften Erfahrungen von kleinen und großen Kindern und den zerstörerischen Wirkungen des Verhaltens der Erwachsenen gegenüber diesen Kindern. Der Ort selbst ist die Leere, in die sich die traumatisierten Kinder zum Schutz zurückziehen, nur das diese Leere nicht wirklich leer und der Schutz kein Schutz ist.

    2010 ist dieses Buch unter dem Titel KINDERSEELENLND – ein Vorschlag von Barbara Strohschein – im Amani-Verlag erschienen. Für diese neu überarbeitete Fassung habe ich mich jedoch entschlossen, wieder den ursprünglichen Titel DER ORT zu verwenden. Allerdings gibt es inzwischen ein anderes Buch mit diesem Titel und so nenne ich mein Buch jetzt DER VERBORGENE ORT.

    In meiner langen Arbeitszeit als Hochschullehrerin und als Gestalttherapeutin haben mir viele Menschen ihre schrecklichen Kindheitserlebnisse und deren Auswirkungen auf ihr Leben erzählt, aber ich hatte leider auch viele Gelegenheiten, Studierende, Lehrende, Eltern und andere Erwachsene in ihrem gedankenlosen, missachtenden und verächtlichen Umgang mit Kindern zu beobachten, wobei ihnen ihr eigenes destruktives Verhalten meist nicht einmal bewusst war und Mitgefühl ein ihnen unbekanntes Gefühl zu sein schien.

    Diese Verhaltensweisen hängen in ihrer Entstehung eng mit den Lebenserfahrungen einer Person zusammen und sind als ihr Selbstausdruck zu verstehen.

    Auf der Basis verinnerlichter kultureller Überzeugungen werden sie – wenn auch immer wieder leicht verändert – von Generation zu Generation weitergegeben.

    Leider führen unsere kulturellen Vorstellungen darüber, wie Menschen sind und wie Menschen miteinander umgehen, leicht zu missachtenden, verachtenden, destruktiven und aggressiven Verhaltensweisen gegenüber anderen.

    So glauben wir in unserer Kultur überwiegend an eine einzige, von allen in gleicher Weise erkennbare Wirklichkeit. Sowie ein Kind etwas anderes wahrnimmt als die es umgebenden Erwachsenen, wird die Wahrnehmung des Kindes angezweifelt. Wenn es nur eine einzige gemeinsame Wirklichkeit gibt, dann kann im Zweifelsfalle nur einer recht haben. Und entsprechende Streitereien kann man tagtäglich in vielen verschiedenen Situationen beobachten.

    In einer einzigen Wirklichkeit gibt es eben nur eine Wahrheit und die Welt wird aufgeteilt in richtig und falsch, in gut und böse, in schuldig und unschuldig und andere Gegensätze.

    Außerdem glauben wir in unserer Kultur meistens nicht daran, dass die Verhaltensweise eines Kindes nur sein momentaner Selbstausdruck ist, stattdessen beziehen wir sein Verhalten auf uns und reagieren erfreut oder verärgert, je nachdem ob der Selbstausdruck des Kindes in unsere Erwartungswelt passt oder nicht. Für das Entstehen dieser Gefühle machen wir die Kinder verantwortlich und entwickeln Tendenzen, die Kinder dafür zu bestrafen.

    Und wir gehen davon aus, dass wir die Verhaltensweisen eines Kindes steuern können und sind stolz auf uns, wenn es uns gelungen zu sein scheint, dass ein Kind uns gehorcht. Dabei übersehen wir, dass es stets die Entscheidung des Kindes ist, ob es tut, was wir erwarten oder nicht, auch wenn es nur aus Angst gehorcht. Wir wissen das Entgegenkommen der Kinder nicht zu schätzen.

    Gleichzeitig schränken wir aktiv die Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern ein und erwarten, dass sich die Kinder in die Welt der Erwachsenen einpassen.

    Und vor allem favorisieren wir in unserer Kultur Täter-Opfer-Strukturierungen. Häufig gehen wir davon aus, andere Menschen hätten uns verletzt oder geärgert, wütend oder traurig gemacht, provoziert oder verunsichert, gelangweilt, beleidigt oder unterdrückt. Aber auch bei den sogenannten positiven Gefühle, wie glücklich oder angeregt sein, einen Orgasmus haben, sich amüsieren usw., werden oft die anderen als „Verursacher" definiert.

    Sowie wir beginnen, auf unseren Sprachgebrauch zu achten, wird uns bewusst, wie oft wir die anderen für unsere eigenen Prozesse verantwortlich machen. Wenn eine Person einer anderen mit ihren Worten und Handlungen die Verantwortung für die eigenen Prozesse übergibt, tut sie so, als hätte die andere Person Macht über sie. Wenn die andere Person die Zuschreibung annimmt, denkt auch sie, sie hätte die Macht, die andere Person in ihren Gefühlen, Gedanken, Entscheidungen und Handlungen zu manipulieren und damit zu kontrollieren. Macht über andere Menschen zu haben, ist eine Versuchung, anderen Menschen Macht über sich zu zuschreiben, ist eine Entlastung.

    Und genau diese Entlastung leisten sich die Erwachsenen seit einer Reihe von Generationen auf Kosten der Kinder, sie stellen sich als die Opfer der Kinder dar und versuchen, den Kindern die Täterrolle zuzuschieben. Sie werden damit zu den Kindern ihrer Kinder und nehmen ihre Eltern- oder Erwachsenenrolle nicht mehr wahr.

    Die Kinder wachsen sozusagen mutter- und vaterlos auf, allein gelassen mit ihren vielfältigen schmerzhaften Gefühlen darüber, wenn die Erwachsenen ihnen wieder einmal deutlich machen, dass sie in Bezug auf ihre Erwartungen versagt haben.

    Für viele Erwachsene liegen diese Schmerzen, diese Gefühle von Hilflosigkeit, Wut, Hass, Verzweiflung und Trauer ebenso wie ihre Gefühle von Verlassenheit und Einsamkeit tief in ihrem Inneren verborgen, sie sind ihnen meist nicht mehr bewusst. Viele sind überzeugt, sie hätten eine schöne Kindheit gehabt. Dies ist sicher im Interesse des Überlebens der einzelnen Personen.

    Das dadurch entstehende Problem aber liegt darin, dass die erwachsen gewordene Person ihren Kindern wiederum das antut, was ihr selber angetan wurde. Sie tut dies meist ohne zu ahnen, welche schmerzhaften Gefühle dabei im eigenen Kind entstehen.

    So setzen sich verstörende und zerstörerische Wechselwirkungen zwischen Eltern und Kindern von einer Generation zu nächsten fort und verstärken sich dabei in ihren immer wieder unbewusst arbeitenden Wirkungen. Die unbewusst gewordenen Erfahrungen haben Einfluss auf unsere Alltagskultur und damit auf unseren Umgang mit anderen Menschen, insbesondere in Bezug auf unseren Umgang mit unseren Kindern.

    Konkret bedeutet dies, dass wir nicht nur unsere eigenen Entscheidungen und Handlungen, sondern auch unsere Interaktionen mit anderen immer wieder so strukturieren, als sei unser Gegenüber ein Täter und wir sein Opfer oder umgekehrt. Wir nehmen an, sie würden uns ärgern und verletzen, sie würden uns beleidigen oder verunsichern. Wir fühlen uns von den anderen kontrolliert, diffamiert, gedemütigt, an die Wand gedrückt, übergangen oder im Stich gelassen und wir gehen mit dem jeweiligen Gegenüber dann entweder aggressiv um oder ziehen uns zurück.

    Dementsprechend bewegen wir uns zwischen angreifen, rechtfertigen, verteidigen und zurückziehen hin und her. Damit glauben wir der vermeintlichen Unterwerfung durch andere zu entgehen oder Macht über sie zu gewinnen.

    Unbewusst wollen wir unsere eigenen Verdrängungen behalten und dann dürfen wir auch durch die Lebendigkeit unserer Kinder nicht an unsere schmerzhaften Erfahrungen erinnert werden. Das bedeutet, wir müssen versuchen, uns die Kontrolle über die Lebendigkeit und Autonomie der Kinder durch ihre Unterwerfung zu sichern.

    Wir wiederholen damit immer wieder die Vermeidung unserer kindlichen schmerzhaften Erfahrungen, ohne zu ahnen, dass wir unseren Kindern dadurch genau das zufügen, unter dem wir selbst so gelitten haben.

    Unterstützt werden solche Prozesse der Vermeidung, Leugnung und Verdrängung durch die in unserer Kultur verbreiteten Vorstellungen, man könne, wenn man nur gut genug sei und genug wisse, nicht nur mechanische, sondern auch lebendige Prozesse kontrollieren. Eine Mutter, deren Kind abends endlich im Bett bleibt, denkt, sie habe das durch ihr geschicktes Verhalten geschafft; ein Lehrer, dessen Klasse endlich ruhig ist, glaubt, er selbst habe die Kinder dazu gebracht; ein Vater wird wütend und bestrafend, weil er annimmt, sein Sohn habe ihn so provoziert und er müsse dem durch Strafen ein Ende setzen usw.

    Wir reden auch mit unseren Kindern so, als hätten sie die Verantwortung für unsere Gefühle und unseren Gesundheitszustand: „Du machst mich ganz nervös, „ Du machst mich noch krank, „Du brichst mir das Herz oder „Du könntest mich so glücklich machen.

    Wir reagieren gereizt, wenn unsere Kinder nicht unsere Gedanken lesen und nicht unsere Erwartungen und Wünsche erraten, sondern ihren eigenen Interessen nachgehen: „Kannst du nicht mal von allein auf die Idee kommen, mir zu helfen?, „Alles muss man dir sagen! Wir werfen ihnen vor, dass sie unser Verhalten und unsere Entscheidungen bestimmen: „Deinetwegen komme ich immer zu spät, „Wegen dir ist Papa jetzt böse, „Du hast uns das ganze Wochenende verdorben!"

    Wir sichern uns oft den passiven Teil an den Interaktionen mit unseren Kindern: „Du zwingst mich doch dazu, solche Maßnahmen zu ergreifen, „Was soll ich bloß mit dir machen, „Immer musst du dich durchsetzen!"

    Jedes Mal, wenn solche Sätze fallen, signalisieren die Eltern ihren Kindern, dass sie sich als Opfer ihrer Kinder empfinden und ihren Kindern die Verantwortung für die eigenen Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Wünsche, Handlungsimpulse und Entscheidungen übergeben. Die Kinder werden damit, wie schon gesagt, in eine Täterrolle geschoben und erleben sich als unzureichend, als ungeliebt, als böse, als schuldig oder als generell überfordert.

    Die Inhalte der Botschaften können variieren und von den Kindern als sehr freundlich oder als sehr aggressiv empfunden werden, die strukturelle Botschaft aber bleibt gleich: Vater/Mutter sind die Opfer des Kindes. Damit werden die Eltern ihrer Rolle als Mutter und als Vater nicht mehr gerecht, stattdessen geraten die Kinder in die Elternpositionen und die Eltern verhalten sich wie deren Kinder. Man kann sich vorstellen, dass dies erhebliche Wirkungen auf die betroffenen Kinder hat.

    Noch zerstörerischer für ein Kind ist jedoch, wenn eine Bezugsperson das Kind benutzt, um aktiv seine eigenen Verdrängungen aufrechtzuerhalten. Jede Regung des Kindes wird dann so interpretiert, dass sich der Erwachsene nicht zu erinnern braucht, ohne Rücksicht darauf, was das Kind gefühlt, gedacht oder gewollt hat. Die Persönlichkeit des Kindes, seine Sehnsüchte, Hoffnungen und Wünsche, aber auch seine Worte und Handlungen werden entweder gar nicht wahrgenommen oder zugunsten der Schutz- und Abwehrmechanismen des Erwachsenen interpretiert.

    Solche Mystifizierungen sind in unserem Alltag weit verbreitet.

    Schon allein, wenn wir einem Kind, welches hingefallen ist und weint, sagen, es wäre doch alles nicht so schlimm, es würde doch gar nicht so weh tun, mystifizieren wir das Kind, um unsere eigene Hilflosigkeit nicht zu spüren.

    Auch wenn wir unsere Phantasien darüber, was eine andere Person denkt, fühlt oder will, für wahr halten und unser eigenes Verhalten darauf aufbauen, respektieren wir die Andersartigkeit der anderen Person nicht. Kinder sind in viel stärkerem Maße als Erwachsene darauf angewiesen, in ihrer Einzigartigkeit und Besonderheit und damit in auch ihrer Andersartigkeit akzeptiert zu werden.

    Ergebnisse der Hirnforschung weisen nun darauf hin, dass wir die inneren Zustände anderer Menschen, ihre Empfindungen, Gefühle und Gedanken nicht erkennen können. Wir können immer nur von unseren eigenen Erfahrungen ausgehen. Das bedeutet, dass wir zwar mit Hilfe der Simulationen unserer Spiegelneuronen raten können, was ein Kind fühlt oder denkt, aber wir können es nicht wissen. Wenn wir etwas von den Kindern wissen wollen, müssen wir die Kinder fragen, andere Möglichkeiten scheint es nicht zu geben.

    Vieles ist darüber gearbeitet worden und lässt sich an anderer Stelle nachlesen. Hier will ich nur darauf hinweisen, dass es heute wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass sich lebendige Wesen – als selbstorganisierende Systeme – nicht von außen gezielt beeinflussen oder kontrollieren lassen. In diesem Sinne lebt jedes Lebewesen in seiner von ihm selbst immer wieder neu gestalteten Wirklichkeit, die von außen nicht gezielt beeinflussbar ist.

    Menschen haben – als sozial lebende Wesen – besondere für sie existentiell wichtige Wünsche aneinander. Die Erfüllung dieser existentiellen Wünsche, wie „dazuzugehören, „wahrgenommen und geachtet zu werden, „wichtig zu sein und eine Bedeutung zu haben, „eine Wirkung zu erzielen und beim anderen eine Spur zu hinterlassen und „in der eigenen Besonderheit wertgeschätzt zu werden", bedingt die Qualität der sozialen Beziehungen. Die Nichterfüllung dieser existentiellen Wünsche wird als schmerzhaft erlebt, man fühlt sich verletzt und wird dann oft auch wütend.

    Aber es ist schwierig, die existentiellen Wünsche eines anderen zu erfüllen, wenn die Sehnsucht, die eigenen Wünsche erfüllt zu bekommen, so groß ist und man sich selbst so verletzt und bedürftig fühlt.

    Und leider sind die Erwachsenen jeder Generation selbst auf vielfältige Weise verletzte und gekränkte Wesen, einfach dadurch, dass sie in eine Kultur, in der Herrschaftsansprüche und Kontrollillusionen favorisiert werden, hineingeboren wurden.

    Auf sehr unterschiedliche Weise haben viele Erwachsene daher in ihrer Kindheit sehr gelitten und aus Selbstschutz ihr Leiden abgespalten, geleugnet oder verdrängt.

    Jedes Erinnern aber tut weh und die Kinder mit ihrer Lebendigkeit und mit ihren Wünschen, sich ihre Welt anzueignen und zu gestalten, gefährden – wie gesagt – die Verdrängungen der Erwachsenen. Daher kämpfen wir gegen unsere Kinder mit dem uns nicht bewussten Ziel, unsere eigenen Verdrängungen aufrechtzuerhalten.

    Aber wir kämpfen immer dann auch gegen uns selbst, wenn schmerzhafte Erinnerungen drohen, bewusst zu werden und verhindern damit unsere Heilungsprozesse.

    Mit diesem Buch möchte ich versuchen, den Prozess des Erinnerns zu erleichtern, damit wir nicht unbewusst immer wieder das mit anderen wiederholen, was wir selbst so schmerzhaft erlebt haben. Ich hoffe, dass dadurch Menschen mehr Verständnis für ein ihnen vielleicht sonderbar vorkommendes Verhalten entwickeln und begreifen, dass jeder Mensch anders als jeder andere ist und für sein eigenes Fühlen, Denken und Handeln stets für ihn bedeutsame Gründe hat.

    Ich möchte auch, dass Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten, mit Hilfe dieses Buches Einblicke in die sie vielleicht verstörenden inneren Prozesse ihrer Klienten gewinnen können, um ihre eigenen Vorstellungen über menschliche Möglichkeiten von Gedanken- und Gefühlswelten zu bereichern.

    Solange wir für uns jedoch den Weg der Aufrechterhaltung unserer eigenen Verdrängungen wählen und den Glauben an die eigene Macht oder Ohnmacht nicht aufgeben wollen und solange uns die vermeintliche Kontrolle über uns selbst und andere wichtiger ist als alles andere, solange werden wir Erwachsenen unsere Kinder wieder und wieder opfern.

    Erst wenn wir uns erinnern und beginnen, sowohl unsere eigene Bedürftigkeit ernst zu nehmen als auch die der anderen Menschen und bereit sind, die Akzeptanz und Liebe, die wir uns von anderen wünschen, anderen zu geben, haben wir und die Kinder der nächsten Generationen eine Chance.

    Gefährlicher Zorn

    „Ich weiß, sie wird an den Ort kommen, sagte die Hexe zum Raben, traurig und wütend zugleich, „sie will mit der Welt und sich selbst nichts mehr zu tun haben.

    „Sie träumt, sagte der Rabe, „und vielleicht begreift sie, was sie sich antut, wenn sie aus Angst das hergibt, was sie zum Handeln braucht.

    „Sie wird es nicht begreifen. Mitleid und Ekel waren noch nie ein guter Boden für Erkenntnis, sagte die Hexe, „aber ich will mit dir zusammen hoffen. Was träumt sie denn?

    „Sie träumt den Traum vom Prinzen, der seinen Zorn verschenkte", sagte der Rabe.

    „Das kann doch nicht gut enden", sagte die Hexe.

    „Warte es ab", sagte der Rabe. Aber die Hexe funkelte ihn nur böse an.

    Ich stehe mitten in der Sonne. Es ist sehr heiß. Ich sehe mich um. Kleine Hütten aus Lehm lehnen sich an eine hohe Mauer. Dahinter ist eine große Burg, auch aus Lehm, mit sehr kleinen Fenstern und hohen Türmen zu sehen. Es ist staubig, und der gelbe Boden, auf dem ich stehe, scheint das Licht um mich herum noch gelber zu machen. Nur ein alter Mann ist zu sehen. Er sitzt neben dem Tor an der Mauer. Es wird immer heißer. Ich denke, es ist einer der Tage, die nicht zu Ende zu gehen scheinen, weil keinerlei Bewegung den Fortgang der Zeit mehr anzeigt. Der Mann sitzt auch unbeweglich da. Ich blicke ihn an und weiß, er will, dass ich näher komme. Ich gehe auf ihn zu und erschrecke mich. Große schwarzgrüne Fliegen kriechen über ihn hinweg. Sie sitzen selbst auf seinen Augäpfeln. Ich finde den Anblick entsetzlich und ekelhaft.

    „Warum jagst du die Fliegen nicht fort?, frage ich den alten Mann. „Wozu?, fragt dieser zurück. „Stören sie Dich denn nicht?, frage ich. „Nein, antwortet der alte Mann, „mich stört oder ärgert gar nichts mehr. Sieh mich an, ein Bündel Lumpen bin ich geworden, älter, als ich zu sein brauche, ohne Willen und ohne Widerstand. Kinder verhöhnen mich und Erwachsene werfen mit Steinen nach mir, und alles muss ich mir gefallen lassen. „Ich verstehe das nicht, sage ich, „wirst du denn nicht zornig? Und dabei fällt mir mein eigener ungeheurer Zorn ein, den ich oft meinem Vater und meiner Mutter gegenüber fühle und vor dem ich Angst habe. Ich wundere mich, dass mir das in diesem Moment einfällt. „Ich habe meinen Zorn irgendwie verloren, sagt der Alte zu mir, „und ich wünschte mir, jemand würde mir seinen schenken. Dabei sieht mich der Alte ganz merkwürdig an. „Für manche Menschen, fährt er fort, „ist Zorn sehr gefährlich.

    Er kann so groß werden, dass sie damit das Liebste, was sie haben, töten", und dabei sieht er mich wieder so an, als würde er diese Worte nur für mich sagen. Wir sehen uns schweigend an, und es ist, als würde ich mit mir selber kämpfen.

    Plötzlich sagt der Alte: „Willst du mir nicht deinen Zorn schenken? Du wirst der Herrscher dieses Landes sein, Zorn ist für dich nur gefährlich. Nicht du brauchst ihn, deine Untertanen brauchen ihn, und ich habe von allen deinen Untertanen am wenigsten davon. Ich brauche es, zornig sein zu können, um zu überleben. Ohne eigenen Zorn kann mich jede Fliege quälen, wie du siehst. Du aber brauchst nur zu befehlen. Gib mir deinen Zorn, du weißt selbst, wie zerstörerisch und gefährlich er ist. Für dich und für die Menschen, die du liebst. Es wäre besser, du wärest ohne ihn."

    Ich wundere mich über das, was der Alte sagt, und gleichzeitig gebe ich ihm recht.

    Ich erinnere mich. Auch heute am frühen Morgen habe ich vor meinem Vater gestanden und nur denken können: „Ich bringe ihn um, ich bringe ihn um." Und wie oft habe ich mir schon gewünscht, meine Mutter wäre tot.

    Ich sehe den alten Mann an. Die Fliegen kriechen auf seinem Gesicht herum. Zwei Fliegen paaren sich an seinem linken Mundwinkel, und ich ekele mich über das, was ich da sehe. Ich kann es nicht mehr ertragen. Und ich sage zu dem alten Mann: „Ich schenke dir meinen Zorn".

    In diesem Moment verwandelt sich alles um mich herum in eine graue Düsternis. Ich höre ein noch höhnisches Gelächter, es ist der Alte, der so lacht, und dann werde ich gleichgültig, entsetzlich gleichgültig. Ich merke kaum, dass Hände mich anfassen, aufheben und wegtragen.

    Plötzlich sitze ich an einem Fenster in einem großen, kostbar eingerichteten Raum. Ich bin viel älter. Ich weiß, ich bin König. Mein Vater ist gestorben, meine Mutter in ein Kloster gegangen. Ich weiß auch, die Menschen in meinem Land leben in Armut und Unfreiheit und erwarten von mir, dass ich anfange zu handeln, statt alles den Beratern meiner Eltern zu überlassen, die mich bisher erfolgreich immer wieder lächerlich gemacht, mich entrechtet und gedemütigt haben. Aber ich sitze da und betrachte mein Bild im Fenster. Gleichgültig sehe ich die Schattierungen von grau, die mich umgeben, obwohl die Sonne scheint und der Himmel blau ist. Ich bin dumpf und stumpf, denke ich und beschäftige mich eine Zeitlang damit, ob dumpf und stumpf mit f oder mit pf geschrieben werden, obwohl ich es genau weiß. Ich will aufstehen, ich muss irgendetwas tun. Aber ich weiß, ich kann es nicht. Meine Arme sind schwer, ich kann sie nicht anheben. Selbst meine Augenlider erscheinen mir wie dicke Fleischlappen, über die ich keine Kontrolle habe.

    Ich atme kaum. Ich spüre nur eine innere Unruhe, die mir zeigt, dass mein Körper noch zu mir gehört. „Ich sitze mit dem Rücken zur Welt", sage ich zu mir, und während ich diesem Gedanken noch verloren nachhänge, geschieht etwas, das mich erschreckt. Mein Rücken teilt sich längs meiner Wirbelsäule, ein langer heller Spalt entsteht, und aus dieser Spalte heraus kommt ein leuchtender Nebel, der sich langsam verdichtet. Ich habe den Eindruck, ich könne sehen, was sich aus dem Nebel herausbildet. Ich sehe eine Sonne entstehen, und während sie sich von mir entfernt, bilden sich Planeten. Sie beginnen mit der gleichen langsamen Bewegung, mit der der Nebel aus meinem Rücken fließt, sich um die immer kleiner werdende Sonne zu drehen. Einer der Planeten ist die Erde. Ich erkenne sie an der Form ihrer Kontinente, die vage durch die weißen Wolken schimmern. Je länger ich hinsehe, desto deutlicher kann ich alles erkennen.

    Ich sehe Berge und Flüsse, Bäume und Sträucher, bis ich sogar Tiere und Menschen erkennen kann. Menschen, die miteinander sprechen, lachen und sich streiten, die sich begegnen und wieder auseinandergehen. Eine solche Fülle von Bildern alltäglicher Situationen entsteht aus dem hellen Nebel, der immer weiter aus meinem Rücken dringt, dass mir jetzt schmerzlich bewusst wird, nur ich sitze mit dem Rücken zu diesem lebendigen Geschehen.

    Meine Augen wandern in den grauschwarzen Schattierungen des Raumes und des Fensters umher. Auch im spiegelnden Glas des Fensters kann ich nichts davon erkennen, was für mich ganz deutlich spürbar und sichtbar aus meinem Rücken herausfließt und sich ohne mich lebt. Ich versuche, mich umzudrehen, aber ich merke, dass mein Körper mir nicht gehorcht. Allmählich verblasst das Leben, das aus meinem Rücken herausfließt. Ich sehe diese lebendigen Bilder nicht mehr, und ringsherum ist wieder nur das schwarzgraue Belanglose.

    Ich sitze allein in diesem Zimmer und habe das Gefühl zu schrumpfen. Meine Augen ziehen sich immer mehr in das Innere meines Kopfes, wie auf einen gemeinsamen Punkt, zurück. Mir scheint, mein unvermeidlicher Tod steht mir unmittelbar bevor. Die Angst, die ich fühle, wird immer größer und immer unerträglicher und verwandelt sich schließlich in eine unendliche, graue Gleichgültigkeit, die sich langsam in mir ausbreitet.

    Ich erinnere mich an das bunte und vielfältige Leben, welches sich aus dem hellen Nebel meiner gespaltenen Wirbelsäule entwickelte und von dem ich mich so ausgeschlossen fühlte. Ich war doch fast ein Schöpfer, zumindest eine Quelle des Lebens. Ich weine, ohne zu spüren, dass ich traurig bin.

    Warum habe ich dem alten Mann meinen Zorn geschenkt. Ich weiß nur noch, dass ich seine Bewegungslosigkeit und sein Hinnehmen der grünschwarzen Fliegen nicht mehr ertragen habe. Und jetzt, denke ich, bin ich genau wie er. Die Menschen des ganzen Landes haben unter den bösartigen Ratgebern meines Vaters zu leiden, und ich tue nichts dagegen. Stattdessen sitze ich bewegungslos in meinen Gemächern und starre in ein graues Schwarz oder schwarzes Grau, was gar nicht da ist. Ich sollte irgendetwas tun, denke ich.

    Warum kommt eigentlich niemand, frage ich mich und denke zugleich, es ist ja auch noch nie jemand zu mir gekommen. Plötzlich glaube ich, mich zu erinnern, weshalb ich meinen Zorn verschenkte. Er war mir zu groß und zu vergeblich erschienen. Ich war ja fast erleichtert, ihn loswerden zu können. Nur, warum war mir mein Zorn so gewaltig, so gefährlich und so vergeblich erschienen. Das weiß ich nicht mehr.

    Ich stehe auf und gehe zu der rotseidenen Klingelschnur, die neben meinem Bett hängt, und läute. Und als einer der Diener kommt, gebe ich ihm den Auftrag, die weisesten Männer meines Landes ins Schloss rufen zu lassen, weil ich eine Frage an sie habe.

    Wieder wechselt die Szene, und ich denke, ich träume. Offensichtlich geht der Traum weiter, denn jetzt befinde ich mich in einem riesigen Saal, in dem sich eine Unmenge sehr unterschiedlich gekleideter alter Männer versammelt hat. Ich sitze auf einem erhöhten Thronsessel, und die alten Männer sehen mich ehrerbietig an. Ich frage sie: „Woher kann es kommen, dass ein Mensch seinen Zorn als so groß und so vergeblich erlebt, dass er ihn am liebsten hergeben möchte oder es sogar tut?" Ich sehe, wie die alten Männer erst erstaunt sind über die Frage und dann beginnen, darüber nachzudenken. Einige bleiben auf dem Platz sitzen, einige stehen auf und wandern hin und her, gehen zu den Fenstern und werfen Blicke hinaus. Manche fangen an, mit anderen zu reden, und ich sehe, wie heftig sie gestikulieren, sich teilweise sogar anschreien, ohne viel davon zu hören.

    Dann kommt einer auf mich zu. Er ist wohl der Älteste von allen, und drei etwas jüngere gehen mit großem Respekt ein paar Schritte hinter ihm her. Der älteste sagt zu mir: „Verehrter Herrscher, es gibt viele Möglichkeiten, die dazu führen, dass ein Mensch seinen Zorn für zu groß und zu vergeblich hält, so dass er ihn hergeben möchte. Sage nun, Prinz, ob es sich bei diesem Menschen um einen Mann oder um eine Frau handelt, denn wir glauben, dass dieses einen großen Unterschied macht."

    Ich bin verwundert, denn obwohl ich in diesem Traum ein Mann bin, habe ich keinen großen Unterschied festgestellt, was mein Fühlen anbetrifft und mein Denken. Ich überlege, und dann sage ich, sie sollen es sowohl für eine Frau als auch für einen Mann herausfinden.

    Und jetzt kann ich wieder beobachten, wie die weisen Männer miteinander beraten. Anscheinend strengen sie sich ganz gewaltig dabei an, denn kaum bringen die Diener riesige Platten mit Essen und große Krüge mit Wein und Säften, ist alles schon wieder aufgegessen und ausgetrunken.

    Schließlich werde ich ungeduldig und sage ihnen, ich möchte jetzt ihre Ergebnisse hören. Wieder kommt der Älteste der Weisen auf mich zu und bittet um die Erlaubnis, sprechen zu dürfen. Ich nicke, und er beginnt mit den Worten, „Gnädigster aller Herrscher, verzeiht uns, aber wir haben uns nicht einigen können. Wenn Du gestattest, werden wir Dir nacheinander unsere Ansichten mitteilen. Wir haben beschlossen, der Älteste solle beginnen und der Jüngste enden. Und daher bitte ich um Deine Erlaubnis, anfangen zu dürfen."

    Ich nicke wieder, wundere mich insgeheim über die Sprechweise des Alten, beruhige mich aber damit, dass ich ja träume und höre zu. Und der Alte beginnt: „Es steht geschrieben, der Mensch solle sich die Erde untertan machen, und so erweckt Ungehorsam im Manne den größten Zorn. Und auch Gott, der ein Mann ist, wurde zornig, als Adam und Eva ihm gegenüber ungehorsam waren, und er vertrieb sie aus dem Paradiese.

    Daher wird einem Manne, der keinen Gehorsam findet, sein Zorn allmählich immer gewaltiger und immer größer und schließlich, wenn ihm immer noch niemand gehorcht, auch vergeblich erscheinen. Eine Frau dagegen soll, so steht es geschrieben, dem Manne untertan sein. Daher wird ihr Zorn umso größer, je länger sie niemanden findet, dem sie untertan sein kann, bis auch ihr schließlich ihr Zorn als vergeblich erscheint.

    Somit ist also das unbefriedigte Verlangen nach Gehorsam beim Mann und das unbefriedigte Verlangen nach Unterwerfung bei der Frau die Quelle des Zornes."

    Ich schweige und weiß nicht, was ich dazu denken soll. Darauf erhebt sich der Zweitälteste und beginnt zu sprechen: „Erhabenster Herrscher, die Erfahrung kriegerischer Auseinandersetzung zeigt, dass allein das unbefriedigte Verlangen nach Anerkennung der eigenen Stärke und Überlegenheit den größten Zorn im Manne erregt, und auch dieser Zorn kann, wenn ein Mann oder ein ganzes Volk in der Auseinandersetzung um diese Anerkennung unterliegt und verliert, in der Vergeblichkeit enden.

    In einer Frau dagegen weckt es den größten Zorn, wenn der von ihr gewählte Mann nicht stärker ist als sie und andere und wenn er ihr und anderen nicht überlegen ist und wenn sie niemanden findet, der stärker ist als sie und ihr überlegen, dann wird ihr Zorn ihr, je älter sie wird und ihre Schönheit schwinden sieht, allmählich vergeblich erscheinen"

    Auch hier schweige ich und denke, was für merkwürdige Begründungen, und darauf erhebt sich der Dritte und spricht: „Großer König, Gehorsam und die Anerkennung von Überlegenheit bedingen einander. Wieso sollte ich jemandem gehorchen, von dem ich weiß, dass er mich nicht zwingen kann, und wenn er mich zwingen kann, wäre Einsicht in das Unvermeidliche und nicht Zorn das, was als vernünftig und angemessen betrachtet werden kann.

    Und der Mensch, Mann wie Frau, ist ein vernünftiges Wesen. Nichts erregt den Zorn eines Mannes mehr, als das Handeln eines anderen wider die Vernunft. So geht das Streben des Mannes dahin, der Vernunft zum Sieg zu verhelfen, und lebt er in Zeiten der Unvernunft, so wird sein Zorn darüber vielleicht vergeblich sein. Die Vernunft, so steht es geschrieben, ist wie die Natur des Weibes, sie kann nur geben, nachdem sie empfangen hat. Daher wird ein Weib zornig, wenn der Mann sie nur mit seinem Samen, aber nicht auch mit seiner Vernunft befruchtet, da er ihr dadurch die Erfüllung eines vernünftigen Lebens verweigert und sie den natürlichen Zweck ihres Daseins, der Vernunft des Mannes zu dienen, nicht erfüllen kann."

    Ich schweige weiter, und allmählich kommt mir die Frage, ob diese weisen Männer wohl auch so reden würden, wenn sie wüssten, dass ich eine Frau bin, die nur in diesem Traum als Prinz auftaucht. Aber ich gehe der Frage nicht weiter nach, weil sich schon der nächste erhebt und sagt: „Gütigster aller Könige, es geht nicht um Gehorsam, Überlegenheit oder Vernunft. Der Angriff auf die Ehre eines Mannes ist das, was seinen größten Zorn hervorruft, und ein ehrlos gewordener Mann wird seinen Zorn als vergeblich erkennen. Eine Frau hat nur ihren Ruf zu verlieren, und es gereicht ihr zur Ehre, über einen Angriff auf ihren Ruf zornig zu werden. Und hat sie ihren Ruf verloren, so wird auch ihr Zorn darüber vergeblich sein."

    Ich schweige immer noch, und deshalb spricht auch gleich der nächste weiter: „König der Weisen, im Kampf um die Wahrheit entsteht der größte Zorn. Der Mann wird zornig, wenn er die Wahrheit nicht vertreten kann. Die Frau, wenn man ihr eine Lüge nachweist."

    Und ich schweige, und einer der weisen Männer nach dem anderen erhebt sich und redet. Sie reden von gebrochenen Versprechen, von verletzten Prinzipien, von missbrauchter Moral, von Freiheit und Sklaverei, von unerwiderter Liebe und Eifersucht.

    Und jedesmal stelle

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