Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

KREUZZUG 2: KEINE GUTE TAT ...: Endzeit-Thriller
KREUZZUG 2: KEINE GUTE TAT ...: Endzeit-Thriller
KREUZZUG 2: KEINE GUTE TAT ...: Endzeit-Thriller
eBook339 Seiten4 Stunden

KREUZZUG 2: KEINE GUTE TAT ...: Endzeit-Thriller

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

John Beck, der die Apokalypse überlebte, hat die Wölfe besiegt, die die Verletzlichkeit anderer ausnutzten. Aber kann er auf seinem Weg zur Erlösung auch seine inneren Dämonen besiegen?
John Beck kennt nur eine Mission: seine Tochter zu finden. Nachdem er herausgefunden hat, dass sie ihm handgeschriebene Briefe als Hinweise hinterlassen hat, bricht er mit seinen neu gewonnenen Freunden auf eine Odyssee auf, die ihn hoffentlich wieder mit seiner Tochter vereint. Doch bevor er sie finden kann, müssen einige Hindernisse überwunden werden, die ihn entweder zu seiner Erlösung führen … oder ihn töten könnten.
★★★★★ »Eine ausgezeichnete Lektüre! … Geradlinig, mit der richtigen Portion Gewalt, und vor allem realistisch! Keine Zombies, Drachen, Feen, Aliens oder dergleichen. Kaufen!.« - Amazon.com
★★★★★ »Voller Überraschungen, die man so nicht kommen sieht. Dieses Buch würde einen fantastischen Film abgeben. … Wirklich, geben Sie diesem Buch eine Chance … Sie werden nicht enttäuscht sein.« - Amazon.com
★★★★★ »Was dann folgt, ist eine epische Geschichte über das Überleben. Ein ausgezeichnetes Buch, habe es sehr genossen!!!« - Amazon.com
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum26. Apr. 2024
ISBN9783958358713
KREUZZUG 2: KEINE GUTE TAT ...: Endzeit-Thriller

Mehr von Tom Abrahams lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie KREUZZUG 2

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für KREUZZUG 2

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    KREUZZUG 2 - Tom Abrahams

    Kapitel 1

    Tag der Detonation + 4 Jahre, 5 Monate, 10 Tage, östlich von Meridian, Mississippi

    John Beck starrte in die Flammen. Orangefarben und rot leckten sie in die Luft über dem Lagerfeuer. Schwaden schwarzen Rauchs stiegen in den Himmel auf. Die Hitze traf in Wellen auf sein Gesicht, die gleichzeitig tröstlich und zu heiß waren.

    Es war eine Stunde nach Sonnenuntergang und die Temperatur war schon um mindestens zehn Grad gefallen. Er spürte es in der Schulter und in den Knien. Dieser Winter würde die Schmerzen verschlimmern.

    Wie lange würde er noch gegen Windmühlenflügel kämpfen können? Wie viele Tage, Monate oder Jahre konnte er noch dem mythischen Gral nachjagen? Sein Körper würde wohl nicht mehr lange durchhalten. Er seufzte und rieb sich das Kinn. Die Stoppeln fühlten sich unter seinen Fingern und der Haut zwischen Zeigefinger und Daumen kratzig an.

    In der Ferne hörte er das tiefe Dröhnen und Tuckern eines mit Kohle betriebenen Zugs. Züge waren das einzige verbliebene Massentransportmittel, das von der organisierten Gesellschaftsform übrig war. Doch sie waren gefährlich. Verbrechen waren in ihnen weitverbreitet, daher waren es die Blasen und das langsame Vorankommen wert, zu gehen, statt mit einem Zug zu fahren. Sie waren außerdem auch unzuverlässig. Es gab keine festen Fahrpläne, und die Preise schwankten. Nur verzweifelte oder faule Menschen nahmen Züge. Zumindest sah Beck es so. Es gab bessere Arten, von A nach B zu kommen, wo immer diese Punkte auch sein mochten.

    Seine Tochter war dort draußen. Das fühlte er in seinen arthritischen Knochen. Und wenn er auch kurz davor war, zu erfahren, wo sie war, hatte er das Gefühl, dass dieser Ort ebenso gut auf dem Mond sein könnte.

    Beck sah durch den wabernden Rauch zu der fahlen Scheibe am klaren Himmel hoch. Bei allem, was sich seit dem Angriff, der die ehemaligen Vereinigten Staaten ohne Strom zurückgelassen und sie zweihundert Jahre zurückgeworfen hatte, verändert hatte, blieb der Mond immer derselbe. Die Sterne auch. Sie waren Konstanten. Er war in Gedanken versunken, als der junge Mann, der neben ihm saß, ihn aus seiner Geistesabwesenheit riss.

    »Wie viele Menschen hast du getötet?«

    Beck blinzelte, seine Augen brannten von dem Rauch, und sah Lucas an. Der Junge stocherte mit einem Stock im Feuer. »Warum ist das wichtig?«

    Lucas warf den Stock fort. Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe es mich nur gefragt.«

    Beck schätzte die Körpersprache des Jungen ein. Dann sah er die andere Waise an, die er irgendwie auf seiner Reise östlich nach Alabama geerbt hatte. Rebecca schlief zu einem katzenartigen Ball zusammengerollt unter einer dünnen, zerlumpten Decke. Sie schnarchte.

    Sie hatte ihr Camp eine Viertelmeile von der Straße auf einer Lichtung tief zwischen dicht stehenden Bäumen aufgeschlagen. Das Feuer war Luxus. In den meisten Nächten vermieden sie alles, was auf ihr Lager hinweisen und Fremde anziehen könnte. Doch da die Temperatur so fiel und Rebecca sehr überzeugend und hartnäckig gewesen war, hatten sie es sich gegönnt.

    »Was hast du auf dem Herzen?«, fragte Beck.

    Er machte sich keine Sorgen, dass er Rebecca wecken könnte. Sie konnte alles verschlafen, einschließlich der Schießerei, die sie zwei Tage zuvor überlebt hatten. Man hatte ihnen in der Nähe von Newton, Mississippi, aufgelauert. Beck vermutete, dass dieser Zusammenstoß der Grund für Lucas‘ Frage war.

    »Nichts«, sagte Lucas. »Ich meine, ich habe mich nur gefragt, ob es dich bedrückt. All die Toten. Das Blut.«

    Beck atmete tief durch. Der Geruch des brennenden Eichenholzes füllte seine Nasenlöcher. »Es bedrückt mich. Wir haben schon mal darüber gesprochen, Junge.«

    »Stimmt. Du hast gesagt, dass du deswegen nicht schlafen kannst. Das weiß ich. Ich habe mich nur gefragt, was es ist, das dich wachhält. Welcher Teil davon?«

    Es war einfach alles.

    Beck war ein Mann mit Dämonen. Er hatte ein hitziges Temperament. Probleme mit der Impulskontrolle. Aber er genoss Gewalt nicht. Er hatte damit zu kämpfen, dass es nötig war, zu verletzen und zu töten, damit er überlebte und seine Suche fortsetzen konnte.

    »Ich sehe sie, wenn ich versuche zu schlafen«, sagte er. »Ihre Gesichter. Alle ihre Gesichter. Als würde man durch ein Kartenspiel blättern, so blitzt eins nach dem anderen auf. Einige sind Fremde, andere haben Namen. Aber alle nagen an mir. Sie bringen die Dämonen zum Plappern.«

    »Die Dämonen, die dir zuflüstern?«

    »Ja. Diese Dämonen.«

    »Was sagen sie?«

    Beck knirschte mit den Zähnen und versuchte, ruhig zu bleiben. Genau dieses Gespräch hatte er schon dreimal mit Lucas geführt. Oder sogar schon viermal. Oder fünfmal. Er war wie ein Kleinkind, das dieselbe Gute-Nacht-Geschichte jeden Abend hören wollte.

    Beim Kämpfen war Lucas ein Mann. Unerschütterlich, genau, unbarmherzig. Seinem Alter voraus. Doch nachdem der letzte Schuss oder das Wimmern eines sterbenden Mannes verklungen war, verwandelte er sich wieder in den typischen Teenager. Unsicher, ohne inneren Halt, mit Angst vor der Zukunft.

    Beck ermahnte sich, dass Lucas nur ein Junge war, der sich wahrscheinlich kaum daran erinnerte, wie das Leben vor dem Angriff vor über vier Jahren gewesen war. Er entspannte seinen Kiefer, atmete tief durch und zwang sich zu einem unbehaglichen Lächeln. Beck hatte kein natürliches Lächeln.

    »Die Dämonen sagen Dinge, bei denen ich mich selbst infrage stelle. Sie erinnern mich an all die schlechten Dinge, die ich getan, die Fehler, die ich begangen habe, die Menschen, die ich …« Beck brach ab, als er das Knacken eines Zweiges hörte. Er wandte sich dem Geräusch zu. Es war nah. Zu nah.

    »Hast du das gehört?«, flüsterte Lucas.

    Beck legte einen Finger auf die Lippen und wies auf Rebecca.

    Lucas nickte und schob sich dichter an das Mädchen heran. Beide Männer zogen ihre Waffen. Beck trug eine Glock Gen. 4, 9 mm. Lucas zog eine Ruger, die er einem Möchtegern-Räuber in Typer, Texas aus der noch warmen, toten Hand genommen hatte.

    Das Feuer knackte, das Holz brach unter der Hitze. Noch ein Geräusch kam aus der Dunkelheit, noch näher. Beck verfluchte sich dafür, dass Feuer angezündet zu haben. Die Dämonen flüsterten. Es war zu spät, um etwas wegen des Feuers zu unternehmen.

    Er gab Lucas ein Zeichen und entfernte sich vom Feuer Richtung Lichtungsrand. Sein Finger fand den Abzug und er ließ die Waffe an seiner Seite. Sie hatten so etwas schon mal gemacht.

    Becks Herz hämmerte, sein Adrenalinspiegel stieg. Er verschwand im Wald und ließ Lucas und Rebecca im Licht des Feuers allein.

    Er drückte sich gegen einen Baum und wartete. Obwohl es immer kälter wurde, waren seine Stirn und sein Nacken feucht vor Schweiß. Er brachte seine Atmung unter Kontrolle. Ein und aus. Ein und aus.

    Ein weiteres Geräusch schärfte seine Sinne. Dieses Mal waren es Stimmen. Drei, alles Männer, die nur wenige Meter von ihm entfernt gedämpft miteinander sprachen. Er schlich auf sie zu, ihre schattenhaften Gestalten tauchten zwischen einer Gruppe von Gestrüpp und hohen, schmalen Golfküstenbäume.

    Sie waren bewaffnet, hatten Gewehre.

    Beck wappnete sich, hob seine Waffe und verfolgte die Männer. Er behielt sie im Blick und vertraute darauf, dass Lucas seinen Job erledigte.

    Als die Männer sich aus dem Unterholz auf die Lichtung schoben, war Beck ihnen auf den Fersen. Er hielt einen vernünftigen Abstand und passte seine Schritte ihren an, um seine Annäherung zu verschleiern. Er stand am Rand der Lichtung, verborgen in der Dunkelheit.

    Zwei Männer standen Schulter an Schulter, während ein dritter sich an Rebecca heranschob. Sie war allein beim Feuer. Becks Blick schoss von einer Bedrohung zur anderen, dann fand er Lucas ihm gegenüber. Er versteckte sich einen Schritt von der Lichtung entfernt, die Waffe gehoben und bereit.

    Die beiden, die nebeneinanderstanden, trennten sich. Einer näherte sich einem der Bündel und ging in die Hocke. Er durchsuchte es, während der Mann, der Rebecca am nächsten war, die Decke zurückzog. Niemand sagte etwas.

    Beck und Lucas sahen sich an und, als hätten sie gegenseitig ihre Gedanken gelesen, bewegen sich gleichzeitig.

    Bevor sie einen Schuss abfeuerten, jaulte der Mann bei Rebecca wie ein Hund auf und fiel nach hinten ins Feuer, wo er um sich schlug, als er Feuer fing.

    Die anderen beiden erstarrten vor Schreck und konnten nicht schnell genug reagieren. Beck und Lucas eröffneten das Feuer. Beide schossen mehrere Kugeln in die Fremden. Es war vorbei, bevor es angefangen hatte.

    Der Mann im Feuer wurde still. Er zischte. Der stechende Geruch brennenden Haars mischte sich mit dem Duft nach Eiche.

    Rebecca setzte sich unter der Decke auf. Sie rollte sich auf die Knie und stand auf. Das Metall eines Schlagrings glänzte im ersterbenden Licht des Feuers.

    Lucas lief zu ihr. »Ist alles in Ordnung?«

    Sie zuckte mit den Schultern. »Mir geht’s gut. Und dir?«

    »Mir auch.«

    Sein Adrenalinspiegel sank wieder langsam und Beck ging zum Feuer. Er betrachtete die drei Leichen und zuckte bei dem Geruch zusammen.

    »Wir haben den Stolperdraht vergessen«, sagte Lucas. »Das ist meine Schuld.«

    »Es ist meine Schuld, dass wir das Feuer angezündet haben«, erwiderte Beck. »Ich hätte es besser wissen sollen.«

    Rebecca stand auf und zog den Schlagring von den Fingern. »Es ist nicht meine Schuld. Das weiß ich.«

    Beck wies auf den Schlagring. »Woher hast du den?«

    »Der Hinterhalt«, sagte sie. »Ich habe ihn einem Kerl abgenommen, der versucht hat … lasst uns einfach sagen, dass ich es einem Kerl weggenommen habe, der es nicht mehr braucht.«

    Lucas schob seine Waffe in das Holster. »Ich dachte, du würdest schlafen.«

    »Ich habe nur so getan.«

    »Nur so getan?«

    Sie lächelte breit. »Das mache ich gern. Es ist lustig, worüber ihr sprecht, wenn ihr glaubt, dass ich euch nicht hören kann.«

    Lucas wurde rot. Er hatte Dinge gesagt, von denen Beck sicher war, dass er nicht wollte, dass sie sie hörte.

    »In Ordnung«, sagte Beck. »Lasst uns aufräumen und weiterziehen. Wir können nicht mehr hierbleiben.«

    »Wie weit ist es noch bis Tuscaloosa?«

    »Neunzig Meilen. Noch ein paar Tage.«

    Rebecca rollte ihre Decke zusammen und stopfte sie in ihren Rucksack. »Wir könnten schneller gehen. An einem Tag mehr schaffen.«

    Beck ging neben einer der Leichen in die Hocke und durchsuchte ihre Taschen. »Das könnten wir. Aber wir teilen unsere Kräfte besser ein. Zu viel an einem Tag macht uns müde. Dann sind wir nicht mehr so wachsam. Wir haben heute zwanzig Meilen geschafft. Und seht, was in dieser Nacht passiert ist.«

    »Weißt du«, sagte Lucas, »wir wissen nicht, ob das da schlechte Menschen waren. Vielleicht wollten sie nur helfen.«

    Beck stand auf und stützte die Hände in die Hüften. »Das wollten sie nicht. Menschen, die helfen wollen, machen sich vorher bemerkbar. Sie warnen andere vor, dass sie sich nähern. Diese Höhlenmenschen haben das nicht getan. Sie haben sich angeschlichen. Sie hatten böse Absichten. Sie könnten sogar Kannibalen gewesen sein.«

    Rebecca zog die Riemen ihres Rucksacks fest und schnaubte. »Höhlenmenschen? Hast du wieder in Gabes Wörterbuch geblättert?«

    »Er hat es mir nicht ohne Grund gegeben. Er hat gesagt, es würde einen besseren Menschen aus mir machen.«

    »Es lässt dich verzweifelt klingen.«

    Jetzt schnaubte Beck. »Verzweifelt?«

    »Verzweifelt nach Aufmerksamkeit suchend.«

    »Sagt die spöttische Teenagerin.«

    Sie runzelte die Stirn. »Frau.«

    »Wie auch immer.«

    Lucas wedelte mit den Händen. »Moment mal. Du hast Kannibalen gesagt. Also Leute, die andere Menschen essen?«

    »Das ist die Definition von Kannibale.«

    »So etwas gibt es nicht«, sagte Rebecca.

    »Natürlich gibt es das«, erwiderte Beck. »Es gibt Gerüchte über welche in Tennessee, North Carolina, West Virginia und sogar in Florida. Gabe hat ihnen geglaubt. Ich habe es nie getan. Doch je länger wir hier draußen sind, desto mehr neige ich dazu zu glauben, dass er recht hatte. Gabe hatte nur selten unrecht. Manchmal, aber nicht oft.«

    Rebecca schüttelte den Kopf. »Das sind nur Gerüchte.«

    »Ich habe ziemlich detaillierte Gerüchte gehört, Rebecca. Es gibt Menschen, die nicht versuchen wollen, nach Sitten und Gebräuchen zu leben. Sie machen ihre eigenen Regeln. Sie folgen Ritualen. Sie …«

    »Klingt nach dir«, sagte sie. »Du lebst nach deinen eigenen Regeln. Deine Gewohnheiten …«

    »Ich bin kein Kannibale. Und ich glaube diese Geschichten.«

    »Ich habe gehört, dass diese Bilderbücher über dich auch ziemlich detailliert sind«, sagte sie. »Sind sie deshalb wahr?«

    »Ich habe nie eins gesehen. Also kann ich es nicht sagen.«

    Rebecca wackelte mit einem Finger. »Du hast auch nie einen Kannibalen gesehen.«

    Lucas schloss seinen Rucksack und versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Kannibalen hin oder her, ich will damit nur sagen, dass wir nicht so schnell töten sollten.«

    »Und wieder zurück zu mir«, sagte Rebecca und verdrehte die Augen. »Lucas, wie lange willst du dich noch unserer Realität verweigern? Wir überleben entweder oder nicht. Wie Beck gesagt hat, ist es besser, zuerst zu schießen und keine Fragen zu stellen als Fragen zu stellen und nicht zu überleben.«

    »Du warst auch ein Freund«, sagte Lucas und bezog sich damit auf seine Erziehung als Quäker. »Gewalt in jeglicher Form ist inakzeptabel. Das Herz aller Menschen ist gut. Weißt du noch?«

    »Ich erinnere mich, dass ein Plünderer meine Mutter umgebracht hat. Ich erinnere mich, dass einer von ihnen meinen Vater am Friedhofstor aufgehängt hat. Was hat es uns damals gebracht, nicht gewalttätig zu sein?«

    »Also glaubst du an diese Ausrede mit den Kannibalen?«, fragte Lucas.

    »Nein«, sagte Rebecca. »Das sage ich nicht. Ich will damit sagen …«

    Beck trat zwischen sie. »Das reicht, Kinder. Wir gehen weiter. Rebecca, du hast deine Meinung sagen können. Lucas, du weißt, wie ich darüber denke. In diesem Leben bleibt keine gute Tat ungesühnt. So ist es einfach. Ihr habt das verstanden, als ihr beide mir wie Welpen aus eurem Dorf in New Mexico gefolgt seid, und seitdem hat sich nichts verändert.«

    »Alles hat sich verändert«, sagte Lucas. »Wir haben auf unserem Weg nach Osten viele Menschen getötet. Es ist, als wären wir mörderische Wahnsinnige.«

    Rebecca beugte sich vor und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.

    Beck hob die Hand und trat auf Lucas zu. Er legte eine Hand auf seine Schulter. »Ich verstehe dich, Junge. Das, was wir tun, macht dir zu schaffen. Das ist normal. Aber ich glaube fest daran, das Gott versteht, was passiert ist. Er versteht dich. Wir schlagen nicht als Erste zu. Niemals. Wir schützen uns. Wir überleben. Wir können später ausführlicher darüber reden. Aber jetzt lasst uns weiterziehen. Die Schüsse werden weitere Besucher anziehen. Wir sollten nicht hier sein, um sie zu empfangen, wenn sie herkommen. Wenn ihr also heute Nacht nicht noch mehr Blut an euren Händen wollt, packt fertig, damit wir loskönnen.«

    Lucas senkte den Kopf und nickte. Zögernd. Niedergeschlagen.

    Es war sexistisch, aber Beck dachte manchmal, dass Lucas eher wie ein stereotypisches Mädchen war und Rebecca eher wie ein Junge. Wenn er nicht gerade um sein Leben kämpfte, war Lucas nachdenklich, empathisch und emotional. Rebecca war das genaue Gegenteil. Sie hatte eine harte, undurchdringliche Schale um sich gebildet und verbarg sich hinter Sarkasmus. Der Zwiespalt von Lucas‘ ausgeprägter Persönlichkeit und der diametrische Gegensatz der beiden Kinder machten Beck schwindelig.

    Er führte sie ins Unterholz und Richtung Osten auf den Highway zu, wobei er sich fragte, womit er ihre Gesellschaft verdient hatte. Auf eine gute Art. Und das war schon etwas. In dieser Welt, der Welt nach der Detonation, in der die endlose Suche nach seiner Tochter keine Früchte trug, war es ein Segen, irgendetwas Gutes zu haben. Becks Kiefer spannte sich an, als er darüber nachdachte. Seiner Erfahrung nach hielt ein solcher Segen nicht lange an. Zumindest nicht für Männer wie ihn.

    Kapitel 2

    Tag der Detonation + 4 Jahre, 5 Monate, 15 Tage, Tuscaloosa, Alabama

    »Was erwartest du zu finden?«

    Es war Lucas‘ dritte Frage innerhalb von einer Minute. Beck ging darauf ein.

    »Ich weiß es nicht. Wenn Millie zurückgekommen ist, wie Goose gesagt hat, hoffe ich, dass es dafür Beweise gibt.«

    »Woher kanntest du Goose noch mal?«

    Sie gingen langsam den University Boulevard südlich des Campus entlang. Sie waren nur noch einige Minuten von dem Haus entfernt, in dem Millie mit ihrer Mutter nach der Scheidung gewohnt hatte.

    Die Stadt war buchstäblich verlassen. Die Straßen waren leer. Die Gebäude, die vor langer Zeit aufgegeben worden waren, zerfielen langsam. Es sah aus wie auf den Fotos und alten Filmen, die Beck einmal von Prypjat, einem Dorf in der Nähe von Tschernobyl gesehen hatte, nachdem es nach der Nuklearkatastrophe 1986 aufgegeben worden war.

    Zerknülltes Papier schwebte und taumelte über die Allee, während sie nach Osten marschierten. Der Wind kam in Böen, die stahlgrauen Wolken über ihnen drohten mit Regen.

    »Goose und ich haben zusammen auf der Bohrinsel gearbeitet. Wir kamen nicht miteinander klar. Überhaupt nicht. Nach der Detonation ist er zu meiner Familie gegangen. Er hat meine Ex-Frau, Millies Mom Debbie, umgebracht. Er nahm Millie mit. Ich hatte keine Ahnung, dass er die Plünderer angeführt hat, die eure Leute angegriffen haben, bis wir ihn gesehen haben.«

    »Und bevor du ihn getötet hast, hat er dir erzählt, dass sie hierhergekommen ist, nachdem sie ihm entkommen war?«, fragte Lucas.

    »Ich habe ihn nicht getötet«, sagte Beck. »Nicht wirklich. Aber, ja, er sagte, dass sie hierhergekommen ist, nachdem sie ihm entkommen war.«

    Rebecca, die mehr als eine halbe Stunde geschwiegen hatte, lief Beck voraus, drehte sich um und ging rückwärts. Sie zuckte mit den Schultern und hob eine Braue. »Und du hast bis jetzt nie daran gedacht, hierher zurückzukommen?«, fragte sie.

    »Nein. Ist mir nicht in den Sinn gekommen. Ich war mir ganz sicher, dass sie bei Goose ist. Ich ging davon aus, dass er nicht hierher zurückkommen würde, also warum sollte ich es tun? Und ich habe nie irgendwelche Hinweise erhalten, die mich hergeführt hätten.«

    »Aber wenn du hier gewartet hättest, statt dich auf die Suche nach ihr zu machen, wäre sie zu dir gekommen. Dann wärst du jetzt vielleicht mit ihr zusammen.«

    Beck widerstand dem Drang, ihn zu schlagen. Stattdessen lächelte und presste zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: »Du hast recht. Das sind viele wenns. Aber, ja, wenn ich hier in Tuscaloosa geblieben wäre, wäre ich jetzt mit ihr zusammen.«

    Rebecca drehte sich auf dem Absatz um und drehte Beck den Rücken zu. Sie ging im selben Tempo weiter. »Ich bin jedenfalls froh, dass du es nicht getan hast. Ich meine, hier zu bleiben. Sonst wären wir immer noch im Dorf. Oder wir wären Sklaven der Plünderer und deines Freunds Goose.«

    Da sie ihm den Rücken zuwandte, konnte Beck nicht einschätzen, ob sie sarkastisch war. Er nahm es an, war sich aber nicht sicher. Dann wurde sie langsamer und ging neben ihm her, Schulter an Schulter.

    »Ich meine es so, Beck. Ich weiß, dass ich ein harter Hund bin und es vielen schwerfällt, mich zu mögen. Aber ich schätze dich. Und so hart wie das hier ist, ich bin froh, dass du es tust.«

    In seiner Kehle bildete sich ein dicker Kloß. Er wollte ihr danken, fürchtete aber, dass dann die Dämme brechen würden. Also verzog er die Lippen zu einem unbehaglichen Lächeln und nickte.

    Lucas sah Beck an und lachte. »Woher kam das denn? Sonst bin ich doch der Rührselige.«

    Sie lachten alle. Eine Unterbrechung der Anspannung, die mit jedem Schritt, dem sie sich dem Haus näherten, zuzunehmen schien.

    Beck erinnerte sich an das letzte Mal, als er es gesehen hatte. Dicker, gelber Dunst hatte in der Luft gehangen. Menschenmengen drängten sich auf den Straßen, wie bei einer Meisterschaftsfeier, nur ohne die Trunkenheit und ungezügelte Freude. Plünderer trugen Essen und Wasser. Ein berühmtes Lokal namens Gallettes brannte, und der beißende Gestank hing in der Luft.

    Sie waren nur noch zwei Blocks von dem Haus entfernt und Becks Erinnerungen drohten, ihn zu überwältigen. Sie bogen in die Seventh Street ein und wurden langsamer, als sie sich dem Bungalow aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts näherten, in dem Debbie und Millie gewohnt hatten, nachdem sie ihn in Mobile zurückgelassen hatten.

    Vor der Detonation hatten in dem Viertel größtenteils Studenten gewohnt. Doch es war auch in der Nähe der Anwaltskanzlei, wo Debbie arbeitete. Es war erschwinglich, besonders weil Beck die Hälfte der Miete zahlte.

    Ein Nissan Rogue stand in der Zufahrt, genau wie vor vier Jahren. Nach dem elektromagnetischen Impuls taugte er nur noch als Briefbeschwerer. Jetzt hatte er keine Fenster und Reifen mehr und die Innenausstattung war in Fetzen gerissen worden. Beck suchte die Nachbarschaft ab. Jedes gestrandete Fahrzeug war in einem ähnlichen Zustand. Bei einigen Häusern waren die Fenster mit Sperrholz vernagelt. Bei anderen hatte sich niemand um die zerbrochenen Fenster gekümmert.

    Beck stieg auf die Veranda, Lucas und Rebecca folgten ihm. Alle blieben vor der Haustür stehen. Er hatte nie einen Schlüssel für das Haus gehabt. Das war jetzt nicht mehr von Bedeutung. Die Tür stand offen.

    Er drückte sie weit genug auf, um hindurchzugehen, trat über die Schwelle und erwartete halb, dass Debbie aus der Küche kommen würde, in den Händen ein Geschirrtuch und ihn dafür tadelte, dass er nicht geklopft hatte. Der Kloß in seiner Kehle war wieder da.

    Ein muffiger Geruch hing in der Luft. Eine saure Mischung aus Staub und Schimmel. Seine Nebenhöhlen verstopften fast sofort, als er tief durch die Nase durchatmete.

    »Hier haben sie gewohnt?«, fragte Lucas.

    Beck wartete darauf, dass die Kinder eintraten, und schloss dann die Tür hinter ihnen. Er verschloss sie. Man konnte nie wissen, wer sie vielleicht beobachtet hatte. Er seufzte.

    »Und hier ist Debbie auch gestorben. Ein Freund von mir, der Radio hieß, auch.«

    Rebecca hob eine Braue. »Radio?«

    »Er war gut mit Funkgeräten und Radios.«

    »Kreativ.« Sie rümpfte die Nase. »Hier stinkt es.«

    Beck sagte ausdruckslos: »Deine Einstellung auch.«

    Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich ab und ging weiter ins Wohnzimmer hinein. Die spärlichen Möbel, die sich früher darin befunden hatten, waren verschwunden. Er wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab und ging zur Hinterseite des Hauses. Küche, Esszimmer, die beiden Schlafzimmer und das einzige Bad befanden sich im hinteren Teil des Hauses.

    In der Küche fehlten alle Geräte, die Kücheninsel und der Esstisch. Das spiegelte wider, was er in jedem unbewohnten Haus gesehen hatte, das er seit der Detonation betreten hatte. Innerhalb weniger Tage nach dem Angriff, der das Land ohne Strom zurückgelassen hatte, hatten Plünderer alles gestohlen, was sie nur tragen konnten. Nach wenigen Wochen nahmen sie Dinge mit, die sie abbrechen konnten. Nach wenigen Monaten stahlen sie alles, was irgendeinen Wert haben konnte. Selbst Elektrogeräte, was für Beck keinen Sinn ergab, verschwanden.

    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Hintertür. Sie hing in den Angeln, war eingetreten worden, so wie es auch schon einige Stunden, bevor er vor vier Jahren hier ankam, gewesen war. Er war nur ein paar Minuten zu spät gekommen, um die Entführung seiner Tochter und den Tod seiner Es-Frau zu verhindern.

    Auf dem Boden markierte ein dunkelbrauner Fleck die Stelle, wo er einen der Angreifer gefunden hatte. Die Leiche war verschwunden. Vor vier Jahren hatte der Mann mit dem Gesicht nach unten und einem Messer im Rücken hier gelegen. Zumindest hatte Debbie sich gewehrt. Seine Augen wurden feucht und Beck blinzelte Tränen fort.

    Die Dämonen flüsterten in seinen Ohren. Sie erinnerten ihn an seine Verfehlungen. Er biss auf die Innenseite seiner Lippe und ließ die Kinder in der Küche stehen, während er durch den Flur zum Bad und den Schlafzimmern ging.

    Er betrat Millies Zimmer, und der starke Geruch nach Ammoniak stach in seinen Nasenlöchern. Er schniefte und zog sein Shirt über Nase und Mund.

    Das Zimmer war abgesehen von einem zersplitterten Holzstück, von dem Beck annahm, dass es von ihrem Boxspringbett stammte, und einem Stoffbären in der Ecke leer. Füllung quoll aus seinem aufgerissenen Bein. In den Harmonikatüren des Schrankes fehlten Latten und sie hingen in einem merkwürdigen Winkel im Rahmen. Ein einzelner pinkfarbener Kleiderbügel hing von der zersplitterten Holzkleiderstange. Urin und versteinerte Fäkalien verunreinigten den Schrankboden. Beck drückte das Shirt fester auf seine Nase. Eine kühle Brise strich durch die zerbrochenen Fenster und vertrieben den Gestank für einen kurzen Moment.

    Er sah sich nach irgendeinem Zeichen um, dass sie zurückgekommen war, nachdem ihr Entführer sie verschleppt hatte. Nichts. Kein Hinweis.

    Im Bad war es dasselbe. Die Toilette war verschwunden, die Wanne ein widerliches Durcheinander ohne Armaturen und Duschkopf.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1