Abbey Wood: Thriller
Von Melanie Woodward
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Buchvorschau
Abbey Wood - Melanie Woodward
Table of Contents
Titelseite
Impressum
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
Melanie Woodward
ABBEY WOOD
Thriller
Theodor Boder Verlag
Die Geschichte spielt Mitte der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts.
Impressum
ebook, Januar 2024
Erstausgabe
Copyright © 2018 by Theodor Boder Verlag, CH-4322 Mumpf
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung und Fotografie: Theodor Boder
Lektorat: Heiko Biederstaedt
ISBN 978-3-905802-89-4
www.boderverlag.ch
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
logo_xinxiiI.
Und dann war alles vorbei.
Es war Donnerstagnachmittag, kurz vor Weihnachten. Sie war soeben geschieden worden und sie war frei. Sie verließ das Gerichtsgebäude, stieg in ihren Wagen, und nahm die Auffahrt zur M25; die Heimfahrt war lange, lange genug zum Weinen und Lachen, und hätte vielleicht gereicht, um mit sich ins Reine zu kommen, doch zuviel war geschehen, und während zu langer Zeit.
Als sie dann mit ihrem Wagen durch die Straßen von Abbey Wood fuhr, war sie noch immer voll schwerer Gedanken. Dabei hätte sie nun wirklich allen Grund gehabt, das Leben von der unbeschwerteren Seite aus zu betrachten: Ihr Mann und sie hatten sich keine Schwierigkeiten mehr gemacht. Sie hatte eine großzügige Abfindung erhalten, und auch das Haus in Lyme Regis, wo sie während vieler Jahre die Sommermonate verbracht hatten, gehörte nun ihr. – Das Haus in Abbey Wood hingegen hatte ihr schon vorher gehört, doch es war ihr jetzt, trotz der großzügigen Abfindung, eigentlich das Wichtigste, denn sie war darin aufgewachsen und hatte es von ihren Eltern geerbt.
Trotz der materiellen Sicherheit konnte sie aber an jenem Donnerstagnachmittag nicht recht glücklich werden; sie versuchte krampfhaft, ihre negative Stimmung zu verdrängen, und nahm sich vor, zu Hause dann einen gemütlichen Abend zu verbringen, sich einen Tee aufzubrühen, die Ruhe ihrer Wohnung zu genießen und später vielleicht noch ein wenig Musik zu hören. Sie sagte sich immer wieder, dass sie nun ein Anrecht auf die schöneren Seiten des Lebens hätte.
Sie kam zu ihrer Wohnstraße, bog ein, und ihr Herz begann immer stärker zu hämmern; sie war von panischer Angst erfüllt, in ihr eigenes Haus gehen zu müssen. Es war ein Gefühl, das sie seit über drei Jahren nicht mehr gekannt hatte. Doch nun bedrohte sie wieder dieselbe Furcht vor dem Alleinsein, wie damals, als David sie bei Nacht und Nebel verlassen hatte – sie hatte danach Monate gebraucht, um sich an die Stille im Haus gewöhnen zu können. David war aber auch während dieser Zeit, und auch danach, ein dauernder Bestandteil ihrer Gedanken geblieben, denn sie war vollkommen von der Hoffnung beherrscht worden, dass sie vielleicht doch wieder hätten zusammenfinden können.
An jenem Donnerstag vor Weihnachten aber hatte sie Gewissheit: Sie war nun geschieden – und allein, – und sie wusste, dass erst jetzt die wirklich schwere Zeit kommen würde, und es keinen Sinn mehr machte, ihren Mann noch zurückgewinnen zu wollen; sie hatte es zu oft versucht, immer dann, wenn sie sich hatten treffen müssen, um noch das Eine oder Andere zu besprechen. – Oft hatte sie seinen Wagen auch in der Nähe der Bahnstation gesehen, und sie hatte gewusst, dass er in seinem Lieblingspub mit Freunden zusammensaß. Sie hatte dann gewartet, sich herumgedrückt, in der Hoffnung, er würde herauskommen und sie ein zufälliges Zusammentreffen hätte vortäuschen können; doch dazu war es nie gekommen.
Und nun würde also eine erneute Übergangsphase kommen, in der sie sich von so vielen Erwartungen, Erinnerungen, und auch Gegenständen des gemeinsamen Lebens trennen sollte, und auch wollte, um wirklich frei zu werden, denn sie wusste genau, dass es nicht die nun endgültige Trennung war, und auch nicht die Einsamkeit, die sie wieder in Panik versetzt hatte, sondern die noch immer sehr starke Präsenz von David in ihrem Kopf. –
Sie parkte direkt vor dem Haus, stieg aber noch nicht aus; sie konnte nicht, denn ihre Füße waren wie aus Blei. Alles zog nun, wie schon so oft, wie ein Film an ihr vorüber: Sie sah Bilder vergangener Jahre. Er war ihre große Liebe gewesen und dann doch wider Erwarten beinahe ihr Untergang geworden; – warum er angefangen hatte zu trinken, hatte sie nie erfahren. Sie hätte ihm zu gerne geholfen, doch um mit ihr darüber zu reden, hatte er sich nie die Zeit genommen. Stattdessen war er lieber mit fragwürdigen Freunden in seinem Lieblingspub von Abbey Wood zusammengewesen, wie immer betrunken, oder hatte ganze Wochenenden in der Londoner City verbracht. Emily wusste noch immer nicht, wo er dort überall gewesen war. – „Ich brauche das, hatte er oft gesagt, und, „hast du überhaupt eine Ahnung, was es bedeutet, jede Woche eine neue Geschichte schreiben zu müssen? Ich brauche Eindrücke, muss die Leute auf der Straße reden hören. – Und wann habe ich die Zeit dazu? Wohl nur abends und an Wochenenden.
– „Wir könnten auch etwas mehr zusammen ausgehen, Eindrücke bekommst du auch dann", hatte sie dann gesagt. Doch wie immer in solchen Situationen – wenn eine klärende Aussprache im Entstehen war –, hatte er seine Jacke genommen und das Haus verlassen.
David war seine Fernsehserie schon seit Langem über den Kopf gewachsen: Er zermarterte sich täglich sein Gehirn und trieb die Handlung Folge um Folge voran. Hilfe lehnte er ab – Co-Autoren hätte er niemals akzeptiert; zu groß war sein Ehrgeiz, alleiniger Urheber einer der erfolgreichsten Serien von ganz Großbritannien zu bleiben. Er wollte nicht teilen; die Honorare seines Erfolgs hatten ihm schon zu viele Freiheiten erlaubt und er wollte nicht mehr zurück. So schuftete er tagsüber wie ein Pferd und suchte abends Entspannung in Pubs. Und nur, um es auf diese Weise zu schaffen, jeden Freitagnachmittag pünktlich sein Manuskript abliefern zu können. Und danach, nach getaner Arbeit, begann seine wöchentliche „City-Tour".
Emily hatte von Davids finanziellem Erfolg während ihrer späteren Ehejahre nicht viel gesehen: Er hatte sein Geld in Pubs und Nachtklubs ausgegeben und es auf geheimen Konten angelegt. Es war auch immer seltener vorgekommen, dass etwas Neues für das Haus in Abbey Wood oder für dasjenige in Lyme Regis angeschafft wurde – ein uneingeweihter Besucher hätte damals leicht der Versuchung verfallen können, es als Bescheidenheit zu deuten.
„Es war der Erfolg, der allzuschnelle Erfolg, der ihm zu Kopf gestiegen war, die alte und immer gleiche Geschichte, hatte Emilys Anwalt ihr einmal gesagt. – „Muss ich sein Verhalten deshalb entschuldigen? Ist Erfolg ein Grund, um deshalb alles, was mit Alltag und einem normalen Leben zu tun hat, zu vernachlässigen?
, fragte sie ihn. – Seine Antwort war dann, dass zu vielen dies ebenso zum Verhängnis würde. David sei eben nicht stark genug gewesen. Wäre er weniger schnell an die Spitze gekommen, hätte er vielleicht alles besser verkraftet.
Emilys Anwalt hatte Davids einseitig eingeschlagenen Weg stets bedauert; er kannte seine ersten Arbeiten und war deshalb der Meinung, er wäre gut beraten gewesen, wenn er sich nach so vielen Jahren des Erfolgs mit der immer gleichen Sache auch wieder einem Roman oder einem Theaterstück zugewandt hätte. Aber sich an etwas anderes zu wagen, hätte vielleicht einen möglichen Misserfolg bedeutet, und ein solches Risiko einzugehen war er nicht mehr bereit. – Die neue Aufgabe wäre zwar eine Herausforderung gewesen, aber ein eventueller Fehlschlag hätte ihn wahrscheinlich nur noch mehr in Pubs und Nachtklubs getrieben.
David Whalin hatte in der Tat nie lernen können, Niederlagen verkraften zu müssen: Er war schon als sehr junger Mann sehr erfolgreich gewesen; während andere jahrelang Absagen und Enttäuschungen hinnehmen müssen, waren seine Geschichten bei Zeitungsredakteuren und Produzenten schon bald auf großes Interesse gestoßen.
Emily schaltete den Motor ihres Wagens ab und blieb dann wie erstarrt sitzen; sie brauchte noch etwas mehr Zeit, bis sie mit ihren Gedanken so weit war, um ins Haus gehen zu können. Es kam ihr so vor, als ob David vorausgeeilt wäre, um sich nun noch für weitere Wochen und Monate einmieten zu wollen. Sie saß im Wagen und hing ihren Gedanken nach und begann zu frieren. Es war schon dunkel und es begann zu schneien, zunächst nur leicht, doch dann immer mehr, und schon nach wenigen Minuten konnte sie durch die Scheiben nichts mehr erkennen. Da sass sie nun und versuchte verzweifelt, in ihr Inneres wieder eine Ordnung zu bringen. Sie konnte sich nicht mehr verstehen: Wie konnte man nur so dumm sein und sich von einer Scheidung dermaßen aus dem Gleichgewicht bringen lassen? Und dies vor allem noch, nachdem sie schon seit über drei Jahren in Trennung gelebt und auch genügend Erfahrung im Alleinsein gesammelt hatte? – Es war dann wahrscheinlich die Wut über ihr eigenes Verhalten gewesen, die sie zusehends wieder etwas ins Lot brachte.
Als sie soweit war und die Autotür öffnen wollte, hörte sie Schritte, die zügig näher kamen. War sie wohl von jemandem beobachtet worden, und die- oder derjenige würde jetzt nachsehen wollen, ob ihr vielleicht etwas zugestoßen sei? Denn für einen eventuellen Beobachter muss es schon merkwürdig gewesen sein, ein Auto vorfahren zu sehen, aus dem dann niemand aussteigen wollte.
Sie wagte nicht, sich zu rühren. Das Knirschen der Schritte auf dem Schnee wurde lauter. Bestimmt würde gleich jemand eine Scheibe sauberwischen und ins Innere des Wagens starren – doch nichts dergleichen geschah. Wer immer es war, er ging vorbei.
„Hallo George! Einen schönen Abend noch! – „Danke Brian, dir ebenso!
, hörte sie dann. George Galsworthy war also vorbeigegangen. Ein wirklich liebenswerter Kerl. Er war wahrscheinlich auf dem Weg zu Elisabeth, seiner Freundin, vermutete Emily, denn George und Elisabeth kannten sich zwar schon einige Jahre, lebten aber noch immer in