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FOG CITY BLUES - Ein Max-LeBlue-Roman
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FOG CITY BLUES - Ein Max-LeBlue-Roman
eBook370 Seiten4 Stunden

FOG CITY BLUES - Ein Max-LeBlue-Roman

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Über dieses E-Book

Wer ist Max LeBlue? Ist er ein schurkischer DEA-Agent auf der Flucht - oder nur ein Bauer in einem gewaltigen Schachspiel, das mit einem tödlichen Schachmatt endet?

Am 11. September 2001 wird der drogenabhängige Agent Sam Devine vor die Wahl gestellt: Schande und Entlassung aus der DEA - oder für tot erklärt werden. Aber er weiß, seine einzige Wahl ist es, zu verschwinden und eine andere Identität anzunehmen...

Max LeBlue lebt unauffällig in Bay Area, bis er auf eine Biker-Bande trifft, die auf Menschenhandel spezialisiert ist. In diesem elektrisierenden Thriller, der Max in eine Unterwelt voll verzweifelter Frauen, Transgender-Dealer, hochrangiger Killer und brutaler Psychopathen führt, packt FOG CITY BLUES den Leser von der ersten Seiten an und lässt ihn nicht mehr los - und brennt wie eine wärmesuchende Rakete seinem erschütternden Höhepunkt entgegen...

Frank Lauria, Autor der DOC ORIENT-Romane, präsentiert mit FOG CITY BLUES seinen ersten Crime-Noir-Roman um Max LeBlue, der im Apex-Verlag als Deutsche Erstveröffentlichung erscheint.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum27. März 2018
ISBN9783743844841
FOG CITY BLUES - Ein Max-LeBlue-Roman

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    Buchvorschau

    FOG CITY BLUES - Ein Max-LeBlue-Roman - Frank Lauria

    Das Buch

    Wer ist Max LeBlue? Ist er ein schurkischer DEA-Agent auf der Flucht - oder nur ein Bauer in einem gewaltigen Schachspiel, das mit einem tödlichen Schachmatt endet?

    Am 11. September 2001 wird der drogenabhängige Agent Sam Devine vor die Wahl gestellt: Schande und Entlassung aus der DEA - oder für tot erklärt werden. Aber er weiß, seine einzige Wahl ist es, zu verschwinden und eine andere Identität anzunehmen...

    Max LeBlue lebt unauffällig in Bay Area, bis er auf eine Biker-Bande trifft, die auf Menschenhandel spezialisiert ist. In diesem elektrisierenden Thriller, der Max in eine Unterwelt voll verzweifelter Frauen, Transgender-Dealer, hochrangiger Killer und brutaler Psychopathen führt, packt FOG CITY BLUES den Leser von der ersten Seiten an und lässt ihn nicht mehr los - und brennt wie eine wärmesuchende Rakete seinem erschütternden Höhepunkt entgegen...

    Frank Lauria, Autor der DOC ORIENT-Romane, präsentiert mit FOG CITY BLUES seinen ersten Crime-Noir-Roman um Max LeBlue, der im Apex-Verlag als Deutsche Erstveröffentlichung erscheint.

    Der Autor

    Frank Lauria, Jahrgang 1935.

    Frank Lauria ist ein US-amerikanischer Schriftsteller, Musiker, Broadway- und Film-Schauspieler.

    Besondere Bekanntheit erlangte er durch die stilprägenden Okkult-Horror-Romane um Dr. Owen Orient; diese Serie besteht bis dato aus den Bänden Doctor Orient (1970), Raga Six (1972), Lady Sativa (1973), Baron Orgaz (1974), The Priestess (1978), The Seth Papers (1979), Blue Limbo (1991) und Demon Pope (2014).

    Darüber hinaus schuf er die Roman-Fassungen der Filme Dark City (1998), End Of Days und Pitch Black (beide 1999). Aktuell veröffentlichte Frank Lauria  den Noir-Krimi Fog City Blues (2014, der erste Band der Serie Max LeBlue-Mysteries) sowie den Vampir-Roman Melody Dawn (2015).

    Im November 2011 erschien überdies das Album Lost In The Underground seiner Band Uncle Frank And The Co-Defendants.

    Frank Lauria lebt und arbeitet in Kalifornien/USA.

    Der Apex-Verlag widmet Frank Lauria eine umfangreiche Werkausgabe.

    FOG CITY BLUES

    Kapitel 1

    Das Telefon riss mich aus einem heftigen Albtraum.

    »Schalt' den Fernseher ein.«

    Es kostete mich einige benommene Sekunden, ehe ich die Stimme zuordnen konnte. »Verdammte Scheiße.«

    »Den Fernseher. Schalt' ihn ein«, sagte Delaney. Völlig gelassen, wie ein alter Kumpel, der eine Sportveranstaltung anpries. Doch in Wirklichkeit coachte er die Mannschaft und versuchte, mich für zehn oder zwanzig zu verpflichten. Jahre, nicht Yards.

    Ich erweckte die Glotze zum Leben und starrte auf den Bildschirm; mein gebeuteltes Gehirn hatte Schwierigkeiten, sich auf die Bilder zu konzentrieren und den Schlagzeilen zu folgen, die darunter durchliefen. Ich wechselte den Kanal. Die gleichen Bilder, keine ablenkenden Schlagzeilen, klare, ruhige Stimme. Ich drehte den Ton lauter.

    »Das erste Flugzeug krachte um 8:45 Uhr in den Nordturm, gefolgt von einem zweiten, das um 9:05 in den Südturm geflogen ist, und diesen mit solcher Gewalt getroffen hat, dass der Flieger auf der anderen Seite wieder durchbrach«, teilte die Stimme mit. »Uns liegt ein Bericht vor, dass ein drittes Flugzeug ins Pentagon gestürzt ist...«

    »Oh, mein Gott.« Ich tastete den Nachttisch nach meinen Zigaretten ab.

    »Glaubst du diesen Scheiß?«

    Ich antwortete nicht, gewarnt von Delaneys Unterton. Bis jetzt war er immer kalt wie Stahl gewesen. Immer – sogar, wenn wir zusammengearbeitet haben. Aber heute schlug er wärmere Töne an.

    Ich baute Luftschlösser. Ich sah mir die Wiederholung an, als der zweite Flieger in den Südturm geflogen war.

    »Das ist total verrückt.« Ich zog an meiner Zigarette, während ich darauf wartete, dass sich Delaney dazu äußerte.

    Er ließ sich Zeit. Ein wahrer Profi, auch in Zeiten, wenn alle anderen ausgelassen waren.

    Die Stimme im Fernseher teilte mit, dass Menschen von den Türmen sprangen. »Mein Gott«, platzte ich heraus, als ich endlich das ganze Ausmaß dessen kapierte, was vor sich ging. Beide Türme des World Trade Centers standen in Flammen und waberndem schwarzen Rauch, die Passagierflugzeuge waren in die oberen Stockwerke gekracht. Ich konnte Menschen erkennen, die über den lodernden Wracks gefangen waren. Ich fragte mich, ob sie Helikopter zur Rettung einsetzen konnten.

    »Wie sieht es mit Hubsch...?« Bevor ich den Gedanken zu Ende bringen konnte, stürzte der Südturm in sich zusammen.

    Die Struktur implodierte in filmischer Zeitlupe. Wie eine Reihe zerfallender Dominosteine klappte sie Reihe für Reihe in sich zusammen, bis sie in aufgewühlten Wolken giftigen Staubs explodierte.

    »Wir befinden uns hier im Krieg, Sam.«

    Jetzt kommt’s gleich, dachte ich abwartend.

    »Wir müssen uns sofort unterhalten. Triff mich an der Ecke Einundfünfzigste und Lex in einer Stunde, okay?«

    Okay? Das klang überhaupt nicht nach dem arroganten Bastard, den ich so sehr hasste.

    »Neunzig Minuten.« Ich legte auf, starrte noch immer auf den Bildschirm.

    Das zweite Gebäude ging zu Boden, während ich Inventur machte. Ich blickte vom offenen Schubladen meines Nachttischs auf, mein Mund stand ungläubig offen, während ich dabei zusah, wie der Nordturm in sich zusammenbrach.

    »Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte ich. Niemand antwortete.

    Ich zündete mir eine weitere Camel an und sah mir die Wiederholung an, wie die beiden Flugzeuge in die Türme krachten. Es gab nur wenig Filmmaterial vom ersten Flieger, aber die Szene, wie der zweite in den Turm krachte, wurde aus verschiedenen Blickwinkeln gefilmt. Ich sah, wie das Verkehrsflugzeug von unten im Bildschirm auftauchte; es hatte beinahe den Anschein, als würde es beschleunigen, ehe es in den 95. Stock flog. Für einen Augenblick war es komplett verschwunden, dann krachte es feuerspuckend und Schrecken verbreitend auf der anderen Seite wieder heraus.

    Die Bilder der Reportage wechselten zum Angriff auf das Pentagon und zeigten Luftaufnahmen vom brennenden Wrack. Ich besah mir meinen Bestand: zwei Valium, zwei Percodan, weniger als ein Gramm Kokain, sieben Gramm erstklassiges Gras, ein Tütchen Heroin für den Notfall, einen Flachmann mit Absinth, ein zerquetschtes Päckchen Camel, ein Päckchen Bambu Papers.

    Ich zog ein Blättchen davon heraus und drehte mir einen Joint. Drei Züge, mehr brauchte es nicht. Ein leichtsinniger Geist ölte meine steifen Glieder, als ich mich aus dem Bett rollte und in die Küche stolperte.

    Genau genommen war es mehr ein Studio, mein Apartment in der Innenstadt hatte mehr Wohnfläche, als die meisten Zweibett-Schlafzimmer. Der Flur war groß genug, dass man darin locker ein Büro unterbringen konnte, das Wohnzimmer groß genug, um einen Teil davon als Schlafzimmer nutzen zu können, es hatte eine Wohnküche und begehbare Schränke mit Innenbeleuchtung.

    Außerdem war es mietpreisgebunden. Ich würde niemals ausziehen. Ja, richtig, ich würde es niemals lernen.

    Ich kippte zwei Gläser Wasser runter, dann machte ich mich daran, Frühstück zuzubereiten. Ich schnappte mir alle möglichen Sorten Obst aus dem Kühlschrank; Cantaloupe, Wassermelone, Papaya, Mango, alles Denkbare. Dann schnitt ich das Obst in Stücke und kippte alles zusammen mit etwas Orangensaft in den Mixer.

    Die Mischung trug viel dazu bei, meine Energie wieder aufzuladen. Aber sie konnte nicht den Schaden von tausend schlimmen Nächten reparieren. Ich schüttete mir ein paar Vitaminpillen in den Mund und schluckte sie mit etwas Saft runter. Dann duckte ich mich ins Badezimmer und putzte mir die Zähne. Ich wusch mein Gesicht und die Haare mit kaltem Wasser und schon war ich fertig.

    Während ich mich fertig machte, behielt ich den Bildschirm im Auge. Alle zwei Minuten zeigten sie Wiederholungen der einstürzenden Türme.

    Denk nach, flehte ich mein Spiegelbild an, wie sollte das auch nur im Entferntesten mit der DEA zusammenhängen? Was noch mysteriöser war: Warum war Delaney plötzlich so gesellig? Als ob er sich um seinen Ex-Partner scheren würde. Oder um irgendjemanden sonst. Ich zog mir eine Line Koks.

    Eine Line. Mäßigung. Ich zog mir jeweils die Hälfte in einen Nasenflügel und drehte das kleine Fläschchen zu. Das Koks entfernte die Spinnweben des Valiums. Von einem Energieschub angetrieben zog ich frische Klamotten an, schnappte mir meine Sporttasche und eilte zur Tür.

    Im Fitnesscenter saßen alle versammelt vor dem Fernseher, schauten Wiederholungen des Unglücks an. Ich hielt kurz an, um mich zu vergewissern, ob es Neuigkeiten gab, dann ging ich nach hinten zu den Schließfächern. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört zu trainieren, aber schaute oft auf einen Triathlon vorbei: Jacuzzi, Sauna, Dusche. Halbwegs erfrischt zog ich mir meine Klamotten an; graue Flanellhosen, dunkelblaues T-Shirt, eine altertümliche rote Krawatte, einen marineblauen Blazer mit schwarzen Knöpfen, sehr althergebracht. Auf meinem Weg nach draußen hielt ich am Fernseher an. Sie zeigten gerade eine weitere Wiederholung davon, wie der Südturm kollabierte.

    Das Wasser hatte die Intensität der Drogen, die ich mir eingeworfen habe, etwas gemildert und hinterließ eine Warnleuchte. Ich war bereit für ein Treffen mit dem guten alten Al.

    In der U-Bahn herrschte ein totales Chaos. Die Menschenmenge, die die Bahnsteige bevölkerte, starrte wie erschrockene Hirsche und schob sich ängstlich vorwärts. Sie alle behielten ein Auge auf dem Tunnel und das andere auf dem Ausgang. Ein gut gekleideter Geschäftsmann sah mich an und schüttelte seinen Kopf. »Gütiger Gott. Das ist schrecklich.«

    Ich nickte und drehte mich weg, immer noch isoliert von der Wirkung der Drogen. Nach fünfzehn Minuten in der Hitze flüchtete ich aus der U-Bahn-Station und machte mich zu Fuß auf den Weg.

    Die Menschen auf den Straßen hatten den gleichen fassungslosen Blick wie die Unterirdischen, die ich soeben verlassen habe. Sie alle gingen langsamer als sonst, wichen sich gegenseitig mit übertriebener Freundlichkeit aus, suchten tatsächlich Blickkontakt und sprachen miteinander. Viele standen einfach nur herum und beobachteten den schmutzigen, von grauen Wolken verhangenen Himmel von Downtown.

    Ich hielt an und ging meine Möglichkeiten durch. Eigentlich hätte ich in dem Moment auflegen müssen, als ich Delaneys Stimme erkannt hatte. Alvin Delaney war der Direktor der New Yorker Drogenbehörde – und der Mann, der direkt für meine Verhaftung verantwortlich war.

    Die Tatsache, dass ich Undercover arbeitete, machte auf Delaney keinen Eindruck. Seine Jungs fanden jede Menge verbotene Substanzen in meinem Apartment und in meiner Blutbahn. Außerdem fanden sie mein Versteck, wo ich meine Automatikwaffen gebunkert hatte, eine Beretta Tomcat und eine Luger aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Moment war vor mir ein Buffet voll mit Anklagen des Bundesstaates aufgebaut, von der jede einzelne das zerstören konnte, was von meinem Leben noch übrig war.

    Selbst wenn ich heil aus der Nummer rauskäme, war ich geliefert. Mit meinen Unterhaltszahlungen war ich im Rückstand, mein Konto überzogen, überdehnt und ausgepowert, und ich plagte mich damit ab, meinen Anwalt zu zahlen. Hauptsächlich wegen Delaney. Und heute, ausgerechnet heute, entschied er sich, ein nettes Gespräch mit mir zu führen. Für mich hatte es den Anschein, als ob unser Treffen einen Fehlprozess rechtfertigen könnte.

    Ich startete einen Versuch, mich zusammenzureißen und ging zur verabredeten Ecke. Er kam zwölf Minuten zu spät. Während ich so dastand, fragte ich mich, warum er das Treffen nicht in seinem Büro anberaumt hat. Vermutlich hatte er Angst. Als ich das letzte Mal in seinem Büro war, musste ich meine Marke abgeben. Eigentlich habe ich meine Marke mehr hineingeschmissen, und damit die Milchglasscheibe in seiner Tür zerschmettert. Glücklicherweise war er zu dem Zeitpunkt nicht da, also war die Auswirkung eher gering.

    Ein weiterer Sargnagel für meinen Ruf.

    Meine Gedanken kreisten weiterhin um die enorme Tragödie, die weniger als drei Meilen entfernt stattgefunden hatte. Es war immer noch schwer nachzuvollziehen. Auf meinem Weg hierher hörte ich Schätzungen von über fünftausend Toten. Fünftausend Ehemänner, Ehefrauen, Geliebte, Familien, alle in weniger als einer Stunde ausgelöscht. Meine Gedanken schwangen wieder zu Delaney. Offensichtlich hatte es etwas mit den Flugzeugangriffen zu tun. Aber die Verbindung entging mir.

    Die Energie, die ich diesen Morgen aufgebaut hatte, verblasste rasch und ließ mich mit einer leichten Kokain-Depression und einer Lust auf Scotch zurück. Ich suchte die Straße nach einer Kneipe ab. Eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben hielt neben mir an. Die hintere Tür öffnete sich und ich erhaschte einen Blick auf Delaneys Gesicht.

    Showtime.

    Ich nahm mich zusammen und duckte mich ins Auto. Auf der Stelle fuhr es los. Zwischen dem Fahrer und dem exklusiven hinteren Teil war eine Trennscheibe. Delaney saß vor einem tiefschwarzen Klapptisch und starrte auf einen geöffneten Laptop. Er sah auf, als ich mich niederließ und unsere Augen trafen sich. Zwei Gladiatoren hinter eisernen Masken, die sich gegenseitig taxierten.

    Delaney hatte zugenommen. Seine blauen Augen wirkten kleiner in seinem Hängebacken-Gesicht. Aber sein Mund blieb fest und fies, wie eine Schnappschildkröte. Das, und sein vorsichtig gekämmtes Haar, verliehen ihm eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem verstorbenen, großartigen J. Edgar Hoover. Ich fragte mich, wie er wohl in einem Anzug aussehen würde.

    »Hallo, Sam. Schön, dich zu sehen. Wie ist es dir ergangen?«

    Der elterliche Ton verärgerte mich. Wie ein Priester, der dich auf dem Weg zum elektrischen Stuhl begleitet.

    »Es ging schon mal besser, danke.«

    Delaney nickte finster, versuchte einen Blick aufzusetzen, als ob es ihn interessieren würde. Dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Hände über seinem Wanst. »Von heute an schaltet alles einen Gang höher, Sam.«

    Er neigte seinen Kopf in Richtung des Laptops. Ich lehnte mich nach vorn und sah das bereits bekannte Bild des in sich zusammenstürzenden Turms.

    Als ich mich zurücklehnte, fühlte ich die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen hinter meinen Augen.

    »Was zur Hölle geht hier vor sich?«

    Delaney zuckte seine fleischigen Schultern. »Terroristen, Sam. Gut finanziert, gut organisiert, völlig zweckbestimmte Terroristen, die unsere Demokratie zerstören sollen. So einfach ist das.«

    Es ist niemals so einfach, dachte ich, aber behielt mein Pokerface.

    »Heute haben uns die Arschlöcher böse getroffen«, sagte der Direktor, »schlimmer als Pearl Harbor.«

    »Das ist der Grund, warum du angerufen hast? Wer bin ich? Die verdammte Kavallerie?«

    Der reflexartige düstere Blick auf Delaneys Gesicht kam mir bekannt vor. In dem Zucken erkannte ich den Widerwillen für die anstehende Aufgabe. Trotz meiner zunehmenden Kopfschmerzen fühlte ich mich besser. Ich entschied mich, den rechten Weg zu beschreiten. Und so tat es Delaney.

    »Im Chinesischen beinhaltet das Zeichen für Krise einen Teil des Zeichens des Wortes Chance«, sagte er ruhig. »Ich habe dich angerufen, um dir etwas anzubieten, Sam.«

    »Ich bin für alle Vorschläge offen, Alvin.«

    Delaney blickte aus der getönten Scheibe nach draußen. »Wie würde es dir gefallen, wenn du tot wärst, Sam?«

    »Darüber habe ich bisher noch nicht nachgedacht.«

    Delaneys fuhr herum und fixierte mich mit seinem Blick. »Es ist mein Ernst. Denk darüber nach. Ein Hieb und du hast alles hinter dir: Gerichtsverhandlung, Gefängnis, Bankrott, Scheidung, Schande - die ganze armselige Tragödie.«

    Das Wort armselig ließ meine Sicherung durchbrennen. Ich fühlte, wie es sich durch meine Kopfschmerzen brannte. »Ich nenne es Gefechtstrauma«, antwortete ich, und bewegte meine Augen keinen Millimeter von seinen. »Glaubst du allen Ernstes, jemand könnte drei Jahre lang ohne Drogen untertauchen? Wach auf, Alvin. Das hat nichts mit der DEA zu tun.« Ich presste meine Kiefer zusammen und wich seinem Blick aus. Ich hatte bereits zu viel gesagt. Aber zumindest war es jetzt auf dem Tisch; Delaneys Widerwille, mein erbärmlicher Groll. Die Kopfschmerzen wurden stärker.

    »Tatsächlich ist das der Grund, warum wir dich ausgesucht haben«, sagte Delaney. »Wir brauchen jemanden, der nichts zu verlieren hat.«

    Ich drehte mich um. »Wer ist wir

    Delaneys Gesicht war ausdruckslos. »Du wirst dich nur bei mir melden. Ich werde die einzige Person sein, die weiß, dass du am Leben bist.«

    »Und ich soll dir vertrauen?« Meine Gefühle fuhren immer noch Achterbahn wegen des Wortes erbärmlich. »Ich habe mich noch nicht vom letzten Mal erholt.«

    Delaneys angeekelter düsterer Blick erhellte sich endlich. »Du hast Drogen genommen und damit gehandelt.«

    Mein Lachen verschlimmerte die Kopfschmerzen. »Ach nee, ich war verdeckter Agent für die DEA, dein Büro, das war mein Job.«

    »Du hast Drogen verkauft, um deine Scheidung zu bezahlen.«

    »Das war eine verdammt ernste Sache. Ich habe die Drogen auf deinen Befehl hin verkauft. Das Geld kam, das Geld ging – Geld hat kein Zuhause. Lass uns über meine Verurteilungsrate sprechen.«

    Delaney atmete langsam aus und nickte. »Bewilligt. Siebzehn Prozent über dem Durchschnitt. Das ist genau der Grund, warum wir dir diese Gelegenheit anbieten, Sam.«

    »Die Möglichkeit, niemand zu sein.«

    »Jeder zu sein, der du willst.«

    »Das musst du dir selbst ausgedacht haben.«

    »Warum sagst du so etwas?«

    »Der erste Turm war noch nicht zusammengefallen, als du schon angerufen hast. Dieser Deal ist nicht offiziell, stimmt’s?«

    »Wenn ich es so will – dann ist es offiziell.«

    »Was, wenn du einen tödlichen Schlaganfall hast?«, fragte ich hoffnungsvoll.

    »Dann steckst du in der Scheiße. Aber du wirst immer noch tot sein. Es ist ein Kompromiss.«

    Ich antwortete nicht, suchte nach einem Schlupfloch.

    »Dir steht eine Gefängnisstrafe bevor, die Schulden stehen dir bis über beide Ohren. Auf diese Art kassiert deine Frau die Versicherungssumme, du umschiffst alle strafrechtlichen Sanktionen und kannst von vorne beginnen.«

    »Als Drogendealer.«

    »Terrorbekämpfung, Sam. Sieh es von dieser Warte.«

    »Ich werde immer noch mit Drogen dealen und sie nehmen, oder?«

    »Was den ersten Teil angeht, ja. Der zweite Teil ist deine Entscheidung.«

    »Du klingst wie Nancy Reagan.«

    »Und du klingst wie ein Verlierer.«

    Ich lachte. »Danke für das Angebot, Alvin. Aber nein, danke.«

    Delaneys Züge sackten ab. Ich beugte mich nach vorne, um den Fahrer zu bitten, dass er anhielt.

    »Langsam, Sam, einen Moment. So habe ich es nicht gemeint.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Lass mich ausreden.«

    Ich setzte mich zurück, der Kopfschmerz ließ etwas nach wegen meiner neu entdeckten Macht, Delaney zum Schwanken zu bringen. Ich fragte mich, wie sehr er wollte, dass ich zustimmte.

    »Wir – ich... bin darauf vorbereitet, Zugeständnisse zu machen, Sam. Ich will, dass du weißt, dass ich dich beschützten werde. Du wirst über sämtliche Überwachungen oder drohenden Überfälle informiert werden. Ich werde dir eine Nummer geben, die du anrufst, falls du verhaftet werden solltest. Was kann ich sonst noch tun, um dich zu überzeugen?«

    Ich habe mich bereits entschieden. »Mein Apartment.«

    »Was ist damit?«

    »Ich bin tot. Ich kann nicht dorthin zurück. Ich brauche einen ausgezeichneten mietpreisgebundenen Ort für mein neues Ich... falls ich zustimmen sollte.«

    »Ich sehe, was sich machen lässt, Sam ...«

    »Und – für den Fall, dass ich zustimmen sollte – ich brauche meine Waffen zurück. Ganz besonders die Luger.«

    »Vielleicht.« Delaney lehnte sich gemütlich zurück. Er war in seinem Element. »Sonst noch was?«

    »Sag mir, was hat das mit der DEA zu tun?«

    Delaney kam näher. »Diese arabischen Terroristen werden verdammt gut finanziert. Ein Großteil ihres Geldes stammt aus Drogengeschäften. Sie nutzen dieses Geld oder die Drogen, um Waffen zu kaufen, alles – von AK-47 bis hin zu Raketen, Granatwerfern, schweren Geschützen aller Art. Wir müssen die Drogen zu den Uzis und Stingers zurückverfolgen. Wir müssen die Waffenhändler identifizieren, die hinter den Drogendealern stehen.«

    Eine lange Stille trat ein. »Und?«

    »Und was?«

    »Wenn ich diese Händler einmal identifiziert habe, von denen du gesprochen hast, was mache ich dann?«

    »Das hängt ganz davon ab, nicht wahr?« Er ließ die Frage unbeantwortet.

    »Damit eines klar ist: ich bin kein Attentäter.«

    »Komm schon, Sam, du hast bei den Marines im Persischen Golf gedient und bevor du zur DEA gekommen bist, warst du Straßenbulle. Du willst mir erzählen, dass du noch nie jemanden erschossen hast?«

    Ich erzählte ihm nicht, dass ein Richter darüber geurteilt hatte, dass ich entweder bei den Marines dienen oder in den Bau wandern musste. Ein dummer Drogenfund während meiner Abschlussklasse. Als die Marines herausgefunden hatten, dass ich drei Jahre lang an der Colombia war, schickten sie mich auf einen Computerkurs. Damals konnte man die Computer noch manipulieren. Ich habe jedoch die Schlacht im Persischen Golf gesehen.

    Nach meinem Dienst schloss ich mich dem NYPD an und ging zur Abendschule. Ich brauchte drei Jahre, aber ich habe endlich meinen Master in Physik gemacht. Als meine Vorgesetzten von meinen akademischen Erfolgen erfuhren, wiesen sie mich sofort dem Hauptcomputer zu. Ich habe niemals einen Schuss gehört, der aus Wut abgegeben wurde.

    Tatsächlich kam ich zur DEA, um ein wenig Action zu bekommen. Und ich bekam sie – in höchstem Maße. In meinem ersten Jahr auf der Straße musste ich zwei Männer töten, beide, weil sie mich umbringen wollten. Das war der Zeitpunkt, an dem ich aufhörte, gut zu schlafen.

    »Warum um alles in der Welt brauchst du diese verdammten Schalldämpfer?«

    Ich blickte aus dem Fenster. »Lärmbelastung.«

    Die Limousine fuhr in Richtung Uptown und bog an der 27ten links ab. Als wir die Park Avenue entlangfuhren, blickte ich die lange abschüssige Hauptstraße entlang und sah eine dunkle Wolke, der sich wie ein Schleier, den man zur Beerdigung trägt, über dem Pan Am Gebäude ausbreitete.

    Wir fuhren in den Park, als Delaney sagte: »Dabei oder nicht dabei, Sam?«

    Mir fiel auf, dass die Jogger, Radfahrer und die Bankhocker alle ihre Augen auf den südlichen Himmel gerichtet hielten.

    »Ich werde ein Starterkit brauchen.«

    »Was soll das sein?«

    »Ein Pfund Heroin und ein Kilo Koks.«

    »Geht klar. Du brauchst Kohle.« Delaney griff in sein Nadelstreifenjacket und holte ein dickes, braunes Kuvert hervor. »Zwanzigtausend.«

    Ich schlug den Umschlag aus. »Ich habe nicht gesagt, dass ich es tun werde.«

    »Welche Wahl hast du? Auf diese Weise werden deine Schulden und Verbrechen ausradiert, und du bist frei. Wenn du dich anders entscheidest, bist du am Arsch. Lebenslänglich. Sieh es ein.«

    Ich habe es eingesehen, okay, und ich wusste sehr genau, dass es ein Selbstmordkommando war, wenn ich da draußen mit nichts außer dem guten Willen Delaneys und einer Telefonnummer abhing.

    »Ich werde eine Hygiene-Einheit brauchen«, sagte ich um abzulenken.

    »Wie bitte?«

    »Du weißt schon, aufräumen, putzen, was immer ihr Typen so macht.«

    »Ich dachte, du bist kein Attentäter?«

    »Bin ich auch nicht, wir verhandeln hier.«

    »Schau, es wird keinen formellen Vertrag geben...«

    »Das ist der Grund, warum ich einen dreijährigen Mietvertrag unter meinem neuen Namen will. Denk dran - irgendwo, wo es diskret ist, Erdgeschoss in einem Stadthaus, diese Art, gute Nachbarschaft, abgesetztes Wohnzimmer, große Küche.«

    Delaney schnaubte spöttisch. »Warum sollte ich eine Luxusimmobilie an einen Dealer vermieten?«

    »Im Drogengeschäft kommt es auf die Location, Location, Location an. Aber ich habe immer noch nicht zugestimmt.«

    »Dann sieh zu, dass du von hier verschwindest.«

    ch starrte ihn von oben bis unten an. »Siehst du? Genau das ist es. Kaum taucht das erste Hindernis auf, verlasst ihr das sinkende Schiff.«

    Delaney warf den Umschlag auf das Leder zwischen uns. »Du kannst im Hotel bleiben, bis wir ein anderes Apartment gefunden haben.«

    »Ohne Ausweis wird es schwierig, ein Hotelzimmer zu bekommen.«

    »Im Umschlag befinden sich ein Führerschein und eine Kreditkarte.«

    »Wie viel sagtest du gleich nochmal ist da drin?«

    Delaney wusste, dass er mich am Haken hatte. Der Betrag ging ihm leicht über die Lippen. »Zwanzigtausend Dollar.«

    »Ich werde weitere dreißig brauchen, außerdem deine Handynummer. Jeglichen Zugriff.«

    »Hey, wenn du erst mal tot bist, dann bist du tot.«

    »Außerdem einen Pass, eine blanko Geburtsurkunde und einen Sozialversicherungsausweis.«

    »Sam, jetzt mach mal nen Punkt.«

    Darauf hab ich gewartet. Ich hielt inne und sah ihm in die Augen. »Weißt du was, Alvin? Diese schlimmen Männer, von denen du willst, dass ich sie finde, haben überall Freunde; die Bullen, die Gerichte, sogar die beschissene DEA. Ich brauche eine absolut sichere Identität. Ich muss total anonym bleiben.«

    Delaney wich meinem Blick aus. »Das Apartment, die dreißigtausend Riesen, das Starterkit, eine sichere Identität, ist das alles?«

    »So in etwa.« Ich schnappte mir den Umschlag. Es fühlte sich gut an. Ich steckte mir das Geld in die Innentasche meines Jackets und die Unterlagen in die Tasche meines Hemds. In meinem Geschäft ist Überleben wichtig.

    »Wo werde ich dich finden?«

    »Gib mir deine Handynummer.«

    Delaney kritzelte die Nummer auf seine Visitenkarte.

    »Es wird folgendermaßen ablaufen«, erklärte ich vor Zufriedenheit strotzend. »Wenn mein Apartment sicher ist, werden wir uns zum letzten Mal treffen. Du wirst mir die benötigten Dinge persönlich überbringen. Zu der Zeit werde ich alleine sein, ungehindert

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