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VENUS FÄHRT INS WOCHENENDE: Der Krimi-Klassiker!
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eBook243 Seiten3 Stunden

VENUS FÄHRT INS WOCHENENDE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Venus überlegte. Die Mehrzahl der tödlichen Unfälle geschah auf geraden Straßen. Deshalb minderte sie ihre Geschwindigkeit auf ein vernünftiges Maß von 80 herab, um sicher an der Kreuzung beim Croix-de-Toulouse anzukommen. Der Wagen fuhr brav um die Säule in der Mitte der Kreuzung herum und gelangte wieder auf die Straße nach Thomery in Richtung auf die Seine. Von dem kleinen Sportwagen war keine Spur mehr zu sehen. Drei Kilometer weiter entdeckte Venus plötzlich auf der rechten Seite die kläglichen Überreste des Sunbeams. Auf der Landstraße deuteten eine unendlich lange Schleuderspur und winzige Gummiteilchen darauf hin, dass an dem Wagen ein Reifen geplatzt sein musste. Die Spur endete an einem Baum. Der Sunbeam war an einer mächtigen Lärche zerschellt. Der Fahrer lag mit verrenkten Gliedern regungslos an der Böschung...

 

Der Roman Venus fährt ins Wochenende des französischen Schriftstellers Pierre Apesteguy (* 12. September 1902 in Biarritz; † 17. November 1972 in Cagnes-sur-Mer) erschien erstmals im Jahr 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der französischen Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum5. Feb. 2022
ISBN9783755407096
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    Buchvorschau

    VENUS FÄHRT INS WOCHENENDE - Pierre Apesteguy

    Das Buch

    Venus überlegte. Die Mehrzahl der tödlichen Unfälle geschah auf geraden Straßen. Deshalb minderte sie ihre Geschwindigkeit auf ein vernünftiges Maß von 80 herab, um sicher an der Kreuzung beim Croix-de-Toulouse anzukommen. Der Wagen fuhr brav um die Säule in der Mitte der Kreuzung herum und gelangte wieder auf die Straße nach Thomery in Richtung auf die Seine. Von dem kleinen Sportwagen war keine Spur mehr zu sehen. Drei Kilometer weiter entdeckte Venus plötzlich auf der rechten Seite die kläglichen Überreste des Sunbeams. Auf der Landstraße deuteten eine unendlich lange Schleuderspur und winzige Gummiteilchen darauf hin, dass an dem Wagen ein Reifen geplatzt sein musste. Die Spur endete an einem Baum. Der Sunbeam war an einer mächtigen Lärche zerschellt. Der Fahrer lag mit verrenkten Gliedern regungslos an der Böschung...

    Der Roman Venus fährt ins Wochenende des französischen Schriftstellers Pierre Apesteguy (* 12. September 1902 in Biarritz; † 17. November 1972 in Cagnes-sur-Mer) erschien erstmals im Jahr 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der französischen Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    VENUS FÄHRT INS WOCHENENDE

    Erstes Kapitel

    Der Kilometerzähler der Ariane stand auf 110. Es war Freitag, der dreizehnte. Venus, die am Steuer saß, hatte dieses ominöse Datum völlig vergessen, bis der Rundfunksprecher, dessen Stimme ihr aus dem Autoradio entgegentönte, es zu Beginn des Wetterberichts erwähnt hatte und sie daran erinnerte. Voller Freude lauschte Venus den nüchternen Worten des Sprechers, der ein herrliches Wochenende unter wolkenlosem blauem Himmel versprach. Die Wetterlage schien in jeder Hinsicht günstig, geeignet für Reisen und Erholung. »Autofahrer, seid vorsichtig«, schloss der Sprecher. »Vorsicht ist das beste Mittel, um Unfälle zu verhüten, besonders an einem Freitag, dem dreizehnten.«

    Venus war nicht abergläubisch, das forderte ihrer Meinung nach das Unglück höchstens noch heraus. Sie behielt ihren Fuß auf dem Gaspedal und fuhr schnell auf der Landstraße dahin, die zwar ein wenig schmal war, dafür aber so schnurgerade, dass selbst die lange Reihe der Pappeln, die auf beiden Seiten die Fahrbahn säumten, die Sicht nicht versperrte. Seit Venus in ihrem Wagen die Nationalstraße 5 verlassen hatte, um über die Straße nach Thomery durch den Wald von Fontainebleau zu fahren, schien der Verkehr merklich nachzulassen. Eine ungeheure Lebensfreude ergriff die junge Frau. Das wunderbare Wetter hatte sie dazu verlockt, schon einen Tag früher, ganz allein, zu ihrem Wochenend-Ausflug zu starten. Morgen würde Médéric seiner angebeteten Marie Caroline Demilot, die von ihren Freunden Venus genannt wurde, nachkommen, um über das Wochenende Mühen und Sorgen seiner Arbeit bei der Interpol zu vergessen. Zwei idyllische Tage in der Sonne der Ile-de-France, in der Stille und Harmonie eines stilvoll angelegten Gartens, der ringsum von Mauern umgeben war, und in dem jetzt Kapuzinerblumen, Astern und Herbstprimeln in voller Blüte standen. Achtundvierzig Stunden des Alleinseins zu zweit - auf grünem Rasen oder auf der Terrasse aus rötlichem Stein, oder in dem weißen Haus, an dessen Wänden sich wilder Wein hochrankte. Abgeschlossen von der Außenwelt durch den Obstgarten auf der einen Seite und den Grenz weg des Waldes auf der anderen. Ein kleines Paradies auf Erden, und doch viel gastlicher: ohne den drohenden Schatten der Schlange, ohne die Verlockung des Apfelbaums. Stattdessen gediehen saftige Trauben an den Spalieren, die aufgereiht waren wie ein Regiment von Soldaten. Ein idealer Zufluchtsort, auf den Venus und Médéric ohne Zweifel ein Vorrecht hatten, ähnlich dem Recht, das ein Autor auf sein Buch hat... Denn, um der Wahrheit die Ehre zu geben, Venus hatte ihren Biographen dazu überredet, ihr die Schlüssel zu seinem bezaubernden Landhaus Sableuse auszuhändigen, das nahe bei Fontainebleau lag, und mit dem Auto über die südliche Hauptstraße in fünfundvierzig Minuten zu erreichen war.

    Konnte der Verfasser dieser Zeilen Venus den Zugang zu der Insel des Friedens verwehren? Er wollte nicht kleinlich sein gegen die junge Frau, mit dem tizianroten Haar und den Jadeaugen, deren Schönheit heitere Ruhe und eine wunderbare Unbefangenheit ausstrahlte, und den bedeutungsvollen Beinamen Venus voll und ganz rechtfertigte. Natürlich plagten den Mann, der genau wusste, wozu diese Amateur-Detektivin unter Umständen fähig war, gewisse Bedenken, als er Venus sein Landhaus frei zur Verfügung stellte. Aber schließlich, warum sollte man gerade dann, wenn sie, die sonst immer irgendein Unheil anstiftete, sich nach Ruhe und Frieden des Landlebens sehnte, diese Pläne durchkreuzen? Außerdem müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn die Heldin so vieler Abenteuer, die das Spiel mit dem Feuer immer wieder reizte, während ihrer kurzen, alltäglichen Fahrt eine Gelegenheit fand, einen der tödlichen Konflikte heraufzubeschwören, die ihre Spezialität zu sein schienen... Natürlich fuhr sie ziemlich schnell, aber doch nur, um recht bald an ihrem Bestimmungsort anzukommen. Sie konnte wirklich nicht ahnen, dass diesmal nicht sie das Abenteuer jagte, sondern dass es ihr bereits im Nacken saß.

    Es wäre besser gewesen, die kühne Fahrerin hätte ab und zu in ihren Rückspiegel geblickt. Aber sie gab sich ganz dem Zauber des Herbstnachmittags hin und pfiff heiter zum Rhythmus des letzten Twist von Johnny Halliday, der aus dem Radio erklang. Plötzlich ertönte schrilles Kreischen, das sich zu ohrenbetäubendem Lärm verstärkte. Venus fuhr erschrocken zusammen und riss ihren Wagen nach rechts. Er rutschte an den Straßenrand, und nachdem sie mit knapper Not der Gefahr entronnen war, über die Böschung geradewegs in den Wald hineinzufahren, gelang es ihr schließlich, den Wagen wieder in ihre Gewalt zu bekommen.

    »Sie Idiot«, schrie sie dem Verrückten nach, der sie überholt hatte. Es war einfach, sich auszurechnen, dass das rote Sunbeam Cabriolet, das die Ariane beinahe gestreift hatte und sich jetzt in rasendem Tempo entfernte, mit einer Geschwindigkeit von etwa 160 km/h gefahren sein musste, wenn man bedachte, dass Venus zuvor bereits mit 110 km/h dahingejagt war. Trotzdem hatte die junge Frau die beiden Insassen des Wagens für den Bruchteil einer Sekunde klar unterscheiden können: den rücksichtslosen Fahrer und neben ihm einen riesigen Wolfshund.

    Venus überlegte. Die Mehrzahl der tödlichen Unfälle geschah auf geraden Straßen. Deshalb minderte sie ihre Geschwindigkeit auf ein vernünftiges Maß von 80 herab, um sicher an der Kreuzung beim Croix-de-Toulouse anzukommen. Der Wagen fuhr brav um die Säule in der Mitte der Kreuzung herum und gelangte wieder auf die Straße nach Thomery in Richtung auf die Seine. Von dem kleinen Sportwagen war keine Spur mehr zu sehen. Drei Kilometer weiter entdeckte Venus plötzlich auf der rechten Seite die kläglichen Überreste des Sunbeams. Auf der Landstraße deuteten eine unendlich lange Schleuderspur und winzige Gummiteilchen darauf hin, dass an dem Wagen ein Reifen geplatzt sein musste. Die Spur endete an einem Baum. Der Sunbeam war an einer mächtigen Lärche zerschellt. Der Fahrer lag mit verrenkten Gliedern regungslos an der Böschung.

    »Um Gottes willen«, rief Venus erschreckt, »der arme Hund!«

    Diese Reaktion war durchaus natürlich; denn es fällt wohl keinem ein, Leute zu bemitleiden, die das Leben ihrer Mitmenschen durch rücksichtsloses Fahren gefährden.

    Damit wäre einer von den Straßenrowdys außer Gefecht, dachte Venus, während sie ihren Wagen am Straßenrand zum Stehen brachte. Sie stieg aus, obwohl ihre Knie nachzugeben drohten. Benzingeruch hing in der Luft. Der Treibstoff floss noch aus dem durchlöcherten Tank. Die Rinde des Baumes war in Fetzen gerissen, und der nackte Stamm zeigte einen tiefen Einschnitt. Rundherum war alles von Holzsplittern übersät.

    Venus wusste, dass sie jedem Menschen, der sich in Todesgefahr befand, Hilfe und Beistand leisten musste. Aber für diesen steifen Körper, der aussah wie eine verrenkte Gliederpuppe, und quer über der Böschung im rotgefärbten Gras lag, gab es keine Hilfe mehr. Der Mann hatte aufgehört zu atmen, er war blutüberströmt, seine starren Augen standen weit offen. Er schien verständnislos und fragend zugleich zu einem Himmel ohne Wolken aufzublicken.

    Der Wolfshund, der sicherlich genau wie sein Herr aus dem Wagen geschleudert worden war, blieb verschwunden. Wahrscheinlich hatte sich das arme Tier beim Sturz aus dem Wagen an irgendeinem Hindernis im Wald die Knochen gebrochen. Venus drang einige Schritte in das Unterholz vor und pfiff lang und anhaltend. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie in der Nähe ein Stöhnen vernahm. Sie ging in der Richtung, aus der die Klagelaute kamen. Vorsichtig bog sie die Sträucher auseinander und entdeckte schließlich den Hund in ziemlicher Entfernung von der Straße. Nach dem Unfall war er offenbar durch Zufall zwischen den Bäumen hindurchgeschleudert worden und in die jungen Schösslinge gerollt, die die Wucht des Sturzes gemindert hatten. Er lag auf dem Bauch im Farnkraut und leckte seine verwundete Pfote. Als Venus sich ihm näherte, begann er zu knurren. Sie hielt es für klüger, ihm erst gut zuzureden.

    »Komm, mein Braver«, sagte sie mit ihrer süßesten Stimme. »Dir ist es wohl schlecht ergangen, du Armer?«

    Der Hund hörte auf sich zu lecken. Er stellte sein Knurren ein und beobachtete aufmerksam die fremde Frau. Sie ging noch näher an ihn heran.

    »Komm, mein Schöner. Du weißt doch, dass Gott auch die Tiere beschützt.« Er spitzte die Ohren. »Wenn du mich deine Pfote pflegen lässt, ohne mich zu beißen, dann stiften wir hinterher zusammen dem heiligen Franz von Assisi eine Kerze. Er hat wirklich auf dich achtgegeben.«

    Sie beugte sich über das Tier. Es steckte seine Schnauze zwischen die Vorderpfoten, legte die Ohren an und wedelte zaghaft mit dem Schwanz. Der Hund war dankbar, dass jemand in diesem freundlichen und teilnahmsvollen Ton mit ihm sprach. Sein Instinkt sagte ihm, dass diese Unbekannte ihm gut gesinnt war. Vorsichtig streichelte Venus seine Seite. Er rührte sich nicht. Sicherer geworden grub sie ihre Finger in das dichte Fell des Tieres. Der Hund zog nicht einmal die Lefzen hoch. Dann kraulte sie ihn sanft am Kopf. Er seufzte tief voller Behagen. Als die junge Frau es schließlich wagte, ihre Hand auf seine Schnauze zu legen und mutig seine Nase berührte, die heiß und trocken war, ließ er es sich widerstandslos gefallen. Venus schloss daraus, dass sie sein Vertrauen gewonnen hatte und streckte dem Hund fordernd die Hand entgegen.

    »Gib Pfote!«

    Der deutsche Schäferhund folgte ihr aufs Wort. Er erhob sich, setzte sich in Positur und legte seine große Pfote vertrauensvoll in die Hand der jungen Frau.

    »Andere Pfote!«

    Er gehorchte mit sichtlichem Widerstreben. Venus betastete zart die blutende Pfote und entdeckte nach einigem Suchen einen langen Dorn, der tief zwischen Ballen und Krallen saß. Es gelang ihr, ihn herauszuziehen. Das Tier zitterte fiebrig und leckte dankbar die Hand, die ihn von dem Schmerz befreit hatte.

    »Du bist wirklich ein braves Tier«, sagte sie anerkennend und trat einen Schritt zurück. »Ob du dich wohl auf den Beinen halten kannst?«

    Mit einer Handbewegung forderte sie den Hund auf, sich ihr zu nähern. Er folgte ihr ohne Mühe, ja, als er bei Venus angekommen war, erhob er sich sogar auf seine Hinterbeine und legte ihr die Vorderpfoten auf die Schultern. Er war fast so groß wie sie. Ein richtiges wildes Tier. Glücklicherweise schien er trotz seines furchterregenden Aussehens sehr liebebedürftig zu sein. Er blickte Venus mit einem Ausdruck der Dankbarkeit in die Augen, der beinahe menschlich wirkte.

    »Du hast ja gar kein Halsband«, stellte Venus fest. »Und einen Herrn hast du auch nicht mehr. Ich adoptiere dich! Bist du einverstanden?« Er bellte freudig, und Venus blickte mit leichtem Schaudern in die tiefe dunkle Höhle seines Rachens und auf die beiden Reihen scharfer weißer Zähne, die wie die Zacken einer Säge in dem Hundemaul standen. Der Hund keuchte; die Zunge, rosa wie ein zartes Stück Schinken, hing ihm aus dem Maul.

    »Na komm«, wiederholte Venus und schritt auf die Straße zu. Er folgte ihr hinkend, aber bald blieb er auf ein Zeichen von Venus stehen. Sie lauschte dem Geräusch eines herannahenden Autos. Sicherlich würde der Fahrer an der Unfallstelle anhalten, und jeder Neuankömmling würde wohl erstaunt sein, bei dem verunglückten Wagen die unversehrte Ariane ohne Insassen zu finden. Bremsen kreischten. Eine Tür wurde zugeschlagen, und bestürzte Stimmen - Männerstimmen - ertönten. Der Wolfshund knurrte eigenartig. Venus beobachtete ihn scharf. Mit funkelnden Augen stand er auf der Lauer. Er zeigte die Zähne und ließ von Zeit zu Zeit ein böses Knurren hören. Das Fell in seinem Nacken sträubte sich. Venus hatte sogleich das Gefühl, dass er die Stimmen, die er hörte, kannte, und dass sie ihm durchaus nicht sympathisch waren. Ihr Verdacht wurde bestätigt, als einer der Männer mit gebieterischer Stimme rief:

    »Titus!«

    Der Hund stieß einen tiefen Seufzer aus, in dem Schreck und Groll mitklangen.

    Venus sagte leise: »Bist du das? Titus?«

    Er wedelte mit dem Schwanz, und die junge Frau glaubte in seinen Augen einen Hilfeschrei zu lesen. Jetzt riefen bereits zwei Stimmen in allen Lautstärken Titus’ Namen. Venus schüttelte den Kopf. Sie dachte, wie paradox es doch sei, dass der Tod des Fahrers offenbar jeden, der zum Unglücksort kam, kalt ließ, während jedermann sich sogleich um den Hund Sorgen machte.

    Venus ließ sich Zeit. Die Situation erregte ihre Neugier. Sie bemühte sich zu verstehen, worüber die unbekannten Ankömmlinge sich unterhielten, wenn man ihre unzusammenhängenden Bemerkungen überhaupt als Unterhaltung bezeichnen konnte. Sie sprachen italienisch, mit jenem Überschwang und ungezügeltem Temperament, das den Italienern eigen ist. Venus verstand die Sprache recht gut. Aber aus der Ferne konnte sie nur Fetzen der Unterhaltung hören.

    Sind die aber aufgeregt, dachte sie. Plötzlich trat Stille ein. Sie stand unbeweglich und legte mit einem Blick auf den Hund den Finger an die Lippen. Er kuschte. Es war vielleicht eine Minute vergangen, als am Straßenrand zischend eine dicke Rauchwolke aufstieg. Eine verbrecherische Hand hatte den Wagen in Brand gesteckt. Da alle seine Teile bereits mit Benzin getränkt waren, war er eine leichte Beute der Flammen geworden.

    Venus bückte sich, um den Hund zu streicheln und ihm zärtlich kleine Worte der Aufmunterung zuzuflüstern. Sie versprach ihm, dass sie ihn nicht verlassen und ihn beschützen würde, was auch immer geschehen möge. Wie viele Hunde seiner Rasse war er offensichtlich darauf dressiert worden, aus dem Tonfall der menschlichen Stimme die Absichten des Sprechenden zu erkennen, denn er folgte Venus trotz seiner augenscheinlichen Abneigung. Trübsinnig, mit zurückgelegten Ohren und eingekniffenem Schwanz trottete er neben ihr her.

    Da der Wind beißende Rauchwolken in den Wald trug, wandte sich die junge Frau der Straße zu, um die Hitze zu umgehen. Sie gelangte zum Rande der Böschung, als plötzlich ein lauter, schussähnlicher Knall ertönte. Sie beschleunigte ihren Schritt und stieg mit dem Hund an ihrer Seite den Abhang hin auf. Sie langten am Schauplatz an, als zwei Beamte der Straßenpolizei dort ihre Motorräder anhielten. Sie kamen kurz vor einem weißen Wagen an, der ebenfalls in Richtung Thomery fuhr und bereits seine Fahrt verlangsamte.

    Venus allein wusste, warum die beiden Italiener, die wie angewurzelt neben ihrem Wagen standen, so unruhig und nervös waren, jeder andere musste ihre blassen und erregten Gesichter den Gefühlen zuschreiben, die sie bei dem schrecklichen Anblick des Unfalls empfanden. Wer würde bei einer so grausigen Entdeckung nicht die Farbe wechseln? Die Augen der beiden Männer wanderten unstet zwischen Venus und den Polizeibeamten hin und her. Eine Täuschung war nicht möglich: Als die Brandstifter sahen, dass der Hund Venus begleitete, waren sie sprachlos vor Wut und Überraschung.

    Venus spürte, wie Schadenfreude in ihr aufstieg. Doch dann richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die Lage des Toten, und sie begriff, dass die Ereignisse einen Lauf zu nehmen begannen, der durchaus nicht vergnüglich war. Als sie weggegangen war, hatte sie den Toten in der gleichen Stellung liegen gelassen, die er nach dem Sturz aus dem Wagen eingenommen hatte: auf dem Rücken, die Augen zum Himmel gerichtet, jetzt aber lag er auf dem Bauch, das Gesicht dem Erdboden zugewandt.

      Zweites Kapitel

    Die Polizeibeamten waren bereits bei ihm. An der Stelle, wo der Tote lag, gleich neben dem brennenden Wagen, war es heiß wie in einem Hochofen. Trotzdem hielten sich die Beamten an den Grundsatz, dass kein Opfer eines Unfalls von der Stelle bewegt werden darf, ohne dass der Körper vorher untersucht worden ist. Sie stellten fest, dass der Mann nicht mehr lebte. Dann machten sie sich eilig daran, seine sterbliche Hülle weiter weg in das Gras am Straßenrand zu tragen.

    Einer der beiden ging zu seinem Motorrad zurück, zog die Antenne eines Funksenders heraus und versuchte, über Kurzwelle mit dem Polizeirevier in Fontainebleau Verbindung aufzunehmen. Sein Kollege war bei dem Toten geblieben und durchsuchte dessen Taschen. Er zog verschiedene Dinge heraus, wie sie wohl jeder von uns in den Taschen herumträgt. Ein Paket amerikanische Zigaretten, ein deutsches Feuerzeug, ein Taschenmesser, ein Medaillon mit dem Bildnis der heiligen Theresa, ein Röhrchen Aspirin

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