Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

DAS LETZTE UFER: Der Science-Fiction-Klassiker!
DAS LETZTE UFER: Der Science-Fiction-Klassiker!
DAS LETZTE UFER: Der Science-Fiction-Klassiker!
eBook382 Seiten5 Stunden

DAS LETZTE UFER: Der Science-Fiction-Klassiker!

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ein nuklearer Blitzkrieg zwischen den Supermächten hat die nördliche Hemisphäre vernichtet. Die radioaktiv verseuchten Wolken treiben langsam auf den einzigen noch unversehrten Erdteil, Australien, zu. Viele Menschen verbringen ihre letzten Monate in Saus und Braus. Einige gehen endlich in sich. Und andere bestellen ihre Felder, kaufen Geschenke und planen immer weiter, als ob das Ende der Zukunft nicht schon absehbar wäre.

Vor diesem Hintergrund kommt es zwischen dem jungen Kommandanten des amerikanischen U-Boots Scorpion und der lebenshungrigen und trunksüchtig gewordenen Moira Davidson zu einer ergreifenden Liebesgeschichte...

Das letzte Ufer von Nevil Shute (1957 erstmals veröffentlicht) ist eine aufrüttelnde Vision von den letzten Tagen der Menschheit und ein mitreißendes literarisches Meisterwerk. Im Jahr 1959 verfilmte Stanley Kramer den Roman mit Gregory Peck als Lionel Towers, Ava Gardner als Moira Davidson, Fred Astaire als Julian Osborne und Anthony Perkins als Peter Holmes.

Der Apex-Verlag veröffentlicht Das letzte Ufer in seiner Reihe APEX SF-KLASSIKER als durchgesehene Neuausgabe.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum7. März 2019
ISBN9783743895430
DAS LETZTE UFER: Der Science-Fiction-Klassiker!

Ähnlich wie DAS LETZTE UFER

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für DAS LETZTE UFER

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    DAS LETZTE UFER - Nevil Shute

    Das Buch

    Ein nuklearer Blitzkrieg zwischen den Supermächten hat die nördliche Hemisphäre vernichtet. Die radioaktiv verseuchten Wolken treiben langsam auf den einzigen noch unversehrten Erdteil, Australien, zu. Viele Menschen verbringen ihre letzten Monate in Saus und Braus. Einige gehen endlich in sich. Und andere bestellen ihre Felder, kaufen Geschenke und planen immer weiter, als ob das Ende der Zukunft nicht schon absehbar wäre.

    Vor diesem Hintergrund kommt es zwischen dem jungen Kommandanten des amerikanischen U-Boots Scorpion und der  lebenshungrigen und trunksüchtig gewordenen Moira Davidson zu einer ergreifenden Liebesgeschichte...

    Das letzte Ufer von Nevil Shute (1957 erstmals veröffentlicht) ist eine aufrüttelnde Vision von den letzten Tagen der Menschheit und ein mitreißendes literarisches Meisterwerk. Im Jahr 1959 verfilmte Stanley Kramer den Roman mit Gregory Peck als Lionel Towers, Ava Gardner als Moira Davidson, Fred Astaire als Julian Osborne und Anthony Perkins als Peter Holmes.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht Das letzte Ufer in seiner Reihe APEX SF-KLASSIKER als durchgesehene Neuausgabe.

    DAS LETZTE UFER

    An diesem letzten Zufluchtsort

    ertasten wir einander

    und bleiben stumm,

    gelagert am Strand des schwellenden Stroms...

    Auf diese Weise endet die Welt.

    Auf diese Weise endet die Welt.

    Auf diese Weise endet die Welt.

    Nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern...

    - T. S. Eliot

      Erstes Kapitel

    Peter Holmes, Lieutenant Commander der Königlichen Australischen Kriegsmarine, erwachte kurz nach Tagesanbruch. Schlaftrunken und von Marys Körperwärme leicht betäubt blieb er noch liegen und beobachtete die ersten Sonnenstrahlen, die durch die Kreton-Vorhänge ins Schlafzimmer drangen. Sie verrieten ihm, dass es ungefähr fünf Uhr sein musste; schon bald würden sie seine kleine Tochter Jennifer in ihrem Bettchen aufwecken, dann mussten er und Mary aufstehen und ihren Beschäftigungen nachgehen. Bis es soweit war, konnte er noch liegenbleiben.

    Er war in glücklicher Stimmung aufgewacht, wurde sich aber erst nach einiger Zeit des Anlasses bewusst und begann darüber nachzudenken. Weihnachten war vorüber, das hatte nichts damit zu tun. Für das Fest hatte er die kleine Fichte im Garten mit bunten Lichtern geschmückt und einen langen elektrischen Draht bis zum Stecker neben dem Kamin geführt; so war sie zu einem Ebenbild der großen erleuchteten Fichte geworden, die eine Meile entfernt auf dem Rathausplatz von Falmouth stand. Am Weihnachtsabend hatten sie mit einigen Freunden im Garten auf offenem Feuer den Festbraten gebraten. Weihnachten war vorüber, es musste - er rechnete langsam -, es musste heute Donnerstag, der 27. Dezember sein. Sein Rücken schmerzte noch ein wenig vom Sonnenbrand, den er sich gestern am Strand und beim Wettsegeln zugezogen hatte. Es war ratsam, heute nicht ohne Hemd ins Freie zu gehen. Völlig wach geworden, wurde er sich dann bewusst, dass er heute jedenfalls ein Hemd tragen werde. Um elf Uhr musste er sich im Büro des Zweiten Seelords im Marine-Ministerium melden. Nach siebenmonatiger Untätigkeit gab man ihm eine neue Bestallung. Wenn er Glück hatte, schickte man ihn auf hohe See; er sehnte sich danach, wieder auf einem Schiff zu sein.

    Jedenfalls aber würde er arbeiten. Der Gedanke daran hatte ihn beim Einschlafen glücklich gemacht, und dieses Glücksgefühl hatte die Nacht überdauert. Seit er im August zum Lieutenant Commander befördert worden war, war er unbeschäftigt, und unter den gegebenen Umständen hatte er beinahe die Hoffnung aufgegeben, je wieder zu arbeiten. Das Marine-Ministerium hatte ihm jedoch durch all die Monate die volle Löhnung ausbezahlt, und dafür war er dankbar.

    Das Baby rührte sich, murmelte etwas und gab leise Wimmerlaute von sich. Peter streckte die Hand aus, um den elektrischen Wasserkessel anzustellen, der mit dem Geschirr und der Milch für das Kind auf einem Tablett neben dem Bett stand. Mary bewegte sich und fragte, wieviel Uhr es sei. Er antwortete, küsste sie und sagte: »Es ist wieder ein herrlicher Tag.«

    Sie setzte sich auf und strich ihr Haar glatt. »Ich habe mir gestern einen richtigen Sonnenbrand geholt. Jennifer habe ich am Abend mit Zinksalbe eingerieben; ich glaube, ich werde sie heute lieber nicht mit zum Strand nehmen.« Dann erinnerte auch sie sich. »Ach, fährst du heute nicht nach Melbourne, Peter?«

    Er nickte. »Ich glaube, du solltest zu Hause bleiben und den Tag im Schatten verbringen.«

    »Es scheint mir auch so.«

    Er stand auf und ging ins Badezimmer. Als er zurückkam, saß das Kind auf dem Töpfchen und Mary kämmte sich vor dem Spiegel das Haar. Auf dem Bettrand, auf den er sich setzte, um Tee aufzugießen, lag ein waagrechter Sonnenstrahl.

    Mary sagte: »Melbourne wird heute sehr heiß sein, Peter. Ich dachte mir, ich gehe mit dem Kind gegen vier Uhr in den Club, dann kannst du uns dorthin zum Schwimmen nachkommen. Ich nehme den Anhänger und deine Badesachen mit.«

    In der Garage stand ein kleines Auto, aber seit vor einem Jahr der kurze Krieg zu Ende gegangen war, benutzten sie es nicht mehr. Da Peter Holmes einfallsreich und geschickt im Umgang mit Werkzeugen war, hatte er ein erträgliches Ersatzfahrzeug ersonnen. Aus den Vorderrädern von zwei Motorrädern hatte er einen kleinen Anhänger gebaut, der sich am Fahrrad befestigen ließ und ihnen als Kinderwagen und ganz allgemein zum Transport schwerer Dinge diente.

    Nur der lange steile Wege von Falmouth herauf machte ihnen einige Schwierigkeit.

    Peter nickte. »Kein schlechter Einfall. Ich nehme mein Rad und lasse es am Bahnhof.«

    »Mit welchem Zug fährst du?«

    »Neun Uhr fünf.« Langsam trank er Tee, sah dann auf die Uhr. »Ich hole die Milch, sowie ich das ausgetrunken habe.«

    Er zog kurze Hosen und ein Unterhemd an und ging aus dem Zimmer. Sie hatten eine Parterrewohnung in einem alten Haus auf dem Hügelkamm oberhalb der Stadt, das man in Einzelwohnungen umgebaut hatte; eine Garage und ein großer Teil des Gartens gehörten zu der Wohnung. Auf der Veranda standen die Fahrräder und der Anhänger. Es wäre vernünftig gewesen, den Wagen unter den Bäumen stehenzulassen und die Garage für die Räder frei zu machen, dazu konnte sich Holmes aber nicht entschließen, da der kleine Morris sein erstes eigenes Auto war, in dem er Mary schon vor ihrer Verlobung spazieren gefahren hatte. 1961, sechs Monate vor Kriegsausbruch, hatten sie geheiratet, bald darauf fuhr er auf der HMAS Anzac auf See, und sie beide waren auf eine lange Trennung gefasst gewesen. Dann brach der kurze, unbegreifliche Krieg aus, der Krieg, dessen Geschichte niemand geschrieben hatte und die nun niemand je schreiben würde. Der Krieg hatte sich  schnell über die ganze nördliche Hemisphäre ausgebreitet, bis dann am siebenunddreißigsten Tag die letzte seismische Registrierung einer Explosion sein Ende anzeigte. Drei Monate später war die Anzac mit dem letzten Rest von Brennstoff nach Williamstown zurückgekehrt, und Holmes war nach Falmouth zu Mary und dem Morris Minor gefahren, während in Wellington, in Neuseeland, die Staatsmänner der südlichen Hemisphäre tagten und sich über die neuen Lebensumstände berieten. Die vierzehn Liter Benzin, die noch im Autotank waren, und weitere fünfundzwanzig Liter, die Holmes an einer Tankstelle gekauft hatte, verwendete er unbekümmert; erst dann ging es den Australiern auf, dass alles Benzin aus der nördlichen Hemisphäre kam.

    Holmes schob den Anhänger und das Rad von der Veranda auf den Rasen, befestigte den Anhänger am Rad, stieg auf und fuhr davon. Er musste vier Meilen fahren, um Milch und Rahm zu holen, da Transportschwierigkeiten Milchlieferungen von den umliegenden Gütern unterbunden hatten; sie hatten gelernt, in der elektrischen Mixmaschine selbst Butter zu machen. Glücklich in dem Gedanken, dass Arbeit auf ihn wartete, fuhr er in der warmen Morgensonne die Straße hinunter; hinter ihm auf dem Anhänger ratterten die leeren Blechkannen.

    Auf der Straße war wenig Verkehr. Er überholte ein Gefährt, das einmal ein Auto gewesen war; man hatte den Motor herausgenommen und die Windschutzscheibe zerschlagen und ließ es nun von einem jungen Ochsen ziehen. Dann begegnete er zwei Reitern, die ihre Pferde sorgfältig auf dem Grasstreifen neben der Asphaltstraße hielten. Holmes wollte kein Pferd, das waren anfällige Geschöpfe, die nun so kostbar waren, dass man tausend Pfund oder sogar noch mehr für sie zahlen musste, er hatte aber schon einige Male daran gedacht, für Mary einen jungen Ochsen zu kaufen. Es wäre leicht gewesen, den Morris in einen Ochsenkarren umzuwandeln, nur wäre ihm das Herz dabei gebrochen.

    Eine halbe Stunde später kam er zur Farm und ging sofort in die Molkerei. Er kannte den Farmer gut; der war ein großer, dünner Mann, der langsam sprach und infolge einer Verletzung, die er sich im Zweiten Weltkrieg zugezogen hatte, hinkte. Holmes fand ihn in dem Raum, wo eine Zentrifuge die Milch entrahmte; leise surrte der elektrische Motor, wobei Milch in ein Gefäß und Rahm in ein zweites floss.

    »Guten Morgen, Mr. Paul«, sagte der Marineoffizier. »Wie geht es Ihnen?«

    »Danke, gut, Mr. Holmes.« Der Farmer nahm ihm die Milchkanne aus der Hand und füllte sie aus der Kufe. »Ist bei Ihnen zu Hause alles in Ordnung?«

    »Alles großartig. Ich fahre heute Morgen nach Melbourne zum Marine-Ministerium. Ich glaube, die haben endlich Arbeit für mich.«

    »Das ist gut«, antwortete der Farmer. »So herumzusitzen, muss recht bedrückend sein.«

    Peter nickte. »Wenn man mich auf See schickt, wird für Mary aber alles etwas schwierig werden. Sie kann nur zweimal wöchentlich Milch holen kommen, wird Ihnen aber den gleichen Betrag zahlen.«

    Der Farmer antwortete: »Machen Sie sich wegen des Zahlens kein Kopfzerbrechen; das kann warten, bis Sie zurückkommen. Ich habe mehr Milch, als die Schweine selbst jetzt in der Hitze trinken wollen. Ich habe gestern hundert Liter in den Bach geschüttet - keine Transportmöglichkeit. Wahrscheinlich sollte ich mehr Schweine züchten, das kommt mir aber so zwecklos vor. Es ist schwer, sich zu irgendetwas zu entschließen...« Er schwieg einen Augenblick, sagte dann: »Es wird für Ihre Frau nicht leicht sein, hierherzukommen. Was wird sie mit Jennifer machen?«

    »Wahrscheinlich nimmt sie sie im Anhänger mit.«

    »Alles ein bisschen schwierig für sie.« Der Farmer ging zur Tür, blieb dort im warmen Sonnenschein stehen und betrachtete das Fahrrad und den Anhänger. »Ein guter Anhänger«, sagte er. »Der beste kleine Anhänger, den ich je gesehen hab. Haben Sie ihn selbst gemacht?«

    »Ja.«

    »Wo haben Sie die Räder herbekommen, wenn ich fragen darf?«

    »Motorräder. Ich habe sie in der Elizabethstraße gekauft.«

    »Glauben Sie, Sie könnten zwei für mich auftreiben?«

    »Ich kann’s versuchen«, antwortete Peter. »Ich glaube, es gibt noch welche. Sie sind besser als kleine Räder - sie lassen sich besser ziehen.« Der Farmer nickte. »Vielleicht sind sie jetzt schon selten geworden. Die Leute scheinen ihre Motorräder nicht mehr gern zu verkaufen.«

    »Ich habe meiner Frau gesagt«, bemerkte der Farmer langsam, »wenn ich einen kleinen Anhänger hätte, könnte ich eine Art Stuhl für sie daraus machen, den am Fahrrad befestigen und sie zum Einkäufen mit nach Falmouth nehmen. Es ist reichlich einsam für eine Frau auf einer Farm heutzutage«, fuhr er fort. »Vor dem Krieg war’s ganz anders, da waren wir mit dem Wagen in zwanzig Minuten in der Stadt. Mit dem Ochsenkarren brauchen wir dreieinhalb Stunden hin und dreieinhalb Stunden zurück; das sind sieben Stunden nur für die Fahrt. Sie hat versucht, radeln zu lernen; in ihrem Alter und da sie wieder ein Kind erwartet, wird sie’s aber nicht mehr schaffen. Ich möchte gar nicht, dass sie’s versucht. Wenn ich aber so einen kleinen Anhänger wie den da hätte, könnte ich sie zweimal wöchentlich mit nach Falmouth nehmen und gleichzeitig Mrs. Holmes Milch und Rahm bringen.« Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Ich würde das gern für Ihre Frau tun. Schließlich wird’s nicht mehr sehr lange dauern nach dem, was man im Rundfunk sagt.«

    Der Marineoffizier nickte. »Ich werde mich heute danach umsehen. Der Preis ist Ihnen wohl gleichgültig?«

    Der Farmer nickte. »Vorausgesetzt, es sind gute Räder, mit denen man keine Schwierigkeiten hat. Gute Reifen sind das wichtigste. Solche wie Ihre hier.«

    Der Offizier nickte. »Ich sehe mich heute danach um.«

    »Ist es ein großer Umweg für Sie?«

    »Ich kann mit der Straßenbahn hinfahren. Das macht mir gar nichts. Gott sei gedankt für die Braunkohle.«

    Der Farmer drehte sich zu der Zentrifuge um, die noch immer lief. »Das stimmt. Ohne Elektrizität wären wir in einer schönen Lage.« Geschickt zog er die volle Kufe unter dem Milchstrom weg und schob eine leere an ihre Stelle. »Sagen Sie, Mr. Holmes«, fragte er, »benutzt man für die Kohle nicht große Grabmaschinen? Planierschlepper und ähnliches?« Der Offizier nickte. »Woher kommt der Treibstoff dafür?«

    »Ich habe mich einmal danach erkundigt«, antwortete Peter. »Er wird an Ort und Stelle aus der Braunkohle destilliert. Fünf Liter kosten ungefähr zwei Pfund.«

    »Was Sie sagen!« Der Farmer überlegte. »Ich dachte mir, wenn man das dort tun kann, könnte man es auch für uns tun. Bei dem Preis ist es aber kaum praktisch durchführbar...«

    Peter stellte die Milch- und Rahmkannen auf den Anhänger und begab sich auf den Heimweg. Um halb sieben Uhr war er zurück. Er duschte, zog die Uniform an, die er seit seiner Beförderung selten getragen hatte, frühstückte schnell und fuhr auf dem Rad hügelabwärts, um schon den Zug um acht Uhr fünfzehn zu erreichen und sich noch vor seiner Verabredung bei den Autohändlern umzusehen.

    Das Rad ließ er in der Garage, wo er in vergangenen Zeiten seinen Wagen hatte überholen lassen. Autos gab es dort nicht mehr. Stattdessen standen Pferde da, auf denen Geschäftsleute von ihren Landhäusern in Reithosen und Regenmänteln hierher geritten waren, um mit den elektrischen Zügen weiter in die Stadt zu fahren. Die Pferde wurden an den Benzinpumpen festgebunden. Am Abend kamen die Herren im Zug zurück, sattelten die Pferde, befestigten die Aktenmappen an den Sätteln und ritten wieder nach Hause. Das Tempo des Geschäftslebens hatte nachgelassen, was ein Vorteil war - der Schnellzug, der die Stadt um fünf Uhr drei zu verlassen pflegte, war durch einen Zug, der schon um vier Uhr siebzehn fuhr, ersetzt worden.

    Auf der Fahrt nach der Stadt zerbrach sich Peter Holmes den Kopf, welcher Art seine neue Bestallung sein konnte. Wegen der Papierknappheit gab es keine Zeitungen mehr; Nachrichten erfuhr man nur über den Rundfunk. Die Königliche Australische Kriegsflotte war nun sehr klein. Sieben kleine Schiffe hatte man unter großem Kosten- und Arbeitsaufwand und mit unbefriedigendem Resultat von Ölverbrauch auf Kohlenverbrauch umkonstruiert. Den Versuch, den Flugzeugträger Melbourne ebenfalls umzubauen, hatte man aufgegeben, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er zu langsam sein würde; Flugzeuge würden nur bei sehr starkem Wind sicher darauf landen können. Außerdem musste man mit dem Vorrat an Flugkraftstoff so sparsam umgehen, dass man alle Ausbildungskurse so gut wie völlig aufgegeben hatte und es daher zwecklos schien, die See-Luftwaffe weiter aufrechtzuerhalten. Holmes hatte nichts von Umbesetzungen in den Offiziersreihen der sieben noch in Betrieb befindlichen Minenräumboote und Fregatten gehört. Vielleicht war jemand krank und musste ersetzt werden; oder vielleicht hatte man beschlossen, diensttuende Offiziere der Reihe nach durch unbeschäftigte zu ersetzen, um deren praktische Kenntnisse aufzufrischen. Es war aber wahrscheinlicher, dass man ihm irgendeinen langweiligen Landauftrag geben würde, eine Bürostelle in Kasernen oder im Marine-Depot eines trübseligen, verlassenen Ortes. Wenn man ihn nicht zu See schickte, würde er tief enttäuscht sein. Dabei wäre ein Posten am Land eigentlich vorzuziehen gewesen, weil er sich dann weiter wie bisher um Mary und das Kind kümmern könnte, wo nun sowieso alles nicht mehr lange dauern würde...

    Nach etwa einstündiger Fahrt erreichte er die Stadt und stieg am Bahnhofsplatz in eine Straßenbahn. Unbehindert durch andere Fahrzeuge ratterte die durch die Straßen und brachte ihn schnell in den Stadtteil, wo die Autogeschäfte waren. Viele der Läden waren geschlossen, einige waren von den noch geöffneten übernommen worden, und die Schaufenster waren überfüllt mit nutzlosen Dingen. Holmes ging von Geschäft zu Geschäft, suchte nach zwei leichten, guterhaltenen und zueinander passenden Rädern und kaufte schließlich zwei gleich große Räder verschiedenen Fabrikats. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten mit der Welle konnte der einzige Mechaniker, der noch in der Garage arbeitete, beheben.

    Mit den beiden mit einem Seil zusammengebundenen Rädern in der Hand fuhr Holmes in der Straßenbahn zum Marine-Ministerium. Er meldete sich beim Sekretär des Zweiten Seelords, einem ihm bekannten Zahlmeisteroberleutnant. Der junge Mann sagte: »Guten Morgen, Sir. Der Admiral hat Ihre Bestallungsurkunde auf dem Schreibtisch liegen. Er will Sie sprechen. Ich werde ihm melden, dass Sie hier sind.«

    Der Lieutenant Commander zog die Augenbrauen hoch. Das war ungewöhnlich, in der reduzierten Flotte mochte aber alles etwas ungewöhnlich sein. Er legte die Räder neben den Schreibtisch des Zahlmeisters, sah sich besorgt seine Uniform an, nahm einen Faden vom Aufschlag seiner Jacke und schob die Kappe unter den Arm.

    »Der Admiral erwartet Sie, Sir.«

    Er betrat das Büro und nahm Haltung an. Der am Schreibtisch sitzende Admiral neigte den Kopf. »Guten Morgen, Lieutenant Commander. Setzen Sie sich.«

    Peter setzte sich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch. Der Admiral streckte ihm sein Zigarettenetui entgegen und zündete ihm dann die Zigarette mit dem Feuerzeug an. »Sie sind schon seit einiger Zeit unbeschäftigt?«

    »Ja, Sir.«

    Der Admiral zündete sich selbst eine Zigarette an. »Nun, wir haben einen seefahrenden Posten für Sie. Ich kann Ihnen leider kein Kommando geben und kann Sie nicht einmal auf einem unserer eigenen Schiffe unterbringen. Ich ernenne Sie zum Verbindungsoffizier auf der USS Scorpion

    Er sah den jungen Mann an. »Man hat mir gesagt, dass Sie Captain Towers kennen?«

    »Ja, Sir.« Er hatte den Captain der Scorpion während der letzten Monate zwei- oder dreimal getroffen. Er war ein ruhiger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, der leise und mit leichtem amerikanischem Akzent sprach. Holmes hatte auch den Bericht des Amerikaners über den Kriegseinsatz seines Schiffes gelesen. Als der Krieg ausbrach, befand er sich mit seinem Atom-U-Boot auf einer Aufklärungsfahrt zwischen Kiska und Midway; sobald er das entsprechende Signal erhalten hatte, öffnete er seine versiegelte Order, tauchte und steuerte mit voller Geschwindigkeit auf Manila zu. Irgendwo nördlich von Iwojima nahm er am vierten Tag in Sehrohrtiefe eine Inspektion des Meeres vor, was er regelmäßig einmal während jeder Tageswache tat, und entdeckte, dass die Sicht durch irgendeine Art von Staub außerordentlich reduziert war; gleichzeitig zeigte der Geigerzähler am Sehrohr sehr hohe Radioaktivität an. Der Captain versuchte, das nach Pearl Harbour zu melden, erhielt aber keine Antwort. Er fuhr weiter; als er sich den Philippinen näherte, nahm die Radioaktivität zu. In der folgenden Nacht gelang es ihm, Verbindung mit Dutch Harbour herzustellen; er sandte dem Admiral einen verschlüsselten Funkspruch zu, erfuhr, dass die Radioverbindung nur noch uregelmäßig funktioniere, und erhielt keine Antwort. In der folgenden Nacht konnte er keine Verbindung mit Dutch Harbour mehr bekommen. Seinem Auftrag gemäß steuerte er das Schiff nördlich von Luzon in den Balintang Channel, wo sehr viel Staub war und die Radioaktivität weit über der Toleranzdosis lag; der Wind blies von Westen in Stärke vier bis fünf. Am siebten Kriegstag war er in der Bucht von Manila, sah die Stadt durch das Sehrohr und hatte noch immer keine Befehle empfangen. Die Radioaktivität der Luft war hier etwas geringer, aber noch immer gefährlich hoch, und er wagte daher nicht, aufzutauchen. Die Sicht war mäßig. Durch das Sehrohr sah er über der Stadt eine Rauchwolke und kam zu der Überzeugung, dass hier während der letzten Tage mindestens eine Atomexplosion stattgefunden hatte. Er war fünf Meilen von der Küste entfernt und sah am Festland keine Lebenszeichen. Als er sich dem Land näherte, fuhr sein Schiff unerwarteterweise in Sehrohrtiefe auf Grund; das geschah im Hauptkanal, der nach der Seekarte zwölf Faden tief war. Dieser Vorfall bestätigte seine früher gewonnene Ansicht. Er ließ die Tanks ausblasen, bekam das Schiff ohne Schwierigkeit wieder frei, drehte und fuhr ins offene Meer hinaus.

    In der folgenden Nacht gelang es ihm wieder nicht, mit irgendeiner amerikanischen Funkstelle oder einem Schiff, das seine Nachrichten hätte weitergeben können, Verbindung herzustellen. Beim Ausblasen der Tanks hatte er einen großen Teil der Druckluft verbraucht, wagte es aber nicht, die vergiftete Luft dieser Gegend ins Schiff zu lassen. Er war bereits seit acht Tagen unter Wasser; seine Besatzung war noch in recht guter Verfassung; einige der Leute zeigten aber doch schon Symptome nervlicher Überlastung, da sie sich um ihre Familien Sorgen machten. Der Captain stellte Radioverbindung mit einer australischen Funkstelle in Port Moresby in Neuguinea her. Dort schien alles normal zu sein, man konnte seine Nachrichten aber nicht weitersenden.

    Nach Süden zu fahren schien ihm die beste Lösung zu sein. Er fuhr nördlich von Luzon zurück und nahm dann Kurs auf Yap Island, eine Kabelstation, die den Vereinigten Staaten unterstand. Drei Tage später kam er dort an. Die Radioaktivität überschritt hier kaum die Normalgrenze; im ruhigen Meer tauchte er auf, ließ frische Luft in das Schiff, füllte die Tanks auf und erlaubte der Mannschaft, sich nacheinander in Gruppen auf die Kommandobrücke zu begeben. Er war erleichtert, als er beim Einlaufen in den Hafen einen amerikanischen Kreuzer sah. Der wies ihm einen Ankerplatz an und schickte ein Boot herüber. Der Captain ließ das Schiff festmachen, erlaubte der ganzen Besatzung an Deck zu gehen und fuhr selbst in dem Boot zu dem Kreuzer, um sich unter das Kommando von Captain Shaw zu stellen. Dort erfuhr er zum ersten Mal von dem russisch-chinesischen Krieg, der aus dem Krieg zwischen Russland und den NATO-Mächten erwachsen war; der ursprüngliche, israelisch-arabische Krieg war von Albanien begonnen worden. Er hörte, dass sowohl die Russen als auch die Chinesen Kobaltbomben abgeworfen hatten. Diese Nachricht kam auf Umwegen aus Australien und war von Kenia weitergeleitet worden. Der Kreuzer wartete in Yap verabredungsgemäß auf einen Öltanker der Kriegsflotte; er lag schon eine Woche hier und hatte seit fünf Tagen keine Verbindung mit den Vereinigten Staaten mehr. Der Captain besaß genug Treibstoff, um den Kreuzer in langsamer Fahrt gerade bis Brisbane zu bringen. Captain Towers blieb sechs Tage in Yap; während dieser Zeit wurden die wenigen Nachrichten immer schlimmer. Es gelang nicht, mit irgendeiner Funkstelle in den Vereinigten Staaten oder in Europa in Verbindung zu kommen; während der ersten beiden Tage fing man aber Nachrichtensendungen aus Mexiko auf, und die hätten kaum schlechter sein können. Dann hörten die Sendungen dieser Funkstelle auf, man hörte nur noch Panama, Bogota und Valparaiso; und dort wusste man so gut wie nichts über die Vorfälle auf dem nördlichen Teil des Kontinents. Auf den beiden Schiffen stellte man endlich Verbindung mit einigen amerikanischen Schiffen im südlichen Pazifischen Ozean her, die fast alle ebenso wenig Treibstoff hatten wie der Kreuzer. Es stellte sich heraus, dass der Kommandant des Kreuzers in Yap der dienstälteste von all diesen Offizieren war, und er traf daher die Entscheidung, dass alle amerikanischen Schiffe in australische Gewässer fahren und sich unter australisches Kommando begeben sollten. Er wies die kommandierenden Offiziere an, sich nach Brisbane zu begeben, wo er mit ihnen Zusammentreffen wollte. Zwei Wochen später trafen die elf Schiffe der amerikanischen Kriegsflotte dort ein; alle waren ohne Treibstoff, und es bestand wenig Hoffnung, dass sie welchen bekommen würden. Das war nun ein Jahr her, und sie lagen noch immer dort.

    Den Atomtreibstoff, den die USS Scorpion brauchte, gab es in Australien nicht, als das U-Boot dort ankam; er konnte aber hergestellt werden. Es stellte sich heraus, dass das U-Boot das einzige Kriegsschiff in australischen Gewässern war, das einen größeren Aktionsradius besaß, und man ließ es daher in den dem Marine-Ministerium am nächsten liegenden Kriegshafen Williamstown in Melbourne kommen. Tatsächlich war die Scorpion das einzige Kriegsschiff in Australien, mit dem man noch etwas unternehmen konnte. Eine Zeitlang blieb es unbeschäftigt, da man erst Atomtreibstoff herstellen musste; vor etwa sechs Monaten war es wieder beweglich und einsatzfähig geworden. Es wurde nach Rio de Janeiro geschickt und nahm Treibstoff für ein zweites amerikanisches Atom-U-Boot mit, das sich dorthin gerettet hatte. Nach seiner Rückkehr wurde das Schiff in den Werften von Melbourne gründlich überholt.

    All diese Dinge hatte Peter Holmes über den amerikanischen Captain Towers gehört; und sie fielen ihm nacheinander ein, während er vor dem Schreibtisch des Admirals saß. Der ihm angebotene Posten war neu, auf der Fahrt nach Südamerika hatte es an Bord der Scorpion keinen australischen Verbindungsoffizier gegeben. Der Gedanke an Mary und seine kleine Tochter machte ihm Sorge und veranlasste ihn zu fragen: »Für wie lange gilt diese Ernennung, Sir?«

    Der Admiral zuckte leicht mit den Achseln. »Sagen wir für etwa ein Jahr. Ich nehme an, es wird Ihr letzter Auftrag sein, Holmes.«

    Der junge Mann antwortete: »Ich weiß, Sir. Ich bin Ihnen für diese Chance sehr dankbar.« Er zögerte, fragte dann: »Wird das Schiff einen großen Teil dieser Zeit auf hoher See sein, Sir? Ich bin verheiratet, und wir haben ein kleines Kind. In letzter Zeit ist zu Hause alles ein wenig schwierig geworden, und jedenfalls dauert es ja nicht mehr sehr lange.«

    Der Admiral nickte. »Wir befinden uns alle in der gleichen Situation. Deshalb wollte ich Sie sprechen, bevor Sie die Bestallung erhalten. Ich werde Ihnen keinen Vorwurf daraus machen, wenn Sie ablehnen; in diesem Fall kann ich Ihnen aber kaum Hoffnung auf einen anderen Posten machen. Was die Zeit auf hoher See anlangt - wenn das Schiff am Vierten fertig überholt ist...« Er warf einen Blick auf den Kalender. »...also in etwas mehr als einer Woche, soll es nach Cairns, Port Moresby und Port Darwin fahren, um über die Situation dort zu berichten; dann kommt es nach Williamstown zurück. Captain Towers nimmt an, diese Fahrt wird elf Tage dauern. Danach wollen wir es auf eine längere Fahrt schicken, die etwa zwei Monate dauern wird.«

    »Wird es zwischen diesen beiden Fahrten längere Zeit im Hafen liegen, Sir?«

    »Ich nehme an, für etwa zwei Wochen.«

    »Und was sind die weiteren Pläne?«

    »Im Augenblick gibt es keine.«

    Der junge Offizier dachte nach - über Einkäufen, Krankheiten des Kindes, Milchlieferungen. Es war Sommer, daher musste kein Feuerholz gespalten werden. Wenn die zweite Fahrt Mitte Februar begann, würde er Mitte April zurück sein, also vor der kalten Jahreszeit, wenn man wieder heizen musste. Vielleicht würde der Farmer Mary mit dem Holz helfen, wenn er länger wegbleiben sollte; er hatte ja nun die Räder für den Mann. Wenn es nicht zu neuen Schwierigkeiten kam, konnte er wohl den Posten annehmen. Wenn es aber keine Elektrizität mehr geben sollte oder wenn sich die Radioaktivität schneller nach Süden ausbreitete, als die Wissenschaftler berechnet hatten - besser nicht daran denken.

    Mary würde zornig sein, wenn er den Posten ablehnte und seine Karriere opferte. Sie war die Tochter eines Marineoffiziers, war in Southsea in Südengland geboren und aufgewachsen. Er hatte sie bei einer Tanzerei auf der Indefatigable kennengelernt, als er in England in der Königlichen Kriegsmarine diente. Sie würde wollen, dass er den Posten annahm...

    Er sah auf. »Für die beiden Fahrten kann ich mich wohl verpflichten, Sir«, sagte er. »Wäre es möglich, erst dann weitere Entscheidungen zu treffen? Sie werden verstehen, dass es nicht leicht ist, weitere Pläne zu machen - ich meine wegen zu Hause - so wie die Dinge jetzt liegen.«

    Der Admiral überlegte. Unter den gegebenen Umständen war das ein vernünftiges Ansinnen, vor allem von einem jungverheirateten Mann mit einem kleinen Kind; für ihn selbst war es allerdings eine neue Erfahrung, da jetzt nur sehr wenige Posten zu vergeben waren. Man konnte aber kaum von dem Offizier verlangen, dass er für die letzten paar Monate einen Posten außerhalb der australischen Gewässer annehmen solle. Er nickte. »Einverstanden, Holmes«, sagte er. »Ich gebe Ihnen die Bestallung für fünf Monate, bis zum 31. Mai. Melden Sie sich bei mir, wenn Sie von der zweiten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1