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DAS RÄTSEL DER MONSTRANZ: Der Krimi-Klassiker!
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eBook272 Seiten3 Stunden

DAS RÄTSEL DER MONSTRANZ: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Pierre Delbos lebt von Sensationen. Als Reporter erwartet seine Zeitung von ihm täglich einen neuen Knüller. Darum greift er dankbar einen Tipp auf und versucht, über den geheimnisvollen Einbruch ins Schloss Auberon, den Familiensitz des Marquis de Gilles, Informationen zu bekommen: Diebe drangen in den Saal des Schlosses ein, doch sie ließen unschätzbare Kostbarkeiten unberührt; stattdessen stahlen sie eine silberne Monstranz, deren Wert in der Tat erheblich wäre, wenn es sich dabei nicht um eine geschickt angefertigte Kopie handeln würde.

Dies ist der Auftakt zu einer wilden Jagd, die durch halb Europa führt...

 

Frank Arnau, geborener Heinrich Karl Schmitt, auch Harry Charles Schmitt (* 9. März 1894 bei Wien, Österreich-Ungarn; † 11. Februar 1976 in München), war ein schweizerisch-deutscher Schriftsteller.

Der Roman Das Rätsel der Monstranz erschien erstmals im Jahr 1962.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum7. Sept. 2021
ISBN9783748793595
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    Buchvorschau

    DAS RÄTSEL DER MONSTRANZ - Frank Arnau

    Das Buch

    Pierre Delbos lebt von Sensationen. Als Reporter erwartet seine Zeitung von ihm täglich einen neuen Knüller. Darum greift er dankbar einen Tipp auf und versucht, über den geheimnisvollen Einbruch ins Schloss Auberon, den Familiensitz des Marquis de Gilles, Informationen zu bekommen: Diebe drangen in den Saal des Schlosses ein, doch sie ließen unschätzbare Kostbarkeiten unberührt; stattdessen stahlen sie eine silberne Monstranz, deren Wert in der Tat erheblich wäre, wenn es sich dabei nicht um eine geschickt angefertigte Kopie handeln würde.

    Dies ist der Auftakt zu einer wilden Jagd, die durch halb Europa führt...

    Frank Arnau, geborener Heinrich Karl Schmitt, auch Harry Charles Schmitt (* 9. März 1894 bei Wien, Österreich-Ungarn; † 11. Februar 1976 in München), war ein schweizerisch-deutscher Schriftsteller.

    Der Roman Das Rätsel der Monstranz erschien erstmals im Jahr 1962.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DAS RÄTSEL DER MONSTRANZ

    1. Paris - 38 Grad im Schatten

    Für Pierre Delbos war das Anlaufen der Rotationsmaschinen eine «r Sphärenmusik. Damit hörte der Bereitschaftsdienst auf. Er schob seinen Stuhl erleichtert zurück, nahm den Telefonhörer ab, meldete der Zentrale, dass es nichts Neues gebe, und schlenderte, die Zigarette zwischen den Lippen, den Korridor entlang zum Fahrstuhl.

    Im Maschinensaal griff er sich ein feuchtwarmes Exemplar des Echo de France, durchflog es, blätternd, wie nur ein geborener Journalist eine Zeitung verzehren kann, nickte dem Maschinenmeister zu, schritt zum Hauptausgang, wo die Straßenverkäufer bereits die Lieferwagen umdrängten.

    In der Luft lag der Geruch von Druckerschwärze, Öl und Teer. Ein Aroma von überhitztem Asphalt mengte sich dazu. Die Rue Reaumur strahlte vom Straßenbelag und von den Häuserwänden unerträglich schwüle Hitze.

    Pierre Delbos hasste all das und liebte es zugleich. Es war seine Welt, er ließ kein gutes Haar an ihr, er schimpfte über sie und wusste doch, wie unabänderlich er zu ihr gehörte.

    Im Bistro an der Ecke kaufte er seine Caporal. Die Patronne stand hinter dem Zink - dem weißblechbezogenen Schanktisch - und warf sein neues Fünf-Francs-Stück in die Kasse.

    »Merci, ça va?«

    »Heiß!«, erwiderte er, als sei es eine Neuigkeit. Er blickte mechanisch auf die Croissants unter der Glasglocke, die Kuchenstücke, die heute so dalagen wie gestern und vorgestern. - Vielleicht, dachte er, sind sie nur aufgefrischt worden? - Im Hintergrund spielten zwei Mechaniker ihre Partie Belotte - die Likörflaschen schimmerten in grellen Farben - es war jeden Tag dasselbe Bild, auch die Patronne nahm kein Pfund ab, so sehr sie auch immer von ihrer strengen Diät sprach.

    Delbos sah auf seine Armbanduhr. Es war vier, ein unerträglich heißer Tag Ende Juli, die Stadt schien trostlos. Als er den Boulevard Montmartre erreichte, fuhr ein Autobus mit Touristen vorbei, ein Fremdenführer redete auf die Insassen ein.

    Delbos blieb im Schatten, soweit die vorgelagerten Kaffeehausterrassen es erlaubten. Er ging zum Café de la Paix, setzte sich an einen kleinen runden Tisch am äußersten Ende, bestellte einen Café Creme, atmete tief ein und aus, blickte um sich.

    Er sah an der Kreuzung Opera die Flics den Verkehr regeln. Zeitweise nahmen sie ihr Käppi ab, wischten sich den Schweiß von der Stirn.

    Pierre Delbos trank einen Schluck Kaffee.

    Er überlegte.

    Es fiel ihm nichts ein. Dabei musste er für den nächsten Tag eine Reportage zustande bringen. Der Chef des lokalen Teils ließ keinen Zweifel darüber, so gehe es einfach nicht weiter. Es sei eine handfeste Sache fällig, die man auf der ersten Seite ankündigen und auf der dritten zumindest fünfspaltig aufmachen könne. Also - eine Sensation.

    Delbos merkte gar nicht, dass er unwillkürlich den Kopf schüttelte. Es war seine eigene Antwort auf seine eigenen Themenvorschläge. Er wusste, sie taugten nichts. Die Eindrücke, die der neue Franc in allen Bevölkerungsschichten gemacht hatte, waren von allen Zeitungen ausgeweidet worden. Man wusste, wie die Millionäre und wie die Clochards - die Bettler - der harten Währung gegenüber standen. Hausfrauen waren zu Wort gekommen, Käsehändler, Autobusschaffner, Tanzgirls, Fleischer und Ärzte. Mit diesem Thema ließ sich nichts mehr anfangen. »Wohnungseinbrüche im Sommer« lockte auch keinen Leser zum Kauf. Das war hundertmal in allen Varianten erschienen, mit und ohne Besuch im Polizeimuseum. Ein Interview mit dem Leiter des Meteorologischen Instituts über die Einflüsse der Atomexplosionen auf die Witterung hatte zwei Tage zuvor bereits der Soir groß herausgebracht. Politik, das einzige Gebiet, wo man sensationelle Neuigkeiten wenigstens erfinden konnte, schied für den lokalen Teil aus.

    Pierre Delbos tauchte, in Gedanken verloren, sein zweites Croissant in den hellbraunen Milchkaffee, als sich eine Hand leicht auf seine Schulter legte.

    Er wandte sich um, blickte auf. Vor ihm stand Bartet.

    »Sie erlauben, Herr Chefredakteur?«, fragte der hochgewachsene schlanke Mann mit dem immer verbindlich lächelnden Gesicht und setzte sich, ohne die Aufforderung abzuwarten. Er winkte einen Garçon herbei, bestellte sich einen Grand Marnier. Er genehmigte allen seinen Journalisten-Freunden generös den Titel Chefredakteur und gewissermaßen als Gegenleistung sich selbst einen Likör.

    Delbos zündete sich eine frische Zigarette an. Er mochte Bartet trotz seiner Eigenarten ganz gut leiden, allerdings empfand er ein gewisses Misstrauen, wie es fast alle gebürtigen Franzosen ihren naturalisierten Landsleuten gegenüber empfinden. Dazu kam, dass man bei Bartet nicht wusste, woher er kam, was er trieb, wovon er lebte. Manchmal sah man ihn mit merkwürdigen Fremden, doch mitunter tauchte er auch bei hochoffiziellen Festessen auf. Er kannte ganz Paris, wusste erstaunlich viel Klatsch... Delbos wartete, bis sein ungebetener Gast das Glas geleert hatte, bestellte ihm sogleich Nachschub. Vielleicht konnte Bartet Material für eine brauchbare Reportage liefern.

    »Wie kommt's, dass Sie bei dieser Gluthitze in Paris geblieben sind? Ich glaubte Sie in Deauville oder sonst an einem Meeresstrand...«

    »Eine besondere Mission hält mich hier«, erwiderte Bartet geheimnisvoll. »Eine Staatssache erster Güte.«

    »Nichts für das Echo? Geben Sie mir nur einen Hinweis...« Der Reporter drängte vorsichtig.

    Das verbindliche Lächeln blieb.

    »Staatsgeheimnis, mein lieber Chefredakteur! Aber - der Juwelenraub im Grand Hotel...«

    Delbos winkte ab, das zweite Glas Grand Marnier schien sich als Fehlinvestition zu erweisen.

    »Veraltet seit zwei Wochen! Was ich brauche, ist eine echte Sensation, etwas Neues, Aufregendes! Etwas Exklusives!«

    »Ich verstehe.« Bartet bestellte sich ein drittes Glas.

    »Sie suchen die jungfräuliche Alarmmeldung.« Er nahm sich aus des Reporters Etui eine Zigarette.

    Delbos gab ihm Feuer. Vielleicht wusste Bartet irgendeine Skandalaffäre. Zuzutrauen war es ihm.

    »Wenn Sie wieder einmal eine Empfehlung für einen Ihrer Schützlinge brauchen, können Sie mit mir rechnen. Eine Hand wäscht die andere.«

    Bartet blickte ihn von der Seite an.

    »Ein weiser Freund sagte mir einmal: wenn eine Hand die andere wäscht, werden beide schmutzig. Aber schließlich, verehrter Chefredakteur, man hat ja Seife - oder nicht? Aber um auf Ihre Nöte zu kommen, Sie brauchen für das Echo so etwas wie eine journalistische Bombe.« Er wiegte seinen dichtbehaarten Kopf sinnend hin und her. »Und Sie wollen die Zündschnur in der Hand haben, um die Explosion nach Ihrem Gutdünken auszulösen.«

    Delbos spürte, dass sein Gegenüber etwas wusste. Es bot sich also eine Gelegenheit, aus erster Hand einen Tip zu bekommen. Nur darauf kam es an. Man musste in diesem Beruf immer der erste sein - immer der Konkurrenz zumindest eine Nasenlänge voraus - man musste eben den anderen zuvorkommen.

    »Also, Bartet - was ist's?«

    Er bekam statt einer Antwort die Frage zu hören: »Kennen Sie den Marquis de Gilles?«

    Delbos antwortete leicht beleidigt: »Selbstverständlich.« - Er hatte den Namen allerdings noch nie gehört.

    Bartet deutete diskret auf einen Herrn in mittleren Jahren, der an einem Tisch in der Nähe eben das Echo de France eifrig studierte.

    »Maître Latour! Der Anwalt des Schlossherrn von Auberon...«

    Delbos wollte erbost erwidern, es sei ihm der Marquis so gleichgültig wie dessen Anwalt, aber irgendetwas in der Stimme Bartets hielt ihn davon ab. Da er als Reporter eigentlich alle Leute kennen musste, erwiderte er gedehnt: »Latour kenne ich. Es ist mir nur im Augenblick entfallen, woher. Gerichtssaal - tut ja nichts weiter zur Sache. Aber was hat's mit dem Marquis und seinem Rechtsbeistand auf sich?«

    Bartet dämpfte seine Stimme zu einem Flüsterton.

    »Auf Schloss Auberon wurde eingebrochen. Ich kann Ihnen nichts Genaues sagen, aber - die Sache hat's in sich. Meine Information kommt aus erster Quelle. Der Marquis muss sehr besorgt sein, denn er wandte sich sofort an Maître Latour.«

    »Nicht an die Polizei?«, fragte Delbos erstaunt.

    Bartet schien unschlüssig.

    »Ich glaube, dass ich bereits zu viel gesagt habe. Wenn Sie mehr erfahren wollen...« Er deutete zu dem Anwalt.

    Delbos rief den Garçon, zahlte.

    »Wenn ich nur wüsste, wo ich den Paragraphenreiter kennengelernt habe? Der Name klingt mir bekannt im Ohr...«

    »Er verteidigte Busson, den Scheckfälscher«, erinnerte Bartet, »und bekam ihn frei. Ein großer Erfolg.«

    Delbos nickte, verabschiedete sich, schritt zwischen den Tischen und Stühlen zu dem Rechtsanwalt. Er blieb dicht vor ihm stehen und legte in seine Stimme alle freudige Überraschung.

    »Maître Latour! Welche Freude, einer solchen Zierde des Barreau zu begegnen!«

    Latour sah mit einem durch Zufriedenheit gemilderten Staunen den ihm unbekannten jungen Mann an.

    »Zu liebenswürdig von Ihnen. Ich weiß nur im Augenblick nicht...«

    Delbos winkte liebenswürdig ab.

    »Berühmte Männer vergessen leicht die kleinen Leute. Was bedeutet ein Reporter? Allerdings bin ich Delbos vom Echo de France. Ich berichtete über Ihre großartige Verteidigung Bussons - eine Meisterleistung.«

    »Aber natürlich, ich erinnere mich genau, Sie saßen ja auf der Pressetribüne in meiner nächsten Nähe!« Die Stimme spiegelte die starke Überzeugungskraft des Strafverteidigers, der von Berufs wegen alles mit dieser starken Überzeugungskraft sagen konnte - was seinen Erfolg bewirkte. »Nehmen Sie Platz, mein Verehrter, und bestellen Sie sich eine Erfrischung. Bei dieser Hitze...«

    »Eine Eislimonade, Maître.« Delbos setzte sich.

    Der Anwalt winkte einem Garçon.

    Delbos ergriff kühn die Initiative. »Einmalig! Ich sehe Sie noch deutlich vor mir, höre noch jedes Ihrer Worte.« Er beugte sich vor. »Wären Sie nicht der große Latour, so genössen Sie kaum das Vertrauen des Marquis de Gilles! Der Schlossherr von Auberon wird seine guten Gründe gehabt haben, als er Sie wegen des Einbruchs sofort zu Rate zog.«

    Maître Latour verhehlte seine Überraschung nicht.

    »Woher wissen Sie etwas über den Einbruch?«

    Delbos lächelte geheimnisvoll.

    »Man hat so seine Beziehungen. Ein guter Freund bei der Präfektur - leben und leben lassen...«

    »Erstaunlich«, stellte der Anwalt fest. »Es ist kaum eine Stunde her, dass ich bei dem obersten Chef der Kriminalpolizei war - und schon ist das Geheimnis durchgesickert! Wie sehr verstehe ich nun, dass der Marquis einer Mitwirkung der Pariser Polizei ablehnend gegenüberstand. Aber schließlich - für die Gendarmen der Provinz ist der Fall sicherlich zu kompliziert.«

    Delbos ließ nicht locker. »Wer wird den Fall bei der Präfektur übernehmen?«

    »Ungewiss!« Latour zuckte die Achseln. »Im Augenblick haben sie keinen Kommissar zur Verfügung, die höheren Beamten sind infolge der Urlaubszeit stark überlastet. Der Chef der Kriminalpolizei versprach mir aber, sobald wie möglich die Angelegenheit in geschickte Hände zu geben.«

    Der Reporter sah den Anwalt prüfend an.

    »Sind Sie für einen Vorschlag zu haben?«

    »Das hängt ganz von den Bedingungen ab«, gab Latour zurück.

    »Schließen wir einen Pakt, Maître!« Delbos zog seinen Stuhl dicht neben den des Anwalts. »Sie bewahren über diesen Einbruch auf Schloss Auberon strengstes Stillschweigen, lehnen sogar bei eventuellen Anfragen von Journalisten jede Auskunft ab. Am besten, Sie leugnen die ganze Sache. Und ich verpflichte mich, über Sie im Echo de France eine Großreportage zu bringen - mit Ihrem Foto - Der berühmte Strafverteidiger - Erinnerungen eines großen Juristen - und so weiter.« Er blickte treu in die Augen Latours: »Nun - ist das ein Vorschlag?«

    »Einverstanden!« Es war nur ein Wort, aber es klang überzeugend.

    »Und nun, Maître...« - Delbos trank den Rest des Fruchtsaftes aus - »...erzählen Sie mir, was Sie wissen.«

    Latour stopfte sich eine Pfeife, drückte den Tabak sorgsam zurecht, entzündete ihn, blies den starken Rauch von sich. Eine platinblonde Schönheit zwei Tische entfernt hüstelte unmissverständlich, rümpfte die Nase, wandte sich ab. Aber der Anwalt nahm diesen Protest nicht zur Kenntnis. Gedämpft begann er: »Ich kann Ihnen nicht allzu viel berichten, verehrter Freund, denn ich weiß bisher auch nur wenig. Der Marquis rief mich heute Morgen zu einer für ihn noch durchaus nächtlichen Zeit - es war halb neun - an. Ich erkannte kaum seine sonst sonore und beherrschte Stimme. Er schrie! Nachts sei ins Schloss eingebrochen worden...«

    »Wie aufregend«, unterbrach Delbos. »Was wurde gestohlen? Denn darauf kommt's an. Der Wert der Beute bestimmt die Größe der Überschrift, die ich zugebilligt bekomme.«

    »Das eben ist das Erstaunliche«, meditierte Latour. »Das Unverständliche, möchte ich beinahe sagen. Der Einbrecher - es dürfte nur ein einzelner gewesen sein, soweit ich den Marquis verstand - raubte keineswegs alle die Kostbarkeiten, die gewissermaßen ausgebreitet vor ihm lagen, sondern« - der Anwalt flüsterte - »er nahm ausschließlich die wertvollsten Objekte mit - ein Kenner, so sollte man meinen - ein Connaisseur, wenn Sie mir den Gebrauch dieses etwas poetisch wirkenden Wortes gestatten.«

    »Und?«, drängte der Reporter.

    »Das ist alles. Ein merkwürdiger Fall. Sie werden mir zugeben« - Latour erhob ein klein wenig die Stimme -, »dass Einbrecher eigentlich nichts liegenlassen, was aus Gold ist, noch dazu mit Edelsteinen besetzt, aber der Eindringling auf Schloss Auberon erwies sich als ein wählerischer Herr. Er ließ sogar die berühmte Krone Karls des Kühnen zurück. - Sie wissen ja, dass das Geschlecht der Gilles die unmittelbaren Nachkommen dieses Heldenherrschers sind.«

    »Vielleicht empfand er eine gewisse Pietät - oder Ehrfurcht«, warf Delbos zögernd ein.

    Latour versuchte zu lächeln, was ihm aber nur sehr dünn gelang.

    »Sie trauen Verbrechern solche Regungen zu? Nun, ich bewundere Ihren Optimismus. Wenn Sie mich fragen, so steckt etwas ganz Geheimes dahinter. Doch schließlich bin ich weder Kriminalist noch Reporter.« Er fragte sachlich: »Was wollen Sie nun beginnen?«

    Delbos erhob sich.

    »Ein Sprung zurück in die Redaktion. Vorschuss...« - er verbesserte sich schnell - »...ich meine für Reisespesen und sonstige Auslagen. Und dann...« Er winkte dem Anwalt zu und entfernte sich rasch.

    Als Delbos wieder das Gebäude des Echo de France in der Rue Reaumur betrat, wirkte es wie ausgestorben. Er fragte den dösenden Pförtner: »Danielli noch oben?«

    Der Mann nickte.

    »Aber Sie wissen doch genau, dass er nachmittags niemanden empfängt«, antwortete er.

    Delbos würdigte ihn keiner Antwort. Wenn es sich um einen Einbruch auf Schloss Auberon und den Namen des Marquis de Gilles handelte, so war der Verlagsgewaltige bestimmt zu sprechen.

    Er stürmte durch das Vorzimmer, lächelte der wohlgeformten jungen Dame an, die an der Schreibmaschine saß und sich die Nägel malte, öffnete die altmodische grüngepolsterte Doppeltür des Chefzimmers und postierte sich vor Danielli.

    »Sind Sie verrückt geworden?«, fragte der Finanzgewaltige des Echo de France. »Ohne anzuklopfen...« Er blickte den Reporter durch seine dicken Brillengläser erstaunt und unwirsch an.

    »Als ich vorige Woche nach pflichtgemäßem Anklopfen hereinkam, warfen Sie mich fast hinaus, weil Sie das Geräusch aufschreckt und nervös macht. Sie beriefen sich auf Ihren Kreislauf.«

    »Schön«, winkte Danielli ab. »Sie sollen recht haben. Aber dennoch - Vorschuss gibt's keinen.«

    Delbos beugte sich vor:

    »Sie haben doch schon einmal den Namen des Herzogs von Merly gehört?«

    Danielli rückte seine Brille zurecht, er wurde hellwach.

    »Schön.« Das war sein Lieblingswort. »Also was hat der Herzog mit Ihrem Vorschuss zu tun? Will er für Sie bürgen?«

    Delbos ließ sich nicht beirren.

    »Sie kennen doch zweifellos die Sammlungen auf Schloss Merlyles Pignolles?«

    »Schön - und wenn schon?« Danielli setzte sich zurecht.

    »Ein Einbruch. Und ich habe die Vorhand. Ich bin der erste! Ich bin der einzige! Und...« - Delbos beugte sich über den Tisch zu seinem Chef - »...wie ist's nun mit tausend guten neuen Francs? Und mit einem Dienstwagen - das vereinfacht alles - Ich muss hinfahren, muss auftreten, muss nachforschen, muss vielleicht tagelang...«

    Danielli drückte auf einen Knopf. Nach einer Weile erschien die Sekretärin, sie hielt die eine Hand unsichtbar hinter dem Rücken.

    »Ich war gerade dabei...«

    »Es riecht nach Nagellackentferner, ich weiß also Bescheid«, sagte Danielli. »Schön. Füllen Sie für Delbos eine Anweisung auf tausend Francs aus - Vorschuss - Reisespesen - Dienstwagen...«

    Delbos verneigte sich mit übertriebenem Dank.

    »Die beste Kapitalanlage des Echo de France seit der Einführung des harten Franc. Und nun darf ich mich empfehlen.«

    Er ging mit Mademoiselle Yvonne hinaus, zufrieden mit sich und der Welt. Es war ihm gelungen, den Vorschuss zu bekommen, das Dienstauto - und alles, ohne sein Geheimnis preiszugeben. Sicher ist sicher, das war sein Motto. Man konnte niemandem trauen. Danielli schwätzte gern. Ein Wort zu viel, und das Rätsel des Einbruchs auf Schloss Auberon konnte von einem anderen Kollegen aufgegriffen werden.

    Mademoiselle Yvonne füllte ein Formular mit drei Durchschlägen aus, reichte es mit einem ausdrucksvollen Augenaufschlag dem Reporter.

    »Keiner kann beim Alten so schnell etwas loseisen wie Sie. Bewundernswert.«

    Pierre Delbos quittierte mit einer charmanten Verbeugung.

    »Den nächsten Vorschuss verjubeln wir zusammen.«

    Er eilte zur Hauptkasse, steckte die zehn Hundertfrancscheine, deren angenehmes Knistern sein Ohr erfreute, lässig in die rechte Hosentasche, fuhr mit dem reichlich klapprigen Fahrstuhl in den Keller hinab, der die Garage beherbergte, ließ sich das bestaussehende Coupé geben. Schönheitsbegriffe sind relativ, dachte er dabei verdrossen. Er stellte fest, dass der Tank gefüllt und der Aschenbecher geleert war, drückte auf den Anlasser, manövrierte zwischen Personen- und Lieferwagen hindurch auf die Straße hinaus.

    Die Sonne brannte unbarmherzig auf das Stahlblechdach. Trotz der vier heruntergekurbelten Fenster ließ die drückende Schwüle nicht nach. Draußen war es ebenso heiß wie unter der Motorhaube, deren schwitzende Öldämpfe durch die lecke Abdichtung unterhalb des Armaturenbretts heraufkrochen.

    Delbos fuhr zum Boulevard Perere, holte aus der »Pension Aurore«, deren Dauermieter er seit vier Jahren war, jenes kleine und stets griffbereit gepackte Köfferchen, das sonst erfreulicheren Wochenendausflügen diente, die er zwar in seinem eigenen, recht

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