Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Hügel Buku: Lübeck - Eine Siedlung wird gegründet
Der Hügel Buku: Lübeck - Eine Siedlung wird gegründet
Der Hügel Buku: Lübeck - Eine Siedlung wird gegründet
eBook415 Seiten5 Stunden

Der Hügel Buku: Lübeck - Eine Siedlung wird gegründet

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Im Jahr 1138 wird die slawische Fürstensiedlung Liubice, die an der Mündung der Schwartau in die Trave liegt, von den heidnischen Ranen überfallen und zerstört. Boruslaw und sein Sohn Roger, beide Einwohner der Siedlung, entkommen dem Gemetzel und flüchten zum Hügel Buku, der, rund vier Meilen Trave aufwärts, zwischen den Flüssen Trave und Wakenitz eingezwängt liegt. Die Frau von Boruslaw, seine Eltern sowie sein Schwiegervater, der ein Wikinger aus Schleswig ist und Boruslaw und seine Familie in Liubice besucht hatte, kommen bei dem Überfall ums Leben. Im Jahr darauf versuchen Boruslaw und Roger in Schleswig, bei der (ehemaligen) Schwiegermutter von Boruslaw, unterzukommen. Die verjagt beide aber aus dem Ort, da sie die Verbindung zwischen ihrer Tochter und Boruslaw schon immer abgelehnt hat und ihn auch für den Tod ihres Mannes und ihrer Tochter verantwortlich macht. Boruslaw und sein Sohn ziehen wieder zurück auf den Hügel Buku und halten sich dort versteckt, da die Zeiten unsicher sind. Im Jahr 1143 trifft Graf Adolf II. von Schauenburg, der von Herzog Heinrich, dem Löwen, den Auftrag erhalten hat, Nordelbien wieder zu bevölkern, und daher auf dem Hügel Buku eine neue Siedlung plant, dort auf die beiden. Boruslaw und sein Sohn helfen als Ortskundige dem Grafen bei der Planung der neuen Siedlung und werden auch gleich die ersten Siedler dieses neuen Ortes, der den Namen „Lübeck“ erhält. Die Siedlung entwickelt sich, der Handel blüht. Aus dem Norden kommen Händler mit in Salz eingelegten Heringen nach Lübeck, aus Lüneburg Händler mit Salz. Aus Oldesloe holt man das Salz selbst, über die Trave, ab. Die Gründung wird so ein Erfolg, dass Heinrich, der Löwe, anfängt, auf die Siedlung zu schielen, und möchte, dass Graf Adolf II. sie ihm abtritt. So kommt, nachdem bereits im Jahr 1147 der Wendenfürst Niklot Lübeck einmal zerstört hat, zehn Jahre nach der Gründung die zweite große Krise auf die junge Siedlung zu.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum24. Juli 2017
ISBN9783743821866
Der Hügel Buku: Lübeck - Eine Siedlung wird gegründet

Ähnlich wie Der Hügel Buku

Ähnliche E-Books

Geschichte für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Der Hügel Buku

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Hügel Buku - Berthold Kogge

    Prolog

    Seitdem die Gletscher der letzten Eiszeit das Land neu geformt, und sie sich dann, als das Klima wieder wärmer geworden war, in den Norden zurückgezogen haben, liegt der Hügel Buku zwischen den Flüssen Trave und Wakenitz eingezwängt.

    Von Süden kommend, fließt die Trave westlich des Hügels an ihm vorbei, nach Norden, in Richtung der Ostsee, um dort in dieses Meer zu münden.

    Von Südosten her kommt die Wakenitz an den Hügel heran geflossen, um nördlich von ihm auf eine wasserundurchlässige Erdschicht zu stoßen, die den Fluss zwingt, hart nach links, fast um ganze 180° zu drehen, und in einem großen Halbkreis, östlich des Hügels längs, zuerst nach Südost, dann nach Süden, Südwest und schließlich in Richtung Westen zu fließen, um südwestlich des Hügels dann doch noch an die Trave zu gelangen und in ihr zu strömen.

    So ist der Hügel Buku, seit die Gletscher der letzten Eiszeit sich zurückgezogen haben, fast ganz von Wasser umschlossen, nur an der Nordseite, durch eine schmale Landverbindung, ist er mit dem Rest des Landes verbunden.

    Tausende von Jahren zogen Jäger durch das Land und nutzten den fast ganz von Wasser umgebenden Hügel als Übernachtungsstelle. Als die Menschen sesshaft wurden, siedelten Bauern auf dem Hügel und nutzten ihn für ihre Felder und Viehweiden.

    Dann kamen die Slawen aus dem Osten, bauten auf dem Hügel eine Burg und eine Siedlung. Später wurde ungefähr 5 km nördlich des Hügels, dort, wo die Schwartau in die Trave mündet, eine slawische Siedlung, mit dem Namen Liubice, gegründet. Ein Fürstensitz entstand dort, und die Siedlung mit der Burg, auf dem Hügel Buku, wurde irgendwann aufgegeben. Nur noch reisende Händler und anderes fahrendes Volk kamen, auf ihren Reisen von Liubice nach Bardowick, oder in entgegengesetzter Richtung, auf dem Fernhandelsweg, der über die Halbinsel führte, auf den Hügel, und nutzten den verlassenen Burghof als Übernachtungsplatz.

    So lag der Hügel Buku, A. D. 1138, verlassen am westlichen Rand des slawischen Siedlungsgebietes, mit einer Burg, die langsam verfiel, während von der Westküste des Landes her, und von Süden über die Elbe kommend, die Sachsen sich langsam aber sicher, westlich und südlich des Hügels, immer weiter ausbreiteten.

    - 1- A. D. 1138Liubice brennt

    Boruslaw saß still in seinem Einbaum im Schilf, den gespannten Bogen in den Händen. Er hatte seiner Frau versprochen, für morgen zwei oder drei Enten zu schießen. Sein Schwiegervater, der in Schleswig wohnte, war mit seiner Handelsware gestern eingetroffen und sollte entsprechend bewirtet werden. Boruslaw ärgerte sich ein bisschen, dass seine Frau so viel Aufheben wegen des Besuchs machte, aber Roger Olofsson war ein angesehener Handelsmann aus Schleswig, und war immer noch etwas verstimmt darüber, dass Boruslaw vor sechs Jahren seine Tochter geheiratet hatte. Boruslaw war ein Slawe. Nach Roger Olofssons Auffassung nicht die angemessene Verbindung für die Tochter eines Wikingers. Nur weil Boruslaw Rogers Tochter, ohne dass sie verheiratet waren, geschwängert hatte, hatte der alte Wikinger der Heirat im Nachhinein zugestimmt. Wobei Roger Olofsson inzwischen so in seinen Enkel vernarrt war, dass wohl eher die Tatsache, dass seine Frau die Verbindung ihrer Tochter verfluchte, ihn immer noch ab und zu abweisend wirken ließ.

    Boruslaws Sohn, zu ehren von Boruslaws Schwiegervater Roger genannt, lag unbeweglich auf einer Decke im vorderen Teil des Einbaums und blies mit dem Mund gegen ein, zwischen den Händen gehaltenen Grashalm, um den Enten nachzuahmen. Roger würde nächsten Monat sechs Jahre alt werden, und sein Großvater hatte ihm kostbare Geschenke mitgebracht. Darunter auch ein Gladius, ein altes römisches Kurzschwert. Obwohl schon sicher fast tausend Jahre alt, war es durch gute Pflege immer noch eine schöne Waffe, und ihr Stahl war besser als bei den meisten Schwertern, die man im Slawenland schmiedete. Boruslaw war ja der Ansicht, dass ein Schwert, auch wenn es nur ein römisches Kurzschwert war, für so einen kleinen Jungen nicht das richtige Geschenk sei, aber er wollte nicht gegenüber seinem Schwiegervater undankbar erscheinen.

    Nun lag Roger, der Beweis der Liebe zwischen Boruslaw und der Wikingertochter Freja, vor ihm im Einbaum und versuchte Enten anzulocken. Neben ihm lag das Geschenk des Großvaters. Auch wenn Boruslaw davon überzeugt war, dass ein Schwert auf einer Entenjagd nichts zu suchen hat, hatte er seinen Sohn nicht dazu bringen können, das neue Geschenk des geliebten Großvaters zu Hause zu lassen. Roger war vom Aussehen, über Freja, das Ebenbild des Großvaters. Blaue klare Augen und flachsblondes Haar. Boruslaw hatte dagegen dunkelbraune Haare und Augen. Es störte Boruslaw nicht, dass sein Sohn, vom Aussehen her, überhaupt nichts von ihm hatte. Im Gegenteil, immer, wenn er ihn ansah, sah er seine geliebte Frau vor seinem inneren Auge. Und wenn Roger in seinem Aussehen nicht so nach dem alten Wikinger geschlagen wäre, wer weiß, ob der Hass von Roger Olofsson sich wirklich in eine solch fürsorgliche Großvaterliebe gewandelt hätte, dass er sogar inzwischen den slawischen Schwiegersohn akzeptierte, und sich nicht durch das Fluchen seiner Frau groß beeindrucken ließ.

    Voller Vaterliebe sah Boruslaw auf seinen Sohn, wie dieser versuchte, mit dem Grashalm, das Gequake der Enten nachzuahmen. Hier, in der kleinen Lagune, die von dem schmalen Bach Medebek ausgespült worden war, kurz bevor dieser in die Trave mündete, war es ein ideales Entenjagdgebiet. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Trave, lag auf einer Halbinsel, dort, wo die Schwartau in die Trave mündet, ihr Heimatort Liubice. Nach dem der inzwischen verstorbene Slawenkönig Heinrich die Siedlung Liubice zu seiner Residenzstadt erhoben hatte, war der Ort erheblich gewachsen und hatte an Einfluss gewonnen. Der Kern der Siedlung bestand aus der Burg und der Kirche, um die ein stark befestigter Erdwall, mit Holzpalisaden auf der Wallkrone, errichtet war. Außerhalb der Wallanlage hatte sich, zum Ufer der Trave hin, eine Handwerkersiedlung entwickelt. An dem, der Burg gegenüberliegenden Südufer der Trave, nicht weit von der Lagune der Medebek entfernt, gab es inzwischen auch eine Kaufmannssiedlung. Bei Gefahr eilten deren Bewohner über den Fluss in die Burg.

    Boruslaw schaute über die Lagune. Leichte Nebelschleier lagen in der Morgendämmerung über dem dunklen, stillen Wasser. Abgesehen von den Tönen, die sein Sohn mit dem Grashalm erzeugte, war es absolut still. Auch aus der Siedlung war noch kein Laut zu hören. Die ersten hatten dort wohl gerade erst ihr Nachtlager verlassen und saßen jetzt am Esstisch, um das Frühstücksmahl zu sich zu nehmen.

    Plötzlich stob ein Schwarm Enten und Blesshühner in einiger Entfernung von der Wasseroberfläche in den Himmel. Boruslaw schoss schnell den Pfeil ab und traf, obwohl nicht richtig gezielt, eine Ente. Irgendetwas musste den Schwarm aufgescheucht haben. Vielleicht ein wildernder Hund, oder ein Reh, das dicht am Ufer durch den Bruchwald schlich.

    Eigentlich sollte sein Sohn die Enten einzeln anlocken, die er dann lautlos mit dem Pfeil hätte töten können. Nun waren die Enten erst einmal verscheucht. Es hatte keinen Sinn mehr lautlos im Schilf zu warten. Boruslaw griff zu dem Paddel und fuhr aus dem Schilfgürtel raus, auf die offene Lagune, wo er die getroffene Ente tot auf dem Wasser treiben sah.

    Gerade als Roger sich über den Bootsrand beugen wollte, um den toten Vogel zu ergreifen, ertönte von der Kaufmannssiedlung, auf dieser Uferseite der Trave, tosender Lärm. Boruslaw und sein Sohn erschraken beide. Boruslaw noch mehr als Roger. Er kannte die Geräusche. Man hörte lautes Gebrüll, panikartiges Schreien und das Schlagen von Eisen auf Eisen. Schnell paddelte Boruslaw wieder in den Schutz des Schilfes zurück. Jetzt war der Lärm auch von der anderen Seite der Trave, an der Handwerkersiedlung und der Burg zu hören.

    Boruslaw paddelte durch den Schilfgürtel vorsichtig zum Ufer und gab seinem Sohn den Befehl, in dem vom Schilf verdeckten Boot zu bleiben, bis er zurückkommen würde. Er nahm den Gladius, das neben Roger lag, stieg leise aus dem Boot und schlich durch den Bruchwald in Richtung der Kaufmannssiedlung. Der Wind kam aus der Richtung der Siedlung und Boruslaw roch Feuer. Es war aber zu viel, um nur von einigen Kochstellen zu kommen. Kurz darauf hörte er auch das Prasseln des Feuers, und sah zwischen den Bäumen des Waldes durch, wie die Flammen hoch in die Morgendämmerung schossen. Es gab keinen Zweifel, die ganze Siedlung stand in Flammen. Vorsichtig schlich er bis zum Waldrand. Von hier aus konnte er die Kaufmannssiedlung auf dieser Uferseite überblicken.

    Es war zu spät, um einzugreifen. Die ungefähr zwanzig, mit Schilf bedecken Holzhäuser standen in Flammen, und das Kämpfen hatte bereits aufgehört. Der Feind hatte sich um die Siedlung gescharrt, und als die Bevölkerung voller Panik aus ihren brennenden Häusern gestürmt kam, diese einfach abgeschlachtet. Zumindest die kampffähigen Männer waren ohne Gnade ins Jenseits befördert worden. Frauen und Kinder hatte man in der Nähe des Waldrandes zusammengetrieben. Ihr Schicksal als Sklaven in der Fremde war besiegelt. Noch immer war im Süden, im großen Konstantinopel, mit blonden und braunhaarigen Sklaven viel Geld zu machen. Vereinzelnd lagen noch verwundete Krieger der Siedlung auf dem Boden, aber ihr Leben war verwirkt. Die Fremden gingen in aller Ruhe durch die Reihen und erschlugen jeden von ihnen, der nicht bereits tot war.

    Hier konnte Boruslaw nicht mehr helfen. Er zog sich wieder tiefer in den Wald zurück und schlich in einem großen Bogen zum Ufer der Trave. Dort angekommen sah er auf die Siedlung an der anderen Flussseite. Auch dort brannten die Häuser hoch auflodernd. Die Siedlung war verloren. Auch die Handelsschiffe, die am Ufer, an den, aus Holz gebauten Kaianlagen befestigt waren, fingen bereits Feuer. Fremde Krieger lauerten außerhalb der Feuersbrunst und erschlugen jeden, der versuchte, aus dem Flammenmeer auszubrechen.

    Aber einige der Einwohner hatten sich anscheinend hinter den Wallanlagen der Fürstenburg verschanzen können. Man sah sie, neben den Soldaten, auf dem Wehrgang der Burg stehen, um den Feind abzuwehren. Die Burg hatte noch kein Feuer gefangen, aber schon flogen die ersten Brandpfeile über den Palisadenzaun hinweg. Kurz darauf sah man auch aus der Burg die ersten dunklen Rauchschwaden emporsteigen. Dann schossen die ersten Flammen aus den Schilfdächern der Burggebäude. Das Tor der Burg, das nach Süden lag und von Boruslaw eingesehen werden konnte, war geschlossen. Auf dem Turm über dem Tor standen Bogenschützen, die auf die Angreifer schossen. Die ersten Brandpfeile der Angreifer steckten aber schon im Turmdach. Zum Glück war dieses Dach nicht aus Schilf, sondern aus Holz. Holz brannte zwar auch, aber längst nicht so schnell wie Schilf. Aber das verzögerte nur kurz das unabwendbare Schicksal der Burgbesatzung und der, in die Burg geflüchteten Siedlungsbewohner.

    Auf dem Wehrgang der Burg, hinter der Palisade, konnte Boruslaw, neben den anderen Kämpfern, auch die riesige Gestalt seines Schwiegervaters sehen. Der alte Wikinger schwang sein Langschwert wie ein junger Krieger und köpfte jeden Angreifer, der in seiner Nähe den Kopf über die Palisade steckte, mit einem kräftigen Schwerthieb. Dabei hatte er doch schon die fünfzig überschritten und war ein alter Mann. Der Feind hatte vom Wallgraben aus Leitern gegen die Palisade gestellt und versuchte diese zu stürmen. Noch war jeder Angriff abgeschlagen worden, aber Boruslaw sah, dass der Wehrgang nur dünn mit Verteidigern bestückt war. Nur wenige schienen es geschafft zu haben, sich aus der Siedlung hinter die Wallanlage, in zumindest vorläufige Sicherheit zu bringen.

    Der Überfall musste eine totale Überraschung gewesen sein. Boruslaw fragte sich, wie das geschehen konnte. Von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang wurde die Umgebung von Kriegern überwacht, und über Nacht standen Wachen auf dem Wehrgang und in versteckten Vorposten. Wie konnte denen so eine Heerschar entgangen sein? Und Boruslaw sah auch, außer dem Drachenboot von Roger Olofsson, keine Kriegsschiffe an dem künstlich angelegten Hafen.

    Hatte es seine Frau hinter den Palisadenwall geschafft? Er musste es herausbekommen. Aber was sollte er machen? Über den Fluss schwimmen, und den Feind unerwartet von hinten angreifen? Das war sicher eine gute Taktik. Gut, wenn man zwei oder dreihundert Krieger hinter sich hatte. Aber alleine wäre es sein Todesurteil. Verzweifelt grübelte Boruslaw, was er machen sollte, aber ihm fiel nichts ein. Er alleine konnte die Burg mit den Insassen nicht retten. Sollte seine Frau noch in der Siedlung sein, war sie jetzt tot oder bei den Gefangenen, die Abseits von der Siedlung zusammengetrieben worden waren.

    Boruslaw zog sich wieder in den Wald zurück. Er eilte, so schnell es ging, durch den Bruchwald, an der Lagune vorbei, flussabwärts, bis er glaubte, ohne entdeckt zu werden, die Trave durchschwimmen zu können. Schnell kam er in dem Wald nicht voran. Oft musste er bis zu den Knien durch Wasser gehen. Der Bruchwald war Überschwemmungsgebiet. Immer wenn der Wind aus Nordosten kam, drückte er das Wasser des Baltischen Meeres in die Trave, und das Wasser stieg in diese Niederung. Auch wenn später dann die Trave sich in ihr Bett zurückgezogen hatte, gab es hier große Flächen, in denen das Wasser stehen geblieben war.

    Als Boruslaw wieder aus dem Wald ans Ufer trat, war die Siedlung selbst nicht mehr zu sehen, sondern über dem Uferschilf und Gebüsch nur das Flammenmeer der brennenden Gebäude. Er wendete seinen Blick flussabwärts, und dort sah er auf der anderen Uferseite, hinter der nächsten Flussbiegung, eine Reihe von Kriegsschiffen am Ufer liegen. Die Morgendämmerung war inzwischen so weit fortgeschritten, dass er auf einem der Schiffsmasten die Fahne des Ranenfürsten Race von Rügen erkennen konnte. Also waren die heidnischen Slawen von Rügen mal wieder unterwegs, um Beute zu machen. Das christliche Liubice war ihnen schon lange ein Stachel im Fleisch, aber bis jetzt hatten sie es nur immer gewagt, das Hinterland der christlichen Siedlung zu überfallen. Sie mussten sich mit anderen heidnischen Stämmen zusammengetan haben, um sich stark genug zu fühlen, die Siedlung selbst anzugreifen.

    Boruslaw schätzte die Flotte auf fünfzehn bis zwanzig Schiffe. Bei so vielen Schiffen mussten es mehr als fünfhundert Krieger sein, die seinen Heimatort angriffen. Sie mussten schon in der letzten Nacht hier heimlich gelandet und Stellung bezogen haben. Bis zum Sonnenaufgang hatten sie sich sicher dann in den Wäldern um Liubice herum versteckt, sich an die Wachen in der Umgebung herangeschlichen und diese überwältigt. Sie mussten somit gewusst haben, wo in der Umgebung die versteckten Wachposten ihre Stellungen hatten. Der Überfall war also bestens vorbereitet gewesen und schon länger geplant.

    An dieser Stelle konnte Boruslaw nicht durch den Fluss. Die Ranen hatten sicher Wachen bei den Schiffen gelassen, und die würden ihn, sollte er hier durch die Trave schwimmen, wohl sofort bemerken. Außerdem waren auf dem Weg zwischen den Schiffen und der Siedlung sicher Krieger unterwegs, um die geraubten Schätze an Bord der Schiffe zu bringen.

    Boruslaw stapfte durch den morastigen Bruchwald wieder zurück. Er umging die Lagune, in der hoffentlich immer noch sein Sohn brav und unentdeckt im Boot versteckt lag, die noch brennende Kaufmannssiedlung an seiner Uferseite, und eilte so lange weiter flussaufwärts, bis er an eine Stelle kam, wo er glaubte, ungesehen durch die Trave schwimmen zu können. Dort band er sich mit seinem Gürtel den Gladius auf den Rücken und schwamm durch den Fluss. Das Drachenboot seines Schwiegervaters stand inzwischen, wie die anderen Handelsschiffe, auch in einem lodernden Flammenmeer, genauso wie die künstlichen Hafenanlagen aus Holzbohlen.

    Am nördlichen Traveufer angekommen kroch Boruslaw durch das Uferdickicht, das flussaufwärts der Siedlung nicht abgeholzt war, bis zum Rand der Lichtung zwischen der Siedlung und dem Burgwall. Der Wind trieb die Hitze des Feuers direkt zu ihm. Teilweise wehte der Wind brennende Schilfbündel von den Dächern durch die Luft, die in dem Dickicht, in dem Boruslaw sich versteckt hielt, landeten. Er konnte kaum atmen, Funken sprühten ins Unterholz. Die Hitze war so groß, dass seine Augenbrauen versenkten. Jeden Moment musste er damit rechnen, dass das trockene und tote Holz Feuer fangen würde.

    Boruslaw konnte von seinem Versteck aus die gefangenen Frauen und Kinder sehen, die auf der Lichtung, zwischen Siedlung und Hafenanlagen, zusammengetrieben worden waren. Es waren gerade einmal zwanzig Überlebende. Wo war der Rest? Hatten die sich alle in die Burg zurückziehen können, oder waren sie gar nicht mehr aus ihren brennenden Hütten heraus gekommen, und waren bereits verbrannt oder erschlagen?

    Boruslaw erkannte die meisten Gefangenen. Seine Frau und seine Eltern waren nicht unter ihnen. Entweder lagen sie tot in der brennenden Siedlung oder sie hatten es geschafft, hinter den Palisadenwall der Burg zu fliehen. Aber auch dort würden sie nicht mehr lange sicher sein. Boruslaw war versucht, sich von hinten auf den Feind zu stürzen, aber er wusste, dass das keine Wende des Schlachtverlaufs bringen würde. Er konnte hier niemandem mehr helfen, und am anderen Ufer wartete sein Sohn, der ihn ab heute dringender brauchen würde als jemals zuvor, in einem Boot versteckt.

    Boruslaw schaute sich um. Er beschloss erst einmal, zumindest solange das Holz nicht Feuer fing, hier im Versteck liegen zu bleiben. Sollte er, wenn die Burg gefallen war, feststellen, dass seine Frau noch lebte, konnte er immer noch sehen, ob er sie vor der Sklaverei retten konnte. Aber die Schlacht selbst war für die Verteidiger verloren.

    Die Angreifer hatten inzwischen große Schilfballen und totes trockenes Holz vor das Tor der Burg gelegt und angezündet. Die Verteidiger versuchten zwar das Feuer, von dem Torübergang aus, zu löschen, wurden aber von Bogenschützen daran gehindert. Es dauerte einige Zeit, aber dann leckten die ersten Flammen am schweren Holz des Tores. Nun zogen sich die Ranen zurück. Sie warteten darauf, dass das Tor vom Feuer vernichtet wurde. Dann würden sie die Burg stürmen. Die Angriffe über Leitern, vom Wallgraben aus, wurden nur noch halbherzig fortgeführt, und dienten nur dazu, um zu verhindern, dass sich alle Verteidiger hinter dem Tor sammeln konnten, um dort noch schnell einen neuen Verteidigungswall zu errichten, bevor das Tor fiel. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Burg fallen würde. Oben auf der Wallanlage sah Boruslaw immer noch seinen Schwiegervater aufrecht sein Langschwert schwingen. Der alte Wikinger wusste sicher, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte; aber solange er aufrecht mit dem Schwert in der Hand fiel, war sein Einzug in Walhalla gesichert. Roger Olofsson war noch ein Diener der alten Götter. Ein ehrenvoller Tod, im Kampf, bedeutete für ihn einen Ehrenplatz an der Festtafel von Odin.

    Boruslaw schlug mit der Hand das Kreuz vor seiner Brust. Möge der alte Heide in Walhalla glücklich werden. Boruslaw kauerte weiter im Dickicht und rührte sich nicht.

    Als die Sonne bereits langsam wieder nieder ging, krachte mit großem Getöse das Tor zusammen. Sofort stürmten die Raner mit lautem Kriegsgeschrei aus ihrer Deckung durch das zusammengefallene Tor in die Burg. Jetzt ging alles sehr schnell. Das Kampfgetöse erhob sich noch einmal kurz laut über die Flussauen. Auch die panischen Schreie der Frauen und Kinder, die es zu Beginn des Überfalls geschafft hatten, in die Burg zu fliehen, schallten zu Boruslaw herüber. Er musste sich die Ohren zuhalten, um es ertragen zu können. Es dauerte aber nicht lange, und der Kampf war vorbei. Boruslaw blieb weiter in seinem Versteck, bis zum Schluss.

    Dann war es plötzlich fast still. Nur das Prasseln des Feuers war noch zu hören. Kein Schlachtenlärm mehr, keine ängstlichen Schreie. Nach dem Kampf zogen die Raner mit ihren Toten, den Gefangenen und den geraubten Schätzen aus der Burg, in Richtung ihrer Schiffe. Boruslaw achtete genau auf die Gefangenen. Weder seine Frau noch seine Eltern oder sein Schwiegervater waren darunter.

    Die Abenddämmerung fing bereits an über das Land zu ziehen, als die Raner zu ihren Schiffen abgezogen waren. Als keine Bewegungen mehr bei der Burg und der Siedlung zu erkennen waren, eilte Boruslaw vorsichtig, jede Deckung ausnutzend, bis zu den Wallanlagen. Auch die Palisade der Burg brannte nun. Vorsichtig schlich er zum zerstörten Tor. Es war nicht auszuschließen, dass die Raner noch eine Wache zurück gelassen hatten.

    Im Schatten des Walls schlich Boruslaw durch die Toröffnung und schaute sich um. Vor ihm standen die Mauern der Steinkirche. Das Dach der Kirche war brennend eingestürzt, nur die Mauern standen noch. Alle anderen Gebäude, aus Holz gebaut, brannten immer noch hoch auflodernd. Boruslaw spürte die Hitze der Flammen. Schnell eilte über den Hof. Die Leichen der Verteidiger lagen dort, wo sie gefallen waren. Die große Gestalt von Boruslaws Schwiegervater war leicht auszumachen. Er lag blutüberströmt an der Kirchenmauer. Er hatte wohl, als die Raner in die Burg stürmten, diese als Schutz für seinen Rücken benutzt. Drei Pfeile steckten in seinem Körper. Keiner dürfte tödlich gewesen sein, aber einer der Pfeile steckte in seiner Ferse. Rogers Helm, aus Stahl, war gespalten. Er musste einen Schwert- oder Axthieb in den Kopf bekommen haben. Bei seiner Größe war das nur möglich gewesen, wenn er schon auf die Knie gestürzt war. Gehirnmasse war durch den Spalt im Helm ausgetreten. Boruslaw beugte sich über den Leichnam und schloss dessen Augen. Dann wandte er sich ab und suchte seine Frau.

    Die Verteidiger lagen über den ganzen Hof verstreut in ihrem Blut. Seine Frau lag nicht unter ihnen. Boruslaw wollte schon aus der Burg in Richtung der Siedlung eilen, um dort nach ihr zu suchen, da drehte er noch einmal um und schritt durch das ausgebrannte Kirchenportal in das Gotteshaus.

    Die Holzbalken, die das Dach getragen hatten, waren auf den Boden gestürzt und brannten noch. Die Reste der Dachfläche, bestehend aus Holzlatten, lagen auch auf dem Boden. Das meiste davon war schon verbrannt und glimmte nur noch leicht vor sich hin. Das einzige Teil aus Holz in der Kirche, das nicht verbrannt war, war das schlichte Kreuz aus Eiche, das hinter dem steinernen Altar an der hinteren Kirchenwand befestigt war. Der Mönch, der hier in der Burg gepredigt und für das seelische Heil der Bevölkerung gesorgt hatte, war, wie der Sohn Gottes, mit Nägeln, die man durch die Hände und Füße getrieben hatte, an das Kreuz genagelt worden. Er lebte noch. Aus seinem Mund kam ein leises Stöhnen. Boruslaw schaute entsetzt auf die leidende Gestalt und trat näher zu ihr heran. Neben den Wunden an den Füßen und Händen hatte der Mönch noch eine schwere Wunde im Bauchbereich. Die Eingeweide quollen unter der Mönchskutte hervor, Richtung Fußboden. Der Kopf des Mönchs war nach vorne auf die Brust gefallen.

    Der Mönch musste die Schritte auf dem Steinfußboden gehört haben, denn sein Kopf bewegte sich und hob sich etwas von der Brust ab. Boruslaw konnte erkennen, dass der Gekreuzigte versuchte, ihn mit den Augen zu erfassen.

    „Töte mich. Im Namen Gottes. Oh bitte, ich flehe euch an, töte mich."

    Das kam so leise aus dem Mund des Leidenden, dass Boruslaw es kaum verstehen konnte. Er trat direkt unter das Kreuz. Der Mönch war im Grunde schon tot. Gott wusste es nur noch nicht.

    „Ich kann dich nicht töten. Das ist gegen den Willen Gottes."

    „Um Gotteswillen, hilf mir. Töte mich - Bitte."

    Es war nur ein leises Flüstern, das vom Kreuz kam. Boruslaw zögerte kurz, schlug dann aber mit der freien Hand ein Kreuz vor seiner Brust, nahm den Gladius, und stach dem Mönch von unten direkt ins Herz. Das Stöhnen hörte auf. Der Kopf des Mönches sank zurück auf seine Brust.

    Boruslaw kniete vor dem Kreuz nieder und betete für den Mönch, und dafür, dass Gott es ihm verzeihen möge, dass er dem Mönch das Leben genommen hatte. Dann erhob er sich wieder, drehte sich um und ging in Richtung des Kirchenausgangs.

    Auf dem Weg zum Kirchenportal erblickte er seine Frau. Sie lag neben dem Eingang. Ihre Kleider waren fort. Man hatte sie sicher vergewaltigt. Gestorben war sie durch einen Schnitt quer durch die Kehle. Das Blut schimmerte schwarz auf dem Steinfußboden, die Haut ihres Gesichts war von Brandblasen aufgeplatzt. Sie hatte keine Haare mehr. Sicher vom Feuer. Die Beine und der Bauchbereich lagen verkohlt unter einem Haufen glimmender, heruntergefallener Dachlatten. Boruslaws Kiefermuskeln verkrampften sich, als er neben ihr niederkniete.

    Bis jetzt hatte er während des ganzen Tages kaum Gefühle gespürt. Die ganze Zeit hatte er versucht seinen Verstand zu gebrauchen und aufzupassen, dass er nicht auch noch ein Opfer der Raner werden würde. Jetzt aber, als er die angekokelte Leiche seiner Frau sah, brach er zusammen und weinte bitterlich. Diese verfluchten Heiden. Es dauerte einige Zeit, bis er sich wieder einigermaßen im Griff hatte.

    Zärtlich schloss Boruslaw mit seinen Händen die Augen seiner Frau. Er schob mit dem Schwert die noch glimmenden Latten beiseite, hob die Tote auf und ging mit ihr, vorsichtig, als ob er sich Sorgen machen würde, dass jede seiner Bewegung ihr noch Schmerzen bereitete, nach draußen. Dort legte er sie neben der Kirchenmauer ab und grub mit dem Gladius zwei Gräber aus. In das eine Grab legte er seine Frau, in das andere seinen Schwiegervater. Aus der Kirche holte er einige Balken, band sie mit Stricken, die im Hof lagen, zu zwei Kreuzen zusammen, und stellte diese jeweils an die Stirnseite der Gräber in eine kleine gegrabene Vertiefung. Auch der alte Heide bekam ein Kreuz.

    Mit Tränen in den Augen, den Gladius über der Schulter tragend, verließ Boruslaw die Festung. Direkt vor der Burg lag ein Gefallener, von den Angreifern liegen gelassener Raner. Wohl ein Unfreier, sonst hätte man ihn sicher mitgenommen, um ihn an einem sicheren Ort, nach Heidensitte, feierlich zu verbrennen.

    Langsam den Kopf drehend, schaute Boruslaw sich auf dem Schlachtfeld um. Er könnte gut noch eine Waffe und ein Schild gebrauchen. Wer wusste schon, gegen wen er sich hier noch verteidigen musste. Aber die abziehenden Angreifer hatten die Waffen der Gefallenen mitgenommen. Schwerter und Schilde waren kostbar. So etwas ließ ein Sieger nicht auf einem Schlachtfeld liegen.

    Mit schweren Schritten ging Boruslaw zur brennenden Siedlung. Seine Eltern waren nicht in der Burg gewesen, er wollte daher nachsehen, ob sie in der Siedlung lagen, und vielleicht konnte er außerdem noch einige Gegenstände aus seinem oder aus einem anderen Haus retten. Die dünnen Wände der Häuser waren inzwischen nur noch zusammengefallene, vor sich hinglimmende Holzhaufen. Sie strömten zwar noch eine fast unerträgliche Hitze aus, aber die Flammen loderten nicht mehr gefährlich in alle Richtungen.

    In seinem Haus angekommen, das in der Nähe des Flusses lag, fand er als erstes die verbrannten Leichen seiner Eltern. Sie mussten schon beim ersten Angriff erschlagen worden sein, oder hatten versucht, sich im Haus zu verstecken. Die Wände und das Dach des Hauses waren zusammengefallen und schwelten nur noch vor sich hin. Boruslaw stocherte mit dem Gladius in den Hausresten. Die einzigen verwertbaren Sachen, die er noch finden konnte, waren die Familienholzkiste aus schwerer Eiche, die das Feuer überstanden hatte, einige Eisenwerkzeuge für den Bootsbau, wie Hammer, Meißel und Messer, und einen Lederbeutel voller alter römischer Gold- und Silbermünzen, die in einer Ecke des Hauses in der Erde vergraben waren. Münzen, die Boruslaws Urgroßvater in seiner Jugend, als dieser bei dem großen Slawenaufstand im Jahr 1066 dabei gewesen war, in irgendeinem Kloster, weiter im Süden, das sie überfallen und gebrandschatzt hatten, geraubt hatte. Erst als der sächsische Gegenschlag seine Heimat verwüstet hatte, hatte Boruslaws Urgroßvater, mit den Beutestücken, die er am Körper tragen konnte, seine Heimat verlassen und hatte sich hier in Liubice als Zimmermann niedergelassen, um für die Handelsleute Boote zu bauen. Er hatte sogar zum Schein den Glauben gewechselt und brav das Kreuz, das die hier Lebenden in der Kirche anbeteten, verehrt. Boruslaw wusste, dass sein Urgroßvater im Innersten immer ein Heide geblieben war, aber, um es sich nicht mit den christlichen Handelsleuten zu verscherzen, die seine Boote kaufen sollten, hatte er immer sehr gläubig getan. Auch Boruslaws Großvater, sowie sein eigener Vater waren Zimmermannsleute gewesen und hatten am Ufer der Trave Boote gebaut. Und Boruslaw war, bis zum Überfall der Raner, der Gehilfe seines Vaters gewesen.

    Außer den Gold- und Silbermünzen fand Boruslaw in einem Tonkrug noch einiges Kupfergeld. Diese steckte er in den Beutel zu den römischen Münzen.

    In der Ecke ihrer Schlafstelle fand Boruslaw, unter den verbrannten Resten der Decken, einen kleinen silbernen Anhänger, ohne dem dazugehörigen Lederband. Thors Hammer. Ein nachträgliches Hochzeitsgeschenk von Roger Olofsson an seine Tochter Freja. Über Nacht hat Freja den Anhänger immer abgelegt gehabt. Sie musste, wie die meisten anderen in der Siedlung, noch auf dem Nachtlager liegend, von dem Überfall überrascht worden sein.

    Boruslaws linke Faust krampfte sich zusammen und hielt in sich den kleinen Anhänger fest umschlossen. Schluchzend musste er sich auf die Eichenholzkiste setzen und verbarg sein Gesicht in seine Hände, dabei spürte er den silbernen Hammer in seine linke Wange drücken.

    „Oh, Freja, warum bist du nicht mit uns zur Entenjagd gekommen, so wie schon so oft vorher, und Roger es auch diesmal wollte. Warum bist du zu Hause geblieben. Du mochtest doch diese Stille in der Lagune, wenn die Morgendämmerung gerade anfängt."

    Boruslaw senkte die Hände und schaute, durch Tränen verschwommenen Blick, auf den Anhänger.

    Vor acht Jahren, Boruslaw war damals gerade achtzehn Jahre alt gewesen, war Roger Olofsson, ein riesiger Wikinger aus Schleswig, mit seinem Boot hier in Liubice aufgetaucht, um Handel zu treiben. Ein Heide durch und durch. Sein Schiff war leckgeschlagen und Boruslaws Vater hatte den Auftrag erhalten, während Roger Olofsson in der Handelssiedlung seine Ware verkaufte und tauschte, das Schiff zu reparieren. Es war ein Drachenschiff gewesen. Eines von diesen gefürchteten Booten, die in früheren Zeiten so oft Tod und Verwüstung in die Städte, Dörfer und Klöster an den Küsten gebracht hatten.

    Boruslaw hatte sich damals im Stillen gefragt, wie Roger Olofsson an die Ware, die er hier anbot, gekommen war. War sie ehrlich erworben, oder war es die Beute eines Raubzuges gewesen? Roger Olofsson war mit einer wilden Mannschaft damals hier aufgetaucht, die für so manche Schlägerei in der Taverne gesorgt hat. Aber neben den wilden Gesellen hatte er auch seine Tochter mit auf diese Reise genommen. Ein nicht ganz fünfzehnjähriges Wikingermädchen, mit langen blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren und klaren blauen Augen. Boruslaw hatte sich sofort in dieses Mädchen verliebt. Auch sie war von ihm angetan gewesen und hatte neugierig zugeschaut, wie Boruslaw mit seinem Vater zusammen das Schiff ihres Vaters reparierte.

    Als das Schiff wieder instand gesetzt war, waren Boruslaw und das kleine Wikingermädchen, das den heidnischen Namen Freja trug, in der Zeit, bis Roger Olofsson wieder nach Schleswig absegelte, oft am Flussufer längs gelaufen und hatten sich dort im Schilf versteckt, sich gegenseitig Geschichten erzählt und geneckt. Ein Jahr drauf war Boruslaw im Frühling mit einem Handelsschiff nach Schleswig gefahren, da er sich nach dem kleinen Wikingermädchen gesehnt hatte.

    Boruslaw war gerade von dieser Fahrt seit drei Monaten wieder

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1