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Das Vierte Reich: Die Zehn Reiche, #4
Das Vierte Reich: Die Zehn Reiche, #4
Das Vierte Reich: Die Zehn Reiche, #4
eBook1.137 Seiten13 Stunden

Das Vierte Reich: Die Zehn Reiche, #4

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Über dieses E-Book

Das Reich der Schlachtfelder – ein Reich, in dem Sekten aufsteigen und zerfallen. In dem der Boden unter den Füßen von Kämpfern aus höheren Reichen erzittert. In dem es Reichtümer zu holen gibt und in dem Imperien untergehen.

Dorthin müssen Erik und Rugrat, wenn sie ihre Stärke und die von Alva erhöhen wollen.

Es heißt, das Glück sei mit den Mutigen. So ist es in den Zehn Reichen. Die Beute geht an den Sieger. Das Vierte Reich wird ihr Leben verändern ... oder beenden

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum29. Nov. 2023
ISBN9781990785252
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    Buchvorschau

    Das Vierte Reich - Michael Chatfield

    1

    Pille des Inneren Feuers

    E

    rik befand sich in einem der Privaträume des Alva-Heilhauses. In einer Hand hielt er die Pille des Inneren Feuers. Rote Risse durchzogen sie, eine schwache Glut schien sich um sie herum zu sammeln.

    In der anderen Hand hatte er einen schlicht wirkenden Krummdolch.

    Er stieß den Atem aus und schaute zu den an seine Arme angeschlossenen Infusionen auf. Er öffnete die Ventile daran, ließ die Ausdauer- und Heiltränke durch die Schläuche in seine Venen fließen.

    Erik holte tief Luft. Das Mana im Raum bewegte sich mit ihm, als er seinen einfachen Heilzauber vorbereitete.

    Erik warf die Pille ein und stach sich den Dolch in die linke Wade. Er hatte den Bereich bereits gesäubert und mit Geistberührungssalbe eingeschmiert.

    Die Pille bahnte sich brennend den Weg durch seine Kehle und erreichte den Magen, wo sie mächtiges, stark konzentriertes Mana mit Feuerattribut in seinem Körper freisetzte.

    Die Flammen des Feuerattributs verstärkten die Wirkung. Mit der Zeit wurde Energie geradewegs in seine Knochen freigesetzt, weil zwischen beidem ein Synergieeffekt entstand.

    Die in Eriks Körper sickernden Tränke entfalteten ihre Wirkung, während er gleichzeitig seinen Heilzauber einsetzte. Das Mana um ihn herum geriet durch die geballte Kraft eines Mana-Königs schwungvoll in Bewegung.

    Sein Körper leuchtete durch das Feuer-Mana in ihm rötlich. Das Blau des konzentrierten Manas in Alva erschien um ihn herum und umgab das Rot, vermischte sich aber nicht damit. Eriks Mana-Kanäle begannen, vor geballter Macht zu strahlen.

    Nur Rugrat befand sich bei ihm im Raum. Während Erik im Schneidersitz auf dem Steinboden saß, ließ er Mana in seinen einfachen Heilzauber zirkulieren. Sein Gesicht zuckte vor Schmerzen, als er von innen heraus durch das mächtige Mana mit Feuerattribut verbrannt wurde.

    Es loderte durch seinen Körper, zerstörte Blut, Gewebe und Sonstiges. Als wäre in ihm ein Feuerelementar entstanden, der keine andere Wahl hatte, als ihn zu zerstören, während er versuchte, sich zu retten.

    Erik zog die Klinge aus seinem Bein. Ein Hauch von Angst nistete sich in seinem Geist ein. Er lachte kalt.

    Vielleicht ist heute der Tag, an dem ich sterbe. Mit dem Gedanken breitete sich eine merkwürdige Ruhe durch ihn aus. Er bereute nichts, hatte alles getan, was er konnte und wollte.

    Aber wenn ich heute sterben soll, dann macht sich der Sensenmann besser auf einen Kampf gefasst!

    Mit bloßer Willenskraft zwang er sich, die Tortur über sich ergehen zu lassen. Er hatte sich dazu entschlossen, also musste er es auch durchziehen. Mit zusammengebissenen Zähnen wechselte er vom einfachen Heilzauber zu konzentrierter Heilung. Er holte eine mit einem starken Heiltrank gefüllte Spritze heraus und hielt sie in der Hand, bereit, sie jederzeit einzusetzen.

    Ein Grollen ertönte aus Eriks Körper, als die Kraft der Pille und der Schaden des zerstörerischen Feuerattributs von Eriks konzentrierter Heilung überwunden wurden. Es fühlte sich beinah wie ein angenehmer Muskelkater nach hartem Training an.

    Er schrie auf, während sein Körper rasant wiederhergestellt wurde. Das Mana mit Feuerattribut befand sich in seinem Körper, wurde jedoch gewaltsam geheilt. Seine Magie reparierte den bereits entstandenen Schaden.

    Eine weitere Welle desselben Manas wurde von der Pille in ihm ausgeschüttet und reichte weiter als die davor.

    Sein gesamter Körper wurde von Feuer-Mana durchdrungen. Langsam passte er sich daran an. Statt sich wie Öl und Wasser zu verhalten, wurde das Mana mit Feuerattribut nach und nach aufgenommen, in sein Gewebe eingebaut. Seine Haut wurde rot und trocken. Wo sie aufbrach, trat gelbliches Blut aus seinem Körper aus.

    In seinen Augen schienen tiefrote Flammen zu flackern, als die Hitze um ihn herum zunahm.

    Knochen, Muskeln, Haut, Gewebe bis hin zum Mark – alles wurde vom Feuer-Mana durchwirkt. Die Pille entfesselte weiter pulsierend eine Welle lodernder Zerstörung nach der anderen, während Erik die frisch vom Feuer gestählten Muskeln und Knochen heilte.

    Sein Körper wuchs durch die schiere Macht darin, erhöhte gewaltsam seine Größe. Immer mehr Feuer-Mana sickerte in die Zellen, veränderte sie unwiderruflich, ließ sie größer, härter, widerstandsfähiger gegen Flammen werden.

    Eriks Geist war über den Schmerz hinaus, konzentrierte sich nicht mehr darauf, sondern nutzte ihn als Ansporn. Das Brennen wurde so intensiv, dass er das Gefühl hatte, er würde zu Asche zerfallen, wenn er sich bewegte.

    Rugrat hatte vor einer Weile die Hände auf ihn gelegt und heilte ihn. Er holte eine Spritze aus seinem Speicherring und injizierte sie direkt in Eriks Körper. Dann rief er andere Heiler herein. Beim Anblick von Eriks Erscheinungsbild stutzten sie unwillkürlich, bevor sie sich sammelten und ihre Heilzauber einsetzten.

    Eriks Geist kämpfte gegen die Schmerzen an. Er konzentrierte sich aufs Atmen und Wirken seiner eigenen Zauber. Sein gesamtes Dasein beschränkte sich nur noch darauf, alles andere rückte weit in den Hintergrund.

    Aus Eriks Körper ertönte ein weiteres tiefes Grollen. Knackende Laute seiner Knochen ließen erkennen, dass sie gestählt, dass Verunreinigungen weggebrannt worden waren. Sie sahen aus wie polierter Marmor. Ihre Dichte hatte sich durch die Veränderungswirkung des Manas mit Feuerattribut in ihm gesteigert. Die Schnitte in seiner Haut schlossen sich. Das rot-gelbe Blut in seinen Adern wurde zu einem gesünderen, dunkleren Rot. Das Blut selbst wurde dicker, als würde es sich von Wasser in Sirup verwandeln. Eriks Herzschlag hallte stärker und kraftvoller denn je zuvor durch den Raum. Er streifte seine alte Haut ab. Zurück blieb die neue, makellose, die keinerlei Anzeichen irgendwelcher Schäden aufwies.

    Seine Muskeln wirkten definierter und strotzten vor explosiver Kraft.

    Erik atmete durch die Nase die Hitze aus. Die Luft flimmerte, die Heiler schwitzten durch die unmittelbare Nähe zu dem glühenden Atemstoß.

    Sie setzten Eriks Heilung fort. Das Feuer-Mana, das seinen Körper verwüstet hatte, wandte sich von schädigend zu stärkend, da es Makel beseitigte, die Erik mit dem Gift nicht hatte austreiben können.

    Es reinigte ihn von Kopf bis Fuß.

    Sein Körper wie aus Stein hatte dafür lediglich die Grundlage gebildet. Die Stählung durch Flammen hatte sein inneres Potenzial weiter angefacht und seine Reise zu den höheren Gefilden der Körperkultivierung gefördert.

    Sobald die Belastung für seinen Körper nachließ, verlor er die Besinnung.

    Während er sich ausruhte, arbeiteten die anderen Heiler weiter an ihm und beseitigten die versteckten Verletzungen in seinem Körper, die nach der Einnahme der Stählungspille zurückgeblieben waren.

    »Tja, sieht so aus, als wäre das ’ne Möglichkeit, den Körper zu stählen«, folgerte Rugrat. Er wischte sich Schweiß von der Stirn. Nachdem er Erik ins Bett gelegt hatte, trat er zurück. Rugrats Beine zitterten von der Energie, die er durch seinen Körper geleitet hatte, und von der Belastung des Wissens, dass Eriks Leben in seinen Händen lag.

    Während Erik schlief, fiel Rugrat auf, dass sich der Körper seines Freunds weiter veränderte. Das Mana mit Feuerattribut, das seinen Körper zerstört hatte, war offensichtlich nicht mehr der tobende Feuerelementar von zuvor. Es hatte seinen Körper verheert, doch mit Rugrats Hilfe und jener der Heiler konnte er den vernichtenden Kräften standhalten. Mittlerweile hatte sich Erik die Macht des Feuerattributs einverleibt.

    Seine Stärke hatte neue Höhen erreicht. Seine Widerstandsfähigkeit gegen Mana mit Feuerattribut war schier unglaublich geworden. Gewöhnliche Flammen würden ihm nichts mehr anhaben können. Auch an Orten mit Mana mit Feuerattribut konnte er sich leichter aufhalten. Sein Körper konnte solches Mana nun sogar reinigen und speichern.

    Mana-Sammler trachteten danach, Mana aller Attribute zu reinigen, zu verdichten und dann zu kontrollieren, indem sie die Stärke ihrer Mana-Kanäle und ihre geistigen Fähigkeiten so steigerten, dass sie mit Mana verschiedener Attribute umgehen konnten, ohne von innen heraus zerstört zu werden. Körperkultivierer hingegen manipulierten die verschiedenen Arten von Mana nicht. Sie stählten ihre Körper und nahmen verschiedene Mana-Attribute auf, indem sie unterschiedliche Gegenden mit konzentriertem Mana und Phänomenen bereisten. Dabei begaben sie sich in Vulkane, in kalte Tundra, trotzten Orten mit verzerrtem Raum, Bergen mit Blitzen und Himmeln mit Sturmwinden. Schritt für Schritt rückten sie in Gefilde vor, die andere umbringen würden, und hofften, ihre Stärke so zu erhöhen. Ein einziger falscher Schritt konnte sie dabei verkrüppeln oder töten.

    Einige Zeit später wachte Erik auf. Sofort eilte ein naher Heiler herbei.

    »Wie ist es gelaufen?«, fragte Erik und benutzte den einfachen Bio-Scan für einen Blick durch seinen Körper. Er stellte fest, dass er eine gewaltige Wandlung durchgemacht hatte.

    »Die Auswirkungen der Pille wurden beseitigt«, meldete einer der Heiler. Kurz verstummte er und nahm den Mut für eine Frage zusammen. »Konntest du deine Körperkultivierung verbessern?«

    Erik öffnete seine Benachrichtigungen.

    ==========

    Deine Basiswerte haben sich erhöht!

    ==========

    Ausdauer +1

    Stärke +1

    Geschicklichkeit +1

    Ausdauer-Regeneration +1

    ==========

    »So wenig?« Nachdenklich rief Erik seine aktiven Missionen auf.

    ==========

    Mission: Körperkultivierung 2

    ==========

    Der Weg zur Kultivierung des Körpers ist nicht einfach. Um es ganz nach oben zu schaffen, muss man sich einen eigenen Weg bahnen.

    ==========

    Anforderungen:

    Erreichen der Stufe eines Körpers wie aus Eisen

    ==========

    Belohnungen:

    +6 bei Stärke

    +6 bei Geschicklichkeit

    +6 bei Ausdauer

    +10 bei Ausdauerregeneration

    +1.000.000 EP

    ==========

    »Ist anscheinend nicht so einfach, einen Körper wie Eisen zu erreichen.« Erik seufzte.

    Er öffnete seine Charakterübersicht und warf einen Blick auf die Änderungen dort.

    ==========

    Name: Erik West

    ==========

    Stufe: 32

    Rasse: Mensch

    ==========

    Titel:

    Aus dem Grab II

    Mana-König

    Verliesmeister II

    Umkehralchemist

    Giftkörper

    ==========

    Stärke: (Basis 27) +39

    660

    ==========

    Geschicklichkeit: (Basis 20) +41

    335

    ==========

    Ausdauer: (Basis 30) +9

    585

    ==========

    Mana: (Basis 6) +35

    410

    ==========

    Mana-Regeneration (Basis 10) +40

    26. 50/Sek.

    ==========

    Ausdauer-Regeneration: (Basis 28) +33

    13. 20/Sek.

    ==========

    Erik schloss die Benachrichtigungen und die Augen, um die Veränderungen in seinem Körper besser zu fühlen. Wenn er eine Stufe aufstieg, fuhr die Macht der Zehn Reiche in seinen Körper und veränderte ihn. Wenn es ihm gelang, den Körper zu stählen, steigerte sich nicht die Stärke der Zehn Reiche, sondern seine eigene. Wenn sich seine Werte änderten und er eine Stufe aufstieg, dauerte es eine Weile, sich an die Veränderungen zu gewöhnen, als würde er plötzlich ein neues Werkzeug benutzen. Bei neuen Basiswerten hingegen passte er sich innerhalb weniger Augenblicke daran an.

    Ähnlich wie wenn ein Scharfschütze und ein Amateur eine Schusswaffe in die Hand nähmen. Beide könnten damit umgehen. Nur würde sich der Scharfschütze schneller als der Laie an jede neue Waffe gewöhnen und effektiver damit schießen.

    Erik überprüfte sich noch einmal, bevor er begann, die Infusionsschläuche herauszuziehen.

    Der Heiler, der sich um ihn kümmerte, hakte nach. »Herr?«

    »Scheint zu funktionieren«, antwortete Erik schließlich. »Aber die Pille allein wird nicht reichen.« Mit gerunzelter Stirn stand Erik auf. Seine nächsten Ideen zur Vervollständigung seiner Feuerstählung waren noch drastischer. »Wie lange war ich weggetreten?«

    »Nur einen Tag«, antwortete der Heiler.

    »Dann gibt’s noch eine Menge zu tun. Danke für deine Hilfe«, sagte Erik zu dem Heiler, der ihn beobachtete. Damit verließ er das Heilhaus und trat den Weg zur Akademie an.

    2

    Fassungen

    R

    ugrat hämmerte auf ein Stück Metall ein. Nach der Rückkehr aus dem Dritten Reich hatte er sich aufs Schmieden gestürzt, doch dann hatte ihn die Ausbildung ihrer Truppen in Beschlag genommen, und er musste es aufschieben.

    Während der Arbeit mit dem Heer von Alva hatte er in Gedanken an neuen Ideen und Plänen getüftelt. Unterwegs hatte er Nachrichten an Tan Xue und Taran geschickt. Sie hatten verschiedene Projekte übernommen, die er sich ausgedacht hatte. Nachdem er mehr von den Zehn Reichen gesehen hatte, waren in ihm etliche Ideen gereift, die weder Erik noch ihm zuvor in den Sinn gekommen waren. Außerdem hatte er mit Julilah und Qin über Formationen gesprochen. In jeder freien Minute hatte er in aus der Bibliothek entlehnten Büchern gelesen. Dann hatte er Erik dabei geholfen, seine Körperkultivierung voranzutreiben.

    Nun konnte er endlich wieder in die Schmiede. Diesmal jedoch nicht in die alte, sondern in eine der Stufe drei samt Testräumen, umfassenden Raffinerien und mehreren verschiedenen Essen und Schmelzbereichen, damit die Leute ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen konnten. Rugrats mobile Schmiede war durchaus brauchbar. Es handelte sich um eine auf Lehrlingsstufe, die nicht verhinderte, dass man mächtige Gegenstände schmieden konnte, es aber auch nicht förderte. Nur Schmieden ab Gesellenstufe besaßen die Eigenschaft, jemandes Schmiedefähigkeiten zu verbessern.

    Die einfachsten Arbeitsbereiche, die sie mittlerweile hatten, entsprachen Lehrlingsstufe. Davor hatte es welche der Anfängerstufe gegeben, die jemandes Schmiedefähigkeiten leicht beeinträchtigen konnten, wodurch man ein schlechteres Endprodukt erhielt. Allerdings waren sie schon zum Zeitpunkt der Aufrüstung der Schmiede kaum noch verwendet worden.

    Mittlerweile verfügten sie über eine Schmiedewerkstatt auf Expertenstufe, fünf auf Gesellenstufe sowie 20 auf Lehrlingsstufe.

    Von den Flammen über die Werkzeuge bis hin zu den Essen hatten sich die verschiedenen Räume sprunghaft verbessert. In jenen auf Gesellenstufe gab es mächtige Flammen, die mit sämtlichen Metallen sterblichen Grads und einigen irdenen Grads fertig wurden, ohne zusätzliche Hilfe von den Schmieden zu benötigen.

    Flammen auf Expertenstufe konnten Metalle irdenen und niedrigen himmlischen Grads mühelos schmelzen. Andere Flammen niedrigerer Stufen brauchten dafür einen Katalysator oder Verstärker, der die Qualität der Flamme und der Esse später beeinträchtigen konnte. Von den Schmieden höherer Stufen gelieferte Werkzeuge hielten nicht nur diesen hochintensiven Flammen stand, sondern blieben auch unbeeinflusst von der zunehmenden Macht und Härte der verschiedenen Metalle.

    Zudem gab es in den Schmieden Formationen, die das Mana konzentrierten und die Mana-Regenerationsrate erhöhten, außerdem passive Formationen zur Verbesserung der Fähigkeiten als Schmied. Sie halfen, Ablenkungen zu beseitigen und den Schmied bei der Arbeit in die bestmögliche Gesinnung zu versetzen.

    Die neuen Formationen befanden sich nur in den Werkstätten ab Gesellenstufe. Als Lehrling erzielte man in den Schmiederäumen auf Gesellenstufe eine Steigerung der Schmiedefertigkeit um 10 Prozent, in den Räumen auf Expertenstufe um 20 Prozent. Jemand auf Gesellenstufe kam in Gesellenwerkstätten nur auf eine Steigerung der Fertigkeiten von 5 Prozent, in den Räumen für Experten auf 10 Prozent. Das mochte nach wenig klingen, aber es erleichterte das Erreichen eines Zustands der Erleuchtung und beeinflusste, wie lange man ihn aufrechterhalten konnte.

    Leute an der Schwelle zum nächsten Durchbruch hätten angesichts dieses Bonus für eine Stunde in der Schmiedewerkstatt auf Expertenstufe glatt ihre Seele verkauft.

    Daher waren klare Regeln für den Zeitplan der verschiedenen Schmieden nötig gewesen. Bevorzugt wurden zunächst die Ratsmitglieder, gefolgt von den Abteilungsleitern und Leuten mit den höchsten Fertigkeitsstufen. Danach ging es in absteigender Reihenfolge der Stufen weiter, damit die Zeit in der Expertenschmiede nie verschwendet wurde.

    Als Mitbesitzer von Alva hätte Rugrat auf Zeit in der Schmiedewerkstatt auf Expertenstufe bestehen können. Stattdessen hatte er sich eine auf Gesellenstufe genommen. Tan Xue versuchte, den Durchbruch von der Gesellin zur Expertin zu schaffen. Als Abteilungsleiterin musste sie sich nicht allzu sehr um den Unterricht kümmern. Stattdessen gab sie ihre Kenntnisse an das Lehrpersonal weiter und konzentrierte sich darauf, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.

    Allerdings trieb sie sich derzeit nicht in der Nähe der Schmieden herum, sondern verbrachte ihre Zeit mit den Leuten aus der Formationswerkstatt. Ihr Problembereich war nicht das Schmieden an sich, sondern ihr Geschick im Umgang mit Formationen. Waffen oder Rüstungen auf Gesellenstufe hatten eine innewohnende Fähigkeit und eine Formation oder Verzauberung. Ihre waren schlicht und ermöglichten zwar Waffen auf Gesellenstufe, jedoch an deren schwächerem Ende.

    Als Schmied auf Expertenstufe musste man in der Lage sein, einer angefertigten Waffe zwei innewohnende Fähigkeiten zu entlocken und ihr Platz für zwei Verzauberungen sowie die Möglichkeit zu verleihen, sich an einen einzigen Benutzer zu binden. Die zwei innewohnende Fähigkeiten konnte Tan Xue mit etwas Mühe herauskitzeln, doch sie wusste nicht, wie sie die beiden Verzauberungen und die Bindungsfähigkeit hinbekommen konnte. Also hatte sie sich weg vom Schmieden und hin zu den Formationen gewandt, sprach viel mit Qin und Julilah und erweiterte so ihr Wissen. Sie musste nicht alle Geheimnisse der Formationserzeugung kennen, aber allgemeine Kenntnisse darüber würden es ihr ermöglichen, ihre Waffen so herzustellen, dass sie zwei Verzauberungen beherbergen könnten.

    Im Ersten Reich könnte jemand mit einem Rüstungsteil oder eine Waffe auf Expertenstufe zu beachtlicher Macht aufsteigen und das Reich sogar beherrschen. Selbst für Menschen im Fünften und Sechsten Reich wäre Ausrüstung auf Expertenstufe verlockend.

    Da Rugrat miterlebte, wie Tan Xue zu kämpfen hatte, und um die eigenen Schwächen bei Formationen wusste, ließ er sich eine neue Idee einfallen.

    Rugrat hämmerte auf das rotglühende Metall ein. Es vibrierte bei jedem widerhallenden Schlag. Mit einem Grinsen im Gesicht beobachtete er, wie sich das Metall seinem Willen unterordnete, von einem Barren zu einem Werkzeug wurde.

    Nach seiner lähmenden Verletzung hatte er gedacht, so etwas nie wieder zu erleben. Er war überzeugt davon gewesen, dass er nie wieder spüren würde, wie die Hitze der Esse sein Gesicht versengte oder das Mana in der brodelte und durch seine Adern rauschte. Es fühlte sich wie ein Sprung aus einem Flugzeug an oder wie eine rasante Spritztour mit dem Auto als Teenager. Der Rausch der Kreativität war eindeutig zu Rugrats bevorzugter Droge geworden. Oder vielleicht zu einer knappen Nummer zwei hinter Bier.

    Rugrat legte den Hammer weg, hob die Eisenstange an und formte eine Mana-Klinge. Metallstücke fielen von seinem Werkstück ab und landeten zischend auf dem Boden.

    Rugrat bemerkte es nicht, ging völlig in seiner Arbeit auf. Der erhöhte Mana-Gehalt und die Herzberuhigungspillen, die er von Erik hatte, verwandelten ihn in eine Maschine.

    Seine Bewegungen glichen einer Kunstform. Das grobe Werkstück mutierte von einem starren Stück Metall in die Rückseite eines Panzerhandschuhs. In weniger als einer Minute beendete er den Arbeitsschritt damit, dass er das Metall abschreckte.

    Es handelte sich um einen rechten Panzerhandschuh, der wie der hintere Teil eines fingerlosen Handschuhs aussah. Die Ergänzung des Aufwerters bewirkte, dass rote und schwarze Adern das Metall sterblichen Grads durchzogen und ihm das Aussehen von Damaszenerstahl verliehen.

    Rugrat spannte den Panzerhandschuh in einen Schraubstock auf der Werkbank ein. Wieder formte er seine Mana-Klinge und konzentrierte sich auf seinen Plan für den Handschuh. An der Rückseite des Werkstücks befand sich eine kreisförmige Vertiefung mit einem Durchmesser von etwa zweieinhalb Zentimetern. Er begann, in sie hineinzuschnitzen. Nachdem er damit fertig war, legte er die Klinge beiseite und griff sich eine Feile, um die Ränder zu glätten.

    Dann holte er ein Notizbuch hervor, das er mit für das Projekt recherchierten Informationen gefüllt hatte. Als er die richtige Seite fand, zog er einen Entwurf heraus. Er betrachtete ihn und überprüfte das Metall.

    »Tja, einfach ist es nie«, murmelte Rugrat, griff sich ein Schreibwerkzeug mit feiner Spitze und begann, die Linien von dem Zettel auf den Panzerhandschuh zu kopieren.

    Er brauchte mehrere Anläufe, um sie richtig hinzubekommen. Nachdem er die Linien auf dem Metall zweimal nachgemessen hatte, fuhr er sie mit der Mana-Klinge nach. Mit langsamen, fließenden Bewegungen. Die Linien verliefen von den Fingern und vom Daumen nach hinten, kreuzten und verwoben sich ineinander, bevor sie die runde Fassung erreichten.

    Rugrat vertiefte einige davon, bevor er eine andere Illustration hervorholte und mit der Arbeit an der Fassung begann. Er schnitt einen Verschlussmechanismus hinein. Danach verlagerte er sich in die Schmiede, wo sich ein Topf mit einer wie Blut aussehenden Flüssigkeit befand.

    »Tja, hoffentlich verbessert der Aufwerter die Leitfähigkeit«, murmelte Rugrat bei sich. Das Gebräu hatte er zuvor zusammengemischt. Die Basis bestand aus demselben Aufwerter, den er für das Eisen sterblichen Grads verwendet hatte, sowie einigen anderen stabilisierenden Zutaten.

    Rugrat ergriff den Panzerhandschuh mit einer Zange. Er hielt ihn über das blutrote Gebräu, schöpfte die Substanz heraus und übergoss den Handschuh damit. Sie sickerte in die von ihm geschaffenen Rillen und tropfte dann in den Eimer darunter. Als die Mischung abkühlte, goss Rugrat mehrmals nach, bis sie alle von ihm geritzten Linien lückenlos ausfüllte.

    Auch getrocknet sah die Substanz noch wie frisches Blut aus, das wie Adern durch die Metallhand verlief.

    Rugrat stellte die Flüssigkeit beiseite, hob das aus dem Handschuh geschnittene Metall auf und verfrachtete es in die Esse. Er benutzte die Zange, um ein kleines Stück Metall herauszuziehen und wiederholte den Vorgang wieder und wieder, um den linken Panzerhandschuh anzufertigen.

    Anschließend verglich er die beiden Teile. Sie erwiesen sich als vollkommen identisch.

    Rugrat legte sie beiseite, bevor er ein weiteres Stück Metall herausholte, bereits aufgewertet und rotglühend.

    Mit dem Hammer klopfte er es zu einem dünnen Blech. Dann formte er seine Mana-Klinge zu einem Kreis und benutzte sie wie einen Ausstecher mit dem Metall. Am Ende hatte er identische, dünne, runde Münzen.

    Nachdem er sie abgeschreckt hatte, glättete er sie und verlieh ihnen den letzten Feinschliff. Er setzte sich an die Werkbank, holte mehrere Blätter aus seinem Notizbuch und legte sie vor sich. Wieder kopierte er die Entwürfe, übertrug die Linien vom Papier auf das Metall. Zwar verpatzte er es mehrmals, aber er hatte eigens dafür Reservemünzen angefertigt.

    Es dauerte eine Weile. Sobald er fertig war, sammelte er seine Sachen ein und verließ die Schmiedekammer in Richtung der Formationswerkstatt. Als er hineinstürmte, fand er Julilah, Qin und Tan Xue im selben Raum vor. Alle drei Frauen schauten auf, als Rugrat in die Mitte der Kammer stapfte und seine neuen Panzerhandschuhe auf einen Tisch legte.

    »Ich hatte ’ne Idee, und bevor sie mir entwischen konnte, hab ich sie einfach umgesetzt. Sagt mir, was ihr davon haltet«, platzte Rugrat heraus. Sein Geist stand noch unter dem Einfluss der Beruhigungsformation und der eingeworfenen Pille. Dadurch konnte er sich zwar messerscharf konzentrieren, allerdings ignorierte er alles andere.

    Tan Xue erreichte die Tische als Erste und hob einen der Handschuhe auf. »Verarbeitung auf hoher Gesellenstufe. Das aufgewertete Metall ist mächtig. Ist das ein weiterer Rohling?«, fragte Tan Xue, während sie die Münzen betrachtete, die von den beiden anderen aufgehoben wurden.

    »Fassungen, Waffenrüstungen, Schmieden, Fassungen«, sagte Rugrat. Die Hälfte seines Gehirns schien abgeschaltet zu haben, während er die Worte stockend von sich gab. »Waffe mit nötigen Komponenten außer Formation graviert. Formation aus mehrschichtigen, übereinander angeordneten Platten, verschmolzen zu einem Ganzen.« Rugrat schnappte sich einen Handschuh und eine Münze.

    »Formationen in Fassungen einsetzen«, brabbelte Rugrat und deutete an, die Münze in die runde Fassung zu stecken und zu drehen. »Waffe hat Formation, kann Formation nach Bedarf ändern. Formationen müssen nicht mehr in Waffen graviert werden. Zwei Komponenten eines Ganzen. Aufrüsten der Formationen, Aufrüsten der Waffen, Steigern der Macht.«

    Während Rugrats gebrochenen Sätzen und simplen Worten leuchteten die Augen der anderen drei. Ihre Blicke wanderten zwischen dem Panzerhandschuh und den Münzen hin und her.

    Rugrat holte seine Notizen zu den verschiedenen, von ihm angefertigten Zeichnungen und Entwürfen heraus und legte sie auf den Tisch. Es handelte sich um ziemlich grob auf die Seiten gekritzelte Aufzeichnungen. Rugrat wählte eine Seite mit Kreisen und verschiedenen Skizzen von etwas, das er »Fassungen« getauft hatte.

    Tan Xue betrachtete die Informationen und kniff mehrmals die Augen zusammen, während sie las.

    Als sie fertig war, legte sie die Stirn in Falten, während sie verarbeitete, was sie gesehen hatte.

    »Mit einer Waffe und beispielsweise zwei dieser Fassungen könnte man also auswählen, welche Formationsplatten man einsetzen will. Erhöhung der Schlaggeschwindigkeit, der Hiebkraft, der Angriffe mit Wasser-, Feuer- oder Erdneigung«, murmelte Tan Xue staunend.

    »Die Formationen oder die Rüstung könnten nach Bedarf geändert werden. So kann man die Stärke steigern, ohne für jede Situation neue Ausrüstung kaufen zu müssen. Wenn man zum Beispiel aus einer Wüste in eine arktische Ödnis wechselt, tauscht man einfach die Formationen aus, um die Kampfkraft zu steigern. Man könnte eine Rüstung auf Expertenstufe schmieden lassen und sich Formationen auf Gesellenstufe beschaffen, die man später durch Formationsplatten auf Expertenstufe ersetzen könnte. So könnte man auch verhindern, dass man die Rüstung durch eine verpfuschte Formation ruiniert. Oft ist es ja der Formationsmeister, nicht der Schmied, der eine Rüstung vermasselt, wenn er sein Handwerk nicht gut genug beherrscht. Mit getrennten Formationen kann die Rüstung so nicht kaputtgehen!«, quiekte Qin.

    »Muss an Waffen arbeiten!«, verkündete Rugrat, wandte sich ab und verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war. Kaum hatte er eine Aufgabe erledigt, wandte sich sein Verstand der nächsten zu. Schusswaffen.

    Sobald er in die Schmiede zurückgekehrt war, holte er sein M40, Big Momma, und sein modifiziertes Gewehr heraus.

    Mit geübten Handgriffen zerlegte er sie in ihre Einzelteile. Er holte Läufe und andere Komponenten hervor, die andere Schmiede nach seinen Vorgaben angefertigt hatten, außerdem Möbel aus Holz und andere Teile.

    Rugrat verglich die Komponenten miteinander und vergewisserte sich, dass sie alle identisch waren. Was nicht seinen Standards entsprach, wurde mit einer Anmerkung versehen und beiseitegelegt. Eigentlich eher fluchend beiseite geworfen.

    Rugrat holte Metall sterblichen Grads hervor, das er bereits aufgewertet hatte, um die Haltbarkeit und Wärmeableitfähigkeit zu erhöhen. Er holte Notizen hervor, überprüfte die Größen und benutzte dabei die Mana-Klinge an Teilen und Barren. Letztere zerlegte er in handliche Rohlinge, bevor er mit groben Schnitten überschüssiges Material abtrug und sie nach und nach in die gewünschte Form brachte.

    So bereitete er alle Rohlinge vor, insgesamt 15. Anschließend machte er sich an die Feinarbeit. Man hörte nur Rugrat beim Werken, wie er mit der Mana-Klinge durch Metall schnitt, um kleine Stifte, Spannhebel, Schlagbolzen und andere Bauteile eines Repetiergewehrs zu erschaffen.

    Er hatte keine Ahnung, was für einen Aufruhr er in der Formationswerkstatt ausgelöst hatte. Dort hatten Julilah und Qin andere Formationslehrlinge geholt, um ihnen zu zeigen, was er angefertigt hatte.

    Die Informationen ergaben Sinn. Bei den Münzen handelte es sich um Formationsplatten im Miniaturformat. Er hatte zwei davon erschaffen, die zu den Handschuhen passten, um ihre Fähigkeiten zu verbessern.

    Einige Zeit später schaute Tan Xue von den Plänen auf. »Waffen mit Fassungen. Wenn es mir gelänge, eine Waffe mit zwei innewohnenden Fähigkeiten herzustellen und zwei Fassungen in sie einzubauen, könnte ich dann die Expertenstufe beim Schmieden erreichen?«, fragte sie sich laut.

    Unbemerkt von den anderen stahl sie sich aus der Formationswerkstatt und ging zur Schmiede. Dort holte sie ein paar Eisenbarren irdenen Grads hervor. Mit Rugrats Hilfe und seinen Notizen hatten Taran und sie herausgefunden, wie sie selbst welche herstellen konnten. Sie hatten den Vorgang so weiterentwickelt, dass er weniger Mana-Steinstaub sterblichen Grads erforderte. Das Eisen irdenen Grads hatten sie behalten – zum Verkaufen war es schlichtweg zu wertvoll.

    Tan Xue schürte das Feuer in der Expertenschmiede und warf eine der konzentrationssteigernden Pillen von den Alchemisten ein. Sie packte mehrere Pläne aus und sichtete sie, bevor sie auf einen einfachen Dolch stieß.

    »Braucht weniger Material und ist nicht allzu groß. So ist es einfacher, die nötigen Leitungen zur Übertragung der Energie der Fassungen hinzuzufügen. Und ich denke, die Fassungen kann ich im Knauf verstecken«, murmelte Tan Xue bei sich. Sie holte ein neues Blatt Papier hervor und begann, einen Plan zu zeichnen, zuerst die Klinge, dann die Linien zum Verbinden der Fassungen mit der Waffe. Mehrmals verwarf sie, was sie bisher hatte, und fing von vorn an, bis es nach etwas aussah, das tatsächlich funktionieren könnte.

    Sie hatte die Formationswerkstatt am späten Nachmittag verlassen. Als sie die Entwürfe endlich fertigstellte, wurde es in Alva bereits hell. Die wenigen Vögel, die in den Parks und auf den Feldern lebten, zwitscherten fröhlich.

    Tan Xue betrachtete die fertigen Pläne und wandte sich der Esse zu. Ihre Augen sahen nur die Flammen, als sie die Temperatur erhöhte und ihre Speicherringe durchsah, bis sie den richtigen Aufwerter fand. Sie fügte ihn dem Eisen irdenen Grads hinzu. Im Gegensatz zu Gegenständen sterblichen Grads und darunter wiesen solche höherwertigen Materialien einen sehr hohen Mana-Gehalt auf. Deshalb wurde ein Teil des Metalls bei der Veredelung zu Eisen irdenen Grads verbraucht. Mana-Sammelformationen bemühten sich, dafür zu sorgen, dass sich der Verlust in Grenzen hielt, aber etwas kam immer abhanden.

    Ein weiterer Grund, warum es in den höheren Reichen schwieriger wurde, seine Fähigkeiten zu verbessern. Zutaten oder Materialien niedrigerer Grade konnte man unter Umständen wiederverwerten. Höherwertige hingegen wurden zu Schrott, sofern der Wiederverwerter keine außerordentlichen Fertigkeiten besaß.

    Tan Xue nahm den Materialverlust bereitwillig in Kauf, während sie Eisen irdenen Grads legierte.

    3

    Spezialisierung

    R

    ugrat arbeitete immer noch in der Schmiede. Er hatte sie nicht mehr verlassen, seit er sie am Vortag nach seinem kurzen Ausflug in Formationswerkstatt betreten hatte. Sowohl dort als auch in der Schmiede herrschte helle Aufregung über die neuen Waffen mit Fassungen und Formationen, ohne dass Rugrat etwas davon mitbekam.

    Erik achtete nicht drauf, da sich das Militär von Alva nach dem zweitägigen Urlaub wieder in der Kaserne einfand.

    Glosil trat vor und drehte sich Erik zu, der an der Spitze der Formation stand.

    »Ich, Glosil Bardon, schwöre feierlich bei den Zehn Reichen, dass ich das Alva-Verlies, das Erik West und Jimmy Rodriguez untersteht, gegen alle Feinde von innen und außen unterstützen und verteidigen werde, dass ich ihnen treu und loyal ergeben sein werde und dass ich ihre Befehle und die der mir übergeordneten Offiziere gemäß den mit ihrer Einwilligung aufgestellten Regeln und Gesetzen befolgen werde. Ich gehe diese Verpflichtung aus freien Stücken und ohne Vorbehalte ein und werde die mit meinem Rang einhergehenden Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen.«

    Der Eid wurde von den Zehn Reichen bestätigt, indem ein goldenes Licht auf sie beide herabschien. Es erhellte die Kaserne, als es die Ratsmitglieder und die im Militär ernannten Offiziere umhüllte.

    Hinter Glosil hoben die anderen Soldaten nacheinander die Hände und wiederholten den Eid mit ihren jeweiligen Namen. Ihre Angehörigen sahen dabei zu, wie sie den endgültigen Schwur leisteten, durch den sie ins Militär von Alva aufgenommen wurden. Tatsächlich bekräftigte er lediglich, was sie bereits geschworen hatten, als sie in Alva eingetroffen waren.

    »Ich nehme euren Eid an«, sagte Erik. Die Macht um ihn und die anderen herum verflüchtigte sich. Sein Wort stand über allem. Rugrat und er hatten den Oberbefehl über das Heer, das ihren Befehlen gehorchen musste, solange sie Alva dienten.

    Stille breitete sich unter den versammelten Männern und Frauen aus.

    »Rühren!«, sagte Erik.

    Alle nahmen entspanntere Haltung ein und sahen ihn an, als er vortrat und Glosil zunickte. Dann drehte er sich seitwärts um und begann, langsam vor der Formation auf und ab zu gehen.

    »In den letzten drei beziehungsweise fünf Monaten habt ihr trainiert. Ihr habt euer Dasein als Zivilisten hinter euch gelassen und seid zu wahren Soldaten geworden. Eure Aufgabe besteht darin, Alva zu beschützen. Dafür müsst ihr eure Stärke erhöhen. Es ist kein Geheimnis, dass Rugrat und ich vorhaben, ins Vierte Reich zu gehen. Noch nicht ausgesprochen wurde, dass ihr uns dorthin begleiten werdet, um eure Fähigkeiten zu verbessern. Wir wollen euch die verschiedenen Reiche zeigen und euch zu Konfrontationen mit Feinden führen, die stärker sind als ihr. Rugrat und ich sind bisher praktisch allein in den anderen Reichen gewesen. Aber das Vierte Reich ist nicht irgendein anderes Reich. Viele von euch wissen vermutlich, wie man es noch nennt – das Reich der Schlachtfelder.

    Das liegt daran, dass es ein Land der Möglichkeiten ist, an dem Menschen entweder große Stärke erlangen oder straucheln und den Boden mit ihrem Blut bemalen können. Verlockend am Vierten Reich sind nicht etwa Bergwerke, Gärten, Werkstätten oder Sekten. Sondern Verliese. Das Vierte Reich strotzt vor Verliesen, um die verschiedene Gruppen kämpfen. Je mächtiger eine Nation ist, desto mehr Verliese befehligt sie. Es gibt verschiedene Arten. Manche sind voller Monster, die mit der Zeit wiedergeboren werden. Andere beinhalten seltene Mineralien, die man abbauen kann und die nachwachsen. Wieder andere sind unglaubliche Orte zum Sammeln von Mana oder für Körperkultivierung. Zu guter Letzt gibt es dort auch Verliesprüfungen wie in unserem Schlachtfeldverlies, bei denen man Punkte sammeln und sie später in der Preishalle gegen erstaunliche Belohnungen eintauschen kann.

    Unsere Mission wird darin bestehen, das Vierte Reich auszukundschaften, mehr über seine Geheimnisse zu erfahren und uns über verschiedene Verliese zu informieren. Nach Möglichkeit werden wir diese Verliese erobern. Wenn es nicht geht, vernichten wir sie. Auch damit erhöhen wir unsere Stärke. Unter uns befinden sich weitere fünf Ebenen. Auf der Metallebene treiben sich Kreaturen herum, die Stufe 40 erreichen können. Kämpfe im Schlachtfeldverlies erhöhen zwar unsere Stärke, aber nicht unsere Koordination. Wenn wir als Militär agieren wollen, müssen wir als Gesamtheit zusammenarbeiten, nicht nur in kleineren Trupps.« Erik blieben stehen und sah alle an.

    »Was wir bisher gemacht haben, war eure Grundausbildung. Die nächsten zwei Monate sammeln wir Informationen über das Vierte Reich und trainieren weiter. Ihr erhaltet alle neue Waffen und werdet von unseren besten Kämpfern damit ausgebildet.« Erik schwenkte die Hand. Eine Repetierarmbrust erschien.

    »Das ist eine Repetierarmbrust. Wenn ihr den Abzug drückt, feuert sie ununterbrochen, bis das Magazin leer ist, ähnlich wie Repetierballisten. Die alten Ballisten mit Pedalen bekommen einen neuen Repetiermechanismus wie diesen. Dadurch könnt ihr in Deckung bleiben, während ihr die Waffe benutzt.« Erik steckte die Armbrust weg und holte sein Gewehr heraus.

    »Das ist ein Gewehr. Rugrat und ich werden eigene Scharfschützen für diese Waffe auswählen. Sie hat eine viel größere Reichweite als die Balliste und ist genauer. Mit Stärkungen ist ihre Feuerkraft mächtiger als die der schweren Repetierballisten und die Feuerrate vergleichbar.

    Alle haben eine Ausbildung in Erstversorgung abgeschlossen. Wer Unterricht im Heilhaus oder bei den Alchemisten hatte, wird zum Kampfsanitäter ausgebildet. Den Alchemisten unter euch wird beigebracht, Gifte, Schießpulver und Sonstiges herzustellen, was wir brauchen werden. Ihr könnt euch auch als Koch, Schwertkämpfer, Speerkämpfer oder Fährtenleser ausbilden lassen – jeder wird mindestens ein Spezialgebiet haben. Am Ende der Ausbildung wird jedem ein Reittier zugewiesen. Das Reiten wird für euch so natürlich werden wie für die Tiere das Laufen. Ihr werdet alle in der Lage sein, dabei die Repetierarmbrust, die Balliste und die Gewehre passabel einzusetzen.

    Um ins Vierte Reich zu gelangen, müsst ihr alle Stufe 30 sein. Also werden wir ins Schlachtfeldverlies gehen, um uns anzusehen, was ihr gelernt habt, und um eure Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. Am Hinweisbrett könnt ihr euch für Spezialisierungskurse anmelden und nachsehen, ob ihr für eine Unterrichtsstelle empfohlen worden seid. Wer mehr als drei Spezialisierungen hat, darf sich für die Sondereinsatzmannschaften bewerben.«

    Die drei Sondereinsatzmannschaften waren zu zwei mit je zehn Mitgliedern zusammengeschrumpft worden. Roska führte die eine an, Niemm die andere. Auch Storbon war ein guter Befehlshaber, doch Niemm war ausgeglichener. Storbon hatte der Druck der Führungsrolle ohnehin belastet. Er übernahm gern die Rolle des Stellvertreters.

    Es bestand Hoffnung, die Sondereinsatzmannschaften künftig auf insgesamt vier auszuweiten, die zusammen eine vollwertige Kompanie ergeben würden.

    Allerdings waren sie fest entschlossen, dabei keine Kompromisse mit den Fähigkeiten einzugehen. Mit den Veränderungen beim Militär von Alva war es schwieriger geworden, sich eine Position zu verdienen. Und die derzeitigen Mitglieder der Sondereinsatzmannschaften mussten hart dafür arbeiten, ihre Plätze zu behalten.

    Die Männer und Frauen des Heers von Alva wussten, dass sie stark waren, doch die Sondereinsatzmannschaften spielten in einer anderen Liga. Sie stürzten sich auf alles, was ihre Stärke steigern konnte, ob Prüfungen, Körperkultivierung, Mana-Kultivierung oder Lernen an der Akademie. Was sie wussten, hatte sich ihnen durch den Umgang mit Situationen auf Leben und Tod und durch bedingungsloses gegenseitiges Vertrauen eingebrannt. Wenn sie zusammenarbeiteten, wurden sie wesentlich stärker. Einzeln konnten sie vielleicht gegen zwei oder drei Gegner der gleichen Stufe kämpfen. Zusammen konnten sie gegen drei oder vier andere Gruppen der gleichen Größe und Stufe antreten und gewinnen. Durch das Zusammenlegen ihrer Fähigkeiten verstanden sie den Feind, besiegten ihn und vernichteten ihn.

    »Achtung!«, blaffte Erik. Zackig nahmen alle stramme Haltung an. »Weggetreten!«

    Sie drehten sich um und marschierten los, bevor sich die Reihe auflöste und alle zur Informationstafel eilten.

    Erik trat den Weg ins Büro an, um die ausgewählten Lehrer und Fachausbilder zu empfangen und ihnen ihre Daueranweisungen zu erteilen.

    Storbon betrachtete die Tafeln der verschiedenen Spezialisierungen. Er war als einer der Lehrer für Wartung im Feldeinsatz ausgewählt worden, weil er draußen seine Fähigkeiten als Schmied und Schneider gekonnt genutzt hatte, um seine Ausrüstung und die der anderen in tadellosem Zustand zu halten.

    Außerdem erhielt er zusammen mit Tully von Sondereinsatzmannschaft 2 und einem Anwärter für die Sondereinsatzmannschaften namens Domonos Unterricht in Speer- und Kampftechniken.

    Storbon betrachtete mit regem Interesse die Kurse für Kampfmediziner, Feldköche, Scharfschützen, Umgang mit Gewehren und Repetierwaffen, Bogenschützen, Feuermagier, Blitzmagier, Schlachtfeldformationen sowie den Kampf mit Schwert und Schild. Für alles im Zusammenhang mit Kriegsführung, worüber irgendjemand Kenntnisse besaß, wurde ein Kurs angeboten.

    Mit den Veränderungen im Heer von Alva und ihrer Ausbildung hatten sie ihre Stärke erhöht, vor allem aber ihre Koordination verbessert. Davor hatten es alle als persönliches Ziel angesehen, ihre Stärke zu steigern. Nun strebten sie danach, um ihre Kameraden unterstützen zu können.

    Storbon hatte nicht geglaubt, dass diese geringfügig verschiedenen Konzepte einen großen Unterschied bewirken würden. Aber er stellte fest, dass er sich geirrt hatte, denn die Leute meldeten sich für so viele Kurse wie möglich an.

    Sie legten sich nicht nur ins Zeug, um es in die Sondereinsatzmannschaften zu schaffen, sie wollten ihre Stärken verbessern und ihre Schwächen ausmerzen, um ihren Einheiten besser zu dienen.

    Storbon spürte, wie sein Blut vor Aufregung in Wallung geriet. Er wusste um die Macht ihrer Kampfkraft, wenn sie zusammenarbeiteten. Die Kurse bauten auf dem Grundwissen auf, das man ihnen eingebläut hatte, und halfen ihnen dabei, noch mehr zu denken und schneller zu reagieren.

    Storbon trug sich auf den Zetteln einiger neuer Kurse ein, bevor er die Kaserne verließ. Ein Kurs begann bereits an diesem Nachmittag. Storbons Unterricht stand erst am nächsten Vormittag nach dem Gruppentraining an.

    Die Füße trugen ihn zum Heilhaus, wo er einige andere Soldaten sah. »Hallo. Ich möchte meinen Körper weiter stählen«, erklärte Storbon.

    »Wie viele Durchgänge hast du schon hinter dir?«, erkundigte sich die lächelnde Frau am Empfang.

    »Vier bisher. Als Nächsten muss ich meine Organe stählen.«

    »In Ordnung, ich sehe nach, ob jemand verfügbar ist.« Die Frau sah in einer Liste nach, bevor sie in ihr Tonübertragungsgerät sprach.

    »Herr!« Yao Meng nahm schlagartig stramme Haltung ein, als er bemerkte, dass Storbon durch den Haupteingang gekommen war.

    »Rühren«, sagte Storbon und winkte ab.

    »Komisch, dich hier zu treffen«, sagte Yao Meng.

    »Die lassen dich hier immer noch rein?«, erwiderte Storbon lächelnd.

    Yao Meng lachte und zwinkerte. »Welche lässt du machen?«

    »Körperkultivierung. Hab die Stählung meiner Organe abgeschlossen und bin kurz davor, den Körper wie aus Stein zu erreichen. Du?«, fragte Storbon.

    »Mit einer weiteren Körperstählung bin ich bei vier, und ein weiteres Mana-Portal muss ich noch öffnen«, antwortete Yao Meng seufzend.

    »Das wird nicht billig«, meinte Storbon. Das Heilhaus hatte zwar nicht viele Patienten mit Verletzungen, halfen aber den Menschen ständig, ihre Körper zu stählen, ihre Körperkultivierung zu verbessern oder den Weg der Mana-Sammelkultivierung ein wenig zu ebnen.

    Erik war mit seiner Körperkultivierung vorausgepflügt. Rugrat und er hatten alles erkundet, was sie über die beiden Themen wussten. Diese Erkenntnisse hatten zusammen mit ihrem Wissen über den menschlichen Körper durch bislang in den Zehn Reichen unbekannten Verfahren zu einer weiteren Verfeinerung der Möglichkeiten zum Öffnen von Mana-Portalen und zum Stählen des Körpers geführt.

    Die Mana-Portale wurden durchbohrt, und die Menschen ließen ihr Mana morgens und abends für je zehn Minuten zirkulieren. Gegen ein Entgelt wurden Mana-Sammelformationen oder alchemische Gebräue bereitgestellt, um die Geschwindigkeit beim Erhöhen der Mana-Portale zu erhöhen. Die Mixturen zum Stählen verschiedener Systeme wirkten sehr gezielt und mussten nicht auf jeden Menschen angepasst werden. Dennoch mussten ein oder mehrere Heiler zur Stelle sein und über den Vorgang wachen. Ausdauer- und Heiltränke sowie Heilzauber sorgten dafür, dass die Stählungen reibungslos verliefen. Um Komplikationen zu verhindern, wurden Mittel eingesetzt, die Menschen während der Stählung in Besinnungslosigkeit versetzten.

    Kultivierungen waren zeitraubend und ressourcenintensiv, daher kosteten sie eine Stange Geld. Sonst wäre das Heilhaus ständig überfüllt gewesen. Zwar wurde laufend versucht, die Verfahren zu vergünstigen und zu beschleunigen, doch es gab eine Untergrenze für die Kosten.

    »Davon kann ich ein Lied singen. In meiner Saufkasse wird zwar noch ein Weilchen Ebbe herrschen, aber zum Glück habe ich mein Geld auf diese neuen Sparkonten eingezahlt. Damit habe ich tatsächlich ein wenig verdient«, sagte Yao Meng und lächelte zufrieden.

    »Storbon?«, sagte eine Heilerin, als sie in den Wartebereich betrat.

    Storbon hob die Hand und ging zu ihr hinüber.

    »Wir sehen uns auf der anderen Seite«, sagte er zu Yao Meng.

    »Wir sehen uns auf der Kehrseite«, erwiderte Yao Meng und versuchte, sich charmant zu geben, als er auf die Empfangsdame zuging. »Also, ich müsste meinen Körper stählen und ein Mana-Portal öffnen. Und wichtiger noch, darf ich dich zu einer Verabredung ausführen?«, fragte er die Empfangsdame, die darüber lachte.

    Storbon grinste, als er der Heilerin in den hinteren Bereich des Heilhauses folgte.

    4

    Sammeln

    R

    ugrat stolperte irgendwann aus der Schmiede und ließ sich in seinem Zimmer in der Kaserne ins Bett plumpsen.

    Das Herrenhaus war Delilah überantwortet worden, seit Erik und er in diese Unterkunft umgezogen waren.

    Erik ließ ein paar Tränke zur Regeneration der Ausdauer bei ihm, bevor er zu einem Treffen mit dem Personal der verschiedenen Kurse ging, die er leiten würde. Er rief Glosil in sein Büro.

    »Herr!« Glosil salutierte zackig. Statt des üblichen amerikanischen Militärgrußes hatten Erik und Rugrat den römischen Salut gewählt, bei dem man die rechte Faust aufs Herz drückte. Das war unauffälliger und fiel nicht allzu sehr auf, wenn es jemand auf dem Schlachtfeld vergaß. Außerdem wirkte es cooler.

    Erik hielt sich die Faust auf die Brust. »Ich reise für ein paar Tage, höchstens eine Woche, ins Dritte Reich. Dazu nehme ich eine Gruppe mit und komme mit denen zurück, die mit der Arbeit am Restaurant fertig sind. Ich treffe mich mit dem alten Hei, meinem Lehrer, und beschaffe Informationen über das Vierte Reich. Außerdem will ich mir unsere Niederlassung dort ansehen. Während ich weg bin, ist Rugrat für die Arbeit an einem Projekt außer Dienst, also hast du das Kommando. Noch irgendwelche Fragen, bevor ich gehe?«

    »Nichts, was mir einfällt, Herr«, erwiderte Glosil.

    Erik nickte. Glosil fungierte als direkter Befehlshaber der Armee von Alva, während Erik und Rugrat alle militärischen Streitkräfte von Alva befehligten, darunter die Abenteurer, die Armee, die Sondereinsatzmannschaften und der Rest von Alva. Sie konnten bei Bedarf das Kommando über einzelne Einheiten übernehmen, aber für die Armee ließen sie alles über Glosil laufen, um seinen Rang zu festigen und eine solide Befehlskette zu etablieren.

    Glosil kümmerte sich um den Tagesbetrieb, während sich Erik und Rugrat mit Weiterbildung, Zukunftsplanung und Strategie befassten. Das hießt nicht, dass Glosil kein Mitspracherecht dabei hatte, aber es gab eine klare Trennlinie zwischen den Zuständigkeiten.

    »Okay. Pass gut auf Alva auf, während ich weg bin.«

    Erik musterte die Gruppe bei ihm. Alle hatten sich gegen die Kälte vermummt. Fast alle waren Händler, es befanden sich jedoch auch ein paar Bauern und einige Leute aus der Großküche darunter.

    Sie hatten sich mit der Teleportationsformation im Verlies zu einer der versteckten Teleportationsanordnungen in der Nähe von Städten mit Totems befördert.

    Es dauerte einen halben Tag, sich erst durch den Schnee und dann durch die schlammigen Straßen der Stadt zu kämpfen. Als sie das Totem erreichten, bezahlten sie jeweils ihren Mana-Stein und verschwanden in einem Lichtblitz.

    Sie tauchten in der Abteilungszentrale im Dritten Reich auf. Die Händler und die anderen, von denen einige sowohl im Dorf Alva als auch im Alva-Verlies gelebt hatten, sahen sich unverkennbar ehrfürchtig um.

    Sie entledigten sich der schweren Außenschichten und marschierten weiter. Erik ging durch die Menschenmassen voraus.

    »50 Gold«, sagte eine Frau, als sie den Anfang der Warteschlange erreichten.

    Erik öffnete seinen Mantel. An der Rüstung trug er das Abzeichen, das ihn als Gesellen mittlerer Stufe der Alchemie auswies.

    Sie wirkte einen Prüfzauber darauf. »Schönen Tag noch, Geselle.« Die Frau lächelte.

    Erik lächelte zurück und ging weiter.

    Die anderen bezahlten ihre 50 Gold für das Betreten der Stadt. Beim Totem herrschte viel Betrieb. Einige Leute kamen mit speziellen, riesigen Speicherkarawanen durch, andere trugen das Symbol des Alchemistenverbands auf der Brust.

    Im Ersten Reich kannte man solche Szenen nicht. Die schiere Menge an Geld für den Transport so vieler Menschen und Gegenstände war unglaublich.

    Sie verließen das Totem und bahnten sich einen Weg durch die Straßen. Es dauerte nicht lange, bis Erik das Restaurant Himmelspforte entdeckte.

    »Tja, sieht so aus, als hätte Matt sein ganzes Können in die Waagschale geworfen.« Lächelnd betrachtete Erik das hohe Bauwerk. Geschmackvoll überragte es die anderen Gebäude, so angeordnet, dass es die Stadt überblickte. Es besaß klare Linien, bestand aus weißem Stein und wies raumhohe Fenster auf. Da man die Unterseite der überhängenden Dächer aus einem helleren Holz gefertigt hatte, ergab sich ein aufsehenerregender Kontrast zu den gepflegten grauen Ziegeln. Man musste es förmlich betrachten, sich an den bemerkenswerten Einzelheiten sattsehen.

    Als sie die Straße erreichten, stellten sie fest, dass sich an einem Nebeneingang eine Schlange gebildet hatte. Die Haupttore standen zwar offen, aber die großen Wachleute dort ließen nur wenige Leute hinein. Beide stammten von der Alva-Abenteurergilde.

    »Scheint ein ziemlich beliebter Ort geworden zu sein«, meinte Erik bei sich, während er beobachtete, wie die Leute ein- und ausgingen.

    Schließlich steuerte er mit seiner Gruppe auf den Eingang zu.

    »Seht mal, da will noch eine Gruppe abgewiesen werden«, raunte jemand, der mit anderen am Restaurant vorbeischlenderte.

    »Die habe ich noch nie gesehen. Plätze im Restaurant Himmelspforte sind heiß begehrt – nur die Oberschicht der Stadt bekommt Reservierungen! Wir anderen müssen hoffen, dass dem Laden nicht die Waren ausgehen«, fügte jemand hinzu.

    »Erst letzte Woche hat der Sohn des Anführers der Denang-Handelsgruppe einen Wirbel veranstaltet und wurde nicht reingelassen!«

    »Soweit ich weiß, ist sein Vater persönlich hergekommen, um sich zu entschuldigen, und er hat den Sohn weggeschickt, um den Handel in einer anderen Stadt zu leiten«, ergänzte wieder ein anderer leise.

    »Das Restaurant Himmelspforte ist großzügig. Man hat Verständnis dafür gezeigt, dass die Schuld beim Sohn gelegen hat, nicht beim Vater. Der konnte sogar gleich bei dem Gespräch eine Reservierung für seine Handelsgesellschaft zur Feier eines Großauftrags vornehmen!«

    »Eine Reservierung für eine so große Gruppe – das muss zig Mana-Steine gekostet haben!«, sagte jemand ehrfürchtig.

    »Die Reichen wissen wahrhaftig, wie sie ihre Macht zur Schau stellen können«, höhnte ein anderer.

    Die Leute bedachten Gruppe mit abschätzigen Blicken und hielten inne, um sie zu beobachten.

    Erik schenkte ihnen keine Beachtung, als er am Eingang die Kapuze abnahm.

    »Herr West.« Die beiden Wächter, ein Mann und eine Frau, legten die Faust auf die Brust und verbeugten sich.

    »Wer ist er, dass die Wachleute sich so tief verneigen? Das machen sie sonst nur bei Pillenoberhaupt Hei.«

    »Das ist nicht nötig.« Erik winkte ab. »Ist Matt da?«

    »Er ist in seinem Büro und arbeitet an irgendwelchen Plänen. Sollen wir ihm Bescheid geben, dass du hier bist?« Ohne die üblichen versteinerten Mienen wirkten die Wächter zehn Jahre jünger. Sie lächelten freudig, als ihre Blicke auf die anderen hinter Erik fielen, unter denen sie Freunde von zu Hause sahen.

    »Ich gehe ihn selbst nerven. Könnt ihr zusehen, ob ihr irgendwo Platz für den Haufen da habt?«, fragte Erik und deutete lächelnd auf seine Gruppe.

    »Irgendwo auf dem Boden wird sich schon was finden«, scherzte einer der Wächter grinsend.

    »Du kriegst gleich meinen Kochlöffel zu spüren«, warnte eine der Köchinnen und stemmte die Hände in die Hüften.

    »Nicht nötig, Agatha.« Die Frau unter den Wächtern lächelte.

    Die Köchin setzte ein Lächeln auf und schwenkte den Finger in Richtung der Wachfrau. »Deine Mutter ist krank vor Sorge. Sie hat mich geschickt, damit ich ein Auge auf dich habe. Außerdem soll ich dafür sorgen, dass du einen Mann findest!«

    Der Gesichtsausdruck der Wächterin fiel in sich zusammen, und sie ließ die Schultern hängen.

    »Was ist denn das für eine Haltung? Du scheinst dich gut um deine Waffen zu kümmern, aber nicht um dich selbst!« Seufzend schüttelte Agatha den Kopf.

    »Büro?«, fragte Erik den anderen Wächter.

    »Büro.« Der Mann nickte.

    Erik und die anderen entflohen dem Geplänkel zwischen der Wächterin und der Freundin ihrer Familie. Ein anderer Wachmann nahm ihren Platz ein, als die beiden in Richtung des Restaurants gingen.

    An verschiedenen Stellen im Hof und an den Mauern selbst wurden Pflanzen gehegt. Erik erinnerte sich an den Geruch von davor. Das Grün überdeckte ihn nicht nur, sondern vermittelte auch ein Gefühl von Wohlbefinden.

    Nach einem prüfenden Blick auf die Pflanzen nickte er anerkennend. Es handelte sich um Zutaten, die man zu Parfüms und Gebräuen zur Beruhigung des Geists verarbeiten konnte.

    Hätte nie gedacht, dass wir Zutaten verwenden würden, um den Geruch der Nachbarn zu kaschieren. Schmunzelnd betrachtete Erik die Innenräume des Restaurants.

    Der Seiteneingang führte zu einem Laden, in dem fertige Mahlzeiten an die Bewohner der Abteilungszentrale verkauft wurden. Jeder Kunde bekam nur eine Portion, um so viele Menschen wie möglich versorgen zu können und zu verhindern, dass Händler den gesamten Bestand aufkauften und den Preis in die Höhe trieben.

    Jene Händler bei Erik konnten nicht umhin, den Laden mit leuchtenden Augen zu bestaunen. Alle hatten mehrere Mahlzeiten aus dem Ersten Reich mitgebracht, einige davon von Jia Feng selbst, ihren direkten Lehrlingen oder den Lehrern der Kochabteilung zubereitet.

    Sie durchquerten das Gebäude, gingen durch den Garten in der Mitte des vorderen Turms und weiter zu den Privatbereichen.

    Erik erkundigte sich nach dem Weg und visierte den rechten hinteren Turm an. Dort stieg er die Treppe hinauf. Als er ganz oben ankam, begegnete er Leuten, die im Restaurant arbeiteten, oder an anderen, die aus dem Alva-Verlies hergereist waren, um Handel zu treiben, Alchemie zu erlernen oder auch nur die Gegend zu erkunden. Schließlich erreichte er Matts Arbeitszimmer und klopfte an.

    »Einen Moment!«, rief Matt von der anderen Seite.

    Erik wartete, bis Matt erschien. Der Mann trug eine Baseballmütze. Erik hatte keine Ahnung, wo er sie hatte anfertigen lassen. In der Mütze steckte ein Stift. Tinte und Grafit von Füllfedern und Bleistiften verschmierten seine Hände.

    »Wie geht’s, Kumpel?« Matt setzte ein breites Lächeln auf.

    »Wie ich sehe, bist du fleißig gewesen«, erwiderte Erik, nachdem die beiden abgeklatscht hatten. Matt winkte ihn in seine Unterkunft. Sie befand sich hinter dem Restaurant und umfasste ein Badezimmer, ein Schlafzimmer und ein Arbeitszimmer mit einem der großen Fenster, die eine Aussicht auf die Stadt boten.

    »Na ja, eins hat zum anderen geführt, und voilà. Was hältst du davon?«, fragte Matt nervös.

    »Ich finde, du hast bessere Arbeit geleistet, als ich je für möglich gehalten hätte. Hier ein Restaurant zu bauen, war ein gewagter Schritt, aber er hat sich gelohnt. Und es bietet den Leuten aus der Kochabteilung die Möglichkeit für praktische Erfahrung. Ich hab gehört, ihr habt sogar Kochlinien eingerichtet, um die Durchlaufzeiten zu verkürzen.«

    »Ja. Und die Speicherringe sind auch unheimlich nützlich – mit ihnen bleiben Lebensmittel über Monate frisch. Nur die Köche in den oberen Etagen bereiten das Essen für die Gäste zu. Die anderen schießen die Gerichte für den Verkauf im Laden oder an Händler raus. Die Gewerbesteuer von Alva wird auf alles erhoben, was hier verkauft wird. Die Gewinne behalte ich ein. Der Bau hier hat sich mit 7.000 Mana-Steinen zu Buche geschlagen. Die laufenden Kosten für Löhne liegen bei 200 Mana-Steinen im Monat.

    An einem durchschnittlichen Tag nehmen wir 200 Mana-Steine ein. Wir sind mittlerweile seit knapp drei Monaten in Betrieb, und jeder Monat im Dritten Reich hat 40 Tage. Mit allen Abzügen hat das Restaurant also bisher einen Gewinn von 16.400 Mana-Steinen sterblichen Grads abgeworfen. Mit dem Verkauf an Händler und die Vermietung von Räumen haben wir 750 Mana-Steine zusätzlich verdient. Gar nicht so einfach, derart viele Steine mit sich herumzuschleppen. Aber der alte Hei hat mich Ebeneezer vorgestellt, der sie in handlichere Mengen umgewandelt hat. Ich hab 16 Mana-Steine irdenen Grads, elf Ecksteine sterblichen Grads und 65 Sterbliche Mana-Steine sterblichen Grads.« Matt schwenkte die Hand, und vor Erik erschienen mehrere Kisten hohen Grads. Matt grinste.

    Sogar Erik, der einen recht lockeren Umgang mit Geld pflegte – weil er es schnell verdiente und genauso schnell wieder für seine verschiedenen Handwerke ausgab –, betrachtete die Kisten unwillkürlich ein wenig bang. »Nur 200 Mana-Steine pro Monat an Löhnen? Ist das auch genug?«, fragte Erik.

    »Stell’s dir als bezahltes Praktikum vor. Die Leute werden bezahlt und können ihre neuen Ideen ausprobieren, ohne sich den Kopf über die Zutaten zerbrechen zu müssen. Die bauen wir selbst an oder beziehen sie aus Alva zu Preisen, die hier im Dritten Reich unvorstellbar sind. Wir verwandeln buchstäblich Kupfer und Silber in Gold und Mana-Steine. Die Nachfrage übersteigt immer noch unser Angebot, was die Preise in die Höhe treibt. Außerdem können die Köchinnen und Köche ihre Fähigkeiten in einer stressigen Umgebung unter Beweis stellen und müssen weder für Verpflegung noch für Unterkunft bezahlen. Und sie bekommen das Dritte Reich zu sehen. Die meisten sind damit zufrieden.

    Die Köchinnen und Köche haben auch eine Initiative gestartet. Dabei besuchen sie mächtige Familien, kochen privat für diese und kassieren für eine einzige Mahlzeit ein Dutzend oder mehr Mana-Steine. Aber das ist noch nicht alles. Unterkunft und Verpflegung kosten zehn Gold pro Tag. Das bezahlen die Händler, Alchemisten und Architektenpraktikanten. Derzeit haben wir zu den Bedingungen etwa 20 Leute hier. Auch das trägt 12 Mana-Steine sterblichen Grads zum Gewinn bei. Hinzu kommen Architekturpläne, um die angefragt wird. Ein einziger Plansatz kann Hunderte Mana-Steine einbringen. Die Alchemisten erzielen die geringsten Gewinne, weil die Ressourcen in der Abteilungszentrale so teuer sind. Sie kaufen sie trotzdem dort, weil sie kaum woanders zu bekommen sind. An Nebenerlösen einschließlich Steuern hat Alva 130 Mana-Steine verdient, somit 12 Ecksteine und weitere 31 Mana-Steine sterblichen Grads. Oh, und 600 Gold.« Matt holte einen Beutel mit Gold hervor und reichte ihn Erik.

    Das Gewicht ließ seine Hand sinken.

    »Verdammt«, sagte Erik.

    »Ja, oder?« Matt lachte, selbst verblüfft über all den Reichtum in seiner Unterkunft.

    Erik nahm sich einen Moment Zeit, alles zu betrachten, bevor er es in zwei Speicherringen verstaute. »Interessiert dich das gar nicht?«

    »Schon irgendwie. Versteh mich nicht falsch – ich mag Geld, aber das ist viel mehr, als ich je zum Leben bräuchte. Aber ich sehe vor mir, was aus Alva werden kann. Fühlt sich gut an, wohin die Reise gehen könnte. Außerdem scheffle ich genug, indem ich handle und Pläne für Verschiedenes herstelle. Ich kann dabei sogar tun, was ich will, nicht, was man mir vorschreibt. Zu Hause auf der Erde ist Geld das Um und Auf, aber in Alva weiß ich ja, dass es mir an nichts fehlen wird. Vorher hab ich mich immer abgestrampelt und versucht, so viel wie möglich zu verdienen, um über die Runden zu kommen, verstehst du?« Matt ließ sich vor seinem Zeichentisch nieder. »Durch Alva kann ich mich zum ersten Mal entspannen. Ich wollte einfach ein sicheres Plätzchen zum Leben. Da ich das jetzt habe, kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Dinge, die mir wichtig sind, und nicht bloß wegen Geld.« Matt zuckte mit den Schultern.

    »Tja, du scheinst mir ein guter Verwalter für das alles hier zu sein.« Erik schaute durch die Fenster hinaus. »Und, Kumpel, die Anlage ist echt krass. Bin froh, dass wir endlich einen Architekten haben. Du hast ja keine Ahnung, wie viele Leute aus dem Planungsamt es mittlerweile hierher schaffen wollen.«

    Matt lachte, zugleich verlegen und stolz. »Ich werde es mir einrichten, runterzukommen und ein paar Vorträge zu halten. Ehrlich, ich zermartere mir das Hirn für Informationen. Rugrat und du habt gesagt, sobald man die Gesellenstufe einer Fertigkeit erreicht, merkt man sich mehr, aber ich arbeite noch dran, das zu erreichen. Zar habe ich einiges aufgeschrieben, woran ich mich erinnere, aber für das meiste braucht man einen Taschenrechner und mathematisches Verständnis. Mathe nur mit Bleistift und Papier ist ziemlich mühsam.«

    Erik lächelte über Matts Probleme.

    Dann leuchtete Matts Tonübertragungsgerät mit einer Nachricht auf. Er antwortete darauf und runzelte die Stirn.

    »Musst du dich um was kümmern?«, fragte Erik.

    »Ja. Irgendein hohes Tier ist aufgekreuzt.« Matt griff sich den Bleistift und nahm die Mütze ab.

    »Hast du Informationen über das Vierte Reich bekommen können?«, fragte Erik.

    »Das ist alles, was ich bisher aus Gesprächen und sonstigen Quellen habe.« Matt holte drei dicke Ordner heraus.

    Erik nahm sie entgegen und verstaute sie in seinem Speicherring. »Okay, dann geh dich mal um das hohe Tier kümmern. Ich marschiere los zum Alchemistenverband, um mich mit dem alten Hei zu treffen, danach statte ich dem Blauen Lotus einen Besuch ab. Bin wahrscheinlich eine Weile unterwegs.«

    »Willst du Personenschutz mitnehmen?«, fragte Matt.

    »Nein, mir passiert schon nichts.« Erik entfernte das Abzeichen von der Rüstung und brachte es stattdessen so am Mantel an, dass man es deutlich sehen konnte.

    »Sehr wohl, Sir«, ahmte Matt den Ton eines Butlers nach und erntete damit ein Lächeln von Erik. Dann wurde Matt ernst. »Pass gut auf dich auf.«

    »Du auch, Mann«, gab Erik zurück.

    Nach mehreren Kontrollpunkten gelangte Erik in die Abteilungszentrale des Alchemistenverbands, wo er noch an verschiedenen Sekretären und schließlich an Khasar vorbei musste.

    Endlich fand er den alten Hei in seinem Arbeitszimmer. Alchemiebücher übersäten seinen Schreibtisch, und ein etwas abseits stehender Assistent stellte ihm Fragen. Der alte Hei beantwortete sie, während er gleichzeitig forschte. Mit steigender Stufe vollzogen sich im Körper Veränderungen, die sich nicht in den Attributen widerspiegelten. Zu diesen versteckten Vorteilen gehörten eine Steigerung der geistigen Fähigkeiten und eine erhöhte Lebenserwartung.

    Der alte Hei kritzelte weiter Notizen. Der Assistent verstummte, als er sah, wie Erik eintrat.

    Der alte Hei betrachtete mit gerunzelter Stirn, was er gerade aufgeschrieben hatte. »Ich denke, das sollte klappen. Erik, was meinst du?« Der alte Hei drehte sein Notizbuch um.

    Erik trat näher hin und begutachtete die Informationen. »Verwendung der Zentrifuge, um drei verschiedene Substanzen aus einer einzigen Zutat zu raffinieren«, sagte Erik. Dabei musste er daran denken, dass man auch aus Blut in einer Zentrifuge mehr als eine Substanz erhielt. Es wurde in seine verschiedenen Bestandteile aufgetrennt – vorwiegend Plasma, Blutplättchen, Leukozyten und Erythrozyten. Zusammen ergaben sie Blut, doch die einzelnen Komponenten erfüllten völlig unterschiedliche Funktionen.

    »Eine gute Theorie, allerdings hat sie einige Schwächen. Kennst du die Dichte der verschiedenen Stoffe?«

    »Dichte?«, fragte der alte Hei.

    Erik überlegte, wie er es erklären sollte. Um es zu veranschaulichen, holte er zwei Becher und füllte sie mit Wasser. Dann legte er Salz bereit.

    »Also. In beiden Bechern haben wir Wasser, aber in einen fügen wir jetzt Salz hinzu.« Erik schüttete Salz in einen der Becher und rührte es um, bis es sich aufgelöst hatte. Dann holte er Farbe heraus und träufelte sie ins Wasser, wodurch es grün wurde.

    »Und jetzt schütten wir langsam etwas vom ungesalzenen Wasser oben drauf.« Als Erik es tat, blieb das klare Wasser auf dem grünen Wasser. »Das grüne Salzwasser ist nicht verdünnt worden. Das dichtere Salzwasser bleibt unten, das weniger dichte, gewöhnliche Wasser obenauf.

    Flüssigkeiten mit geringeren Dichteunterschieden brauchen länger. Oder es sind höhere Geschwindigkeiten der Zentrifuge nötig, um sie aufzutrennen. Bei manchen Komponenten klappt es unter Umständen gar nicht, wenn sie die gleiche Dichte haben«, erklärte Erik. »Es kann nötig sein, eine Substanz zu erhitzen oder abzukühlen, um sie in ihre verschiedenen Teile aufzutrennen. Oder auch umgekehrt, um die Komponenten zu kombinieren.«

    »Dichte«, murmelte der alte Hei und staunte über die fehlende Information, an die er zuvor nie gedacht hatte.

    »Durch Wärme kann sich die Dichte einer Substanz ändern. Stell es dir wie ein Stück Stoff vor. Wenn Wärme darauf einwirkt, entfernen sich die einzelnen Fäden des Stoffs voneinander. Dadurch vergrößert sich einerseits die Fläche, andererseits wird der Stoff durchlässiger«, erläuterte Erik.

    »Dein Abzeichen«, sagte Hei.

    Erik nahm es ab und reichte es Hei, der es zu seinem Assistenten warf.

    »Feng Fen, geh und besorg damit Mana-Steine der größten Stückelung. Und schick sofort einen Schreiber her!«

    Der Mann verbeugte sich und hinaus. Unterwegs sprach er bereits in sein Tonübertragungsgerät.

    Wenige Minuten später eilte eine Schreiberin herein.

    »Lai Yi – gut! Schreib einfach auf, was wir sagen«, befahl der alte Hei, als er die Frau erblickte.

    Sie nickte, ließ sich mit Schreibzeug auf einem Stuhl nieder und machte sich bereit. »Möchtest du einen Aufzeichnungskristall?«

    »Ja. Nimm gleich mehrere, damit nichts verloren geht«, erwiderte der alte Hei.

    Leicht verwirrt wartete Erik.

    »Gut, also die Dichte – bitte erzähl mir mehr darüber, und wie Wärme sie verändert!«

    »In Ordnung. Hast du Eis?«, fragte Erik.

    Hei ließ welches bringen, und Erik füllte es in einen der Becher.

    »Die Dichte ändert sich mit der Temperatur. Das kältere Eis ist weniger dicht als Öl und schwimmt darauf. Aber Wasser mit Raumtemperatur ist dichter. Ebenso ermöglicht es das Senken oder Erhöhen der Temperatur bestimmter Stoffe, sie miteinander zu verbinden oder voneinander zu trennen. Die Zentrifuge wirbelt Substanzen mit hoher Geschwindigkeit herum. Dabei werden dichtere Stoffe durch die Schwerkraft im Gefäß nach unten gezogen ...«

    Erik referierte weiter. Die Schreiberin sah mit großen, verblüfften Augen zu, während Hei eine Frage nach der anderen stellte. Schließlich traf Feng Fen wieder ein, blieb etwas abseits stehen und lauschte Erik.

    Feng Fen hatte schon von dem Mann gehört, der dem alten Hei geholfen hatte, eine Pille auf Meisterstufe herzustellen. Als er sah, dass er nur Alchemist auf Gesellenstufe war, ging Feng Fen durch den Kopf, dass es wohl eine geheime Vorgeschichte zwischen den beiden geben musste, Erik jedoch wahrscheinlich gar nicht so begabt sein könnte.

    Dass er den Mann in allen Einzelheiten Konzepte erklären hörte, von denen er als Sekretär eines der drei Pillenoberhäupter noch nicht mal gehört hatte, erschütterte ihn bis ins Mark.

    Nur halb erforschte und bekannte Phänomene wurden von Erik klar und deutlich beschrieben und sogar veranschaulicht.

    Alchemie konzentrierte sich auf Zutaten und die jeweilige Formel. Alles drehte sich darum, die Zutaten so zu kontrollieren, dass sie die Formel erfüllten, um eine Mixtur herzustellen. Erik hingegen

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