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Unmensch
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eBook271 Seiten3 Stunden

Unmensch

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Über dieses E-Book

Mark Dorn ist berühmt für seine Grenzen überschreitenden Reportagen. Doch nachdem seine Frau und seine Tochter ihn verließen, ist er seelisch am Ende. Er ertränkt seinen Kummer in Alkohol und befindet sich am Tiefpunkt seiner Karriere. Dann die Gelegenheit: Er soll einen Serienkiller begleiten, um ihn bei seinen Taten zu filmen. Seine Opfer sind Tierquäler, Vergewaltiger und Kinderschänder. Was sich zuerst anhört, wie eine Jagd auf Menschen, die den Tod verdient haben, entpuppt sich als Achterbahn aus Gewalt, Folter und Tod. Mark könnte den Serienmörder aufhalten - doch will er das überhaupt? Wie schwer wiegt seine eigene Schuld, wenn er nicht eingreift? Plötzlich eskaliert die Reportage und die Dinge nehmen eine Wendung, die Marks Leben komplett auf den Kopf stellt.


"Der Schmerz in seinem Herzen wuchs zu einer Kettensäge an, die mit einem Rattern ansprang und ihn von innen heraus zerfetzte." (Zitat)

Haben Kinderschänder den Tod verdient? Sollen Vergewaltiger erfahren, wie es ist, missbraucht zu werden? Wann ist Selbstjustiz legitim und was bist du bereit, dafür aufzugeben? Für Mark Dorn ist der Preis viel höher, als er es jemals geglaubt hätte. Doch die Zweifel kommen zu spät, denn er hat ihn längst bezahlt.

Ein knallharter Thriller ohne Kompromisse, brutal und schonungslos.
SpracheDeutsch
HerausgeberAtlantis Verlag
Erscheinungsdatum31. Jan. 2024
ISBN9783864029264
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    Buchvorschau

    Unmensch - Sönke Hansen

    1

    Das erste Mal

    Er raste in seinem Mustang GT durch die Innenstadt. Gegenverkehr blitzte auf. Scheinwerferpaare, nur Sekundenbruchteile.

    Ein Hupkonzert ertönte, das er nur am Rande wahrnahm.

    Wütend trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

    Wo bleibst du?

    Eine Kreuzung. Es war rot. Egal.

    Er schoss an den stehenden Fahrzeugen vorbei, hinein in den Gegenverkehr. Kurz bevor er mit einem Fiat kollidierte, scherte er wieder ein und jagte über die Kreuzung. Abermals schrien ihm Hupen hinterher.

    Der Motor brüllte. Ein Gang höher, sein Fuß trat wiederholt aufs Pedal.

    Ein Blick auf die Tachonadel. 110 km/h. Schneller.

    Verdammt, wo bleibst du?

    Der Mustang raste über eine Erhebung. Für einen kurzen Moment drehten die Räder durch. Als sie wieder in den Asphalt griffen, machte das Fahrzeug einen brutalen Satz nach vorne.

    Er rammte den nächsten Gang rein. Tempo 130. Zu langsam.

    Ein Fußgänger sprang zur Seite. An einem Zebrastreifen packte ein Mann eine Frau am Kragen und riss sie zurück. Ihre Handtasche streifte den Kotflügel.

    Sein Körper verweigerte ihm hartnäckig den Cocktail aus Adrenalin und Endorphinen, den er jetzt so sehr brauchte. Er war etwas aufgeregt, mehr nicht. Was, wenn er es nicht schaffte? Welchen Sinn hatte das dann alles noch? Eher würde er sterben, als nicht zu seinem Thrill zu kommen. Es gab nichts anderes mehr. Nichts, was ihn noch berührte.

    Eine weitere Kreuzung.

    Er hupte nicht, er gab keine Warnung. Das würde den Spaß verderben.

    Er packte das Lenkrad fester. Die Ampel leuchtete rot.

    Fahrzeuge schoben sich im Feierabendverkehr dicht an dicht über die Straße. Augen auf – und mittendurch!

    Komm schon, komm schon, komm schon!

    Es würde nicht passen.

    190 km/h.

    In einem Augenblick kristalliner Klarheit sah er einen Mann mit Brille am Steuer eines Hondas sitzen. Auf dem Rücksitz zwei Kinder. In dem silbernen Mercedes davor ein Ehepaar. Die Lücke zwischen den beiden Fahrzeugen – zu klein. Viel zu klein.

    Jetzt begann sein Herz zu rasen. Sein Atem stockte.

    Komm schon! Wo bleibst du, verfickte Scheiße noch mal?! KOMM!

    Kurzer Check. Nein, er war nicht angeschnallt.

    Dann – der Zusammenprall.

    Im letzten Augenblick rollte der Mercedes ein Stück nach vorne. Es hätte nicht passen dürfen, doch plötzlich war er auf der anderen Seite.

    Frustriert drosselte er die Geschwindigkeit. Sein Herzschlag beruhigte sich.

    Das Gefühl war nicht gekommen. Es war verflogen, bevor es wirklich da war, wie kurz vor einem Orgasmus.

    Was blieb, war pure Enttäuschung.

    Er schlug mit den Fäusten aufs Lenkrad ein.

    Scheiße, Scheiße, Scheiße! Was soll ich bloß machen?

    Er steuerte den Mustang in eine Nebenstraße, hielt in einer Parkbucht zwischen zwei Bäumen und stieg aus.

    Der Kick, warum kam er nicht? Nur dieser Nervenkitzel, dem Tod direkt ins Gesicht zu blicken, konnte ihm das geben, was das Leben für ihn erträglich machte.

    Er steckte sich eine Zigarette an und blickte sich um. Laternen tauchten die Straße in orangefarbenes Licht, Platanen warfen schwarze Schattenkleckse auf die Straße. Einen Block weiter stritten sich lauthals mehrere Männer.

    Ein Klagelaut hallte durch die Nacht, jämmerlich und von Qual erfüllt. Direkt hinter ihm.

    Von Neugier gepackt, schlenderte er auf eine von Wellblech überdachte Gasse zu, die in einen Hinterhof führte. Der Durchgang lag in völliger Dunkelheit. Wie ein kleiner Junge, der sich unbedarft in ein Abenteuer stürzt, marschierte er hinein.

    Ein Karree. An der Stirnseite fünf Garagentore, rundherum die Rückseiten der mehrstöckigen Wohnhäuser. Nur wenige der Fenster waren erleuchtet. Keine Gardinen, keine Blumen. Eine trostlose Gegend.

    Auf dem von Pfützen übersäten Asphalt kauerte eine Gestalt, in der hintersten Ecke zwischen Garage und Mauerwerk. Ein Kind? Daneben stand ein Mann.

    Beim Näherkommen erkannte er, dass die kauernde Gestalt ein Hund war. Ein Schäferhund, wenn er sich nicht täuschte; in der Dunkelheit konnte er es schlecht erkennen. Das Tier jaulte abermals auf, als der Mann ihm in die Seite trat.

    Warum wehrt sich der Hund nicht?

    Als er sich näher heranschlich, sah er es: Die Beine des Tieres waren gebrochen. Sie standen in unnatürlichen Winkeln ab, aus den Bruchstellen ragten Knochen, die im Licht aus einem der Fenster im Erdgeschoss feucht schimmerten. Blut spritzte in kurzen Intervallen gegen das Garagentor.

    Unter die Laute der Qual mischte sich ein Keuchen. Der Peiniger verrichtete schweigend sein Werk, sein heftiges Atmen konnte Anstrengung, aber auch Erregung sein. Oder beides.

    Gab es dem Kerl einen Kick, ein Tier zu foltern? Fand er es geil?

    Er hatte selbst so einiges getan, was gesellschaftlich als verwerflich galt, um den Thrill zu verspüren. Dieses Gefühl, das einem Sprengen der Ketten gleichkam, die ihm den Brustkorb zuschnürten. Schlägereien, Autorennen, Drogen. Nichts hatte ihm auf lange Sicht Erleichterung verschafft. Er erging sich sogar in Mordfantasien, aber deren Umsetzung in die Tat ging ihm zu weit. Ein Tier hatte er noch nicht gequält, wenn man von dem Verbrennen von Ameisen mittels einer Lupe und das Werfen von Silvesterkrachern auf Nachbars Katze in der Kindheit absah.

    Gebannt betrachtete er die Szene. Wie Fangzähne abbrachen, als ein Stiefeltritt in der Schnauze landete. Wie der Hund quiekte. Wie blutiger Speichel durch die Nacht flog, Lebenssaft aus den gebrochenen Gliedmaßen herauspumpte. Die schwarze Pfütze, die sich ausbreitete und die Sohlen des Fremden umfloss. War es das? Tierquälerei?

    Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen.

    Es sah … erbärmlich aus. Wo sollte da der Spaß sein?

    Andererseits – er hatte es noch nie ausprobiert.

    »Darf ich auch mal?« Seine Stimme übertönte das Wimmern des Hundes.

    Der Kerl zuckte zusammen. Er sprang zur Seite und wirbelte herum.

    Das Gesicht eines Niemands. Eines unrasierten Niemands, mit dunkler Strickmütze, Augenringen und grimmigen Falten in den Mundwinkeln. Er kniff die Augenlider zusammen.

    »Was willste?« Die Stimme war ein nasales Knurren.

    Sein Blick huschte kurz zur Seite, neben den zuckenden Leib des Hundes. Dort lag ein Eisenrohr. Damit musste der Tierquäler dem Köter die Beine zerschlagen haben.

    Er schnippte die Zigarette in den Hof, zog die andere Hand unauffällig aus der Tasche. Wer konnte schon wissen, was als Nächstes passieren würde? Vielleicht brauchte er beide Hände. »Ist das Ihr Hund?«

    »Klar is das meiner. Kann ich mit machen, was ich will. Is vorm Gesetz ein Gegenstand so’n Tier. Also zieh ab.«

    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich auch mal zutrete?«

    Der Mann zog die Augenbrauen hoch. »Was, du willst den … meinen Hund treten?«

    »Wenn Sie nichts dagegen haben.«

    Das Gesicht des Kerls verzog sich wieder zu einer Grimasse der Ablehnung. »Du willst mich verarschen.«

    Er zuckte mit den Schultern. »Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, einen Hund zu treten. Ist doch nichts dabei – Sie haben es selbst gesagt. Sagen wir, ich gebe Ihnen zehn Euro für einen Tritt.«

    Jetzt kam es darauf an, ob der Perverse den Haken schluckte. Wenn ja – gut. Wenn nicht, dann konnte es gleich ungemütlich werden. Aber das war auch gut. Er konnte nur gewinnen. Irgendwie komme ich heute noch zu meinem Kick. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.

    »Zwanzig.«

    »Wir haben einen Deal.«

    Eine Stimme flüsterte in der hintersten Ecke seines Geistes, dass es widerwärtig und falsch war. Drogen und Autorennen waren auch falsch, aber nicht so sehr wie das hier. Wenn er im Rahmen einer Kneipenschlägerei einem Arschloch das Gesicht zu Brei schlug, traf er den Richtigen. Jeder hatte Dreck am Stecken, trug eine Schuld mit sich, die eine Tracht Prügel rechtfertigte.

    Aber ein Hund? Ihn traf keine Schuld. Und er konnte sich nicht wehren.

    Zweifel waren etwas Natürliches. Sie hielten einen von dummen Dingen ab. Er hatte gelernt, sie zu verdrängen.

    Er stellte sich seitlich zu dem zuckenden Bündel aus offen liegendem Fleisch, zersplitterten Knochen und blutigem Fell. Das Tier hechelte. Sabberte Blut. Seiner Kehle entrang sich ein gepresstes Fiepen, kaum hörbar. Es war fast tot.

    Er hob den Fuß. Die Sohle des italienischen Markenschuhs schwebte über dem Kopf des Hundes.

    Mit aller Kraft stampfte er auf den Schädel.

    Es knackte, als hätte er in einen Haufen nasser Walnüsse getreten.

    »Hey!«, schrie der Besitzer. »Du hast ihn umgebracht! So haben wir nicht gewettet!« Er bückte sich und hob das Eisenrohr auf.

    Es war Absicht gewesen. Er hatte das Leid des Hundes nicht mit ansehen können. Es war nicht so, dass er Mitleid empfunden hätte, aber es fühlte sich … nicht richtig an. Da gab es keinen Kick, keinen Nervenkitzel. Es war blanke Folter, ohne Sinn und Verstand. Welcher kranke Idiot quälte – einfach so – ein Tier? Als er dem Elend ein Ende bereitet hatte, empfand er kurzzeitig Genugtuung. Nicht, weil er glaubte, das Richtige getan zu haben. Sondern weil das Gefühl, wie sein Fuß in etwas Organischem, etwas Lebendigem, versank, ihn erregt hatte.

    Er wandte sich dem Tierquäler zu. »Fünfzig Euro und Schwamm drüber?« Er hoffte, der Idiot würde nicht darauf eingehen.

    »Ich sag dir was: Ich hau dir jetzt die Sülze aus dem Kopf und hol mir einfach alles Geld, das du dabeihast!«

    Hinter der Strickmütze des Mannes sah er eine Bewegung. Das Fenster im Erdgeschoss – eine Frau mit Lockenwicklern starrte sie an.

    Der Fremde packte die Stange mit beiden Händen und ging auf ihn los.

    Nach unzähligen Schlägereien wusste er, dass der erste Schlag den entscheidenden Vorteil barg. Wer ihn ausführte, hatte die Möglichkeit, noch mal zuzuschlagen. Und noch mal. Häufig war der erste Treffer ein Indiz für einen möglichen Sieg.

    Das Rohr flog auf ihn zu. Er bückte sich und stürmte vor, an der Waffe vorbei in den Mann hinein. Der Schweißgestank war unerträglich. Er stieß den miefenden Kerl von sich, setzte nach und schmetterte ihm die Faust ins Gesicht.

    Der Tierquäler wurde zurückgeschleudert. Er hielt beide Hände vors Gesicht, zwischen den Fingern sprudelte Blut hervor. Die Stange klirrte über den Asphalt.

    Die Knie des Perversen knickten für einen Moment ein, dann stieß er mit dem Rücken gegen die Hauswand unterhalb des erleuchteten Fensters. Er drückte die Beine durch und hielt sich aufrecht. Als er die Hände runternahm, erschien ein feucht schimmerndes Gesicht mit schief stehender Nase und zusammengekniffenen Augen.

    Die Frau mit den Lockenwicklern grinste. Sie hielt den Daumen hoch.

    Er grinste zurück. Sie war quasi ein Fan. Vermutlich war dies nicht das erste Tier, das dieser Wichser in dem Hof zu Tode geprügelt hatte. Jetzt erhielt er seine gerechte Strafe.

    Er ging in die Hocke, packte das Eisenrohr mit beiden Händen und ging auf das Arschloch zu. Der Hass in dessen Augen wich nackter Angst. Die Mundwinkel wanderten nach unten, die Augenbrauen in die Höhe. »Nein, warte! War nicht so gemeint!« Während er sprach, flogen Blutstropfen von seiner Lippe.

    »Klar.«

    Das Herz hämmerte wie verrückt in seiner Brust, er hörte das Blut in den Ohren rauschen. Jetzt würde er endlich auf seine Kosten kommen.

    Er schlug zu.

    Die Eisenstange krachte seitlich gegen das linke Knie, das Bein knickte mit einem Krachen ein. Der Kerl schrie auf und krallte die Finger in den Oberschenkel. Er gab ein Wimmern von sich und glitt zu Boden.

    Beide starrten auf den weißen Knochensplitter, der aus einem blutigen Riss in der Hose herausragte.

    »Bitte nicht!«, wimmerte die erbärmliche Kreatur zu seinen Füßen.

    Aber es fühlte sich gut an. So gut. Er spürte, wie das Feuer aufloderte. Das bekannte Kribbeln im Bauch, wie kleine Stromstöße. Er war auf dem richtigen Weg.

    Er holte über die Schulter aus und schlug ein weiteres Mal zu. Das Rohr schmetterte mit einem Klong gegen das andere Knie. Dieses Mal durchschlug kein Knochen das Hosenbein, aber der Stoff schlang sich nun um ein ovales Gelenk statt um ein rundes.

    Dem Tierquäler raubte es den Atem. Mit weit aufgerissenen Augen und offen stehendem Mund starrte er auf seine Beine. Sein Gesicht hatte die Farbe von Kreide angenommen.

    »Wie fühlt sich das an, du Wurm

    Doch der Mann reagierte nicht, seine Augen hafteten auf seinen Verletzungen.

    Das Rohr locker neben sich haltend, ging er vor dem Kerl in die Hocke, packte das schmutzige Kinn und drehte die Visage in seine Richtung. Bartstoppeln stachen ihm in die Fingerkuppen. »Sieh mich an.«

    Der Wichser tat wie ihm befohlen. In seinem Blick flackerte Todesangst.

    »Ich will wissen, wie sich das anfühlt. Besser, du antwortest mir.« Um der Drohung das nötige Gewicht zu verleihen, schob er die Spitze des Rohrs zwischen die Beine des Widerlings und drückte zu.

    »Aufhören!«, heulte der Kerl schließlich mit der Stimme eines kleinen Mädchens.

    Wut wallte in ihm auf. Er knirschte mit den Zähnen, packte das Gesicht des Perversen fester und drückte ihn gegen die Mauer. Er grub die Finger in die unrasierte Haut. »Was glaubst du, wie sich der Hund gefühlt hat, hm? Kannst du dir mit deinem beschränkten Geist auch nur ansatzweise vorstellen, was er erleiden musste?«

    Der Mann presste Augenlider und Lippen fest zusammen. Als wollte er sich der Realität entziehen.

    Er drückte fester mit der Stange zu. Spürte, wie das Metall an etwas Weichem vorbeirutschte. Vermutlich hatte er gerade einen Hoden zur Seite geschoben, die Spitze musste sich jetzt direkt in die Peniswurzel bohren.»Ob du dir das vorstellen kannst, will ich wissen!«

    Rotz lief dem Mann aus der Nase, Tränen aus den geschlossenen Augen. Er zitterte. Aber er gab keine Antwort. Die Angst lähmte ihn.

    Er konnte nicht anders – er musste grinsen. Das war besser als Autorennen oder Schlägereien. Das hier war die pure Essenz der Macht. In diesem Moment war er Gott. Entschied über Schmerz und Erlösung, über Leben und Tod.

    Er zog die Stange zwischen den Beinen hervor und richtete sich auf.

    »Was hast du gemacht, nachdem du dem Hund die Beine gebrochen hast? Du hast ihn getreten, richtig? Immer und immer wieder. Zuerst in den Körper, gegen Ende auf die Schnauze.« Er stieß ein irres Gelächter aus. »Dann wollen wir mal.«

    Die Stange lehnte er gegen das Garagentor, dann ging er ein paar Schritte zurück. Wie bei einem Elfmeterschießen nahm er Anlauf und trat kräftig zu. Sein Schuh preschte in den Leib und riss den Wichser aus der Starre. Ein klägliches Jammern hallte durch den Hof, den Schmerzenslauten des Hundes nicht unähnlich. Der Tierquäler hob abwehrend die Arme, doch da durchbrach ein Tritt seine Deckung, der nächste zerbrach mehrere Rippen. Das mehrfache Knacken war trotz der Schreie gut zu hören.

    Er trat immer und immer wieder zu.

    Der Kerl kauerte auf dem Boden, krümmte sich wie ein Fötus zusammen. Schleim und Blut schossen unaufhörlich aus seiner Nase.

    Scheiße, war das geil! Wieso war er vorher nie auf die Idee gekommen? Dieses Gemisch aus Macht und Rache verschaffte ihm eine Genugtuung, wie er sie noch nie verspürt hatte. Sein Atem ging stoßweise, er zitterte vor Glück. Es fühlte sich an, als würde er schweben, nein, fliegen!

    Über ihm erscholl eine männliche Stimme: »Was ist da los?«

    Woanders rief jemand: »Ruhe da unten! Hier versuchen anständige Menschen zu schlafen!«

    Die Frau am Fenster hatte die flache Hand auf den Mund gepresst. Ihre Augen waren kreisrund aufgerissen.

    Er zog zu viel Aufmerksamkeit auf sich.

    Zeit für das Finale.

    Der Tierquäler war nur noch ein zuckendes Bündel, das direkt neben dem Haufen lag, der mal ein Hund gewesen war. Seine Gliedmaßen waren unnatürlich verbogen.

    Er schritt an den Kopf heran. Dann hob er den Fuß und trat kräftig zu.

    Der Kerl reagierte nicht einmal. Sein Schädel hatte jetzt eine Delle, Blut strömte aus einem Ohr. Er trat noch mal zu. Das Haupt verformte sich, zog sich in die Länge. Doch noch war es intakt.

    Er sprang in die Höhe und landete mit beiden Füßen gleichzeitig auf dem Kopf. Dieses Mal knackte und knirschte es. Er spürte, wie der Knochen nachgab.

    Als er zurücktrat, bewunderte er sein Werk. Knochensplitter hatten Gesichts- und Kopfhaut zerfetzt, eine matschige Suppe ergoss sich aus den Rissen. Zwischen den Haaren lugten Teile des Gehirns heraus.

    Das Gefühl raubte ihm schier den Atem. Er lachte.

    Ohne einen Blick zurückzuwerfen, lief er zur Straße. Immer noch lachend, riss er die Fahrertür des Mustangs auf, warf sich auf den Ledersitz und schlug sie wieder zu.

    Hätte er das Fahrzeug besser stehen lassen und zu Fuß flüchten sollen? Nein, das wäre keine gute Idee gewesen. Der Polizei, die ohne Frage gleich anrücken würde, wäre der Mustang direkt aufgefallen. Ein kurzer Check, und sie würden wissen, dass der Wagen ihm gehörte.

    Besser, er verlor keine Zeit und suchte schnell das Weite.

    Mit zitternden Händen drehte er den Zündschlüssel herum und preschte aus der Parkbucht. Erst eine Straße weiter schaltete er das Licht ein.

    2

    Brennerei

    Das Telefon klingelte.

    Mark hatte keine Lust dranzugehen. Er hatte keine Lust auf gar nichts. Er saß auf dem Sofa, lehnte sich vor und griff nach der Schachtel Zigaretten. Das Telefon schrillte und schrillte.

    Wer konnte das schon sein? Irgend so ein Bürofatzke, der ihm mal wieder einen neuen Werbeclip für seine Videos andrehen wollte. Eine Vorzimmerdame von irgendeinem Herrn Oberwichtig, die um einen Termin bat, weil ihr Boss die Rechte einer seiner Reportagen kaufen wollte. Eine Interviewanfrage?

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