All die brennenden Fragen: Ein Gespräch über trans Erfahrungen
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Über dieses E-Book
"All die brennenden Fragen" ist ein Gespräch unter besten Freund*innen, bei dem die Leser*innen mit am Tisch sitzen: authentisch, eindringlich und kurzweilig.
Henri Maximilian Jakobs
Henri Maximilian Jakobs ist Musiker, Schauspieler und Autor. Er ist in München geboren und aufgewachsen und studierte dort E-Bass am Richard-Strauss- Konservatorium sowie Musikjournalismus an der Hochschule für Musik und Theater. Henri singt und spielt sowohl in seiner eigenen Band TUBBE (Audiolith Records) Bass, als auch bei The Toten Crackhuren im Kofferraum und FINNA. Mit TUBBE veröffentlichte er zwei Alben und tourte durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich. 2021 folgte dann das Release seiner ersten Solo-EP „Bizeps Bizeps“. 2018 bis 2019 war Henri Protagonist des Podcasts „Transformer“, in dem Christina Wolf als Autorin seine Transition begleitete. Neben seinem Schaffen als Musiker arbeitet Henri auch als Schauspieler und Synchronsprecher: So ist er aktuell an der Schaubühne Berlin als Schauspieler und Bassist im Stück „Das Leben des Vernon Subutex“ unter der Regie von Thomas Ostermeier zu sehen. Als Synchronsprecher vertonte Henri in der Netflixproduktion „Ridley Jones“ die Rolle des Dante. Henri lebt in Berlin und hätte gerne einen freundlichen Hund.
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Buchvorschau
All die brennenden Fragen - Henri Maximilian Jakobs
Henri Maximilian Jakobs mit Christina Wolf
ALL DIE BRENNENDEN FRAGEN
Text © 2023 Henri Maximilian Jakobs und Christina Wolf
Alle Rechte, auch die der Bearbeitung oder auszugsweisen Vervielfältigung, gleich durch welche Medien, vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwas Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- und strafrechtlich verfolgt werden.
© 2023 Katalyst Verlag
ISBN 978-3-949315-49-7 | Katalyst #002
Katalyst Verlag ist eine Marke der
Luna Ventures GmbH | Prenzlauer Allee 186 | D-10405 Berlin
www.katalystverlag.de
Lektorat: Katja Korintenberg
Sensitivity Reading: Valo Christiansen
Korrektorat: Sophie Niemann
Satz: Julius Thesing
E-Book-Umsetzung: Arnold & Domnick, Leipzig
Coverfotografie: Urban Zintel
Vermittelt durch die Literaturagentur Arteaga
Verleger*innen: Anna & Lukas Kampfmann
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Inhaltsverzeichnis
Informationen zum Buch
Impressum
INHALT
WAS DICH IN DIESEM BUCH ERWARTET
VORWORT
1 - LOST IN TRANSLATION
2 - DIE TÜCKEN DES SMALL TALKS
3 - ALLY, WER? ALLY, WIE?
4 - BEYOND THE BINARY
5 - KOMMST DU MIT?
INTERVIEWS MIT DER COMMUNITY
GLOSSAR
HIER FINDEST DU UNTERSTÜTZUNG
VORWORT
LASST UNS REDEN
Mein Name ist Henri Maximilian Jakobs und ich bin hingerissen, dass du dieses Buch einem Katzenvideo vorziehst. Was nicht heißt, dass ich deine Passion für selbige Videos nicht teile. In diesem Fall freut es mich allerdings, dass du lieber liest, danke also.
Was hat es mit diesem Buch auf sich und wer bin ich überhaupt? Ich bin Musiker, Autor und mache gelegentlich künstlerische Ausflüge ins Theater. Das ist sehr schön. Doch um all das, was ich so beruflich treibe, soll es hier nicht gehen. Das Buch handelt davon, wer ich jetzt bin und warum die aktuelle Version von mir erst ein paar Jahre alt ist. Extrem kryptisch?
Also, mein Name war nicht immer Henri und meine Frisur sah auch mal deutlich verwegener aus. Um es einfacher und weniger sagenumwoben auszudrücken: Ich bin trans. Das ist der Inhalt dieses Buches. Transsein. Es geht darum, was trans an sich, was Transsein bedeutet. Für mich. Für dich. Für andere. Auf allen Ebenen, die es so gibt.
Ich erzähle von den brennenden Fragen, die ich hatte, zum Teil noch habe, und den brennenden Fragen, die andere umtreiben.
Und was es mit einem macht, wenn man irgendwann nur noch über brennende Fragen diskutiert und gar nicht mehr darüber, wie wohl das Wetter wird. Oder was es sonst noch für alltagstaugliche Themen gibt.
Die aktuelle Zeit ist angeraut und laut, unser Buch ein Gespräch, mit dem wir um mehr Verständnis und Akzeptanz werben und einige Schieflagen geraderücken wollen.
Moment mal, unser Buch? Richtig. Ich bin nicht allein, sondern habe Verstärkung durch meine BFF Christina Wolf, sie ist Journalistin und sehr gut im Zubereiten eines überdimensional starken Kaffees. Wir unterhalten uns, um zu zeigen, dass genau das möglich ist: reden, Fragen stellen, verstehen. Klingt jetzt ein bisschen wie der Titel eines deutschen Popsongs, aber egal, darum geht es uns.
Die Anfangszeit von Henri vor einer gefühlten und, wenn ich ehrlich sein soll, irgendwie auch einer tatsächlichen Ewigkeit, hat Christina mit dem Mikrofon begleitet. Daraus entstand der Podcast „Transformer". Den Namen habe ich mir nicht ausgedacht, das war irgendein findiger Redakteur – nur, um es mal erwähnt zu haben. Viele Menschen haben diesen Podcast damals gehört, einigen hat er geholfen und manche begleitet. Dieses Buch ist eine Art Fortsetzung unserer Unterhaltung, die wir damals geführt haben. Mit Perspektiven, die gewachsen sind, sich gewandelt haben oder bestätigt wurden.
Weil Gefühle eine komplizierte Sprache, aber bisweilen hilfreich dabei sind, das ein oder andere nachvollziehbarer zu machen, gibt es zu Beginn eines jeden Kapitels eine Anekdote aus meinem Leben. Weil das Abstrakte greifbarer wird, wenn es ein echtes Leben hinter sich herzieht und nicht nur im theoretischen, luftleeren Raum hängt.
Da trans Menschen bei jeglicher Äußerung gerne eine Agenda zum Umsturz unterstellt wird, möchte ich meine eigene transparent machen. An einem Umsturz oder der Weltherrschaft ist mir nicht im Geringsten gelegen. Auf meiner Agenda steht vielmehr, dass ich irgendwann meine Ruhe haben möchte. Ich nicht mehr mit wagenradgroßen Augen angeschaut werde, als wäre ich ein Zauberwesen, wenn ich sage, dass ich trans bin. Es vielleicht gar nicht mehr groß erwähnen muss, dass ich das bin, und in den Interviews, die ich bisweilen gebe, Fragen zu meiner Kunst oder meinem Faible für Backwaren gestellt bekomme und mich nicht dauernd und ausschließlich zum Thema Transsein äußern muss.
Ich möchte mich in allen Räumen bewegen dürfen und nicht bloß in den Nischen, die man uns um des guten Gewissen willens freiräumt. Ich wünsche mir, dass sich eine Selbstverständlichkeit entwickelt und etabliert. In der Öffentlichkeit und im Umgang miteinander. Einer Debatte oder einem Austausch bin ich nicht abgeneigt, solange nicht schrill und mit zugehaltenen Ohren gesprochen wird. Sondern auf Augenhöhe, mit der Bereitschaft zuzuhören und verstehen zu wollen. Nur so geht es voran. Mit und für uns alle.
Genug geredet. Lasst uns reden!
LOST IN
TRANS
LATION
DIESER NEUE NAME
„Wie heißt du?"
Vorstellungsrunde für ein neues Projekt. Vorstellungsrunden ... ein schlimmes Konzept, das in den katastrophalsten Momenten darin gipfelt, dass sich Erwachsene mit Wollknäueln bewerfen und Anekdoten aus ihrer Kindheit erzählen, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Ich wollte noch nie jemanden so gut kennenlernen, dass ich etwas auf die Person geworfen hätte. Eigentlich werfe ich Dinge auf Menschen, damit ich sie nicht näher kennenlernen muss.
Heute bleibt mir der Wollknäuelwurf erspart, meinen Namen muss ich trotzdem sagen. So überschaubar die Aufgabe auch ist, ich kriege sie nicht gerade glanzvoll hin.
Ich murmle: „Henri."
Genauso gut hätte ich meinen Kopf auf einen Rasensprenger legen können in der Hoffnung, die Buchstaben würden sich so besser und weiter im Raum verteilen.
„Könntest du das noch mal wiederholen? Das war ein bisschen leise."
Ein einfacher und gerechtfertigter Wunsch. Aber mein Gaumen scheint entzündet und der Name, den ich so frisch und schimmernd in mir trage, gefriert zu Eiswürfeln – die ihn kühlen könnten. Ich lasse sie langsam zergehen, gurgle mit dem Schmelzwasser und verschütte dabei keinen Tropfen. Henri. Der Name ist schön. Ich mag ihn. Aber wir fremdeln. Ich stoße mich an ihm wie an noch nicht eingelaufenen neuen Schuhen. Noch. Hoffentlich gewöhne ich mich schneller an „Henri" als an meine Doc Martens. Mein Name soll nicht mit offenen Fersen hinken müssen, um dann irgendwann in der Ecke zu landen und voller Groll vergessen zu werden.
Dieser neue Name und ich sind wie zwei Bilder, die übereinandergelegt die Schwächen des flüchtigen
Abpausens offenbaren.
Das Ungewohnte ist das eine. Hinzu kommt, dass ich mich nicht traue, offen zu dieser neuen Existenz zu stehen. Sie für mich zu beanspruchen und sie mir zu eigen zu machen. Eins mit ihr zu werden und nicht zwei unverbundene Punkte auf dieser Welt.
Bin ich schon männlich genug? Merkt man mir irgendetwas an? Meine Stimme ist eine holprige Landstraße, auf der man nicht allzu schnell vorankommt und nach kurzer Strecke in der Ödnis landet. Mein Gesicht hat die Form eines erstaunten Mundes und Kanten finden sich höchstens in meinen Versuchen, einen Small Talk aufrechtzuerhalten. Ab wann darf ich voller Überzeugung und mit Schwurhand als „er von mir sprechen, kernig „Henri
hervorstoßen, wenn ich nach meinem Namen gefragt werde, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen?
Ich weiß es nicht. Gerade ist allerdings auch nicht der richtige Zeitpunkt, um ein inneres Plenum abzuhalten. Die Gruppe erwartet eine Zusammenfassung der eigenen Existenz, kurzum: meinen verdammten Namen. Ich verdränge Luft in diesem Raum, also bin ich wohl.
„Henri", sage ich minimal intensiver, aber zumindest laut genug, um die Runde zu befriedigen. Sie wendet sich der nächsten Person und dann Themen zu, die vorgeben, Weltgeschehen zu sein. Ich zupfe an meinem Pullover und versuche, etwas Luft unter all den Kleidungsstücken zirkulieren zu lassen. Mittlerweile habe ich eine eigene Klimazone entwickelt, so sehr bin ich mein eigenes Weltgeschehen und so heiß ist mir.
Ich sitze in einem geschlossenen Raum, in dem kein Schneesturm herrscht, und verbreite Winter. Ich trage eine dicke Jacke sowie Mütze, T-Shirt, Pulli. Eine Hose natürlich auch. Allerdings nur eine. In Berlin muss man das bisweilen dazusagen. Mein Rücken tut weh wegen des nicht nur wenig schicken, sondern auch massiv zu engen Sport-BHs, der die vermaledeite Brust an