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Mörderjuwelen aus dem Krimilabor: 7 Strandkrimis
Mörderjuwelen aus dem Krimilabor: 7 Strandkrimis
Mörderjuwelen aus dem Krimilabor: 7 Strandkrimis
eBook1.340 Seiten17 Stunden

Mörderjuwelen aus dem Krimilabor: 7 Strandkrimis

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Über dieses E-Book

Dieses Buch enthält folgende Krimis:



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Trevellian im Fadenkreuz der Rächerin (Pete Hackett)

Die Tote ohne Namen (Alfred Bekker)

Chinatown-Juwelen (Alfred Bekker)

Die nackte Mörderin (Alfred Bekker)

Schweigen ist Silber, Rache ist Gold (Alfred Bekker)

Gilbert Larose und die Nacht des Sturms (Arthur Gask)

Pennington Wise kehrt zurück (Carolyn Wells)







Im Kampf gegen das Verbrechen setzt der smarte Ermittler Bount Reiniger auf ungewöhnliche Methoden - hin und wieder aber auch auf die Schusskraft seiner Automatik.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum3. Nov. 2023
ISBN9783745234701
Mörderjuwelen aus dem Krimilabor: 7 Strandkrimis
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Mörderjuwelen aus dem Krimilabor - Alfred Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Trevellian im Fadenkreuz der Rächerin

    Pete Hackett

    Krimi von Pete Hackett

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

    Freispruch für den Vergewaltiger. Sabrina Winslow kann es nicht fassen, aus ihrer Wut auf den Mann wird tödlicher Hass. Dann werden gleich mehrere Triebtäter, zum Teil während der Tat, umgebracht, doch jedes Mal hat Sabrina Winslow ein unumstößliches Alibi. Wer ist der selbsternannte Richter und Henker ohne Gnade?

    1

    Der Obmann der Geschworenen begab sich zum Richtertisch und überreichte dem ehrwürdigen Richter James Doherty einen Umschlag. Der Richter bedankte sich und öffnete das Kuvert. Er warf einen kurzen Blick darauf. Seine Miene verschloss sich, dann stemmte er sich schwerfällig in die Höhe.

    Alle anderen Anwesenden erhoben sich ebenfalls. Die Geräusche versanken in der eintretenden Stille. Im Gerichtssaal herrschte Atemlosigkeit. Aller Augen waren gespannt auf den Judge gerichtet.

    Dieser verkündete mit unbewegtem Gesicht und Stentorstimme: „Im Namen des amerikanischen Volkes wird der Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen."

    In Sabrina Winslows blaue Augen senkten sich einen Augenblick lang Resignation und Enttäuschung. Doch dann begann es in ihnen zu flackern. Es war das Feuer eines grenzenlosen, vernichtenden Hasses ...

    Im Gerichtssaal brandete tumultartiger Lärm auf. Die Zuschauer schrien durcheinander. Eine Frau brüllte aus Leibeskräften: „Der Hurensohn hat sie vergewaltigt! Man sollte ihn teeren und federn. Eine Mitstreiterin fügte kreischend hinzu: „In unserem Land wird mit zweierlei Maß gemessen! Wäre er kein angesehener Politiker, wäre die Entscheidung der Jury anders ausgefallen. Pfui Teufel! Das ist eine Riesenschweinerei ...

    Judge Doherty knallte seinen Hammer dreimal auf den Tisch, dass es krachte. „Ruhe!, brüllte er. „Wenn nicht augenblicklich Ruhe einkehrt, lasse ich den Gerichtssaal räumen.

    Die letzten Worte vernahm Sabrina Winslow schon nicht mehr. Fast fluchtartig hatte die 25-jährige Frau mit den langen, blonden Haaren den Gerichtssaal verlassen. Resignation und Enttäuschung waren einem unbändigen Hass gewichen. Er durchflutete sie in rasenden, giftigen Wogen und ließ keinen anderen Gedanken zu. In der Tiefe ihrer Augen irrlichterte es. Die Begründung für den Freispruch wollte sie schon gar nicht mehr hören.

    ...wird der Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen!, hämmerte es unablässig durch ihren Verstand.

    Jack McLeod hatte sie brutal missbraucht, sie gedemütigt, ihre Ehre mit Füßen getreten. Und jetzt durfte er noch über sie triumphieren.

    Es war verstandesmäßig kaum zu erfassen.

    Die Reporter und Fotografen, die im Flur und auf der Treppe warteten und sich auf sie stürzten wie die Aasgeier, beachtete sie nicht. Fragen prasselten auf sie ein. Sie drängte sich rücksichtslos durch die Meute, schlug eine Hand, die vor ihrem Gesicht auftauchte und ein Mikrofon hielt, ungestüm zur Seite.

    „Lassen Sie mich in Ruhe!, schrie sie fast hysterisch. „Kein Kommentar! Lasst mich durch ... Die Glätte in ihrem Gesicht zerbrach, als sie sich fast gewaltsam einen Weg bahnte.

    Die Fotoapparate blitzten. Sabrina wollte ihr Gesicht hinter den Händen verbergen. Zu spät. Sie war einem wahren Blitzlichtgewitter hilflos ausgeliefert. Die grellen Lichtreflexe blendeten sie. Schon in den Nachmittagsnachrichten würde ihr verzerrt anmutendes Konterfei im Fernsehen gezeigt werden. Und am folgenden Tag würde es in allen Zeitungen Washingtons, vor allen Dingen in den Blättern der Yellow Press, die Titelseite zieren.

    Die Medienleute ließen von Sabrina ab, als Jack McLeod mit seinen Anwälten auf den Flur trat. McLeod grinste breit, selbstbewusst und ganz im Zeichen seines Sieges. Er stellte sich den Reportern nur zu gerne zur Verfügung und hielt eine flammende Rede wider die Schändlichkeit verleumderischer Elemente im Allgemeinen und den Rufmord, der an seiner Person verübt werden sollte, im Besonderen.

    Dann umarmte er im Aufglühen der Blitzlichter Frau und Tochter, schüttelte seinen Anwälten theatralisch die Hände und suhlte sich so richtig ausgiebig im Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit, die man noch am selben Tag per Flimmerkiste mit den Bildern füttern würde. Sein breites, strahlendes Lachen hätte jeder Zahnpastawerbung zur Ehre gereicht.

    Sabrina Winslow verließ als Geschlagene das Gerichtsgebäude und schritt, ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden, die breite Treppe hinunter, den Blick auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet.

    Der eine oder andere, der das Gefühl hatte, von ihr angestarrt zu werden, blieb stehen und schaute der jungen, schönen Frau hinterher. Er konnte nicht ahnen, dass sie ihn gar nicht wahrgenommen hatte.

    In ihr war etwas zerbrochen – abgestorben. Der Glaube an die Gerechtigkeit, der Glaube an die Menschen, vielleicht sogar der Glaube an sich selbst. Sie war geschändet worden, man hatte sie durch die Medien gezogen. Die Anwälte Jack McLeods hatten alles daran gesetzt, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Sie hatten sie im Gerichtssaal regelrecht vorgeführt. Sie empfand es als Zynismus par excellence!

    Mechanisch setzte Sabrina einen Fuß vor den anderen. Dann stand sie vor ihrem metallic-grünen Dreiergolf. Jetzt erst schien sie aus ihrer tiefen Versunkenheit zu erwachen. Sie hatte das Empfinden, von tausend höhnisch grinsenden Augen angestarrt zu werden. Angst vor der Zukunft legte sich tonnenschwer auf ihr Gemüt.

    Sie schaute sich um.

    Niemand beachtete sie.

    Sich ihrer Niederlage voll bewusst schloss sie den Wagen auf und setzte sich hinein. Der Motor sprang an. Der Golf rollte aus der Parklücke. Sabrina reihte sich in den fließenden Verkehr ein.

    2

    Drei Tage lang verkroch sich Sabrina in ihrer Wohnung. Reporter belagerten ihr Haus. Man fand die Adresse ihrer Mutter heraus. Aber Heather Winslow war nicht bereit, ein Wort über die Sache zu verlieren. Das einzige Statement, das sie abgab, war, dass ihrer Tochter großes Leid zugefügt worden sei und dass die Justiz versagt habe.

    Am vierten Tag nach der Verhandlung erklärte sich Sabrina bereit, an die Öffentlichkeit zu treten. Ein lokaler Fernsehsender brachte das Interview. Der Moderator hatte Pause. Er musste Sabrina keine Fragen stellen. Es sprudelte nur so aus ihr heraus. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und redete sich von der Seele, was sie bedrückte. Manchmal tränkte Hass ihre Stimme. Dann brach sie wieder in Tränen aus.

    Sie klagte Jack McLeod bitter an, bezeichnete den Freispruch als Justizskandal, sprach von Korruption und Rechtsbeugung.

    McLeod erwirkte eine gerichtliche Anordnung, die Sabrina untersagte, ihn weiterhin der Vergewaltigung zu beschuldigen. Sabrina Winslow wurden eine hohe Geldstrafe und Gefängnis in Aussicht gestellt, sollte sie der Anordnung zuwider handeln. Ein Zeitschriftenverlag, der mit ihr in Verhandlung stand und dem sie die Exklusivrechte an ihrer Geschichte für viel Geld verkaufen sollte, zog sich nach Bekanntwerden der gerichtlichen Verfügung zurück und brach jeglichen Kontakt mit Sabrina ab.

    Ihren Job als Sekretärin im Innenministerium war sie los.

    Sie bemühte sich um andere Arbeit, es war jedoch vergebens. Eine Frau, die ihren Chef derart kompromittierte, wollte niemand. Denn nach allem, was in Funk und Fernsehen und in der Presse veröffentlicht worden war, musste man davon ausgehen, dass Sabrina versucht hatte, McLeod den politischen und gesellschaftlichen Todesstoß zu versetzen.

    Sabrina war der Verzweiflung nahe. Aber je mehr sie demoralisiert wurde, umso greller und leidenschaftlicher brannte der Hass auf McLeod in ihr.

    Wo immer McLeod sich in der Öffentlichkeit zeigte, Sabrina erschien in seiner Nähe. Stumm starrte sie ihn an. Er begann unsicher zu werden, entwickelte eine Art Verfolgungswahn. Die Verachtung, die er in ihrem Blick lesen konnte, die stumme Anklage und die unausgesprochene Drohung, die sie verströmte, setzten ihm zu. Er fühlte sich bedroht und erwirkte eine weitere gerichtliche Anordnung, die Sabrina gebot, sich aus der Umgebung des Politikers fernzuhalten. Wieder wurde ihr mit Geldstrafe und Gefängnis gedroht.

    Sie zog sich zurück. Es schien, als hätte sie resigniert.

    Aber sie war das Opfer. Und sie wurde nicht fertig damit, dass McLeod nicht nur ungeschoren davonkommen sollte, sondern dass er auch noch über sie triumphieren durfte. Ihr Hass wuchs ins Unermessliche!

    Die Vorsitzende der Initiative „Hilfe für missbrauchte Frauen" trat an sie heran. Sabrina arbeitete in der Initiative mit, zeigte sich ausgesprochen engagiert und erfuhr vom Leid anderer Frauen, die Ähnliches erlebt hatten wie sie.

    Ihr Hass weitete sich aus auf alle Männer, die sich Frauen mit Gewalt unterwarfen, die Frauen demütigten und missbrauchten.

    Sabrina Winslow begann in verschiedenen Veranstaltungen Hass zu predigen. Sie rief auf zu Rache und Selbstjustiz. Den Verantwortlichen der Initiative wurden ihre Referate und Interviews zu aggressiv. Sabrina wurde zurückgepfiffen. Sofort schmiss sie den Krempel hin und verabschiedete sich aus der Initiative.

    Von Stunde an verschwand Sabrina Winslow in der absoluten Versenkung. Sie trat nicht mehr in Erscheinung.

    Jack McLeod hatte Ruhe vor ihr.

    3

    Zwei Monate später

    Helen Cummings machte Feierabend. Sie betrieb eine kleine Boutique für modische Neuheiten in Washington D.C. Helen schloss den Laden ab, warf den Schlüssel in die Tasche, die über ihrer Schulter hing, und strebte der Tiefgarage zu, in der sie ihren BMW untergestellt hatte.

    Es war 21 Uhr vorbei. An diesem Tag war es etwas später geworden, da eine neue Kollektion an Damenoberbekleidung eingetroffen war, die sie mit Preisen auszeichnete und an die Warenständer und in die Regale verteilte.

    Es war Ende März und schon finster, denn die Tage waren noch recht kurz. Und es war kühl. Helen fröstelte. Es war die Jahreszeit, in der der Mantel zu warm, Jacke und Bluse aber noch zu kalt waren.

    Die dunkelhaarige 26-jährige überlegte, ob sie den Aufzug in die unterste Etage des Parkdecks nehmen sollte, entschloss sich aber dann für die Treppe. In vergitterten Wandnischen brannten die Lampen. Die Gitter hatte die Stadtverwaltung anbringen lassen, da randalierende Jugendliche die Lampenschirme mit frappierender Regelmäßigkeit zerstört hatten. Tote Fliegen und Nachtschwärmer lagen auf den Böden der kleinen Nischen. Spinnennetze zogen sich. Die Wände des Abgangs waren mit Graffiti besprüht, mit sexistischen Sprüchen und politischen Parolen vollgekritzelt. Auf den Treppenstufen lagen McDonalds-Verpackungen, Cola- und Bierdosen.

    Zwei Typen um die zwanzig kamen Helen auf der Treppe entgegen. Sie befand sich bereits im 2. Untergeschoss. Der eine der beiden Kerle hatte einen Irokesen-Haarschnitt. Der Streifen Haare, der sich über sein Schädeldach zog, war grün gefärbt. Der andere trug seine Haarpracht in Form von Rasterlocken, die an alte Gerüststricke erinnerten. Darüber hatte er eine Haube gestülpt. Vom Typ her hätte er Hawaiianer sein können.

    Sie kamen nebeneinander die Treppe herauf. Für drei war kein Platz. Helen drückte ihren grazilen Körper hart gegen die kalte Betonwand.

    Die beiden blieben stehen, stießen sich an, lachten, der mit den Rasterlocken lärmte eine Idee zu aufgekratzt: „Hi, Honey, bist ‘ne heiße Schwester. Mit dir möchte Benny-Boy auch mal rosa Pampelmusen essen."

    „Bitte, murmelte Helen und wollte sich vorbeidrängen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals hinauf. Ihr war mulmig zumute. Die beiden vermittelten etwas, das sie zutiefst beunruhigte. Sie schaute hilfesuchend die Treppe nach oben, aber da kam niemand. „Ich hab es sehr eilig.

    Der Irokesenschopf hielt sie auf. „Du begegnest dem einmaligen Benny-Boy und dem vorzüglichen Iron Thunder und willst es eilig haben, Sweetheart? Er lachte herablassend. „Ich glaub das nicht. Ich kann das nicht glauben.

    „Iron Thunder?", kam es brüchig und angstvoll von Helen. Ihr Hals war trocken. Das Schlucken fiel ihr schwer. Es war, als würgte sie eine unsichtbare Faust.

    „Das ist mein Kriegsname, grinste sie der Irokesenschopf hämisch an. „Gut, nicht wahr? Eiserner Donner. In meinen Kreisen hat der Name Klang. Aber vergiss den Namen wieder, Süße. Er spielt keine Rolle. Der Mann ist wichtig. Und der Mann ist allererste Garnitur. Den wirst du so schnell nicht vergessen.

    Seine Rechte schoss vor und packte Helen am Handgelenk. Der Eindruck von Boshaftigkeit und Brutalität, den er plötzlich vermittelte, war erschreckend.

    „Lassen Sie mich los, entfuhr es der Frau. Sie wollte ihren Arm losreißen, aber sein Griff hatte die Härte einer Stahlklammer. Helen zerrte und zog. „Hilfe!, gellte ihr panischer Schrei. „Hiiilfe!" Es gellte den Treppenschacht hinauf und ging oben im Lärm von der Straße unter.

    „Nicht doch!", zischte Benny-Boy, der Rasterlocken-Mann. Er glitt blitzschnell hinter Helen.

    „Hiiil ..."

    Benny-Boys flache Hand verschloss Helens Mund. Sein anderer Arm legte sich um ihren Leib. Er drängte sie die Treppe nach unten. Iron Thunder, wie der Irokesenschopf sich nannte, zerrte an ihrem Arm. Mit der Linken öffnete er die Tür zum 2. Untergeschoss. Es war eine feuerfeste Tür, die ebenso besprüht und vollgekritzelt war wie die Wände. Sie quietschte in den Angeln.

    Helen wurde hineinbugsiert. Die Panik, die sie befallen hatte, war unbeschreiblich. Angst wäre ein zu gelindes Wort gewesen, um auszudrücken, was sie empfand. Das Herz drohte ihr in der Brust zu zerspringen. Ihr gequälter Verstand erinnerte sie daran, dass in dieser Tiefgarage in den vergangenen Wochen wiederholt Frauen vergewaltigt worden waren. Sie hatte sich eine Sprühdose mit Tränengas gekauft. Sie befand sich in ihrer Handtasche. Warnungen ihrer Bekannten und Freunde hatte sie lachend unter Hinweis auf ihre „Waffe" abgetan.

    Und jetzt ...

    Ihr Widerstandswille flackerte auf, in dem Moment, als die schwere Tür hinter ihnen zuschlug. Die Neonröhren in den Ecken und an der Decke verstreuten nur düsteres Licht. Kein Mensch, der ihr helfen hätte können, war zu sehen. Das Grinsen aus den Gesichtern der Kerle war verschwunden. Ihre Mienen waren nur noch Physiognomien von Brutalität und böser Gier.

    Helen wand sich aus Benny-Boys Griff. Gleichzeitig trat sie nach Iron Thunder. Der Bursche mit dem Irokesenschnitt wich im letzten Moment aus. Ihr Fuß streifte ihn nur. Er schlug zu. Sein Handrücken landete bretterhart auf Helens Wange. Benny-Boy griff sofort nach und erwischte sie an den Haaren. Brutal riss er ihr den Kopf in den Nacken. Helen schrie entsetzt und vom Schmerz getrieben auf. Im nächsten Moment aber lag wieder Benny-Boys Pranke auf ihrem Mund.

    „Sweetheart, flüsterte Iron Thunder, „was wehrst du dich? Du willst es doch sicher mal richtig besorgt bekommen. Also stell dich nicht zickig. Du wirst es uns danken.

    Helen schwindelte. Vor ihren Augen schien sich alles im Kreis zu drehen wie ein Karussell. Sie war wie betäubt. Die Hand, die auf ihren Mund gepresst war, erstickte sie fast. Entsetzen und Verzweiflung brüllten aus ihren dunklen, weit aufgerissenen Augen. Übelkeit wollte in ihr hochsteigen.

    Die beiden Gangster zerrten und drängten sie zu einem alten Ford. Iron Thunder schloss ihn von der Beifahrerseite auf. Er klappte die Rückenlehne zurück. „Wenn du schön artig bist und dich brav hinlegst, Honey, keuchte er, „dann lassen wir dich hinterher auch wieder laufen. Andernfalls, er zog blitzschnell ein feststehendes Messer unter seiner Jacke hervor, „schneide ich dir den Hals durch." Er drückte ihr die Spitze der Klinge leicht gegen den Kehlkopf.

    Helen bekam alles nur noch wie im Trance mit. Sie war wie gelähmt, zu keiner Reaktion mehr fähig. Wie aus weiter Ferne war Iron Thunders Drohung an ihr Gehör gedrungen. Sie so richtig zu verarbeiten was Helens gequälter Verstand nicht mehr in der Lage.

    Sie wurde auf den Liegesitz genötigt. „Ich zuerst!, meldete Iron Thunder mit heiserer, belegter Stimme seinen Anspruch an. „Zieh dich aus!, herrschte er Helen im nächsten Moment an. „Aber nicht mehr als nötig ..."

    In diesem Moment begann am Ende des Parkdecks eine schwere Maschine zu dröhnen. Der Motor heulte kurz auf, dann sank das Geräusch wieder herab zu einem untertourigen Blubbern und näherte sich.

    Ein blonder Mann fuhr das Motorrad. Auf dem Rücksitz saß eine Frau mit ebenfalls blonden Haaren. Sie waren nackenlang. Beide trugen sie Sonnenbrillen. Beide waren in schwarzes Leder gekleidet.

    Benny-Boy und Iron Thunder waren abgelenkt. Auf dem Autositz lag Helen. Sie wimmerte leise, losgelöst, nur noch vom Unterbewusstsein geleitet. Dann war das Motorrad heran. Es rollte im Schritttempo. Die blonde Frau mit der Sonnenbrille griff unter ihre geöffnete Jacke. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff einer Mini-MP. Sie schlug die Waffe an. Und sogleich begann die leichte MP zu rattern. Feuergarben stießen aus der Mündung. Die beiden Vergewaltiger wurden von den Treffern herumgerissen und geschüttelt. Die Windschutzscheibe des Ford zerbröselte geradezu unter den Einschlägen. Stahlblech wurde zerfetzt!

    Iron Thunder fiel gegen das neben dem Ford parkende Auto und rutschte daran zu Boden. Das Messer entglitt seiner Hand und klirrte auf den Beton.

    Benny-Boy mit den verfilzten Rasterlocken kippte über die Motorhaube des Ford, wurde von zwei weiteren Treffern herumgeschleudert und rollte auf den Boden. Blut sickerte unter seiner erschlafften Gestalt hervor und zog eine dunkle Spur.

    Der Motorradfahrer gab Gas. Der Motor röhrte. Die Blondine ließ die MP wieder unter der Jacke verschwinden. Die rote, chromblitzende Suzuki donnerte in Richtung Ausfahrt.

    4

    Tags darauf flatterte in der „Washington Post" ein Brief auf den Schreibtisch des Chefredakteurs. Er beinhaltete nur einen einzigen Satz. Vergewaltiger müssen bluten, las der Mann. Unterzeichnet war der Brief nicht.

    Der Chefredakteur schaute nachdenklich, dann griff er zum Telefon. Als sich jemand meldete, sagte er: „Du warst doch gestern Abend in der Tiefgarage, wo die beiden komischen Vögel regelrecht von Kugeln zersiebt worden sind, nachdem sie versuchten, eine Boutique-Besitzerin zu vergewaltigen."

    „Ja. Ist was Neues bekannt geworden?", fragte der Reporter am anderen Leitungsende.

    „Nein, das nicht. Aber mir flattert soeben ein anonymer Brief auf den Schreibtisch. Vergewaltiger müssen bluten, steht da geschrieben. Ob dieser Brief vom Mörder der beiden Kerle ist?"

    „Wir sollten ihn auf jeden Fall der Mordkommission zuleiten, meinte der Reporter. „Ja, ich denke, die Morde und der Brief stehen in Zusammenhang miteinander.

    „Ich bin deiner Meinung. Danke. Ich setze mich gleich mit Detective Lieutenant Grazano in Verbindung."

    Als er den Leiter der Mordkommission des Police Departements Washington D.C. an der Leitung hatte, und Jeff Warner – der Chefredakteur der „Washington Post – von dem anonymen Schreiben berichtet hatte, knurrte Grazano: „Ich schicke einen meiner Jungs vorbei, Warner, der das Schreiben abholt. So ein Rächer der Enterbten fehlt mir gerade noch. Die drei Wörter, die auf dem Brief stehen, lassen doch tief blicken. Da scheint sich jemand gewaltig was vorgenommen zu haben.

    „Es wird Ihr Job sein, dem Rächer der Enterbten, wie Sie es ausdrückten, das Handwerk zu legen, Grazano, kam es von Warner. „Auf der anderen Seite ist es aber wohl so, dass der Rächer für Helen Cummings im letzten Moment die Rettung war. Und es sieht nicht nach Zufall aus.

    „Vielleicht hat der Mörder sich in der Tiefgarage auf die Lauer gelegt, nachdem in den vergangenen Wochen immer wieder Vergewaltigungen da unten geschahen. Möglicherweise sogar eines der Opfer. Es gibt Leute, die beweisen oft, wenn es um ihre Interessen geht, bewundernswerte Energie und Ausdauer."

    „Und wo war die Polizei?", fragte Warner etwas spöttisch.

    „Immer, wenn wieder ein Vorfall war, patrouillierten in den Tagen drauf Beamte durch die Tiefgarage. Solange sie da waren, geschah nichts. Kaum waren sie weg, nun – das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen."

    „Wie wär‘s mit ‘nem Lockvogel gewesen? Eine hübsche Polizistin, die ..."

    Grazano unterbrach den Redakteur. „Über einen solchen Einsatz wurde gesprochen und beraten, aber man hat sich noch nicht entschließen können."

    „Was ist mit Helen Cummings?, wechselte Warner das Thema. „Gestern stand sie ja ziemlich unter Schock, erzählte mir mein Reporter. Hat sie zwischenzeitlich schon irgendwelche Angaben machen können?

    „Sie hat nichts gesehen. Die arme Frau lag halb besinnungslos auf dem Beifahrersitz, als die Schüsse krachten. Sie glaubt, ein Motorrad gehört zu haben. Aber ganz sicher ist sie sich nicht. Sie zittert jetzt noch vor Angst. Wahrscheinlich bedarf sie psychologischen Beistandes, um wieder auf die Beine zu kommen und ihren inneren Frieden zu finden."

    „Gibt es irgendwann ‘ne Pressekonferenz?", wollte Warner wissen.

    „Sie kriegen auf jeden Fall Bescheid", versprach Grazano.

    5

    Jim Hobbs verließ seine Wohnung in der Nähe des Kapitols. Es war finster. Der weiße Bau mit der prächtigen Kuppel in seiner Mitte wurde von Strahlern aus der Dunkelheit gehoben. Es mutete an, als wären die Wände des Gebäudes im neoklassischen griechischen Stil am Ostende der Mall transparent und von innen bis in den letzten Winkel erleuchtet.

    Jim Hobbs war gegen Kaution auf freien Fuß. Sein Anwalt hatte dafür gesorgt. Die 16-jährige, der er Gewalt angetan haben sollte, hatte sich im Kreuzverhör in einige Widersprüche verwickelt. Er, Hobbs, hingegen hatte genau abgewogene Antworten parat und immer wieder seine Unschuld beteuert.

    Das Mädchen war weinend zusammengebrochen. Die Fragen des Anwalts, der Hobbs verteidigte, geißelten es geradezu. Sie konnte zuletzt nur noch stammeln, dass Hobbs sie nach einem Discothekenbesuch nach Hause fahren wollte. Im Auto sei er dann über sie hergefallen.

    Es sprach viel gegen Hobbs. In seinem Wagen wurden genetisches Material von der 16-jährigen und Fasern ihrer Kleidung gefunden. Das Girl wies Verletzungen auf, die für eine Vergewaltigung sprachen. Dennoch ließ man Hobbs laufen!

    In der Ferne tobte ein heftiges Frühlingsgewitter. Immer wieder spalteten hinter dem Kapitol Blitze die Nacht. Fernes Donnergrollen war jedes Mal die Folge. Aber noch war das Gewitter nicht da. Der Regen würde noch ein wenig auf sich warten lassen. Bill Hobbs hatte es nicht besonders eilig.

    Er ging, vor sich hin pfeifend, zu seinem Auto, das er am Straßenrand geparkt hatte. Es stand unter einem Peitschenmasten, der einen Lichtkreis auf Straße und Gehsteig fabrizierte.

    Hobbs war guter Dinge. Er war schuldig. Ja, er hatte die Kleine hergenommen. Aber sein Anwalt würde das Ding schon schaukeln. Jim Hobbs wollte zu der Disco, in der er das Mädchen kennengelernt hatte. Es gab ja schließlich auch willige Girls ...

    Ein brauner Chevrolet blubberte heran. Der Lichtfinger der Scheinwerfer glitten durch die Dunkelheit. Der Klang, der die Straße erfüllte, war dumpf und satt. Zwei Leute saßen in dem Wagen. Sie trugen trotz der Nacht Sonnenbrillen mit schwarzen Gläsern. Beide waren sie in schwarzes Leder gekleidet. Das Leder schimmerte im Licht der Straßenbeleuchtung, die in den Pkw fiel.

    Auf Jim Hobbs‘ Höhe wurde der Chevy abgebremst. Der Wagen schaukelte in der Federung. Die beiden Insassen sprangen heraus. Es waren ein Mann von etwa dreißig und eine Frau. Beide hatten sie blonde Haare. Die des Mädchens waren nackenlang und gerade nach hinten gekämmt.

    Das Bemerkenswerteste an den beiden aber waren die MPs, die sie in den Händen hielten.

    Hobbs wurde aufmerksam. Er hatte die Autotür geöffnet und schon sein rechtes Bein aufs Bodenblech gestellt. Jetzt zog er das Bein wieder heraus und stellte es auf den Boden. Er wandte sich den beiden halb zu.

    Der Mann stand neben der Fahrertür, die MP an der Hüfte im Anschlag. Die Frau hatte sich auf der anderen Seite des Chevy postiert. Sie zielte über die Motorhaube auf Bill Hobbs. Als dieser mit siedendem Schrecken begriff, streckte der Tod schon die Knochenfaust nach ihm aus.

    Die Schnellfeuergewehre ratterten. Jim Hobbs brach neben seinem Auto sterbend zusammen. Das Peitschen stieß die Straße hinauf und hinunter. Dann warfen sich die beiden Killer in den Chevy. Die Türen schlugen. Der schwere Motor dröhnte auf. Die Räder des Wagens drehten durch, dann raste er davon. Bei einer Querstraße leuchteten die Bremslichter kurz auf, dann verschwand das Fahrzeug mit kreischenden Pneus um die Kurve. Der Klang entfernte sich, wurde leiser und leiser.

    Am darauffolgenden Tag erhielt Jeff Warner von der „Washington Post" wieder ein anonymes Schreiben. Alle Vergewaltiger werden bluten, stand da geschrieben, wie der erste Brief per Computer gefertigt und auf weißem Papier ausgedruckt.

    Warner wusste über den Mord in der Nähe des Kapitols Bescheid. Einer seiner Reporter war am Abend am Tatort gewesen. Der Chefredakteur ließ sich mit Grazano verbinden ...

    6

    Detective Lieutenant Gino Grazano startete im Zentralcomputer des Police Departements Washington D.C. einen Suchlauf. Er nahm sich sämtliche Vergewaltigungsfälle des vergangenen halben Jahres vor. Er war überzeugt davon, dass hinter den Morden an den Vergewaltigern eine Frau steckte, der ebenfalls Gewalt angetan worden war und die nun ihrem Hass freien Lauf ließ. Oder es steckte der Angehörige einer Frau dahinter, die missbraucht wurde und den dasselbe Motiv leitete – nämlich der Hass auf jeden Frauenschänder.

    Dass es sich bei den Morden um einen Rachefeldzug handelte, davon war Gino Grazano überzeugt. Aus Grazanos Sicht waren das Hinrichtungen gewesen.

    Grazano stieß auf einen Fall, der sein Interesse erregte. Es war die Sache Sabrina Winslow. Das Bild, das eingescannt worden war, zeigte eine Frau Mitte der 20, hübsch, mit ihren langen, blonden Haaren ausgesprochen sexy – eine Frau, der jeder echte Mann einen zweiten Blick nicht verweigerte.

    Sie war die Sekretärin eines Jack McLeod, der im Weißen Haus als Pressesprecher beim U.S. Department of the Interior tätig war. Genau dieser Jack McLeod sollte sie ziemlich übel in einem Hotel missbraucht haben, als er mit ihr zusammen auf einer Dienstreise war.

    Grazano las aufmerksam die Ermittlungsergebnisse durch. Danach kam für ihn kein anderer als McLeod als Vergewaltiger in Frage. Nicht wenig überrascht war der Lieutenant, als er von dem Freispruch las.

    Er fing an, eine Reihe von Gedanken anzustellen. Und am Ende seiner Gedanken entschloss er sich, Sabrina Winslow einen Besuch abzustatten. Ihre Anschrift konnte er aus der elektronischen Ermittlungsakte entnehmen.

    Es war um die Mittagszeit, als er an Sabrinas Wohnungstür läutete. Sie öffnete. Grazano wies sich aus. Er registrierte, dass sich Sabrina die langen blonden Haare abschneiden hatte lassen. Sie waren nur noch nackenlang und glatt nach hinten gekämmt. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, wirkte erloschen und leer. Ihm entging nicht der herbe Zug, der sich in ihren Mundwinkeln festgesetzt hatte.

    „Ich hätte Sie gerne gesprochen, Miss Winslow, sagte Grazano. „Es geht um die Sache McLeod.

    Sabrina zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Und jetzt belebte sich ihr Blick auch. Sekundenlang glühte es in ihren Augen auf, dann gab sie zu verstehen: „Die Sache ist erledigt. Der Schuft ist freigesprochen worden. Ich will nichts mehr davon hören."

    „Ja, McLeod wurde für nicht schuldig befunden, murmelte Grazano, indes er Sabrina aufmerksam beobachtete. Ihre Reaktion, die all den Hass reflektierte, der in ihr lebte, war ihm nicht verborgen geblieben. „Sie fühlen sich – hm, wie soll ich sagen ...

    „Ich fühle mich verarscht, stieß Sabrina leidenschaftlich hervor. „Die Beweislage war ziemlich eindeutig, dennoch hat ihn die Jury von jedem Vorwurf freigesprochen. Ich stand am Ende als diejenige da, die ihn verleumdete, die seinen Ruf schädigte, die ihm das gesellschaftliche und politische Aus bescheren wollte. Mein Name wurde durch die Medien gezerrt. Man veranstaltete eine regelrechte Hexenjagd auf mich. Ich bin arbeitslos seitdem. Wo ich mich auch beworben habe – jeder winkte dankend ab. McLeod hat mein Leben zerstört, Lieutenant.

    Ein trockenes Schluchzen folgte diesen Worten.

    „Kann ich einen Augenblick reinkommen?", fragte Grazano.

    Sie nickte und ließ ihn an sich vorbei in die Wohnung treten. Dann saßen sie sich im Wohnzimmer gegenüber. Grazano schaute sich um. Er sah eine moderne Einrichtung, wie es einer Frau in Sabrinas Alter zukam. Viel Chrom und Glas, moderne Drucke an den Wänden, einige Bücher ...

    Schließlich fixierte Grazano sie eindringlich und sagte: „In den vergangenen Tagen sind drei Morde in Washington D.C. verübt worden, Miss. Tags darauf erhielt die Washington Post jeweils eine anonyme Mitteilung, auf der nicht mehr und nicht weniger stand, als dass alle Vergewaltiger bluten müssen."

    Sabrina musterte den Polizisten regungslos. Eine ganze Weile hing zwischen ihnen lastendes Schweigen. Dann ertönte Sabrinas sarkastische Stimme: „Was liegt näher, als dass ein Vergewaltigungsopfer diese Morde begangen und die Briefe geschrieben hat, nicht wahr? O ja, es liegt auf der Hand. Und deshalb sind Sie hier, Lieutenant. Sie denken, dass ich, nachdem mir großes Unrecht zugefügt wurde, Amok laufe."

    „Ich verfolge nur Spuren, versetzte Grazano. „Eine davon führt zu Ihnen, Miss. Ich darf nichts außer Acht lassen. Leben Sie alleine hier?

    Sabrina nickte.

    „Besitzen Sie ein Motorrad?"

    Die Antwort bestand zunächst in einem Kopfschütteln. „Ich fahre einen VW Golf, murmelte Sabrina dann. „Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich ihn hergeben muss, wenn ich nicht bald eine neue Anstellung finde.

    „Wie stehen Sie zu McLeod?"

    „Ich hasse ihn!, stieß Sabrina leidenschaftlich hervor. Ihre blauen Augen hatten sich verdunkelt. „Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass er in die Hölle fährt.

    „Harte Worte für eine Frau", meinte Grazano versonnen.

    „Eine Frau, die gedemütigt und geschändet wurde, erklärte sie kehlig, „und die man zuletzt noch verhöhnte.

    „Ihre Art zu sprechen verrät viel über Ihr Innenleben, Miss Winslow", knurrte Grazano.

    „Mein Innenleben wurde abgetötet, antwortete sie schwer. Sie atmete tief durch, dann sank ihre Stimme herab und war nur noch ein fanatisches Geflüster: „Ich hoffe im Fall McLeod auf die himmlische Gerechtigkeit, Sir. Die irdische hat versagt. Aber früher oder später bekommt jeder, was er verdient. Ja, ich hasse McLeod. Aber das ist für mich kein Grund, x-beliebige Leute umzubringen. Wenn Sie eines Tages den Kadaver von McLeod irgendwo finden sollten, dann können Sie sich vielleicht an mich wenden. Aber nur dann!

    „Besitzen Sie seine Waffe, Miss?", fragte sie der Detective Lieutenant etwas pikiert.

    „Nein."

    „Darf ich mich in Ihrer Wohnung etwas umsehen?"

    „Jederzeit."

    Grazano verzichtete letztendlich darauf und erhob sich. Er würde nichts Verdächtiges finden. Davon war er überzeugt. Falls sie eine Waffe besaß, dann verwahrte sie diese nicht in der Wohnung. Er ging zur Tür. Dort wandte er sich noch einmal um. „Ach ja, sagte er, „was ich beinahe vergessen hätte, Miss: Wo waren Sie am siebenundzwanzigsten März zwischen einundzwanzig und zweiundzwanzig Uhr, und wo gestern Abend zwischen acht und neun Uhr?

    „Am siebenundzwanzigsten?, überlegte Sabrina. „Das war heute vor genau einer Woche. Hm ...

    „Sie wissen es nicht?", kam es wie aus der Pistole geschossen von Grazano.

    „Wissen Sie, was Sie am siebenundzwanzigsten abends zwischen neun und zehn gemacht haben?"

    Grazano lächelte. „Wenn ich nicht auf Verbrecherjagd war, dann hab ich wahrscheinlich in die Glotze geschaut. – Okay, was haben Sie gestern Abend zwischen acht und neun gemacht?"

    „Ich war bei meiner Mutter zu Besuch."

    Grazano nagte an seiner Unterlippe. „Wird das Ihre Mutter bestätigen können?"

    „Ja. Fragen Sie sie ruhig, Lieutenant."

    „Wo wohnt Ihre Mutter?"

    Sabrina nannte ihm die Adresse. Grazano verließ die Wohnung.

    Eine Stunde später wurde ihm von Sabrinas Mutter bestätigt, dass Sabrina schon am späten Nachmittag zu ihr nach Hause gekommen und fast bis Mitternacht geblieben sei.

    Also kam Sabrina Winslow für ihn nach diesen ersten Erkenntnissen kaum als Mörderin in Frage. Trotzdem beschäftigte ihn sein ganzes Denken unablässig mit der schönen Frau, der man seiner Meinung nach übel mitgespielt hatte und die vom Hass auf McLeod verzehrt wurde.

    7

    Milo und ich befanden uns seit Montag auf einem Lehrgang, der im Hauptquartier in Washington abgehalten wurde. Mr. McKee, der Special Agent in Charge des Field Office New York, unser Chef also, hatte uns beide für diese Woche abgestellt und verschmitzt lächelnd gemeint, dass uns eine Woche der Entspannung mal nicht schaden könnte.

    Es ging um Strategien in der Terroristenbekämpfung, nachdem wir noch alle unter den Nachwirkungen der Ereignisse vom 11. September litten.

    Das mit der Entspannung war natürlich etwas, dem wir uns nicht verschließen konnten, und so fuhren wir. Heute hatten wir den zweiten Tag hinter uns gebracht. Wir hatten uns mit zwei G-men vom Field Office Washington zum Abendessen verabredet. Es waren die Special Agents Bill Pherson und Nancy Morgan, ein 26-jähriges, verdammt hübsches Girl.

    Es war 20 Uhr. Pünktlich trafen wir im „Cendrillon" ein. Philippinische Küche, ausgezeichneter Service, ausgezeichnetes Bier – so wurde uns der Laden geschildert.

    Fast zeitgleich mit uns kamen Bill Pherson und die das Auge erfreuende Nancy Morgan an. Wir begrüßten uns. Sowohl Milo als auch ich hielten die weiche Hand des Girls etwas länger fest, als es für einen Gruß unbedingt erforderlich war. Nancy strahlte uns an, und ich war fest davon überzeugt, dass ihr Strahlen bei mir eine Idee strahlender ausfiel.

    Wir setzten uns, und als eine Bedienung kam und uns die Speisenkarten brachte, vertieften wir uns erst einmal in diese Lektüre. Schließlich bestellten wir. Unsere Konversation beschränkte sich auf den vergangenen Tag, wir kauten die eine oder andere Strategie durch, die uns die Ausbilder ans Herz gelegt hatten, und jeder von uns wusste, dass wir mit unserer eigenen Strategie wohl am besten fuhren.

    Es war 20 Uhr 25, als Bill Phersons Handy in seiner Jackentasche zu dudeln begann. Er fischte es heraus, drückte Ok und hielt sich das zigarettenschachtelgroße Gerät ans Ohr.

    Bill lauschte. Und je länger er lauschte, umso mehr strafften sich seine Gesichtszüge. Seine Brauen schoben sich zusammen. Über seiner Nasenwurzel standen zwei steile Falten.

    Wir beobachteten ihn gespannt. Bill beendete das Gespräch, schaute von einem zum anderen, dann blieb sein Blick an Nancy hängen, und er presste zwischen den Zähnen hervor: „Auf den Pressesprecher im Innenministerium, Jack McLeod, wurde ein Briefbombenattentat verübt. Es soll ihm beide Hände zerfetzt haben. Wegen Personalmangels musste der Chef auf uns zurückgreifen, Nancy. Ich schätze, für uns ist der Lehrgang zu Ende."

    Nancy seufzte. „Man gönnt uns aber auch gar nichts. Philippinische Küche ade. – In seiner Wohnung?"

    Bill schaute fragend.

    „Ich meine, ob das Attentat in seiner Wohnung auf ihn verübt wurde", verdeutlichte Nancy.

    „Ja. Bill erhob sich. „Tut mir leid, Kollegen. Aber wir haben Order, uns sofort darum zu kümmern. Lasst euch das Essen schmecken. Bei passender Gelegenheit könnt ihr uns ja berichten, was noch so an Strategien entwickelt wurde. Bill grinste grimmig nach diesen Worten.

    Auch Nancy stemmte sich in die Höhe.

    „Moment. Milo hatte die Rechte gehoben. „Nicht so schnell, Leute. Vielleicht fragt ihr mal den Kollegen Trevellian und mich, ob wir mitkommen wollen. Brächte doch etwas Abwechslung ins lahme Spiel.

    „Wir möchten euch doch nicht um eure wohlverdiente Ruhe bringen, G-men", lächelte Nancy. Sie ging, um ihren Trenchcoat zu holen.

    Wie auf ein geheimes Kommando erhoben Milo und ich uns. Als Nancy zurückkam, griff ich nach dem Trenchcoat, kam Milo zuvor, und half Nancy hinein. Bill, der seinen Übergangsmantel ebenfalls geholt hatte, musste sich allein anziehen.

    „Im Ernst, gab ich zu verstehen. „Wir würden gerne mitkommen. Briefbombe hört sich nach Terrorismus an. Verbinden wir die trockene Theorie des Lehrgangs eben gleich mit der Praxis.

    Die asiatische Bedienung eilte heran. „Gleich kommen Ihre Getränke und Ihr Essen, schnatterte sie. „Sie können doch nicht bestellen und dann einfach verschwinden. Soll ich das Zeug vielleicht selbst ...

    „Wir bezahlen natürlich, was wir bestellt haben, beruhigte Bill sie. „Machen Sie die Rechnung. Aber machen Sie schnell. Es ist dringend!

    Die Bedienung war zufrieden. Gleich darauf brachte sie einen Kassenbon. „Alles zusammen oder ..."

    „Ja, ja", drängte Bill und zückte seine Geldbörse. Er ließ ihr ein gutes Trinkgeld, dann drängten wir aus dem Lokal. Der Philippino, der das Lokal betrieb, hatte ein gutes Geschäft gemacht.

    Bill und Nancy rannten zu ihren Autos. Milo und ich teilten uns den Wagen. Wenig später rollten wir durch die abendliche Hauptstadt unseres Landes. Bill fuhr voraus. Er wusste die Adresse. Man hatte sie ihm anlässlich des Gesprächs durchgegeben.

    Als wir bei McLeods Haus in einem Nobelwohnviertel ankamen, war der Politiker schon vom Emergency Service ins Hospital gefahren worden. Seine Frau hatte ihn begleitet, während seine Tochter zurückgeblieben war.

    Im Haus wimmelte es von Polizisten. Die Cops von der Spurensicherung waren emsig am Werk.

    Die Halle des Hauses war geräumig und exklusiv eingerichtet. Dort, wo der Politiker den Brief geöffnet hatte, zeugten Spuren der Verwüstung von dem explosiven Inhalt. Die Reste des Kuverts lagen angekohlt auf dem Boden. Der Teppich wies Brandspuren und Blutflecke auf.

    Ein Italoamerikaner stellte sich uns als Detective Lieutenant Gino Grazano von der Mordkommission vor. Er hatte das Field Office des FBI verständigt. Denn wenn Bomben im Spiel waren oder wenn ein terroristischer Hintergrund zu vermuten war, dann war das FBI gefordert.

    Obwohl die 18-jährige Tochter McLeods noch ziemlich verstört war, hatte Grazano bereits ein erstes Verhör durchgeführt. „Es läutete gegen neunzehn Uhr dreißig an der Wohnungstür, berichtete der Mann von der Mordkommission. „Ein privater Zustelldienst gab einen braunen Umschlag ab, der an Jack McLeod persönlich adressiert war. Da die Familie gerade zu Abend aß, legte er den Brief hier in der Halle auf den Tisch.

    Grazano wies auf besagtes Möbelstück, um das Polstermöbel gruppiert waren, die andere Leute nicht mal in ihrem Wohnzimmer stehen hatten. Dann fuhr er fort: „Nach dem Essen ging McLeod in die Halle, um den Brief zu öffnen. Was dann geschah, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Es gab einen Knall, McLeod brüllte wie am Spieß, das Mädchen sah nur noch Rauch und Blut."

    Milo und ich hörten nur zu.

    „Trug der Brief einen Absender?, fragte Nancy Morgan. „Oder ist der Poststempel noch zu erkennen, damit man feststellen kann, wo er aufgegeben wurde.

    „New York, sagte Grazano. „Denn McLeod sagte, als er den Brief in Empfang genommen hatte: Wer schickt mir denn einen Brief aus New York?

    „Also trug er keinen Absender, mischte ich mich ein, „denn dann hätte er sich diese Frage nicht zu stellen brauchen.

    Milo klopfte mir anerkennend auf die Schulter. Er schwieg dazu. Aber er grinste niederträchtig.

    „Ein Mann wie McLeod hat unter Umständen viele Feinde, murmelte Bill Pherson. „Nicht nur im gegnerischen Lager – ich meine, politisch gesehen. Wobei ich nicht glaube, dass die Demokraten Briefbomben versenden.

    „Gab es eine Ankündigung oder Drohungen?", fragte ich.

    „Kaum, erwiderte Grazano. „Damit hätte McLeod sicher nicht hinter dem Berg gehalten.

    „Wahrscheinlich steckt ein terroristischer Akt dahinter", meinte Bill Pherson.

    „Da bin ich mir nicht sicher", verlieh Grazano seinen Zweifeln Ausdruck. Vor seinem geistigen Auge erschien Sabrina Winslow, die hübsche Blondine.

    Erwartungsvoll fixierten wir Grazano. Der hob die Schultern, ließ sie wieder sinken und fuhr fort: „Es hat da eine Sache gegeben. Einen Prozess wegen Vergewaltigung, in dem McLeod freigesprochen wurde. Die Lady, die ihn des Verbrechens bezichtigte, ist voll Hass auf ihn. Ich hab mit ihr vor einigen Tagen gesprochen, weil drei Morde geschahen, die jedes Mal von einem anonymen Schreiben begleitet wurden, in dem es hieß, dass alle Vergewaltiger bluten müssen."

    Grazano machte eine kurze Pause, kramte in seinem Gedächtnis, dann knurrte er: „Wenn eines Tages McLeod irgendwo tot aufgefunden werde, dann könnte ich mich an sie wenden, meinte sie, als ich sie wegen der Morde befragte."

    „Das ist ja interessant, murmelte Nancy. „Wo wohnt diese Sabrina Winslow?

    Grazano schrieb die Adresse auf die Rückseite seiner Visitenkarte und gab sie Nancy. Schließlich grollte sein Organ: „Dann kann ich jetzt ja wohl nach Hause fahren. Ich schreibe morgen einen Bericht und schicke ihn euch postwendend. Ich bin draußen aus der Nummer. Viel Glück, Leute. Hat mich gefreut, euch kennengelernt zu haben."

    Er kam nicht weit. Vor dem Haus wurde er von Reportern aller Medienrichtungen überfallen. Wir, also Nancy, Bill, Milo und ich, schlichen uns vorbei und kamen unangefochten zu unseren Autos.

    8

    Sabrina war nicht zu Hause. Sie lebte in einer Wohnung in der 3. Etage eines Mietshauses in einer Wohnstraße mitten in Washington D.C. Eine Nachbarin konnte uns auch nicht weiterhelfen.

    Also beschlossen wir, vor dem Haus zu warten. Langsam machte sich bei uns allen der Hunger bemerkbar. Bill fuhr also zu einem Burger King und holte ein Paar Hamburger. Diesmal übernahm ich die Rechnung.

    Die Zeit schien stillzustehen. Immer wenn ein Pkw die Straße entlangkam, riss es uns hoch. Im Autoradio gab es nichts als Sondersendungen wegen des Attentats auf den innerpolitischen Sprecher der Republikaner.

    Schließlich kam ein metallic-grüner Golf die Straße entlang gerollt. Mit diesem Tempo fuhr nur jemand, der eine Parklücke suchte. Und es war so. Der Golf wurde rückwärts eingeparkt. Hinter dem Steuer sahen wie eine Frau mit nackenlangen, blonden Haaren sitzen. Sie musste zweimal hin und her rangieren, bis der Wagen richtig stand. Dann wurde der Motor abgestellt, die Scheinwerfer verloschen, die Frau stieg aus. Sie schloss das Fahrzeug ab und näherte sich der Tür des Hauses, in dem Sabrina Winslow wohnte.

    Bill Pherson stieg aus seinem Wagen und folgte ihr mit langen Schritten. „Miss Winslow!", rief er.

    Sie hatte schon den Drehknopf der Haustür in der Hand, als die Stimme sie erreichte. Sie blickte über die Schulter hinter sich und sah den Mann heraneilen. „Ja", sagte sie.

    „FBI, rief Bill. „Ich muss mit Ihnen reden.

    Jetzt stieg auch Nancy aus und überquerte die Fahrbahn. Milo stieß mich an. Auch wir verließen den Wagen.

    „Aha, rief Sabrina. „Ihr seid ja ziemlich schnell. Es ist wegen des Attentats auf das Schwein McLeod. Leider hat es ihm nur die Hände abgerissen.

    Bill brauchte nicht zu fragen, woher sie ihre Kenntnis hatte. Wie schon gesagt: Es kam pausenlos im Autoradio durch.

    Bill hatte Sabrina erreicht. Nancy stieß ebenfalls hinzu. Dann kamen wir.

    Sabrina musterte uns nach der Reihe. „Ist da irgendwo in der Nähe ein Nest mit FBI-Agenten?, fragte sie ohne die geringste Beunruhigung. „Sie haben mit Grazano gesprochen wie?, wandte sie sich dann wieder an Bill.

    Der nickte, dann fragte er: „Wo kommen Sie her, Miss?"

    „Ich war bei meiner Mutter. Seit ich wegen McLeod meinen Job verloren habe und Dank der Pressehaie keinen neuen mehr finde, bin ich oft bei meiner Mutter. Ich bin nämlich auf ihre finanzielle Unterstützung angewiesen."

    „Nun, nach dem, was Sie Grazano flüsterten, sehen Sie doch wohl ein, dass wir Sie ganz oben in der Reihe der Verdächtigen ansiedeln, Miss Winslow, murrte Bill. „Können wir uns mal etwas in Ihrer Wohnung umsehen?

    „Warum nicht?, meinte Sabrina achselzuckend. „Ich hab dem Schwein keine Bombe ins Haus geschickt. Ich hab nichts zu verbergen.

    Wir folgten ihr in ihre Wohnung. Wir durchsuchten alles. Milo und ich halfen Bill und Nancy, obwohl wir in dieser Sache eigentlich nur als Statisten fungierten.

    Nancy setzte sich an Sabrinas Computer und fuhr ihn hoch. Dann sichtete sie sämtliche Textdateien, die sie finden konnte. Sie schaute auch im Papierkorb nach. Einen Brief mit dem Wortlaut „Alle Vergewaltiger müssen bluten" fand sie nicht. Auch keine Online-Anleitung für den Bau einer Briefbombe.

    Es gab überhaupt nichts, was darauf hingedeutet hätte, dass Sabrina mit dieser Sache irgendetwas zu tun hatte. Das einzige, was sie auffällig machte, waren der unverhohlene Hass auf McLeod und ihre wenig frommen Wünsche, was seinen Gesundheitszustand anbetraf. Sie hätte in den Nachrichten lieber vernommen, dass es ihn den Schädel weggerissen hätte.

    Das gab sie zumindest dazwischen einmal zu verstehen.

    Wir zogen also wieder ab. „Bei allem, was sie McLeod an den Hals wünscht, könnte man fast sicher sein, dass sie hinter dem Anschlag steckt, meinte Nancy, als wir wieder auf der Straße standen. „Andererseits hege ich ziemliche Zweifel. Gerade weil sie ihm so ziemlich alles Schlechte gönnt. Mörder verschweigen in der Regel ihre Gefühle. Außerdem frage ich mich, ob sie fähig ist, eiskalt zu morden und eine Briefbombe zu basteln.

    „Wir müssen sie auf jeden Fall in den möglichen Täterkreis einbeziehen, versetzte Bill. „Doch jetzt sollten wir ins Büro fahren und uns mal wegen der Vergewaltigungssache kundig machen. Außerdem kann ich mir im Gegensatz zu dir sehr wohl vorstellen, dass Sabrina Winslow in ihrem Hass zu einigem fähig ist, Nancy.

    Ich musste Bill recht geben. Der Hass hat viele Gesichter. Bei vielen Zeitgenossen macht er sich gewaltsam Luft. Das sind die Amokläufer, die alles umnieten, was ihnen vor die Flinte kommt. Bei anderen lodert er im Verborgenen. Aber sie sind nicht minder gefährlich.

    Als wir im Sportwagen hinter Bill her zum Field Office fuhren, meinte Milo nachdenklich: „Was mir an der ganzen Sache spanisch vorkommt, ist die Tatsache, dass der Brief in New York aufgegeben wurde."

    „Darüber hab ich mir auch schon meine Gedanken gemacht, Milo, erwiderte ich und nickte. „Zwischen New York und Washington liegen immerhin an die fünfhundert Kilometer. Wenn diese Sabrina Winslow dahintersteckt, dann muss sie mit dem Brief nach New York geflogen sein, den Brief aufgegeben und sofort wieder den Rückflug angetreten haben. Aber warum ausgerechnet New York?

    „Tja, knurrte Milo, „das ist hier die Frage.

    Im Büro von Bill und Nancy angekommen, erfuhren wir sehr schnell, was sich hinter Sabrina Winslows Hass verbarg. Und als wir alles gecheckt hatten, war jeder von uns davon überzeugt, dass McLeod wohl tatsächlich dem blonden Girl Gewalt angetan hatte. Der ganze Fall stank gewaltig nach einem Justizskandal.

    „Vielleicht sollten wir uns mal den guten McLeod ein wenig genauer ansehen", meinte Nancy.

    „Der wird uns auf den Urteilsspruch verweisen und im Übrigen keine Ahnung haben, wer ihm die Flossen wegsprengte", schnappte Bill, der nach unseren kurzen Recherchen nicht mehr viel für den Politiker übrig zu haben schien.

    „Außerdem wird er kaum vernehmungsfähig sein", gab ich zu bedenken.

    Bill und Nancy beschlossen, es für heute gut sein zu lassen und nach Hause zu fahren.

    Also machen Milo und ich uns auf, um ins Hotel zu kommen, um am nächsten Tag frisch und munter für die neuen Strategien in der Terroristenbekämpfung zu sein.

    9

    Der Brief, der einen Tag nach dem Anschlag auf McLeod bei der „Washington Post" einging, beinhaltete zwei Sätze: Jetzt blutet auch das Schwein McLeod! Aber er wird noch mehr bluten.

    Jeff Warner wandte sich sofort wieder an Gino Grazano, der aber verwies ihn an das FBI.

    Wenig später hatte Warner den Special Agent Bill Pherson an der Strippe. Nachdem er Bill von dem Schreiben und seinem Inhalt berichtet hatte, fügte er hinzu: „Wie schon die Sendung an McLeod mit der Briefbombe trägt auch dieses Schreiben einen New Yorker Poststempel, und zwar den von vorgestern. Die vorherigen Briefe jedoch wurden in Washington aufgegeben."

    „Ich lasse das Schreiben und das Kuvert abholen", versprach Bill Pherson.

    „Verfolgt das FBI schon eine heiße Spur?", wollte der Zeitungsmann wissen.

    „Eine Spur schon, sagte Bill. „Aber sie scheint nicht sehr heiß zu sein, fügte er hinzu und beendete das Gespräch.

    Nancy Morgan, die über den eingeschalteten Lautsprecher das Gespräch mitverfolgen konnte, murmelte: „Der Brief wurde wahrscheinlich zugleich mit der Sendung an McLeod zur Post gegeben. Man sollte vielleicht mal das Alibi Sabrina Winslows in der vergangenen Woche durchleuchten."

    „Yeah, murmelte Bill, „und das machen wir sofort.

    Sie fuhren zur Wohnung Sabrinas. Es war um die Mitte des Vormittags. Sabrina öffnete ihnen und ließ sie ohne zu zögern in die Wohnung. Auf die Fragen der beiden Beamten erklärte sie, dass sie in der vergangenen Woche in Washington bei drei Firmen zur Vorstellung war und sie sich im Übrigen in ihrer Wohnung oder in der Wohnung ihrer Mutter aufgehalten habe. Das zu überprüfen bleibe den Agenten unbenommen.

    Bill und Nancy überprüften natürlich die Angaben der jungen Frau. Die Firmen, bei denen sie sich vorgestellt hatte, bestätigten Sabrinas Aussage. Bill und Nancy stellten fest, dass zwischen den Terminen jeweils ein Tag lag, so dass Sabrina unmöglich in New York gewesen sein konnte. Außerdem erklärte Sabrinas Mutter, dass das Girl fast jeden Tag bei ihr zum Essen gewesen sei.

    Die Agenten des Washingtoner FBI standen vor einem Rätsel. Sabrina wurde beschattet. Ihre Telefongespräche wurden überprüft. Das Ergebnis war gleich Null.

    10

    Am Freitag Mittag endete der Lehrgang. Milo und ich hatten am Morgen schon die Hotelzimmer geräumt und unsere Reisetaschen auf dem Rücksitz des Wagen verstaut. Wir fuhren noch bei Nancy Morgan und Bill Pherson vorbei, um uns zu verabschieden.

    Wir hörten, dass die Ermittlungen bezüglich der drei Morde und des Anschlags auf Jack McLeod stagnierten. Nancy wusste uns auch zu berichten, dass die linke Hand McLeods amputiert werden musste, und dass er an der Rechten die vier Finger verloren hatte.

    Bill meinte: „Wir haben den letzten Brief, der bei der Washington Post einging, auf Fingerabdrücke checken lassen. Es gab einige Prints, aber keiner stimmte mit denen Sabrina Winslows überein."

    „Und die Prints auf den anderen Briefen?", fragte ich.

    „Ebenso wenig."

    Nach der Verabschiedungszeremonie traten wir schließlich den Heimweg an. Ich gab dem Sportwagen Schnur, natürlich nur im Rahmen der zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten. Die Phasen allerdings, in denen ich ihn treten konnte, dauerten meistens nicht sehr lange. Dann ging es wieder nur im Schritt voran oder wir standen und warteten, dass sich der Stau auflöste. Das war dann immer ein Anlass für Milo, darauf hinzuweisen, dass wir mit der guten alten Postkutsche oder einem Conestoga-Schoner auch nicht länger nach New York unterwegs sein würden.

    Schließlich war es fast 19 Uhr, als wir in New York eintrafen. Wir beschlossen, noch einen Blick ins Büro zu werfen, nach eingegangenen E-Mails zu sehen und uns einen Überblick darüber zu verschaffen, was uns am kommenden Montag für ein Wust von Akten erwartete. Außerdem rechneten wir schwer damit, dass Mr. Jonathan D. McKee noch anwesend war. Natürlich wollten wir es dann nicht versäumen, dem Chef unsere Aufwartung zu machen.

    E-Mails hatten wir genug bekommen. Lesen wollten wir sie erst am Montag. Die Akten, die sich auf unseren Schreibtischen angesammelt hatten, hielten sich in Grenzen, also schauten wir beim SAC vorbei.

    Erfreut begrüßte Mr. McKee uns. Er forderte uns auf Platz zu nehmen, dann schaute er uns an, schließlich blieb sein Blick an mir hängen, und ich fühlte mich aufgefordert, zu sprechen.

    „Besonders viel Neues haben wir nach der Woche nicht zu bieten, Sir, sagte ich. „Es war alles mehr eine Vertiefung der Weisungen, die wir ja schon in Schriftform erhalten haben. Natürlich ging es um die Strategien bei der Umsetzung, aber da kann man keine starren Vorgaben machen. Das ist individuell – von Fall zu Fall unterschiedlich.

    „Na, wenn schon der Lehrgangsstoff nicht besonders ertragreich war, dann hoffe ich wenigstens, dass Sie beide sich einigermaßen erholt haben", kam es lächelnd vom Chef.

    „Fast zu sehr, erwiderte Milo. „Nach spätestens drei Tagen fehlte mir der echte, knochenharte Fall. In der Theorie kommt einfach kein Nervenkitzel auf.

    „Was nicht heißen soll, dass wir vollkommen verschont geblieben wären, Sir, wandte ich ein. Dann erzählte ich ihm von der Briefbombe, die Jack McLeod die Hände zerfetzte, und von den Morden an den Vergewaltigern. „Die Briefbombe und der letzte Brief an die Washington Post waren übrigens in New York aufgegeben worden, endete ich.

    „Ja, von dem Anschlag auf McLeod habe ich gehört, nickte Mr. McKee. „Die Nachricht ging durchs Land wie ein Lauffeuer.

    Milo berichtete dem Chef noch von Sabrina Winslow, die nach allem, was wir feststellen konnten, wohl tatsächlich von McLeod vergewaltigt worden war und in der Rangfolge der Verdächtigen ganz oben stand.

    „Der Freispruch McLeods war nichts anderes als ein Rechtsbruch, murmelte Milo. „Alles sprach gegen ihn, und dennoch befand ihn die Jury für nicht schuldig. Die Gerechtigkeit blieb wieder einmal auf der Strecke.

    „Das ist aber kein Grund, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, versetzte Mr. McKee mit gerunzelter Stirn. „Die Zeiten der Selbstjustiz sind längst vorbei.

    „Das ist richtig, Sir, nickte Milo. „Aber versetzen Sie sich mal in die Lage dieser Sabrina Winslow. Der Skandal hat ihr Leben zerstört. Sie hat ihren Job verloren, um einen neuen zu kriegen ist sie viel zu bekannt – nach dem Freispruch McLeods negativ bekannt. Sie wurde gedemütigt und entehrt – und am Ende durfte McLeod über sie triumphieren. Können Sie sich nicht vorstellen, Sir, dass ein Mensch in dieser Situation den Glauben an das Recht verliert und es selbst in die Hand nimmt?

    „Sie heißen das doch nicht gut, Milo?", fragte der SAC erstaunt.

    „Gott bewahre, stieß Milo hervor. „Aber ein gewisses Maß an Verständnis könnte ich für Sabrina Winslow schon aufbringen, Sir, unterstellt, sie hat McLeod die Bombe geschickt.

    „Wenn es Ihr Fall wäre, sagte der Chef fast schleppend. „Wo würden Sie dann den Hebel ansetzen?

    „Bei Sabrina – und bei Jack McLeod, Sir", sagte ich und enthob Milo damit einer Antwort.

    „Jack McLeod wäre aus dem Schneider, Jesse, murmelte der Chef. „Der Freispruch gilt, selbst wenn sich hinterher die Schuld des Mannes herausstellen sollte.

    „Dann würde ihn das Leben strafen, Sir, warf Milo grollend hin. „Von ihm nähme kein Hund mehr auch nur ein Stück Brot.

    Mr. McKee nickte versonnen. „Und das wäre für einen Mann von seinem Schrot und Korn wahrscheinlich die größere Strafe als ein paar Jahre Gefängnis. – Okay, Jesse, Milo, genießen Sie das Wochenende und melden Sie sich am Montag in der Früh bei mir. Er schaute Milo an, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich hab sicher ein paar echte, knochenharte Fälle für Sie, Milo.

    Wir verabschiedeten uns.

    11

    Montag früh erhielten wir den Auftrag, gegen eine Handvoll Studenten zu ermitteln, die verdächtig waren, der Al-Qaida-Zelle New York anzugehören. Es waren drei Araber, die sich an verschiedenen Universitäten der Stadt angemeldet hatten, die auch einen Studienplatz erhielten, aber noch nie in einer Vorlesung gesehen wurden.

    Nun, kein spektakulärer Auftrag, aber es ist eben so, dass im Leben eines G-man nicht jeden Tag die Kugeln fliegen ...

    An diesem Abend aber änderte sich das schlagartig. Ich empfing den Funkspruch, dass in Harlem, in der 121th Street West, ein Schwarzer seine Stieftochter als Geisel genommen habe. Er drohte massiv, dem Girl mit einer Pumpgun den Kopf von den Schultern zu schießen, sollte seine Frau nicht freiwillig in die Wohnung zurückkehren.

    Milo setzte das Rotlicht auf das Dach des Wagen, ich schaltete die Sirene ein, dann gab ich dem Sportwagen Zunder. Aber trotz Rotlicht und Sirene kamen wir nur langsam voran. Die Fifth Avenue war total verstopft. Das Hupkonzert der stehenden Pkws übertönte noch das Heulen der Sirene, es ging nur stückchenweise voran. Schließlich erwischte ich die Ausfahrt zur Transverse Road Nr. 2 und fuhr quer durch den Central Park zum Central Park West. Und dann ging‘s wieder kerzengerade nach Norden.

    Es war immerhin 9 Uhr vorbei, als wir ankamen. Um 8 Uhr hatten wir den Funkspruch erhalten.

    Vor dem fünfstöckigen Brownstone-Haus mit der sechsstufigen Treppe zur Haustür war ein Konvoi von Einsatzfahrzeugen aufgefahren. Rote und blaue Lichtreflexe von den Lichtbalken der Policecars wurden gegen die Hauswände, auf die Straße und den Gehsteig geschleudert. Presseleute und Rundfunkreporter hielten sich in sicherem Abstand und sprachen in ihre Mikrofone. Wahrscheinlich brachten einige Sender das tragische Spektakel live. Die Cops waren in Deckung gegangen. Der Einsatzleiter stellte sich uns als Lieutenant Heck Manson vor.

    „Sein Name ist Sam Potter, achtundvierzig Jahre, schwarze Hautfarbe. Er hat das Mädchen schon seit über drei Stunden in seiner Gewalt, klärte er uns auf. „Der Kerl ist unberechenbar. Von seiner Frau wissen wir, dass er sich an Henna – so heißt das Mädchen –, vergeht, seit sie zwölf ist. Vor Kurzem hat sich Henna ihrer Mutter anvertraut. Die verließ ihren Mann auf der Stelle und zeigte ihn an. Da die Aussage des Girls gegen die des Mannes stand, ließ ihn der Haftrichter laufen mit der Auflage, dass er sich von Mutter und Tochter fernzuhalten und einmal in der Woche bei dem für ihn zuständigen Polizeirevier zu melden habe.

    „Und heute ist er durchgeknallt", sagte ich, ohne auf Antwort von irgendeiner Seite zu erwarten. Rein rhetorisch.

    „Ja, antwortete der Lieutenant dennoch. „Ich denke, er will seine Frau erschießen. Dann das Girl – und schließlich sich selbst. Was sollte er sonst von ihr wollen? Dass er sie mit dieser verrückten Aktion nicht zwingen kann, zu ihm zurückzukehren, wird er sich an fünf Fingern abzählen können.

    „Habt ihr Scharfschützen postiert?", fragte ich.

    „Rundum in den Häusern, von denen aus die Fenster der Wohnung anzuvisieren sind."

    „Hat mit dem Kerl schon jemand gesprochen?, wollte Milo wissen. „Hat‘s schon ein Psychologe versucht?

    „Alles sinnlos, G-man. Heck Manson winkte resigniert ab. „Er will seine Frau. Sie soll zu ihm in die Wohnung kommen. Das ist alles, was er verlangt. Im Moment zumindest.

    „Ist die Frau hergeholt worden?", fragte ich.

    „Natürlich ist sie da. Sie befindet sich in der Obhut zweier Kolleginnen und einer Psychologin. Er wies in Richtung Morningside Avenue. „Sie sitzen dort vorne, in einem der Fahrzeuge.

    „Verfügt das Haus über eine Feuerleiter?", fragte Milo.

    „Nein. Der Lieutenant schüttelte den Kopf. „Die hat man weggerissen, als das Haus renoviert wurde.

    „Mist, knurrte Milo und ließ seinen Blick die Fassade des Hauses hinaufgleiten. Keines der Fenster der Wohnung, in der sich der Geiselgangster befand, war erleuchtet. „Wie sieht es im Haus aus? Fragend schaute mein Kollege den Lieutenant an.

    „Treppe – kein Aufzug. Er hockt im dritten Stock in der linken Wohnung. Unsere Leute sind im Treppenhaus postiert. Das Gebäude haben wir geräumt."

    Milo nickte mir zu. Ich reckte die Schultern. „Also, wollen wir mal", sagte ich.

    „Was haben Sie vor?, fragte der Lieutenant fast entsetzt. „Er bringt das Mädchen um, wenn Sie ...

    „Gerade das zu verhindern sind wir hier", versetzte ich und nickte dem Cop freundlich zu.

    Im Schutz der parkenden Autos liefen wir den Gehsteig hinunter in Richtung Morningside Avenue.

    In diesem Moment bog ein Motorrad in die 121th ein. Zwei Leute, die in schwarzes Leder gekleidet waren und Sturzhelme mit heruntergeklappten Visieren trugen, saßen auf der Maschine. Der Fahrer bremste, als er die von Polizeiautos verstopfte Straße vor sich sah. Er fuhr an den Straßenrand.

    Wir achteten nicht drauf.

    In einem der Patrolcars sahen wir einige Leute sitzen. Ich öffnete die Beifahrertür. Die Innenbeleuchtung ging an. „Mrs. Potter", rief ich ins Autoinnere.

    Wir wurden von vier Augenpaaren angestarrt. Sie gehörten zwei Frauen in der Uniform der City Police, einer in Zivil und einer Farbigen.

    „Ja, Sir, hier ...", kam es kläglich, mit zerrinnender Stimme.

    „Kommen Sie, Mrs. Potter. Wir müssen hinauf, um Ihre Tochter zu retten. Es gelingt nur, wenn Sie uns helfen."

    „Wer sind Sie überhaupt?", schnappte die Lady in Zivil mit den streng zurückgekämmten Haaren und der großen Brille vor den Augen, die mich an eine Schulmeisterin aus der guten alten Zeit erinnerte.

    „Special Agent Trevellian, FBI New York", sagte ich.

    Die Psychologin schnappte angriffslustig. „Mrs. Potter ist mit ihren Nerven am Ende. Sie wollen die arme Frau doch nicht als Köder benutzen?"

    „Nein. Sie muss ihren Mann nur veranlassen, die Tür zu öffnen. Mrs. Potter wird keinen Lidschlag lang gefährdet sein. Dafür bürge ich."

    „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, entrüstete sich die streitbare Dame. „Das kann ich nicht zulassen. Ein derartiges Ansinnen ist ...

    Aber jetzt fuhr ihr Mrs. Potter in die Parade. Die Schwarze, die von Angst und Sorge um ihre Tochter fast zerfressen wurde, stieß hervor: „Ich komme mit, Mr. Trevellian. Um Henna zu retten, würde ich mein Leben geben. Lassen Sie mich aussteigen, Mrs. White. Ich vertraue den beiden G-men."

    „Das ist ein Vabanque-Spiel, Trevellian, keifte Mrs. White, die Psychologin. „Wenn es schief geht, werde ich dafür sorgen, dass Sie kein Bein mehr auf die Erde kriegen.

    „Färben Sie sich Gesicht und Haare schwarz, Mrs. White, knurrte Milo von der anderen Seite ins Auto. „Dann nehmen wir Sie mit.

    „Das ist ja ... Das ist ja ..." Der guten Lady fehlten die Worte ob dieser Respektlosigkeit. Sie japste wie ein Fisch auf dem Trockenen.

    „Es geht um Leben oder Tod meiner Tochter!", zeterte die Schwarze und drängte sich an Mrs. White vorbei aus dem Auto, denn sie saß eingeklemmt zwischen der Psychologin und einer Polizistin auf dem Rücksitz.

    Wir nahmen Mrs. Potter zwischen uns. „Sie können ganz beruhigt sein, Ma‘am, gab ich zu verstehen. „Wir wollen nur, dass Ihr Mann an der Korridortür Ihre Stimme hört. Sobald er die Tür öffnet, haben wir ihn.

    „Ich bin ruhig, erwiderte sie. „Jetzt, da ich weiß, dass nicht nur geredet und gewartet wird, bin ich ganz ruhig. Es geht schließlich um Henna. Sie schluchzte plötzlich. „Das Schwein hat sie sechs Jahre lang vergewaltigt, ohne dass ich was merkte. Henna schwieg aus Scham ..."

    Ich legte ihr die Hand auf die Schulter.

    Die beiden Motorradfahrer schauten zu. Sie hatten die Maschine verlassen und standen im Schatten eines Gebäudes auf dem Gehsteig. Ich registrierte sie zwar, schenkte ihnen aber weiter keine Beachtung. Mir fiel nur auf, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln musste, denn während die eine Gestalt groß und breitschultrig war, war die andere schlank und zierlich.

    Sie beobachteten, wie wir mit der Schwarzen die Straße hinuntergingen.

    Wir brachten Mrs. Potter zu Lieutenant Heck Manson. „Sie warten etwa fünf Minuten, Lieutenant, dann erklären Sie dem Geiselnehmer per Megaphon, dass seine Frau bereit ist, zu ihm in die Wohnung zu gehen. Er wird fordern, dass Sie das Haus von den Cops räumen lassen. Kommen Sie seiner Forderung nach. Und dann soll Mrs. Potter hinaufgehen und läuten."

    „Grundgütiger!, entfuhr es dem Lieutenant. „Wenn das mal nicht ins Auge geht.

    „Sollen wir warten, bis er völlig ausflippt und die Kleine killt?", schnaubte Milo.

    „Sie wissen, was Sie zu tun haben, Mrs. Potter, sagte ich. „Gehen Sie ganz ruhig hinauf und läuten Sie an der Tür. Sagen Sie ihm laut und deutlich, dass Sie bereit seien, zu ihm in die Wohnung zu kommen. In dem Moment, in dem er öffnet, sind wir dann an der Reihe. Klar?

    Die Frau nickte mit aller Entschiedenheit.

    Mir fiel noch etwas ein. „Gibt es in der Tür einen Spion?"

    „Ja."

    „Gut. Dann stellen Sie sich so hin, dass er Sie sehen kann. Sobald sich die Klappe des Spions schließt, weil er öffnet, treten Sie zur Seite."

    „Und – und wenn er durch die Tür schießt?", keuchte der Lieutenant.

    „Das wird er nicht", behauptete ich zuversichtlich, und lieferte auch gleich die Erklärung für meine Annahme: „Einer wie er will sich an der Angst seiner Opfer weiden. Er will sie leiden sehen. Nicht die Tatsache, dass er sie am Ende umbringt, befriedigt seine Rache.

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