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Tödliche Teenager: Ein rasanter und spannender Thriller
Tödliche Teenager: Ein rasanter und spannender Thriller
Tödliche Teenager: Ein rasanter und spannender Thriller
eBook472 Seiten6 Stunden

Tödliche Teenager: Ein rasanter und spannender Thriller

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Über dieses E-Book

Ein Opfer. Zwei Mörder.

Ein Verbrechen, das das gesamte Land schockiert.

Zwei gewalttätige Ex-Häftlingen sind wieder auf freiem Fuß –und ein Polizist ist ihnen dicht auf den Fersen. Luke Delaney, der "die Londoner Verbrecherszene wie seine Westentasche kennt" (The Times) erzählt in diesem Roman von der Tat, aber auch von deren Nachwirkungen.

2005 begehen zwei Teenager in London ein so abscheuliches Verbrechen, dass das ganze Land geschockt und aufgebracht ist. Als die Leiche der vierzehnjährigen Abigail Riley in einem unterirdischen Bunker gefunden wird, macht sich DS Fraser Harvey auf die Jagd nach ihren Mördern – deren Brutalität nur noch von ihrer Naivität übertroffen wird.
Elf Jahre später werden die jungen Mörder mit neuen Identitäten in ferne Länder umgesiedelt. Und der Fall lässt Harvey immer noch nicht los, er ist überzeugt, dass einer –oder beide –wieder töten werden.
Harvey befürchtet, als Einziger den Tod weiterer Unschuldiger verhindern zu können, und muss sich entscheiden, wie weit er dafür zu gehen bereit ist – zu welchem Preis für ihn selbst und auch für all die anderen, deren Leben durch Abigails furchtbares Schicksal für immer verändert wurde.

Was Leser:innen über Tödliche Teenager sagen:

»Auf jeder Seite hat man das Gefühl, im Zentrum einer polizeilichen Ermittlung zu stehen.« –Daily Mail

»Beängstigende Authentizität.« –The Sun

»Süchtig machend ... fesselnd und spannend.« –Richmond Times-Dispatch

»Dieses tolle Buch war mein erstes von Luke Delaney, der inzwischen einer meiner neuen Lieblingsautoren ist. Die Geschichte fesselt einen von Anfang an, und man liest weiter und weiß, dass man sie nie vergessen wird ... Ich vergebe selten 5-Sterne-Bewertungen. Aber bei diesem Buch? Auf jeden Fall!!!« –Amazon-Rezension ⭐⭐⭐⭐⭐

»... eine spannende Geschichte, die ich von Anfang bis Ende genossen habe ... Die Plot-Twists sorgen für Hochspannung ... Absolute Leseempfehlung." –Amazon-Rezension "Fantastisch geschrieben, düsterer Realismus vom Feinsten ... Ich war megagespannt, empfand Angst, Mitleid, Abscheu, Traurigkeit, eine absolute emotionale Achterbahnfahrt ... Ein großartiges Buch« –Amazon-Rezension ⭐⭐⭐⭐⭐

»... von Anfang an absolut fesselnd ... Kann sein nächstes Buch kaum erwarten ...« –Amazon-Rezension ⭐⭐⭐⭐⭐
SpracheDeutsch
HerausgeberJentas
Erscheinungsdatum27. Okt. 2023
ISBN9788742820421
Tödliche Teenager: Ein rasanter und spannender Thriller

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    Buchvorschau

    Tödliche Teenager - Luke Delaney

    Tödliche Teenager

    Tödliche Teenager

    Tödliche Teenager

    © Luke Delaney 2021

    © Deutsch: Jentas A/S 2023

    Titel: Tödliche Teenager

    Originaltitel: The Killing Boys

    Übersetzung : Christine Heinzius

    ISBN: 978-87-428-2042-1

    Published by arrangement with Rights People, London and Bloodhound Books Limited

    Prolog

    Kanada – Gegenwart

    Der Mann, der als Peter Delph bekannt war, ging zu einem kleinen Lebensmittelladen in der verschneiten Provinzstadt Morecroft in der Nähe von Montreal, Quebec. Er sah aus wie jeder andere Einheimische, war warm angezogen und trug eine Mütze mit Ohrenklappen im russischen Stil, war aber trotzdem gut zu erkennen. Er betrat den Laden, schnappte sich einen Korb und durchstöberte die Gänge, wählte desinteressiert das eine oder andere Produkt aus.

    Draußen hielt ein unscheinbarer Pick-up auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die Auspuffgase wurden in der eisigen Luft zu Wolken. Durch die getönten Scheiben war es unmöglich, den Fahrer zu sehen.

    Delph machte sich auf den Weg zur Kasse und reichte der Kassiererin, einer Frau mittleren Alters, seinen Korb – er reagierte zwar nicht auf ihren Smalltalk, lächelte sie aber freundlich an. Er bedankte sich und ging mit seiner vollen braunen Papiertüte hinaus.

    Der Fahrer wartete im Wagen. Er trug eine Sonnenbrille und eine tief ins Gesicht gezogene Baseballkappe, sein Kragen war hochgeschlagen. Eine Pistole lag auf seinem Schoß, während er über die verschneite Straße auf den kleinen Lebensmittelladen blickte – und wartete. Nach ein paar Sekunden verließ Delph den Laden und ging den Bürgersteig entlang. Der Fahrer stieg aus seinem Wagen und überquerte die Straße, folgte ihm auf dem Bürgersteig, kam ihm immer näher.

    Als Delph sein Auto erreichte und in seiner Tasche nach den Schlüsseln kramte, verringerte der Fahrer den Abstand, bis er nur noch wenige Meter entfernt war. „Peter Delph?", fragte er ruhig.

    Delph drehte sich um, überrascht, seinen Namen auf der Straße zu hören. Ein seltenes Ereignis in seinem neuen Leben. Als er sich umwandte, sah er den Mann dastehen, die Hände an den Seiten. „Kann ich etwas für Sie tun?", fragte er mit seinem englischen Akzent. Der Mann hob den Arm, eine Pistole mit Schalldämpfer in der Hand. Delph öffnete den Mund, als hintereinander zwei Luftstöße aus dem Schalldämpfer drangen, die Kugeln durchlöcherten die Einkaufstüte, bevor sie seinen Oberkörper trafen. Er brach auf dem Boden zusammen, die Einkäufe verteilten sich auf dem Bürgersteig. Der Mann ging zielstrebig auf ihn zu, stellte sich über ihn, die Waffe unablässig auf sein Gesicht gerichtet, während Delph nach Luft rang, verzweifelt zu sprechen versuchte, um sein Leben flehen wollte, während sich der Schnee unter ihm rot färbte. Plötzlich zwei weitere Schüsse, von denen einer in Delphs Stirn und der andere in sein rechtes Auge eindrang. Er fiel starr in den Schnee, begann dann zu zucken, weil sein Körper registrierte, dass sein Gehirn zerstört worden war. Sein Mörder war bereits im Wagen weggefahren, als sein Körper schließlich regungslos liegen blieb.

    Erstes Kapitel

    Irgendwo in England – 2016

    Während Detective Sergeant Fraser Harvey sich auf einer holprigen Anliegerstraße einem bescheiden aussehenden Farmhaus näherte, suchte er die Gegend nach Lebenszeichen ab, entdeckte aber nichts. Als er vor dem Haus anhielt, kam ein leger gekleideter Mann in den Vierzigern aus dem Haus und blieb an der Tür stehen, um Harvey genau zu beobachten, während der aus dem Auto stieg. Sie beäugten sich gegenseitig, es war jedoch offensichtlich, dass sie keine Fremden waren.

    „Alles in Ordnung?", fragte Harvey, als er auf den Mann zuging.

    „Alles in Ordnung", antwortete DS Collins.

    Harvey ging wortlos an ihm vorbei und betrat das Farmhaus, das drinnen eindeutig kein gewöhnliches Farmhaus war. Es sah eher aus wie eine Mischung aus einer Polizeistation und einem einfachen Haus. Zwei weitere Polizisten saßen dort und sahen gelangweilt aus – die Handfeuerwaffen deutlich sichtbar an ihren Gürteln. Beide nickten Harvey zu, der zurücknickte, bevor er einen Stuhl heranzog und sich setzte. „Was für eine verdammte Bruchbude, beschwerte sich Harvey. „Wir sitzen mitten im Nirgendwo fest. Ich hasse das verdammte Land – Kuhscheiße und Traktoren.

    „Passt zu unserer Aufgabe, sagte Collins lächelnd. „Keine neugierigen Blicke. Das ist das beste Versteck, das wir haben, und eines der ältesten. Es wurde damals gebaut, als einige der IRA-Typen anfingen, sich gegen ihre Brüder zu wenden. Danach wurde es hauptsächlich für Gangmitglieder genutzt, die ausstiegen. Und jetzt sind es wieder die Terroristen – einheimische, leicht verführbare Dummköpfe, die auf die dunkle Seite gelockt werden, und davon gibt es eine Menge, also je schneller ihr das erledigt, was ihr mit diesen beiden zu erledigen habt, und uns von ihnen befreit, desto besser. Verstehst du, was ich meine?

    „Ja, klar, versicherte Harvey ihm. „Du bekommst dieses Drecksloch zurück, sobald ich fertig bin. Bis dahin ist alles, was hier passiert, streng vertraulich – sogar noch mehr als sonst. Unter keinen Umständen darfst du mit jemand anderem als mir über die beiden inhaftierten Männer sprechen. Ebenso dürfen weder du noch deine Leute mit den Inhaftierten sprechen, außer um ihnen grundlegende Anweisungen zu geben und ihre Fragen zu beantworten – vorausgesetzt, diese Fragen beziehen sich nicht auf den Grund ihrer Anwesenheit oder ihren historischen Fall. Ich muss allein mit ihnen sprechen. Niemand sonst darf anwesend sein. Verstanden?

    „Klar, stimmte Collins zu, froh, nicht zu sehr involviert zu sein. „Wie du meinst.

    „Gut, sagte Harvey und nickte langsam. „Und keine Namen. Nicht einmal, wenn sie dir oder deinen Männern sagen, wer sie sind. Sie sind Häftling Eins und Häftling Zwei, bis ich etwas anderes sage.

    „Das ist kein Problem für meine Leute, versicherte Collins ihm. „Also, wann willst du loslegen?

    „Sofort, antwortete er und stand wieder auf. „Ich fange mit Häftling Eins an, danach Nummer zwei.

    „Okay, antwortete Collins. „Du siehst kaputt aus, Fraser. Ist alles in Ordnung?

    Er seufzte, bevor er antwortete. „Ich versuche seit mehr als elf Jahren, diesen Fall hinter mir zu lassen, erklärte er, „aber er zieht mich immer wieder in sich hinein – wie verdammter Treibsand. Je schneller ich das hinter mich bringe, desto eher kann ich versuchen zu vergessen, dass ich die beiden je getroffen habe.

    „Wenn du sie einfach vergessen willst, warum hast du dann nicht jemand anderen mit ihrer Umsiedlung beauftragt?, fragte Collins. „Die Umsiedlung fällt nicht in deinen Zuständigkeitsbereich.

    „Ich habe mich freiwillig gemeldet", gab er zu.

    „Freiwillig?, hakte Collins nach. „Warum das denn?

    „Ich habe meine Gründe, antwortete Harvey. „Vielleicht ist das der einzige Weg, wie ich mich jemals von ihnen befreien kann.

    „Glaubst du das wirklich?", wollte Collins wissen.

    Harvey lächelte resigniert und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, gab er zu. „Eigentlich nicht – aber ich hoffe es.

    „Hoffen?", fragte Collins.

    „Vergiss es, sagte Harvey zu ihm. „Zeit, dass ich weiterziehe. Das ist alles. Wenn es dir nichts ausmacht – ich muss noch eine Menge erledigen.

    ***

    Harvey saß an dem kleinen Tisch im kahlen Vernehmungsraum, neben dem Doppelkassettenrecorder, seine Aktentasche neben ihm auf dem Boden. Die Tür ging auf, und nach einigen Momenten Stille wurde g Eins von einem der Ermittler, die Harvey bei seiner Ankunft gesehen hatte, hereingeführt. Trotz der elf Jahre, die vergangen waren, erkannte er den Gefangenen wieder – so blass und hässlich wie eh und je, bloß war sein Körper jetzt mit selbstgemachten Gefängnistätowierungen verziert, und seine Zähne waren nach Jahren des starken Rauchens und der Vernachlässigung gelb. Beide starrten sich eine gefühlte Ewigkeit lang an, bevor Harvey sich an den Detective wandte. „Sie können jetzt gehen, sagte er zu ihm. Der Detective drehte sich um und ging, ohne ein Wort zu sagen. „Setzen Sie sich, befahl Harvey. Der Gefangene ging teilnahmslos zum Tisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Lange her. Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, waren Sie noch ein kleiner Junge. Jetzt sind Sie ein Mann."

    Der Gefangene ignorierte das höfliche Geplänkel und schaute stattdessen misstrauisch auf den Kassettenrekorder. „Sind Sie hier, um mich zu befragen?"

    „Nein, erklärte Harvey. „Die Zeit der Befragungen ist vorbei.

    „Ich erinnere mich an Sie, antwortete er nach einigen Sekunden, und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sie sehen alt aus. Sind Sie krank oder so?

    Harvey starrte ihn kalt an. „Wir sind hier, um über Sie zu reden, nicht über mich."

    „Meinetwegen, erwiderte er achselzuckend. „Ich habe Sie nicht mehr gesehen, seit Sie mich in Feltham besucht haben – als Sie ein letztes Mal versucht haben, mich dazu zu bringen, einen Mord zu gestehen, den ich nicht begangen habe.

    „Nun, seufzte er. „Nachdem Sie wegen des Mordes verurteilt worden waren, gab es für mich keinen Grund mehr, Sie aufzusuchen – nicht wahr?

    „Bis jetzt", sagte er, und das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht.

    „Bis jetzt, nickte Harvey. „Ich nehme an, Sie wissen, warum Sie hier sind?

    „Zu meinem eigenen Schutz, sagte er achselzuckend. „Heißt es.

    „Das stimmt."

    „Aber ich bin doch frei – oder?, fragte er. „Ich habe meine Zeit abgesessen.

    „Technisch gesehen schon, antwortete Harvey. „Aber Sie sind lebenslang auf Bewährung. Wenn Sie gegen Ihre Bewährung verstoßen, gehen Sie zurück ins Gefängnis.

    „Gut, antwortete er ungeduldig. „Dann verspreche ich, dass ich nicht gegen meine Bewährung verstoßen werde. Jetzt geben Sie mir meine Sachen und lassen Sie mich gehen. Ich ertrage es nicht, in diesem Drecksloch eingesperrt zu sein. Ich habe für mein ganzes verdammtes Leben genug davon, eingesperrt zu sein.

    „So einfach ist das nicht, erklärte Harvey ihm. „Eine der Bedingungen der Bewährung ist, dass Sie mit den Behörden zusammenarbeiten. Dass Sie sich von uns beschützen lassen.

    „Ich brauche keinen Schutz, knurrte der Gefangene. „Ich muss nur hier raus.

    „Und was glauben Sie, wie lange es dauert, bis Sie jemand erkennt und Ihnen ein Messer in den Bauch rammt oder Sie mitten in der Nacht von maskierten Männern aus dem Bett gezerrt und nie wieder lebend gesehen werden?, schnauzte Harvey ihn an und erhob dabei seine Stimme. „Es gibt da draußen immer noch eine Menge Hass auf Sie – besonders seit Ihrer Entlassung. Die ganze Sache ist wieder aufgeflammt. Viele Leute da draußen würden Sie gerne tot sehen. Er saß still und mit steinerner Miene da. „Gut, sagte Harvey, während er neben sich griff und seine Aktentasche hochhob. Er öffnete sie und warf ihm dann eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug zu. „In den Akten steht, dass Sie im Gefängnis mit dem Rauchen angefangen haben. Der Gefangene öffnete sofort die Schachtel, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an, ohne dabei jedoch Harvey aus den Augen zu lassen. Der zog eine als vertraulich gekennzeichnete Akte heraus und schlug sie auf.

    „Was ist das?", fragte er.

    Harvey blätterte mit dem Daumen durch die Seiten. „Ihr neues Leben, erklärte er. „Ihr Äußeres hat sich mit zunehmendem Alter verändert, aber nicht so sehr, dass nicht immer noch die Gefahr besteht, dass Sie erkannt werden – zumindest, wenn Sie im Land bleiben würden.

    „Sie schicken mich ins Ausland?", fragte er beunruhigt.

    „Ja, sagte Harvey, als ob das nichts wäre. „Nach Kanada, um genau zu sein. In die kanadische Provinz. Sie werden beobachtet und überwacht, wenn auch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag. Ihre E-Mails und Ihre Computernutzung werden kontrolliert, Ihre Festplatte wird von Zeit zu Zeit untersucht, aber Sie werden ein freier Mann sein.

    „Frei? Der Gefangene lachte. „Und was ist, wenn ich nicht im verdammten Kanada leben will?

    „Dann gehen Sie zurück in die Siedlung, in der Sie Abigail getötet haben, und schauen, wie lange Sie durchhalten", schlug Harvey vor.

    „Ich habe sie nicht umgebracht", erwiderte er, wie er es schon Jahre zuvor getan hatte, nur dass sein Blick nicht mehr kämpferisch war.

    Harvey wartete ein paar Sekunden, bevor er antwortete. „Sie müssen verstehen, dass das Leben, das Sie vor dem Mord geführt haben, nicht mehr existiert, erklärte er. „Sie können nicht einfach zurückgehen und dort weitermachen, wo Sie aufgehört haben. Sie müssen neu anfangen. Der Gefangene saß still und grübelnd da, während Harvey in die Akte sah. „Da Sie sich entschieden haben, Ihre Zeit im Gefängnis zu vergeuden, und keinerlei Qualifikationen oder Fähigkeiten erworben haben, haben wir für Sie einen Job als Handlanger in einer Holzfabrik in der Nähe Ihres Wohnortes. Wir hatten Glück, dass wir den überhaupt gefunden haben. Glücklicherweise kannte der örtliche Bewährungshelfer einen der Chefs und hat uns den Job besorgt. Die Story dazu lautet, dass Sie ein Kleinkrimineller sind, der neu anfangen will. Er schob die Akte über den Schreibtisch dem Gefangenen zu. „Alles, was Sie wissen müssen, steht in dieser Akte. Ihr neues Leben – Name, Geschichte, Strafregister, Familie – alles. Studieren Sie sie, wie Sie noch nie etwas studiert haben. Sie werden darauf getestet und verlassen dieses Versteck erst, wenn ich mir sicher bin, dass Sie sie in- und auswendig kennen. Verstanden?

    Er zog die Akte zu sich heran und blickte hinein. „Mein neues Leben?"

    „Ihr neues Leben, wiederholte Harvey und stand auf. „Entweder das oder zurück ins Gefängnis. Lernen Sie das alles auswendig und lernen Sie es gut. Ihr Leben hängt davon ab. Ich werde in ein paar Tagen wiederkommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht. Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Akte. „Verschwenden Sie meine Zeit nicht. Ich gebe Ihnen eine Chance, von der nur wenige glauben, dass Sie sie verdient haben. Der Gefangene ließ seine Hand auf der Akte ruhen und sah Harvey stumm an. „Bis zum nächsten Mal, sagte Harvey und ging zur Tür.

    ***

    Harvey stand allein vor dem Versteck und blickte auf die Landschaft, als Collins aus dem Haus kam, ein paar Pillen aus der Verpackung drückte und sie einwarf. Er trank einen Schluck aus dem Becher, den er in der Hand hielt, und verzog das Gesicht, während er die Pillen hinunterzwang.

    „Mittagessen?", fragte Collins.

    „Nein, antwortete er trocken. „Frühstück.

    Collins lächelte kurz, bevor er wieder zur Sache kam. „Was wollen Sie jetzt tun?"

    „Mit ‚Wollenʼ hat das nichts zu tun, antwortete er. „Bringen Sie Häftling Zwei in den Vernehmungsraum. Je schneller ich das hinter mich bringe, desto besser.

    ***

    Harvey betrat denselben Vernehmungsraum wie vorher. Dort saß der Mann, der nur noch als Häftling Zwei bekannt war, bereits aufrecht am Tisch. Er wirkte ruhig und gelassen. Derselbe Detective wie zuvor stand in einer Ecke und ließ den Gefangenen nicht aus den Augen. Der Gefangene sah fit und schlank aus – eine halb ausgetrunkene Wasserflasche stand vor ihm auf dem Tisch. Er beobachtete jede Bewegung Harveys.

    „Sie können jetzt gehen", sagte Harvey dem Wachmann.

    Der Detective nickte und ging zur Tür. „Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie mir Bescheid", bot er an.

    „Danke", antwortete Harvey und wartete, bis er gegangen war, bevor er sich dem Gefangenen gegenübersetzte. Die beiden Männer sahen sich einige Sekunden lang stumm an, dann brach der Gefangene das Schweigen.

    „Detective Sergeant Harvey, sagte er mit einem leichten Lächeln. „Ist schon lange her.

    „Sie erinnern sich also an mich?", fragte Harvey.

    „Dachten Sie, ich würde Sie vergessen?"

    „Vielleicht, erwiderte er achselzuckend. „Sie waren jung und standen unter großem Stress. Manchmal ist die Person, die die Fragen stellt, kaum mehr als ein gesichtsloser Vernehmer.

    „Sie waren aber nie nur ein Vernehmer, oder?, erwiderte Häftling Zwei. „Sie waren immer sehr ... zielgerichtet.

    Wieder herrschte Schweigen, während Harvey versuchte, ein Gefühl für den Mann zu bekommen, der vor ihm saß. „Wie kamen Sie im Gefängnis zurecht? Ich weiß, dass es hart sein kann."

    „Feltham war ... schwierig, gab er zu. „Zu viele Bandenmitglieder haben versucht, sich einen Namen zu machen. Sobald wir alt genug waren, um nach Belmarsh verlegt zu werden, wurde es ruhiger.

    „Regel 43, erinnerte Harvey ihn, „die Sie von der Mehrheit der Gefängnisinsassen isoliert.

    „Das war wahrscheinlich das Beste, antwortete er. „Ich habe mich an die Isolation gewöhnt.

    Harvey nickte langsam. „Haben Sie Ihren Freund drinnen oft gesehen?"

    „Wir haben uns gesehen, aber nur selten miteinander gesprochen, antwortete er – wohl wissend, dass Harvey den Mann meinte, mit dem zusammen er verurteilt worden war. „Er wollte. Und ich auch nicht.

    „Wie kommt das?"

    „Er hat mein Leben zerstört, sagte er emotionslos. „Hätte ich geglaubt, dass ich damit davonkäme, hätte ich ihn wahrscheinlich umgebracht. Er schwieg einen Moment lang. „Ist er hier, an diesem ... Ort?"

    „Nein, log Harvey. „Nur Sie. Er ist woanders untergebracht – zu seinem eigenen Schutz.

    „Ich verstehe, erwiderte der Gefangene. „Nur scheint dieser Ort für nur einen Häftling zu groß zu sein, außerdem darf ich immer nur zu bestimmten Zeiten nach draußen – als wäre hier noch jemand, den ich nicht treffen soll.

    „Das sind Sie nicht", sagte Harvey.

    „Was?", fragte er leicht verwirrt.

    „Ein Häftling, antwortete er. „Sie sind kein Häftling mehr. Dieser Ort ist nur ein Versteck – eine sichere Einrichtung. Ein Ort, an dem Sie beschützt werden, während wir Sie auf Ihr neues Leben vorbereiten.

    „Verstehe, sagte er und klang misstrauisch. „Und die abscheuliche Kreatur – ist er auch kein Häftling mehr?

    „Das ist richtig, bestätigte Harvey. „Er wird anderswo auf sein neues Leben vorbereitet.

    „Seltsam, dass wir zur gleichen Zeit entlassen werden, wechselte er das Thema. „Wenn man bedenkt, dass ich ein Musterhäftling war und er nicht. Er war ein fauler Unruhestifter, während ich mich angepasst und alles getan habe, was man von mir verlangte.

    „Ich gebe zu, es ist ungewöhnlich und auch ungerecht, erklärte Harvey, „aber nach reiflicher Überlegung und vielen Gesprächen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es am besten wäre, wenn wir Ihnen beiden gleichzeitig ein neues Leben geben würden – angesichts der Einzigartigkeit des Verbrechens und des Medieninteresses, das immer noch an diesem Fall besteht.

    „Ich verstehe, sagte der Gefangene. „Und um ehrlich zu sein, wann und wie Sie ihn freilassen, interessiert mich nicht. Er ist jetzt Ihr Problem. Nicht meins.

    Harvey nickte stumm, bevor er fortfuhr. „Sie haben sich im Gefängnis gut geschlagen – haben Ihre Zeit konstruktiv genutzt, sich einige nützliche Qualifikationen angeeignet und sogar einen Beruf erlernt. Obwohl ich Sie nie für einen Landwirt gehalten hätte. Der Gefangene starrte ihn nur schweigend an. „Wie ich hörte, war Ihr Verhalten vorbildlich. Sie haben nie Ärger gemacht.

    „Ich habe meine Zeit im Gefängnis akzeptiert, sagte er ihm. „Ich habe meine Strafe verdient. Sie wissen, warum ich so denke, aber das heißt nicht, dass ich, als ich mit diesen Tieren eingesperrt war, so werden wollte wie sie – mit Drogen und Tabak dealen, immer auf der Suche nach einem Weg, das System zu hintergehen. Sich mit anderen Männern erniedrigen, nur weil es keine Frauen gab. Ich musste ich selbst bleiben.

    Harvey sah ihn lange an, bevor er eine Akte aus seiner Aktentasche zog und sie dem Gefangenen über den Tisch zuschob.

    „Was ist das?", fragte er.

    „Ihr neues Leben, erklärte Harvey. „Ein neuer Name. Ein neuer Ort zum Leben.

    „Wo?"

    „In Neuseeland auf dem Land, sagte Harvey. „Je weiter Sie von hier weg sind, umso besser – für Sie.

    „Und wenn ich mich weigere, zu gehen?"

    „Wird Ihre Freilassung widerrufen und Sie werden ins Gefängnis zurückgebracht, um den Rest Ihrer Strafe zu verbüßen, bevor Sie in eine Gemeinschaft entlassen werden, die Sie tot sehen will. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sagte aber nichts. „Es könnte schlimmer sein. Angesichts Ihrer landwirtschaftlichen Qualifikationen konnten wir eine kleine Farm für Sie erwerben. Sie werden sich bald selbst versorgen können und sogar in der Lage sein, zusätzliche Produkte zu verkaufen und den Gewinn zu behalten. Er suchte im Gesicht von Häftling Zwei nach einer Reaktion, konnte aber keine erkennen. „Das ist ein gutes Geschäft. Fast wie ein Neuanfang. Sie werden weitgehend in Ruhe gelassen, obwohl es diskrete Besuche der örtlichen Polizei sowie von Beamten der Met geben und Ihre Bewegungsfreiheit in Neuseeland eingeschränkt sein wird. Ein paar andere Dinge auch, aber es wird ein Leben sein."

    „Alleine, antwortete er. „Auf einer Farm mitten im Nirgendwo – noch mehr Isolation?

    „Ich dachte, Sie hätten sich an die Isolation gewöhnt?, erinnerte Harvey ihn. Er antwortete nicht. „Außerdem – Ihre Wahlmöglichkeiten sehen nicht sehr ... verlockend aus. Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Akte auf dem Schreibtisch. „Studieren Sie sie gut. Alles, was Sie wissen müssen, steht hier drin. Sie müssen sich jedes Detail einprägen. Sobald Sie wieder in der freien Welt sind, könnte der kleinste Fehler tödlich sein. Ich werde in zwei Tagen zurückkehren, um zu sehen, wie Sie zurechtkommen." Er stand auf, um zu gehen.

    „Warum sollte ich Ihnen vertrauen?, fragte der Gefangene plötzlich. „Ich weiß fast nichts über Sie, aber Sie wissen alles über mich.

    „Weil Sie keine andere Wahl haben", erinnerte er ihn eindringlich.

    „Erzählen Sie mir eine Sache über sich und ich werde genau das tun, was Sie sagen, versprach er. „Nur eine Sache. Harvey starrte ihn eine Weile an, sagte aber nichts. „Sind Sie verheiratet?, fragte er. „Kinder?

    „Ja, antwortete er schließlich. „Ich bin verheiratet.

    „Das habe ich vermutet, sagte er, bevor er ihn schnell an seine andere Frage erinnerte: „Und Kinder?

    „Die Akte. Harvey wandte sich zur Tür. „Lesen Sie sie.

    „Warum Neuseeland?, fragt er. „Warum nicht Südamerika oder die USA – wo der Fall nicht so bekannt ist?

    „Wir wollten, dass es ein Commonwealth-Land ist, erklärte Harvey. „Wo wir immer noch ein gewisses Maß an Einfluss auf die Rechtsprechung ausüben können.

    „Dann nehme ich an, das gilt auch für ihn?, sagte Dolby mehr, als dass er fragte. „Wo wird er versteckt – in Australien? Nein, zu nah. Sie werden uns so weit wie möglich auseinanderhalten wollen. Seine Augen wurden schmaler, während er versuchte, es herauszufinden. „Kanada, erklärte er plötzlich. „Ja – Sie schicken ihn nach Kanada. Nicht wahr?

    Harvey antwortete nicht, nahm seine Aktentasche und ging zur Tür. „Wie Sie gesagt haben – er ist nicht mehr Ihr Problem. Er ist meins, erinnerte er ihn. „Zwei Tage. Sie gehen hier nicht weg, bevor ich mir nicht sicher bin, dass Sie sich nicht selbst gefährden. Egal, wie lange es dauert.

    „Ich werde alles lernen, erwiderte der Gefangene lächelnd. „Sie haben mein Wort.

    Zweites Kapitel

    Elf Jahre zuvor

    In der kleinen Küche in ihrem Haus in Kilburn, Nordlondon, packte Abigail Riley eilig ihre Schultasche, während ihre Mutter Sarah das Frühstück für sie und ihren jüngeren Bruder vorbereitete.

    „Komm und iss jetzt, sagte sie in ihrem sanften irischen Akzent zu Abigail, während sie einen Teller auf den Tisch stellte. „Du kommst sonst zu spät zur Schule.

    „Ich komme nie zu spät zur Schule", erinnerte Abigail sie mit einem Lächeln, hörte auf zu packen und setzte sich an den Tisch.

    „Denk daran, dass du diese Woche entscheiden musst, mit welchem Profilfach du deinen GCSE-Abschluss machen willst", erinnerte Sarah sie.

    „Ja, Mum." Abigail verdrehte die Augen, wie es jede Vierzehnjährige tun würde, und knabberte an einem Stück Toast.

    „Und komm nach der Schule direkt nach Hause, wies Sarah sie an. „Vielleicht musst du auf Jimmy aufpassen, während ich weggehe.

    „Sollte ich nicht fürs Babysitten bezahlt werden oder so?", fragte sie frech.

    „Nein, das solltest du nicht, antwortete Sarah. „Kost und Logis sind frei. Besser geht es nicht. Vergiss es nicht, ja? Nicht, dass du stattdessen mit deinem Freund weggehst.

    „Mum, beschwerte sich Abigail und wurde leicht rot. „Er ist nicht mein Freund. Wir haben uns noch nicht einmal geküsst.

    „Gut, sagte Sarah. „Belass es dabei und pass auf, dass dein Vater es nicht herausfindet. Er ist nicht so verständnisvoll wie ich.

    „Ja, Mum." Sie verdrehte wieder die Augen.

    „Komm schon, Jimmy. Sarah stupste den Jungen an. „Beeil dich und iss dein Frühstück auf, damit ich dich zur Schule bringen kann. Jimmy zuckte nur mit den Schultern.

    Abigail machte sich schnell ein chaotisches Schinkensandwich aus dem, was auf ihrem Teller lag, dann sprang sie auf. „Ich werde das auf dem Weg zur Schule essen", erklärte sie.

    „So frühstückt man nicht richtig, sagte Sarah. „Teenager von heute, immer wird alles im Gehen erledigt. Ich weiß gar nicht, wieso du so gut in der Schule bist, bei deinem Benehmen.

    „Noten lügen nicht, Mama", sagte sie mit einem zufriedenen Lächeln.

    „Nun, ruh dich nicht darauf aus, warnte Sarah sie. „Gute Noten erfordern harte Arbeit.

    „Ich weiß, Mum", versicherte sie ihr, während sie aufstand, ihren Schulblazer von der Stuhllehne nahm und hineinschlüpfte.

    „Du machst deinen Vater und mich sehr stolz, sagte Sarah plötzlich zu ihr. „Und vergiss nicht, du kannst ...

    „Ich kann alles werden, was ich werden will, beendete sie den Satz für sie. „Das sagst du mir jeden Tag, Mum.

    „Weil es wahr ist, erwiderte Sarah. „Du bist ein besonderes Mädchen, Abigail. Vergiss das nie.

    „Das werde ich nicht", versprach sie, von der Liebe ihrer Mutter erwärmt, wie jeden Tag, bevor sie sich allein auf den Weg zur Schule machte.

    Sarah küsste sie auf die Stirn. „Pass auf dich auf. Und komm nicht zu spät."

    „Ja, Mama", erwiderte sie, während sie zur Tür ging, umsorgt und geliebt. Ihr ganzes Leben lag vor ihr. Sie öffnete die Haustür und trat hinaus in den kalten Morgen – ein ganz gewöhnlicher Tag im Leben eines aufgeweckten, hübschen vierzehnjährigen Mädchens.

    Drittes Kapitel

    London – 2016

    Harvey klopfte an die Tür des kleinen Reihenhauses der Rileys im Norden Londons und trat einen Schritt zurück, während er auf eine Antwort wartete. Er hörte Schritte, die sich von innen näherten, dann wurde die Tür von einem jungen Mann Anfang zwanzig geöffnet, den er trotz der verstrichenen Zeit als Jimmy Riley erkannte. Er konnte am stechenden Blick erkennen, dass Jimmy wusste, wer er war.

    „Sie", war alles, was Jimmy sagte.

    „Hallo, Jimmy, begrüßte Harvey ihn. „Ist Ihre Mutter da? Ich muss mit Ihnen beiden sprechen.

    Jimmy trat beiseite und ließ ihn hinein, dann führte er ihn in die Küche, wo Sarah gerade kochte. Sie wirkte ängstlich und misstrauisch, als sie Harvey sah.

    „Hallo, Sarah, sagte er zu ihr. „Es ist eine Weile her. Wie ist es Ihnen ergangen?

    „Wir kommen zurande, erwiderte sie vorsichtig. „Was wollen Sie?

    Harvey nahm unaufgefordert Platz. „Ich habe einige Informationen für Sie, antwortete er. „Nichts, was Sie hören wollen, aber Sie müssen es dennoch wissen.

    „Der Tag ist also endlich gekommen", vermutete sie, und ihr Körper spannte sich an, als sie sich für die Bestätigung wappnete.

    „Ich fürchte ja, sagte er ihr direkt. „Sie sollen entlassen werden. Wir können sie nicht länger festhalten. Es tut mir leid.

    Sie ging schwankend zu einem Stuhl und setzte sich, um ihre Fassung wiederzuerlangen. „Wie lange noch?"

    „Einige Tage, sagte er zu ihr. „Höchstens ein paar Wochen.

    „Gut, mischte sich Jimmy überdreht und aufgeregt ein. „Jetzt kann Abigail endlich die Gerechtigkeit widerfahren, die sie verdient. Wenn sie erst einmal aus dem Gefängnis sind, kann man sie nicht mehr beschützen. Die Bastarde werden bekommen, was sie verdient haben.

    „Das ist gefährliches Gerede, Jimmy, warnte Harvey ihn. „An Ihrer Stelle würde ich so etwas nicht sagen.

    „Ja, aber ich bin nicht Sie, schnauzte Jimmy. „Und Abigail war nicht Ihre Schwester.

    „Genug", unterbrach ihn Sarah.

    „Aber Mama, beschwerte sich Jimmy. „Was sollen wir tun – sie einfach gehen lassen? Nach dem, was sie getan haben?

    „Ich sagte, das reicht, beharrte sie. „Pass auf, was du sagst, mein Sohn. Sie holte tief Luft, bevor sie sich an Harvey wandte. „Können Sie es verhindern? Können Sie irgendetwas tun, um es zu stoppen?"

    „Es tut mir leid, sagte er. „Nein. Es gibt nichts, was ich tun kann.

    „Das war’s dann also?, sagte sie und starrte an die Decke. „Sie vergewaltigen und ermorden meine vierzehnjährige Tochter, werden für elf Jahre eingesperrt und kommen als freie Männer davon. Ich verliere meine Tochter, und sie verlieren kaum mehr als zehn Jahre ihres wertlosen Lebens.

    „Es tut mir leid, sagte Harvey erneut. „Das liegt an ihrem Alter zum Zeitpunkt des Verbrechens. Solange sie sich im Gefängnis nicht daneben benommen haben, können wir sie nicht länger festhalten.

    „Das ist nicht richtig, flehte sie. „Wie kann es richtig sein? Ich habe nicht nur meine Tochter verloren, sondern auch meinen Mann.

    „Ich habe von seinem Tod gehört, erwiderte er. „Es tut mir leid.

    „Sie sind nicht zur Beerdigung gekommen, sagte sie. „Ich dachte, Sie würden kommen. Irgendwie habe ich es erwartet.

    „Ich dachte, Sie würden nicht wollen, dass die Polizei dabei ist, erklärte er. „Ich wusste, was Ihr Mann von uns hielt.

    „Können Sie es ihm verübeln?", fragte sie.

    Harvey seufzte, bevor er antwortete. „Wir haben alles getan, was wir konnten. Auf die Urteile hatte ich keinen Einfluss. Es ist kein Teil des Strafrechtssystems, das wir kontrollieren. Es tut mir auch weh ..."

    „Das ist alles verdammter Schwachsinn, unterbrach Jimmy. „Es ist noch nicht vorbei. Ich werde sie finden. Ich schwöre, ich werde sie finden. Sie haben unsere Familie zerstört. Sie haben unser Leben zerstört.

    „Das hat keinen Sinn, Jimmy, warnte Harvey ihn. „Sie werden sie nie finden. Die beiden werden an einem Ort versteckt, an dem sie niemand jemals finden wird. Sie bekommen neue Identitäten und alle Papiere und Hintergrundinformationen, die sie brauchen – sogar kosmetische Operationen, wenn wir glauben, dass sie die brauchen. Vertrauen Sie mir – wir sind gut darin. Sie werden sie nie finden.

    Jimmy sah zwischen Harvey und seiner Mutter hin und her. „Sie helfen ihnen, verdammt noch mal – behandeln Mörder wie Opfer, während Sie mit uns reden, als wären wir die Verbrecher. Wie können Sie nachts schlafen, hm? Sie sollten sich verdammt noch mal schämen."

    „Es tut mir leid, Jimmy, sagte Harvey zu ihm. „Es gibt nichts, was ich tun kann.

    „Scheiß auf Sie und Ihre Ausreden, fluchte er. „Ich muss an die Luft! Ich kann hier nicht atmen. Er stürmte an seiner Mutter und Harvey vorbei in Richtung Haustür.

    „Jimmy! Jimmy, rief Sarah ihm hinterher, aber sie hörten nur, wie die Haustür zugeschlagen wurde. Sie wandte sich an Harvey. „Bitte denken Sie nicht zu schlecht von ihm, sagte sie. „Er hat eine Menge durchgemacht und ist noch so jung. Mein Gott – er hat seine Schwester verloren, da war er erst zehn, und dann seinen Vater. Das hat ihn schwer getroffen, wissen Sie. Er denkt immer noch an nichts anderes als an Rache – kann sich zu nichts Sinnvollem aufraffen –, er lässt sich immer nur treiben. Und dann sind die Zeitungen und das Fernsehen auch nie weit weg. Sie erinnern ihn immer daran, was passiert ist – manchmal wird dort gefragt, ob Abigail diese Tiere irgendwie ermutigt hat, und gemutmaßt, dass wenigstens einer von ihnen unschuldig sein könnte. Unschuldig. Herr Gott."

    „Ich weiß, versicherte er ihr. „Ich sehe den gleichen Unsinn wie Sie. Ich wünschte, ich könnte Ihnen versprechen, dass es aufhört, aber sobald die Medien herausfinden, dass sie entlassen wurden, und das werden sie, wird es nur noch schlimmer werden.

    Sie saßen eine Weile schweigend da, bevor Sarah das Wort ergriff. „Nun denn, Sergeant Harvey – was nun?"

    Er holte tief Luft. „Sobald sie entlassen werden, um ihr neues Leben zu beginnen, gebe ich Ihnen Bescheid. Es wird nicht mehr lange dauern. Sobald Sie von mir hören, empfehle ich Ihnen, für eine Weile zu verschwinden. Die Medien werden nach Ihnen suchen und versuchen, eine Reaktion von Ihnen, von Jimmy zu bekommen. Bleiben Sie so lange wie möglich weg."

    „Und dann?", fragte sie.

    „Ich weiß es nicht, gab er zu. „Besorgen Sie sich einen guten Anwalt und verklagen Sie jeden, der versucht, auszunutzen, was mit Abigail passiert ist. Das sollte alle abschrecken, bis auf die Entschlossensten vielleicht. Abgesehen davon – versuchen Sie, mit Ihrem Leben weiterzumachen. Lassen Sie es irgendwie hinter sich.

    „Es hinter mir lassen?, wiederholte sie seine Worte und presste die Hände zusammen, als ob sie beten wollte. „Weitermachen? Und was soll ich mit den Erinnerungen an eine ermordete Tochter und einen Ehemann tun, der sich lieber das Leben nahm, als den Schmerz der Erinnerung zu ertragen?

    „Das kann ich nicht beantworten, sagte er seufzend. „Erinnerungen sind etwas, bei dem ich nicht helfen kann.

    „Nein, sagte sie feierlich. „Ich glaube nicht.

    „Ich gehe jetzt besser, meinte er. „Sobald sie freigelassen werden, sage ich Ihnen Bescheid.

    „Bemühen Sie sich nicht, antwortete sie mit Bitterkeit in der Stimme. „Ich will nie wieder etwas von ihnen hören, außer, dass sie beide tot sind.

    „Meinetwegen. Er zuckte mit den Schultern. „Passen Sie auf sich auf, Sarah.

    „Eine Sache noch. Sie hielt ihn auf. „Bevor Sie gehen.

    „Ja?", fragte er.

    „Helfen Sie, sie zu verstecken?, fragte sie. „Wissen Sie, wo sie sein werden?

    „Nicht das schon wieder." Er schüttelte den Kopf, dann log er: „Nein. Ich werde nicht wissen, wohin sie verlegt werden, und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es

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