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Tod beim Haidbrunnen: Wiener Neustadt Krimi
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eBook259 Seiten3 Stunden

Tod beim Haidbrunnen: Wiener Neustadt Krimi

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Über dieses E-Book

Ein Serienmörder treibt in Wiener Neustadt sein Unwesen. Bezirksinspektorin Miriam Beck wird mit den Ermittlungen beauftragt, weil ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Chefinspektor Norbert Meier, mit einer schweren Erkrankung im Krankenhaus liegt. Ihre Untersuchungen werden durch die herrschende Ausgangssperre und die knappe Personalsituation erschwert. Schließlich gerät Miriam selbst in höchste Gefahr, denn der Täter hat sie ins Visier genommen.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum9. Juni 2023
ISBN9783990742488
Tod beim Haidbrunnen: Wiener Neustadt Krimi

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    Buchvorschau

    Tod beim Haidbrunnen - Renate Taucher

    Prolog

    Nach unzähligen schlaflosen Nächten hatte er die Lösung für sein Problem endlich gefunden, denn dass es so nicht weitergehen konnte, stand für ihn schon lange fest. Wenn es eine andere Möglichkeit für ihn gegeben hätte, hätte er sie gerne ergriffen, aber er sah keinen besseren Weg. Er hatte alles genau geplant und nichts dem Zufall überlassen. An die Wohnungsschlüssel zu kommen, war das Schwierigste gewesen, aber mit seinem Organisationstalent und seinem Charme hatte er auch das geschafft.

    Sie würde keine Gelegenheit mehr haben, Einzelheiten auszuplaudern. Nahezu freudig erregt stand er in einem gemütlichen Wohnzimmer, das unübersehbar die Handschrift seiner Bewohnerin trug. Angenehm berührt sah er sich um. Offenbar war sie genauso penibel wie er selbst, alles hatte seinen Platz, nichts lag chaotisch herum. Schade, dass es unumgänglich war, diese Ordnung zu zerstören, aber es blieb ihm keine Wahl. Lauschend hob er den Kopf, sie musste jeden Augenblick kommen. Es war nicht seine Art, ein Lebewesen unnötig zu quälen, und er nahm sich vor, die Sache rasch und effizient zu erledigen.

    Auf ihn würde sicher kein Verdacht fallen, dafür hatte er gesorgt. Fast tat er sich selbst leid, aber er konnte sein Leben nur auf diese Weise wieder ins Lot bringen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Was er sich in jahrelanger Arbeit aufgebaut hatte, könnte mit einem Schlag vernichtet werden. Deshalb hatte er sich zu dieser drastischen Maßnahme entschlossen.

    In Gedanken hatte er alles schon durchgespielt und dabei war ihm aufgefallen, dass ihm die Vorstellung, jemanden zu töten, mittlerweile Freude bereitete. Konnte es sein, dass er nicht ganz normal war? Wenn ihm noch vor einem Jahr jemand gesagt hätte, er würde kaltblütig einen Mord planen, hätte er denjenigen für verrückt erklärt. Nun war er jedoch gezwungen, gleich mehrmals zu morden. Wenn man es genau betrachtete, war er das Opfer, nicht der Täter. Dass manche Frauen aber auch nie genug bekommen konnten!

    Er lächelte freudlos und blickte auf seine Armbanduhr, sein Handy hatte er wohlweislich zu Hause gelassen. »Sie müsste eigentlich schon da sein«, dachte er beunruhigt. Sollte sie aufgehalten worden sein? Das würde seinen Zeitplan gewaltig durcheinander bringen. Da hörte er, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte …

    1. Kapitel

    Birgit Bauer wusste nicht, was sie tun sollte. Seit zwei Tagen konnte sie ihre Freundin Penny nicht erreichen und sie saß wie auf Kohlen. Auf dem Handy meldete sich nur eine Stimme, die in unpersönlichem Ton erklärte, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar wäre. Ihre Mails und SMS blieben unbeantwortet.

    Seit Stunden versuchte Frau Bauer sich einzureden, dass es überhaupt keinen Grund zur Besorgnis gab, aber trotzdem wurde sie von Minute zu Minute unruhiger. Sie kannte Penny schon seit ihrer Schulzeit, und wenngleich sie nicht täglich stundenlang miteinander telefonierten, so hatten sie doch wenigstens jeden Tag Kontakt über WhatsApp oder in der Mittagspause einen kurzen Plausch am Telefon gehabt. Noch dazu war ihre Freundin am Wochenende sicher zu Hause gewesen, was sollte sie auch schon anderes tun? Bestenfalls ein kleiner Spaziergang oder eine Runde mit dem Rad fahren, mehr Freizeitaktivitäten gab es schließlich derzeit nicht. Sollte Penny vielleicht einen Unfall gehabt haben und im Krankenhaus liegen? Eine Weile spielte Birgit Bauer mit dem Gedanken, im Landesklinikum Wiener Neustadt anzurufen und nachzufragen, aber sie ließ es dann doch sein. Diese Vorgangsweise schien ihr etwas zu überzogen.

    Dennoch fand sie keine Ruhe. Sie konnte sich Pennys Schweigen nicht erklären. Falls sie krank geworden wäre, hätte sie doch sicher angerufen! »Andererseits konnte sie auch zu Hause im Bad ausgerutscht sein und sich verletzt haben«, dachte Frau Bauer.

    Von Lanzenkirchen nach Wiener Neustadt war es nicht sehr weit, und Birgit Bauer konnte in einer Viertelstunde bei Penny sein. Trotzdem zögerte sie noch. Es war immerhin streng verboten, jemanden zu besuchen. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, sie musste Klarheit bekommen. Sie schnappte sich ihren Autoschlüssel, an dem seit dem letzten Sommer auch ein Schlüssel zu Pennys Wohnung hing, und stieg in ihren kleinen, blauen Peugeot.

    Auf der kurzen Fahrt nach Wiener Neustadt steigerte sich ihre unbewusste Unruhe immer mehr. Irgendetwas musste passiert sein, das fühlte sie. Als sie schließlich ihr Auto vor dem großen Wohnblock, in dem Penny ihre Wohnung hatte, anhielt, klopfte ihr Herz und ihr Mund war wie ausgetrocknet. Einen Moment blieb sie sitzen, um ihren Puls zu beruhigen. Dann versuchte sie einmal mehr vergebens, ihre Freundin anzurufen.

    Nach einer Weile stieg sie aus dem Wagen, versperrte ihn und ging mit zitternden Knien auf das Haus zu. Plötzlich wurde sie sich der Komik der Situation bewusst. Womöglich hatte ja Penny ihr Handy nur verloren oder es war kaputt, und es gab überhaupt keinen Grund zur Besorgnis. »Wenn ich Penny unversehrt zu Hause antreffe und ich ihr dann in den schönsten Farben schildere, wie ich mich angestellt habe, werden wir uns zerkugeln vor Lachen«, dachte sie, als sie in den Lift stieg. Sie fühlte sich unerwartet erleichtert und grinste.

    Vor Pennys Wohnungstür begann ihr Herz jedoch wieder aufgeregt zu schlagen. Birgit Bauer holte tief Luft und drückte auf den Klingelknopf. Das Läuten tönte bis auf den Gang heraus, aber in der Wohnung rührte sich nichts. Sie klingelte erneut und hielt den Atem an, um nicht das kleinste Geräusch, das eventuell aus der Wohnung dringen konnte, zu überhören.

    Dann schloss sie, ohne länger zu zaudern, die Tür auf und machte einen Schritt in die Wohnung. »Penny!«, rief sie laut, aber es kam keine Antwort. Mit einem Mal lief Birgit Bauer ein kalter Schauer über den Rücken. Sie hatte das Gefühl drohender Gefahr und wollte in einem Anfall von Panik umdrehen und weglaufen. Dann nahm sie sich zusammen. Jetzt, wo sie schon einmal hier war, musste sie sicher sein, dass ihre Freundin keinen Unfall gehabt hatte. Die Badezimmertür war offen und Birgit Bauer konnte mit einem Blick sehen, dass der Raum leer war. Etwas erleichtert stellte sie fest, dass ihre Vermutung, Penny könnte im Bad gestürzt sein, nicht zutraf. Aber wo war Penny?

    Frau Bauer ging zögernd weiter. »Penny!«, rief sie erneut, als sie die Küchentüre aufmachte. Alles war an seinem Platz, aber Penny war nicht zu sehen. Etwas mutiger öffnete sie die Tür zum Wohnzimmer und blieb wie erstarrt stehen. Sie wollte schreien, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle. Alles um sie begann sich zu drehen und sie hielt sich die Hand vor den Mund und würgte. Mitten im Zimmer lag am blutverschmierten Parkettboden ihre Freundin mit zerschnittenem Gesicht und war offensichtlich tot. Eine Schar Fliegen summte um die regungslose Gestalt.

    Birgit Bauer rang nach Luft und stolperte hinaus ins Treppenhaus. Dort verließen sie ihre Kräfte. Sie lehnte sich an die Wand und sank zusammen. Am Boden sitzend holte sie mit zitternden Fingern das Handy aus der Tasche und wählte den Polizeinotruf.

    2. Kapitel

    »Dann sah ich rot und stach zu. Plötzlich lag sie tot vor mir. Ich wollte das nicht, das müssen Sie mir glauben!«

    Der Kerl, der Bezirksinspektorin Miriam Beck in gebührendem Abstand gegenübersaß, blickte sie aus glasigen Augen beschwörend an. Obwohl er den vorgeschriebenen Mund-Nasenschutz trug, umwehte ihn noch immer der Geruch von Alkohol.

    Erleichtert atmete Miriam auf und strich sich ihre roten, halblangen Haare aus der Stirn. Das war ja schneller gegangen, als sie befürchtet hatte. Der Verdächtige war in der vergangenen Nacht in der Wohnung seiner Ex-Freundin neben deren Leiche festgenommen worden, nachdem die Nachbarn wegen lautem Lärm die Polizei verständigt hatten. Obwohl die Situation eindeutig gewesen war, war Miriam froh, dass der Täter gestanden hatte. So konnte sie die Geschichte unverzüglich an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Wenn nur alle Gewaltverbrechen so rasch aufgeklärt würden! Leider lagen die meisten Motive nicht so klar auf der Hand, wie in diesem Fall.

    »Festzustellen, ob Sie mit Vorsatz gehandelt haben, ist nicht mehr meine Sache«, sagte sie und druckte das Protokoll aus, um es unterschreiben zu lassen.

    Nachdem der Mann von einem Beamten aus dem Büro geführt worden war, riss Miriam das Fenster auf und lehnte sich hinaus. »Puh, der stinkt noch nach Stunden wie ein Weinfass«, stöhnte sie und nahm die Schutzmaske ab. »Das ist eine Zumutung!«

    »Dabei hatte er schon Zeit, um etwas auszulüften«, stimmte ihr Bezirksinspektor Horst Donabauer, der gemeinsam mit ihr die Befragung durchgeführt hatte, grinsend zu.

    »Ich hasse diese Typen, die ihren Frust an ihren Partnerinnen auslassen!«, murrte Miriam.

    In diesem Jahr hatte es in Österreich schon eine ganze Reihe von Frauenmorden gegeben, bei denen der Täter der Partner oder Ex-Partner des Opfers gewesen war.

    »Weiß man schon, wie es Norbert geht?«, fragte sie unvermittelt. Abteilungsinspektor Norbert Meier war Miriams direkter Vorgesetzter und beinahe so etwas wie ein Freund. Seit Wochen lag er mit einer schweren Covid-19-Infektion im Krankenhaus. Da dort Besuchsverbot herrschte, konnte sie sich nicht selbst von seinem Gesundheitszustand überzeugen.

    »Ich habe gestern mit Manuela, seiner Frau, telefoniert. Sie sagt, er hat die Intensivstation schon verlassen können. Sie selbst und die Kinder hatten ja zum Glück nur einen leichten Krankheitsverlauf«, gab ihr Kollege zurück. »Gott sei Dank werden der Zvonarich Joe und die Presch bald wieder einsatzfähig sein«, sagte er müde, während er sich einen Kaffee aus der Maschine holte, die noch seit der Zeit Chefinspektors Wannek im Büro stand. »Ich mache in der letzten Zeit außer Überstunden nur noch Überstunden!«

    »Glaubst du, bei mir ist es anders? Die einen sind krank und die anderen in Quarantäne. Allein der harte Kern hält hier den Betrieb noch am Laufen.« Miriam lächelte, was wie immer ein kleines Grübchen auf ihrer linken Wange entstehen ließ. »Ich bin ja nur froh, dass sich die meisten Kriminellen offenbar auch an die Ausgangssperre halten. Wahrscheinlich, weil sie in den menschenleeren Straßen leicht Gefahr laufen, kontrolliert zu werden.«

    Das Telefon am Schreibtisch klingelte, und Inspektor Donabauer hob ab. Er meldete sich, lauschte eine Weile und sagte devot: »Jawohl, Herr Major! Ich richte es aus. Auf Wiederhören!« Dann wandte er sich an Miriam: »Major Stummnagl möchte dich sehen!«

    »Was will der Chef? Hat er schon gehört, dass unser Verdächtiger ein Geständnis abgelegt hat? Möchte er vielleicht schon meinen Bericht? Ich kann doch nicht zaubern!«

    »Ich weiß es nicht. Es hat aber nicht danach geklungen Er schien etwas besorgt zu sein.«

    »Hoffentlich gibt es nicht schon wieder ein Gewaltverbrechen«, sagte Miriam seufzend, rückte ihren Mund-Nasenschutz gerade und verließ das Büro.

    Major Stummnagl lief in seinem Büro nervös hin und her. Als Miriam klopfte, hielt er inne und forderte sie auf, einzutreten.

    »Guten Tag! Sie wollen mich sehen?«, fragte sie und schloss die Tür hinter sich.

    »Frau Beck, ich habe eine knifflige Aufgabe für Sie«, sagte er statt einer Begrüßung. »Ein Mord in Wiener Neustadt, der anscheinend nicht in das Null-Acht-Fünfzehn-Schema passt. Das heißt: Wenn wir Glück haben, war es doch eine Beziehungstat, aber es sieht nicht danach aus. Fahren Sie sofort los, solange die Tatortgruppe noch vor Ort ist! Ich kann Ihnen leider im Augenblick niemanden zur Seite stellen, Sie wissen selbst, dass unsere Abteilung unterbesetzt ist. Aber fürs Erste muss es reichen, wenn Sie sich allein ein Bild vom Tatort machen. Sie wissen, auch die genauesten Fotos können den eigenen Eindruck nicht ersetzen. Hier ist die Adresse!« Mit diesen Worten drückte er Miriam einen Computerausdruck in die Hand.

    Miriam warf nur einen kurzen Blick darauf. »Mache ich, Herr Major! Ich melde mich, sobald ich Näheres weiß.«

    »Ich bitte darum, Frau Beck! Auf Wiederschauen!«

    Er setzte sich an seinen Schreibtisch, ohne Miriam weiter zu beachten. Offenbar nahm er die Empfehlung, persönliche Kontakte auf das Notwendigste zu beschränken, sehr ernst. Nach einem verwunderten Blick auf ihren Chef verabschiedete sich Miriam ihrerseits und verließ das Büro.

    Schon wieder ein Mord in Wiener Neustadt? Das schien in der letzten Zeit Überhand zu nehmen! Gewaltverbrechen waren in ihrer Heimatstadt lange Zeit selten gewesen, aber seit dem Leichenfund in den Kasematten schien die Beschaulichkeit ein Ende zu haben. Die Morde an den Obradovic-Brüdern waren noch gar nicht so lange her und schon wieder gab es einen ungeklärten Todesfall in der Stadt.

    Miriam schaute auf das Blatt Papier, das sie von Major Stummnagl bekommen hatte. Als Einsatzort war »Rudolf Kumbeingasse« angegeben. Wenn sie sich recht erinnerte, lag diese in der sogenannten »Porschesiedlung« hinter der Merkurcity, einem großen Einkaufszentrum. Trotzdem gab sie zur Sicherheit die Anschrift in ihr Navi ein. Bevor sie den Motor startete, rief sie ihren Kollegen Horst Donabauer an und informierte ihn über ihren Auftrag.

    Miriam kam zügig voran. Durch die verordnete Ausgangssperre war auf der Südautobahn außergewöhnlich wenig Verkehr und sie war in Rekordzeit in Wiener Neustadt. Ihre Erinnerung hatte sie nicht getrogen. Die angegebene Adresse lag tatsächlich in Sichtweite zur Merkurcity, deren Parkplatz für einen Wochentag ungewohnte Leere aufwies. Das war für sie ein Glücksfall, denn in der Nähe des Hauses war weit und breit kein Stellplatz mehr frei, weil viele der Bewohner notgedrungen zu Hause waren. Einige der Einsatzfahrzeuge standen schon auf einem schmalen Grünstreifen neben der Straße.

    Am Eingang zu dem großen Wohnhaus stand ein uniformierter Polizist, der Miriam aufhielt und nach ihren Personalien fragte. Nachdem sie sich ausgewiesen hatte, ließ er sie passieren. Sie verzichtete auf den Lift und ging die Treppe hinauf in den dritten Stock.

    Bevor sie noch jemanden sehen konnte, hörte sie Stimmen. Am Gang stand ein Sessel, auf dem zusammengesunken eine Frauengestalt saß. Sie trug Jeans sowie einen hellblauen Pullover mit Zopfmuster und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Neben ihr stand Bezirksinspektorin Sandra Omasits, die Miriam aus der Zeit kannte, in der sie selbst noch in Wiener Neustadt Dienst gemacht hatte.

    »Hallo Sandra«, grüßte Miriam. Dann warf sie einen fragenden Blick auf die schlanke Frau am Sessel.

    »Das ist Frau Birgit Bauer. Sie hat die Leiche gefunden«, erklärte die Polizistin.

    In einiger Entfernung blieb Miriam stehen und sprach die Zeugin an: »Guten Tag! Es tut mir leid, dass Sie so ein schreckliches Erlebnis hatten. Können Sie mir trotzdem einige Fragen beantworten?«

    Die Frau am Sessel nickte zaghaft und blickte auf. Sie war ungefähr dreißig Jahre alt, hatte kurzgeschnittene dunkle Haare und rotgeweinte graue Augen. Mehr konnte Miriam nicht erkennen.

    »Zuerst einmal: Wie standen Sie zu der Toten?«

    »Wir waren schon seit unserer Kindheit Freundinnen. Seit wir uns nicht mehr treffen dürfen, haben wir regelmäßig telefoniert. Daher war ich auch sehr beunruhigt, als ich sie nicht mehr erreichen konnte.« Um Fassung bemüht holte sie zitternd Luft. »Zwei Tage hindurch habe ich es immer wieder vergeblich versucht, dann habe ich auf die Vorschriften gepfiffen und bin hergefahren. Ich fürchtete, dass sie vielleicht im Bad gestürzt war oder Ähnliches«, sagte sie heiser. »Weil ich mich um ihre Blumen kümmere, wenn sie im Urlaub ist, habe ich einen Schlüssel. Ich habe geklingelt, aber sie hat sich nicht gerührt. Da bin ich in die Wohnung gegangen und habe sie gefunden.«

    »War Ihre Freundin in der letzten Zeit irgendwie verändert?«

    »Mir ist nichts aufgefallen, aber wir haben uns ja auch nicht mehr persönlich gesehen«, murmelte Birgit Bauer und kämpfte sichtlich mit den Tränen.

    »Hatte Ihre Freundin mit irgendjemandem Streit?«

    »Nein!«, schrie Frau Bauer plötzlich. »Sie kam mit jedem gut aus! Finden Sie den Verrückten, der das getan hat! Ich will endlich weg hier!«

    »Natürlich. Entschuldigen Sie!«, lenkte Miriam ein. »Wohnen Sie in Wiener Neustadt? Sind Sie in der Lage, allein zu fahren, oder soll Sie jemand nach Hause bringen?«

    »Nein danke! Ich wohne in Lanzenkirchen und werde es schon bis nach Hause schaffen.«

    »Dr. Gunther hat Frau Bauer ein leichtes Beruhigungsmittel, das die Verkehrstüchtigkeit nicht beeinträchtigt, gegeben«, mischte sich die uniformierte Beamtin erklärend ein. »So gesehen gibt es sicher kein Problem. Die Personalien der Frau Bauer habe ich bereits.«

    »Gut. Dann können Sie gehen, Frau Bauer«, sagte Miriam. »Ich muss Sie aber bitten, morgen um vierzehn Uhr auf die Polizeistation zu kommen, damit wir Ihre Aussage protokollieren können.« Sie reichte der Frau eine offizielle Visitenkarte, die diese wortlos einsteckte, sich verabschiedete und zum Lift ging.

    Miriam wandte sich an Sandra Omasits: »Hast du hier noch eine weitere Aufgabe?«

    »Nein, ich sollte nur bis zu deinem Eintreffen bei Frau Bauer bleiben«, gab diese zurück.

    »Dann kannst du dich für mich bei den anderen Bewohnern erkundigen, ob sie Fremde im Haus gesehen haben, oder sie etwas über die Tote aussagen können. Nur die Besitzer der Nebenwohnung werde ich selbst befragen. Wir sind total unterbesetzt. Von mir aus kannst du danach wieder zurück aufs Kommissariat fahren, aber die Personalien der Zeugin hätte ich vorher noch gerne.«

    »Natürlich! Daran hätte ich schon denken sollen! Aber diese Geschichte hier setzt mir auch zu.« Sandra Omasits griff nach ihrem Mobiltelefon und suchte kurz etwas. Dann blickte sie auf. »Schon erledigt!«

    Miriam machte ebenfalls einen Blick auf ihr Handy. »Danke, Sandra! Ich muss leider noch da hinein.« Sie deutete mit dem Kopf auf die angelehnte Tür, hinter der gedämpft geschäftiges Treiben zu vernehmen war, und verabschiedete sich. Dann schlüpfte sie in den weißen Kunststoffoverall, dessen Tragen an jedem Tatort Pflicht war.

    In der Wohnung waren etliche ebenfalls weiß gekleidete Gestalten an der Arbeit.

    Suchend sah sie sich um und entdeckte in dem Gewusel Abteilungsinspektor Erich Steiner, den Leiter der Tatortgruppe. »Hallo Erich, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was gibt es hier?«

    »Hallo Miriam! Wieder einen Frauenmord«, gab Steiner kurz zurück und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Dr. Gunther ist noch drinnen.«

    »Weiß man schon, wie die Tote heißt?«, fragte Miriam. Sie ärgerte sich, dass sie vorhin Frau Bauer nicht danach gefragt hatte.

    »Laut dem gefundenen Führerschein und der Zeugin handelt es sich bei der Frau um Penelope Schmied. Sie war dreißig

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