Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Havenburg: Die letzte Bastion der Heiden
Havenburg: Die letzte Bastion der Heiden
Havenburg: Die letzte Bastion der Heiden
eBook222 Seiten3 Stunden

Havenburg: Die letzte Bastion der Heiden

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Leute von Havenburg haben nicht gut lachen, denn seit einigen Wochen werden sie von einem übereifrigen Kuttenträger besucht, der das heidnische Dorf zum christlichen Glauben bekehren will. Doch Bruder Dominik merkt schnell, dass er sich insbesondere an dem kleinen Jungen Martin die Zähne ausbeißt, der eindeutig die falschen Fragen stellt und ihn letztendlich auch vor dem ganzen Dorf bloßstellt.Dem Autorenduo, Marvin Faraday und Emily Tabitha Frost, war es wichtig, diese Geschichte zu erzählen, die sie in ein Setting des Mittelalters eingepflegten, in einer Zeit, in der sich kein Dorf sicher sein konnte, nicht von der Christianisierung überrannt zu werden. Doch der kleine Martin entpuppt sich schnell als Rebell und stellt sich den Klerikern in den Weg, da sie seiner Meinung nach ganz andere Dinge im Schilde führen, als die Leute für einen neuen Glauben zu gewinnen. Obwohl ihm anfangs niemand Glauben schenken will, merken die Leute schnell, das Martin von Anfang an die Wahrheit gesagt hatte, und dass es nun an der Zeit ist, Schaden vom Dorf abzuwenden
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Juli 2023
ISBN9783988656261
Havenburg: Die letzte Bastion der Heiden
Autor

Marvin Faraday

Erstmals haben sich Marvin Faraday und Emily Tabitha Frost (E.T. Frost) zusammengetan, um ein modernes Märchen zu schreiben, dass sie in Hann. Münden angesiedelt haben, wo Leser auf eine spannende Litera-Tour gehen können, um Peter unter Wölfen hautnah zu erleben.Dies ist ein exklusives Projekt der HMFotoTours.de Hann. Münden

Ähnlich wie Havenburg

Ähnliche E-Books

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Havenburg

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Havenburg - Marvin Faraday

    IMPRESSUM

    Marvin Faraday

    Emily Tabitha Frost

    HAVENBURG

    Die letzte Bastion der Heiden

    Alle Texte, Textteile, Grafiken, Layouts sowie alle sonstigen schöpferischen Teile dieses Werks sind unter anderem urheberrechtlich geschützt. Das Kopieren, die Digitalisierung, die Farbverfremdung, sowie das Herunterladen z. B. in den Arbeitsspeicher, das Smoothing, die Komprimierung in ein anderes Format und Ähnliches stellen unter anderem eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung dar. Verstöße gegen den urheberrechtlichen Schutz sowie jegliche Bearbeitung der hier erwähnten schöpferischen Elemente sind nur mit ausdrücklicher vorheriger Zustimmung des Verlags und des Autors zulässig. Zuwiderhandlungen werden unter anderem strafrechtlich verfolgt!

    Die Menschen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten und mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

    Originalausgabe, die 1. Auflage des Prints erschien am 15. Juli 2023

    und ist ausschließlich als Hardcover auf WickedWorld.de erhältlich

    Copyright © 2023 Marvin Faraday & Emily Tabitha Frost

    Publishing Rights © 2023 Marvin Faraday & Emily Tabitha Frost

    Lektorat & Korrektorat: Pascal Wagenknecht, AutorenServices.de

    Verantwortlich für das Buchcover: Nikita Ivanova, AutorenServices.de

    WickedWorld.de

    Hinter der Stadtmauer 9/11

    34346 Hann. Münden

    GERMANY

    Image1

    KAPITEL I - DAS OSTARA-FEUER. DER TRAUM DER GERECHTEN.

    „Alles, was ist und was war, hat mit einem Traum begonnen", klangen die Worte des Druiden in Martins Ohren, als er heute Morgen mit dem ersten Krähen des Hahnes aufgestanden war, um sich auf den Weg zu machen. Dennoch war er davon überzeugt, dass allein er für sein Schicksal und das Wohlergehen seiner Eltern verantwortlich war, und dass auch niemand für ihn den Karren aus dem Dreck ziehen würde, sodass sie es besser hätten.

    Nein, er allein war dafür verantwortlich, dass mit seiner Tätigkeit ein paar Taler in die Familienkasse kamen, um über die Runden zu kommen, zumal sein Vater erst vor ein paar Wochen seine Anstellung auf der Havenburg verloren hatte, weil ihm vorgeworfen wurde, dass er sich am Futter der Pferde zu schaffen gemacht hatte. Das war zwar erstunken und erlogen, doch Martin hatte schnell kapiert, dass Recht haben und Recht bekommen zweierlei Schuh waren und oftmals viel zu schnell ein Schuldiger benannt wurde, der gar keine Schuld auf sich geladen hatte.

    Aber die Leute waren stets schnell dabei, wenn es darum ging, einen Schuldigen zu benennen, und dann das Gegenteil zu beweisen, war ein äußerst kniffliges Unterfangen, das nur selten von Erfolg gekrönt war. Martins Vater konnte von Glück sagen, dass der Baron darauf verzichtet hatte, ihm nicht gleich die Hand abzuschlagen, denn auch das war Martin zu Ohren gekommen, dass es in anderen Dörfern so gehandhabt wurde, einem Kerl die Hand abzuschlagen.

    Glücklicherweise durfte seine Mutter weiterhin in der Küche der Burg arbeiten, denn sie war eine wirklich hervorragende Köchin – ganz ohne Übertreibung. Allerdings musste Martin, der seinem 12. Geburtstag im Juni entgegenfieberte, jetzt seinen Teil dazu beitragen, dass sie keinen Hunger litten. Schon vor dem Morgengrauen zog es ihn daher hinaus auf die dunklen Gassen des kleinen Dorfes, das später einmal Hann. Münden heißen würde, in dem 99 Seelen lebten und die ihre Häuser quadratisch, praktisch und klug errichtet hatten, um möglichst kurze Wege zu haben.

    Martin wohnte mit seinen Eltern am Ende des Ulmenweges, der sich vor ihrem Haus mit der Kastanienallee kreuzte. Die Kastanienallee war eine der beiden Prachtstraßen, die bis hinauf zur Burg führte, wo der Baron mit seiner Frau und seinem einzigen Sohn lebte, den Martin jedoch nicht zu seinen Freunden zählte, obwohl sie in etwa gleich alt waren.

    Doch Martin wusste um seine Stellung in der Gemeinde und wo sein Platz in diesem Dorf war. Nie würde er auf die Idee kommen, sich zu Höherem berufen zu fühlen. Das überließ er besser jenen, die eine höhere Schulbildung genossen hatten als er. Martin konnte sich jedoch glücklich schätzen, dass er überhaupt lesen, schreiben und auch rechnen konnte, was keine Selbstverständlichkeit war in den Jahren, in denen diese Geschichte spielt, denn im tiefsten Mittelalter waren die meisten Leute Analphabeten, die nicht einmal 2 und 2 zusammenzählen konnten, geschweige denn einen Zettel lesen konnten, auf dem sein Vater ihm die Namen geschrieben hatte, deren Häuser er heute aufsuchen sollte, um den Unrat abzuholen, den die Bewohner bereits gestern Nacht vor die Türen gestellt hatten.

    Eigentlich war es unter den Bewohnern von Havenburg verpönt, an einem Sonntag zu arbeiten, doch sie wollten ihr Dorf sauber halten, bevor der Dominikanermönch zu ihnen käme, wie an jedem anderen Sonntag auch, in der Hoffnung, dass er die heidnischen Tugenden, die hier noch praktiziert wurden, endlich unterbinden könnte, denn die waren dem Kuttenträger ein Dorn im Auge. Und so blieb es Martin auch heute nicht erspart, sich den Lumpen überzuziehen, der mal ein Mehlsack gewesen war und der ihn von der Mutter bereitgelegt worden war, sodass er ja nicht auf die dumme Idee käme, seine schönsten Sachen schon jetzt anzuziehen – wo er sich doch erst nach getaner Arbeit umziehen sollte, um nicht wie ein Bettler zur Dorfschule zu pilgern, wo der Mönch eine Art Sonntagsschule mit anschließender Messe etabliert hatte, um vor allem die Eltern dazu zu bewegen, ihre Kinder alsbald taufen zu lassen, da er deren Seelenheil in Gefahr sah, ungetauft in der Hölle zu landen, sollte sie der Blitz vor der Taufe treffen oder die Pest über sie kommen. Doch auch ohne Blitzgewitter, Pest und Cholera war die Kindersterblichkeit zu dieser Zeit extrem hoch, sodass es nicht weiter verwunderlich war, wenn eine Familie, die vormals acht Kinder gehabt hatte, jetzt nur noch drei Mäuler zu stopfen hatte.

    Es war dem Baron zu verdanken, der schützend seine Hände über seine Schäflein hielt, dass Martin nicht nur an den Sonntagen kaum Schlaf bekam, sondern auch an jedem anderen Tag in der Woche. Und wenn er einmal verschlief, war das Geschrei groß, wenn sich der Duft des Unrats über das Dorf legte und selbst der Baron in seiner Burg die Nase rümpfte und ihm nur zwei der vereinbarten drei Taler in die Hand gedrückt wurden. Dabei brauchten sie das Geld. Martin konnte es sich gar nicht leisten, zu spät aufzubrechen, auch wenn die Dunkelheit noch über dem Dorf lag. Zwar gab es ausgerechnet an ihrem Haus eine Straßenlaterne, doch die Sicht war heute so schlecht, dass er keine zehn Meter weit sehen konnte, da sich ein dichter Teppich aus Nebel über die Häuser gelegt hatte, als er die Haustür öffnete und einen Blick hinaus auf die Gasse warf: „Auch das noch", schimpfte er und lief hinter das Haus, um den Handkarren aus dem Schuppen zu holen, mit dem er durch die Gassen zog. Auf dem Handkarren befanden sich zwei Tröge, von denen einer für die Speisereste gedacht war, während der andere all den Unrat aufnahm, der nicht länger auf den Gassen entsorgt werden durfte, wie es vielerorts üblich war. Der Baron hatte den Leuten ins Gewissen geredet, dass das doch erst Krankheiten verursachte, und so war Havenburg seiner Zeit weit voraus, dass es hier eine Art Müllabfuhr gab, um die Gassen sauber und die Leute gesund zu halten.

    Allerdings hatte sich der Baron keine Gedanken darüber gemacht, wie anstrengend und kräftezehrend diese Tätigkeit wäre und dass Martin noch viel zu klein und vor allem zu jung war, um diese Arbeit auszuführen, doch im Mittelalter war Kinderarbeit ein notwendiges Übel sowie an der Tagesordnung und so kümmerte es auch niemanden, wie sehr sich Martin mit dem Handkarren abmühte, um noch vor Sonnenaufgang mit seiner Tätigkeit fertig zu sein.

    Obgleich es die meisten Kinder im Dorf wussten, womit er sich die drei Taler am Tag verdiente, so wollte er aber nicht von ihnen dabei gesehen werden, wie er die kleineren Kübel vor den Häusern in die größeren Kübel auf seinem Handkarren entleerte. Außerdem war es heute so bitterlich kalt, dass er seinen Atem sah, wenn er ausatmete, sodass er höllisch aufpassen musste, sich nicht zu erkälten, denn die Kälte kroch ihm allmählich von den nackten Füßen, die tief im Morast steckten, bis hinauf zum Rücken und sogar seine Fingerkuppen erstarrten leicht.

    Schuhe waren allerdings ein Luxus, den sich seine Eltern nicht leisten konnten. Und so tapste er auf dem nassen Kopfsteinpflaster von Haus zu Haus, rieb sich dann und wann seine Hände und freute sich schon auf den heißen Kräutertee, den er in der Dorfschenke erhalten sollte für seinen unermüdlichen Einsatz für die Gemeinschaft.

    Er bog gerade in die Gasse ein, die früher einmal einen blumigen Namen gehabt hatte, bevor die Leute dazu übergegangen waren, die Gasse, die direkt zur Dorfschenke und dem Dorfplatz führte, „Zum Zerbrochenen Krug umbenannten, womit die Dorfschenke auch zu ihrem Namen gekommen war, doch die Kinder machten sich darüber lustig und nannten sowohl die Schenke als auch die Gasse „Zum Erbrochenen Krug, weil sie nicht selten ihre völlig betrunkenen Väter von dort abholen mussten, wenn sie mal wieder zu tief ins Glas geschaut hatten.

    Auch Martin wurde oft von seiner Mutter in die Dorfschenke geschickt, um seinen Vater davon abzuhalten, über den Durst zu trinken und das sauer verdiente Geld auf den Kopf zu hauen. Doch viele Male kam er zu spät und das Geld war weg. Ein Gutes hatten seine Besuche in der Dorfschenke jedoch. Er hatte sich mit dem Sohn der Wirtsleute angefreundet, der ihm sicher auch heute Gesellschaft bei seiner kurzen Pause leisten würde, bevor er die zweite Hälfte seiner Runde erledigte.

    Die Wirtsleute waren die einzigen Bewohner Havenburgs, die über zwei Häuser verfügten. In dem einen wohnten sie und in dem anderen schufteten sie von morgens früh bis abends spät. Und auch ihrem Sohn Sebastian blieb es nicht erspart, im elterlichen Betrieb mitzuhelfen – ob er das nun wollte oder nicht.

    Am liebsten heckten die beiden Streiche aus oder es zog sie an den nahe gelegenen Fluss, um sich dort zu vergnügen. Doch an einem 20. März war noch gar nicht daran zu denken, hinunter zum Fluss zu gehen, da sie ohnehin den Leuten versprochen hatten, beim Aufbau des Ostara-Feuers mitzuhelfen, dass morgen, wenn der Mönch erst einmal außer Sichtweite war, entzündet werden sollte. Auch so eine Sache, die der Dominikanermönch den Leuten am liebsten austreiben wollte. Doch die Bewohner des kleinen Dorfes dachten gar nicht daran, sich das alte Brauchtum und die Traditionen nehmen zu lassen, zumal das morgige Feuer endlich den Frühling einläuten sollte.

    Höchste Zeit für Martin, sich zu sputen, wie er so in Gedanken versunken die Gasse entlang schlenderte und Ausschau nach dem nächsten Kübel hielt. Da es nur an den Eckhäusern Laternen gab, musste Martin höllisch aufpassen, keinen Kübel umzustoßen oder sich gar die Zehen daran zu stoßen, die schon ganz taub waren von der Kälte, die ihm allmählich durch alle Knochen fuhr. Noch zwei Häuser, dann würde er das Wohnhaus der Wirtsleute erreichen, wo er auf dem feuchten Untergrund nach einem Steinchen suchte, um sich bei seinem Freund am Fenster bemerkbar zu machen. Heute jedoch war ihm Sebastian zuvorgekommen, der sich von hinten an ihn herangeschlichen hatte, um ihm einen Schrecken einzujagen.

    Mit einem lauten „Buh!" fasste Sebastian an Martins Schulter und noch bevor Martin einen Schrei ausstoßen konnte, klebte ihm auch schon die schweißnasse Hand seines Freundes auf den Lippen.

    „Du hast dir heute ganz schön Zeit gelassen. Ich bin schon seit einer halben Stunde wach und warte auf dich", sagte Sebastian, der seinen Freund in Augenschein nahm und die Nase rümpfte.

    „Wenn die Leute ihre Kübel nur nicht so voll machen würden", schimpfte Martin und wischte sich seine Handflächen an dem Lumpen sauber, den er trug, um seinen Freund mit einem Handschlag zu begrüßen.

    „Deine Mutter soll dich nachher bloß in die Wassertonne stecken und dich mit Seife abschrubben. Du siehst fürchterlich aus, mein Freund und stinkst bis zum Himmel, sodass selbst die Engel im Himmel ihre Nasen rümpfen", sagte Sebastian und deutete an, dass sich Martin an den ersten Tisch setzen sollte, um nicht die ersten Gäste zu verscheuchen, die eingekehrt waren, um ein Frühstück zu sich zu nehmen.

    Zwei Tische weiter saß Holger, der sich die Nacht um die Ohren geschlagen hatte, da er befürchtete, die Leute aus dem Nachbardorf würden ihnen das Holz für das Feuer stehlen, dass sie in den letzten Wochen zusammengetragen hatten, um ein möglichst hohes Feuer zu entzünden.

    Holger war der Nachtwächter und Stadtschreier von Havenburg in einer Person, was ihn zu einem wichtigen Bürger des Dorfes machte, der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Dorfschenke und der Burg des Barons in einem kleinen Haus wohnte. Martin und Holger kannten sich zwar vom Sehen her, doch einen Satz oder gar ein Gespräch hatten sie noch nie miteinander geführt. Dazu war Holger auch viel zu schweigsam, um nicht zu sagen verschwiegen. Für gewöhnlich hockte Holger allein an einem der Tische, aß dort in Seelenruhe sein Frühstück, das zumeist aus Rührei und Speck bestand, sowie einem Krug Bier, bevor er sich dann aufs Ohr haute und den Schlaf nachholte, den er zugunsten des Dorffriedens opferte, was sein Beitrag für die Dorfgemeinschaft war.

    Jeder Bürger und jedes Kind war ein Teil dieses Getriebes, das zum Gelingen beitrug und wehe dem, einer der Bürger oder eines der Kinder tanzte aus der Reihe, dann war das Chaos nicht weit.

    Martin schenkte dem Nachtwächter ein Lächeln, da er sich mit Holger gut stehen wollte, zumal Holger Dinge von ihm wusste, die nie zur Sprache kommen durften.

    Holger schaufelte sich weiterhin das Essen hinter die Kauleiste und tat so, als würde er Martin und dessen Freund, der mit zwei Bechern an den Tisch zurückkam, gar nicht wahrnehmen. Doch aus dem Augenwinkel heraus behielt er die beiden Lausbuben dennoch im Auge, da schon viele Dummheiten auf ihr Konto gegangen waren. Und Holger wusste ganz genau, wer etwas auf dem Kerbholz hatte und wer nur so tat, als könne er seine Hände in Unschuld waschen.

    „Trink das", sagte Sebastian und schob seinem Freund den Becher zu, in dem ein starker Kräutertee sein Aroma verströmte. Martin hob sich den Becher an die Nase und sog den Duft in sich auf. Er inhalierte den Duft regelrecht, als wolle er seinen Schleimhäuten eine Pause gönnen von all dem Unrat, dem er heute schon begegnet war.

    Ein Wunder, dass es ihm die Schleimhäute nicht längst weggeätzt hatte, denn in so manch einem Kübel fanden sich auch Abfälle, die seiner Gesundheit sicherlich nicht zuträglich waren, ganz im Gegenteil zu diesem Kräutertee.

    „Deine Mutter scheint mir sehr genau zu wissen, wie sie mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Der Tee schmeckt wirklich lecker", sagte Martin, als er den ersten Schluck nahm und spürte, wie der Tee ihm den Rachen ausputzte, wie ein Schornsteinfeger es bei den Kaminschloten tat.

    Ja, es war eine Wohltat, hier am Tisch zu sitzen und zu wissen, dass er die Hälfte seiner Runde bereits erledigt hatte. Halbzeit sozusagen! Und Martin war froh, dass ihm sein Freund dennoch Gesellschaft leistete, obwohl er in seinem Lumpen keine allzu schöne Erscheinung war. Doch Sebastian verurteilte ihn nicht wegen seines Aussehens oder dass er völlig verdreckte Fingernägel hatte, die er nur mit reichlich Seife wieder sauber bekäme.

    „Ja, meine Mutter kennt sich gut mit den Kräutern aus", erwiderte Sebastian und senkte merklich seine Stimme, denn diese Aussage durfte auf keinen Fall in den falschen Hals kommen. Viel zu schnell waren die Leute dabei, einer Frau zu unterstellen, dass sie eine Hexe sei, nur weil sie wusste, welches Kraut zu welchem Zwecke eingenommen werden musste.

    Und welche Frau im tiefsten Mittelalter wusste nicht darüber Bescheid, dass gegen alles ein Kraut gewachsen war, auch wenn dieses alte Wissen mit großem Argwohn gesehen wurde – jedenfalls vonseiten der Kuttenträger, die dieses Wissen doch viel lieber für sich beanspruchten, sodass sie dazu übergingen, auf Frauen Jagd zu machen, die ihnen ihr Wissen nicht so ohne Weiteres preisgeben wollten.

    Doch das ist eine Sache, auf die wir später noch einmal zu sprechen kommen werden. Lauschen wir doch lieber noch den beiden Jungs für eine Weile, die sich einiges zu erzählen hatten.

    „Meine Mutter ist strikt dagegen, dass ich mich taufen lassen soll. Sie traut dem Ganzen nicht. Sie meint, dass uns da nur Unsinn erzählt wird, wann immer Dominik zu uns ins Dorf kommt", flüsterte Sebastian und beugte sich etwas näher zu seinem Freund, sodass ihr Gespräch nicht von jemanden mitgehört werden konnte, denn das ging niemanden etwas an. Wer sich hierzulande gegen die Kirche aussprach, die immer mehr an Einfluss gewann, lief nicht selten Gefahr, als Ketzer an den Pranger gestellt zu werden. Da half es auch nichts, das der Baron es seinen Bürgern überlassen hatte, ob sie sich nun dem neuen Glauben anschließen wollten oder nicht. Der Baron wollte diesbezüglich niemanden bevormunden, denn die Überzeugung zum Glauben musste schon von einem selbst kommen und sollte nicht per Dekret aufgedrängt werden.

    Auch in dieser Angelegenheit war das Dorf seiner Zeit weit voraus, auch wenn es viele Familien so sahen, lieber einen Kompromiss einzugehen, bevor auch sie auf einem der zahlreichen Scheiterhaufen, die im Land auf und ab brannten, den Tod finden würden?

    „Du Glücklicher", sagte Martin und nahm nochmals einen kräftigen Schluck aus dem Becher, bevor er weitersprach: „Meine Mutter meint, dass sich damit der Wind aus den Segeln nehmen ließe, und dass wir durch die Zugehörigkeit der Kirche nicht länger

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1