Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg (5): Weiße Hölle, schwarzes Gold
Von Marc Freund
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Rezensionen für Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg (5)
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Buchvorschau
Jules Verne – Die neuen Abenteuer des Phileas Fogg (5) - Marc Freund
- 1 -
Bereits als Phileas Fogg die Treppe zum oberen Geschoss hinaufstieg, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Es war eine Art Vorahnung, die von ihm Besitz ergriff und die seine Schritte langsamer und bedächtiger werden ließ.
Als er die letzten beiden Stufen hinter sich gebracht hatte, blickte er i einen spärlich beleuchteten Korridor.
Von unten war noch immer der Lärm aus der Hafenspelunke zu hören. Ein verstimmtes Klavier, das Klirren der Biergläser und krakeelende Matrosen, die an ihrem letzten Abend an Land alles daran setzten, den allerletzten Rest ihrer Heuer zu verprassen.
Fogg bemühte sich, all diese Einflüsse auszublenden.
Man hatte ihm gesagt, wohin er zu gehen hatte.
Das Zimmer mit der Nummer Sieben lag ganz am Ende des Korridors. Fogg erkannte mit einem Blick, dass die Tür nicht ganz geschlossen war. Hinter dem Spalt befand sich ein Keil aus Dunkelheit.
Vorsichtig durchquerte er den langen Gang. Die Bodenbretter knarrten leise unter seinen Schritten.
Hatte sich die Tür bewegt? Fogg war sich beinahe sicher.
Zugluft, dachte er. Und tatsächlich glaubte er, von irgendwoher einen kühlen Windhauch wahrzunehmen, als er seine Hand nach dem Türknauf ausstreckte.
Foggs Sinne waren alarmiert. Der Gast in diesem Zimmer erwartete ihn hier. Zumindest hatte er ihm dies glaubhaft versichert.
Und nun lag der Raum in vollkommener Dunkelheit.
Obwohl, ganz richtig war das nicht, denn die Jalousien an den Fenstern waren nicht heruntergezogen worden.
Es fiel ein schwacher Lichtschimmer von der beleuchteten Straße hinein.
Die Tür knarrte leise, als sie sich weiter nach innen öffnete.
Phileas Fogg blieb auf der Schwelle stehen.
„Kapitän Sharingham?"
Er erhielt keine Antwort.
Fogg fingerte in seiner Westentasche nach einem Päckchen Streichhölzer, das er so gut wie immer bei sich führte.
Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit durch etwas anderes abgelenkt. Eine Gestalt saß kerzengerade in dem Bett, das sich an der linken Zimmerwand befand und mit dem Fußende bis in die Mitte des Raums hineinragte.
„Kapitän? Können Sie mich hören?", fragte Fogg noch einmal.
Der Unheimliche reagierte nicht. Fast schien es dem Abenteurer als würde Sharingham einfach dasitzen und ihn aus der Dunkelheit heraus anstarren.
Foggs Finger tatsteten wieder nach den Streichhölzern in seiner Tasche. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, das spürte er.
Zudem lag ein Geruch in der Luft, der ihm vage vertraut war.
Mit flinken Bewegungen riss er ein Zündholz an.
Sharinghams Augen waren gebrochen. Sie waren weit aufgerissen und starrten verdreht zur Decke. Sein Mund stand offen, so als hätte er zum Zeitpunkt seines Todes noch einen letzten verzweifelten Schrei ausgestoßen. Was es auch gewesen sein mochte, schien ziemlich plötzlich über den Mann gekommen zu sein.
Das ehemals weiße Hemd des Kapitäns war blutgetränkt.
Neben ihm auf dem Bett, in dem er vollkommen angekleidet saß, lag ein aufgeschlagenes Buch.
Der Körper des Kapitäns war noch warm, wie Fogg mit einem raschen Griff nach Sharinghams Handgelenk feststellte. Was auch immer hier geschehen war, konnte noch nicht allzu lange her sein.
Das Streichholz erlosch. Fogg hatte die Kerze neben dem Bett zu spät erkannt. Also bemühte er sich um ein neues Hölzchen und riss es an.
Im selben Moment wusste er, dass er nicht allein im Zimmer war.
Es war kaum mehr als eine leichte huschende Bewegung, die er aus den Augenwinkeln heraus wahrgenommen hatte.
Jemand versuchte, hinter seinem Rücken hinaus auf den Balkon zu gelangen.
Fogg entzündete hastig den Kerzendocht und wirbelte auf der Stelle herum. Doch der Unbekannte war bereits durch die geöffnete Balkontür nach draußen gelangt.
Gedämpfte Schritte waren zu hören.
Fogg rannte auf die Tür zu, fegte die langen Vorhänge beiseite und befand sich im nächsten Moment im Freien.
Der Balkon war leer!
*
Der Abenteurer blickte sich um. Der Balkon war viel zu klein als dass sich hier jemand hätte verstecken können.
Mit einem Satz war er am Geländer und beugte sich nach vorne.
Auf der hell erleuchteten Straße herrschte noch viel Betrieb.
Im letzten Augenblick erkannte Fogg eine Gestalt in einem langen Mantel, die hastig davon eilte und sich mit unsanften Mitteln einen Weg durch die Menge bahnte. In der nächsten Sekunde war der Fremde an der Ecke verschwunden.
„Verdammt", flüsterte Fogg und schlug mit der flachen Hand auf das Geländer. Er blickte noch für einige Sekunden auf die Straße herunter, dann drehte er sich widerwillig um und kehrte in das Zimmer zurück.
Die Flamme der Kerze flackerte unruhig und blakte Ruß gegen die Zimmerdecke.
Noch einmal beugte sich Fogg über den Toten. Er war kein Arzt, doch er brachte genügen Erfahrung mit sich, um die Wunde annähernd analysieren zu können. Foggs bescheidener Meinung nach musste es sich um eine Schusswunde handeln.
Da der Tote keine Austrittswunde aufwies, musste die Kugel noch im Körper stecken.
Sharingham hatte seinen Mörder gesehen, so viel stand für Fogg fest. Er versuchte, den Tathergang zu konstruieren.
Der Kapitän hatte sich hier in seinem Zimmer befunden, auf dem Bett sitzend, in der Bibel blätternd und nichts Böses ahnend.
War der Täter durch die Zimmertür gekommen? Für einen Moment wägte Fogg diesen Gedanken ab. Er begab sich zur Türschwelle und blickte in das Zimmer. Die Tür in seinem Rücken gab ein knarrendes Geräusch ab, als er sie bewegte.
Sofern der Kapitän nicht über seinem Buch eingenickt war, hätte er bei diesem Geräusch bereits auffahren müssen. Er hätte beim Anblick des Mörders versucht, aus dem Bett zu springen. Zwar bestand die Möglichkeit, dass er es versucht und der Täter ihn nach Ausführung des Mordes wieder in die sitzende Position zurück gedrückt hatte, aber irgendwie wollte Fogg nicht daran glauben. Die Art, wie Sharingham gegen die Decke starrte und letztlich auch die kleine Einschusswunde in seiner linken Brust erzählten eine andere Geschichte.
Fogg trat an das Bettende heran, richtete seine rechte Hand mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger auf den Toten und simulierte einen Schuss. Ja, das passte schon besser ins Bild.
Fogg drehte sich um. Hinter ihm befand sich ein Wandschrank.
Die Tür war nur angelehnt, wie er bei näherer Betrachtung feststellte.
Daher war er also gekommen. Der Mörder musste sich bereits im Zimmer befunden haben. Er hatte auf seine Gelegenheit gewartet. Fogg öffnete die Tür weiter. In seinem geräumigem Innern befanden sich ein prall gefüllter Seesack und ein verwaist wirkender Mantel, der allein an der Kleiderstange hing. Ganz sicher waren das Sharinghams Sachen. Fogg inspizierte sie oberflächig und wollte gerade die Tür wieder schließen, als ihm auf dem Schrankboden ein kleiner Gegenstand auffiel, der im Schein der Kerze schimmerte.
Fogg nahm ihn rasch an sich. Als er seine Hand öffnete, lag darin ein goldener Siegelring, in den in auffälliger Form der Buchstabe G eingearbeitet war.
Ob er Sharingham gehört hatte? Fogg versuchte sich zu erinnern, aber er konnte sich nicht entsinnen, dass der Mann bei ihrer ersten Begegnung ein solches Schmuckstück getragen hatte.
Selbstverständlich konnte es für das Vorhandensein des Rings Dutzende von Erklärungen geben, überlegte Fogg. Der Vormieter des Zimmers könnte ihn beispielsweise hier vergessen haben.
Es bestand allerdings auch die vage Möglichkeit, dass der Mörder ihn verloren hatte, als er im Schrank kauernd auf seinen großen Auftritt gewartet hatte.
Der Abenteurer steckte den Ring in seine Westentasche und drückte die Schranktür zu.
Ein letztes Mal wandte er sich dem Bett mit dem Toten darin zu. Sein Blick fiel auf das aufgeschlagene Buch. Er jetzt erkannte er, dass es sich dabei um die Bibel handelte.
Eine Stelle in den Aussagen des Propheten Sacharja war angestrichen worden:
Zu der Zeit wird kein Licht sein, sondern Kälte und Frost.
Fogg nahm das Buch in die Hand, las die Stelle noch einmal und dachte plötzlich an das Gespräch zurück, das er noch am Morgen desselben Tages mit Kapitän Edward Sharingham geführt hatte.
- 2 -
„Champagner?"
Der Mann in der dunkelblauen Uniform mit den goldenen Knöpfen machte ein Gesicht, als hätte er in eine saure Frucht gebissen.
„Bah! Das ist doch was für das weibliche Geschlecht oder solche, die sich wünschen, sie würden dazugehören."
„Und was bevorzugen Sie stattdessen?", fragte Fogg mit einem Augenzwinkern.
Der Mann in der Kapitänsuniform beugte seinen Oberkörper leicht zu seinem Gesprächspartner herüber und senkte seine Lautstärke einen Deut. „Echte Weiber!"
Phileas Fogg schlug den Nagel seines Zeigefingers gegen sein hohes Glas, dass es leicht klirrte. „Ich dachte eigentlich eher an etwas Trinkbares."
Edward Sharingham räusperte sich dezent, bevor er seinen Rücken straffte.
„Whisky, antwortete er. „Echter schottischer. Nicht so eine nachgemachte Plörre von Leuten, die sich einbilden, sich damit auszukennen.
„Ich werde sehen, ob ich einen auftreiben kann, antwortete Fogg. Bereits im Gehen wandte er sich noch einmal um. „Bevorzugen Sie Ihr Getränk mit Eis?
Sharingham hob seine buschigen Augenbrauen an. „Beabsichtigen Sie, mich zu einem Drink einzuladen oder wollen Sie mich vergiften?"
Fogg breitete lächelnd die Arme aus und ließ die Antwort auf die Frage offen. Nach zwei Minuten war er wieder zurück.
Der Kapitän nickte ihm zu, als er das Glas mit der goldgelben Flüssigkeit darin entgegen nahm.
„Kann Eis nicht ausstehen, brummte der bärbeißige Mann. „Bekomme in nächster Zeit noch genug von dem Dreck zu sehen.
Sharingham hob sein Glas und setzte es gierig an die Lippen.
„So?", machte Fogg und nippte an seinem Champagner.
Der Mann in der Uniform schwenkte das Glas in seiner Hand und betrachtete des Rest darin mit einem wohlwollenden Gesichtsausdruck. Anschließend deutete er damit zu einer Frau hinüber, die sich