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Das Kapital der Gesellschaft: Ein Jupp Koslowski Krimi
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eBook283 Seiten3 Stunden

Das Kapital der Gesellschaft: Ein Jupp Koslowski Krimi

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Über dieses E-Book

Der Dortmunder Privatdetektiv Jupp Koslowski wacht halbtot im Krankenhaus wieder auf. Angefangen hat die ganze Sache mit einem Auftrag, bei dem zunächst alles nach dem Versuch aussieht, Jupps Klienten um das Erbteil an der Fluggesellschaft DLT – der Dortmunder Luft-Transport – zu bringen.
Schon bald sieht sich Koslowski einem verwirrenden Gestrüpp aus Investoren, Strohmännern, zwielichtigen Geschäftsleuten, Anwälten, Managern und Wirtschaftsprüfern gegenüber. Als Jupp dann bei der Beerdigung eines Prominenten auf alte Seilschaften und deren Verstrickungen mit der Politik der westdeutschen Bonner Republik stößt, wird klar, dass es um viel mehr geht, als um den Versuch von Wirtschaftskriminellen, ihr Schäflein ins Trockene zu bringen.
Während sich Schicht für Schicht vor Koslowski Machenschaften entblättern, die weit in Zeiten des kalten Krieges, der Erpressungen, Maulwürfe, Schläfer und Täuschungen zurückreichen, wird vor seinen Augen der erste Zeuge vergiftet und Jupp muss erkennen, dass die Hintermänner vor nichts zurückschrecken, damit Dunkles für immer dunkel und Stilles für immer still bleibt.
Wird Koslowski die Wahrheit finden, bevor alle Spuren verwischt, alle Beweise beseitigt und alle Zeugen tot sind?

Der Dortmunder Privatdetektiv Josef "Jupp" Koslowski wird von seiner Vergangenheit verfolgt, treibt durch die Gegenwart und lenkt sich davon mit den 'glühenden Rätseln' der Lyriker aus vergangenen Jahrhunderten ab. Bei seinen Ermittlungen versucht er mit Anstand in dem Schmutz zu wühlen, in den ihn seine anfangs klar und einfach erscheinenden Fälle ziehen, stolpert über geschichtliche Fakten, die die Sicht auf die Historie verändern und wird konfrontiert mit den Herausforderungen der modernen, technologisierten und globalen Welt. Dabei versucht er einfach das Richtige zu tun, nicht aufzugeben und jeden Tag, Tag für Tag weiter zu machen für Wahrheit und Gerechtigkeit. Jupp Koslowski Krimis sind wilde, vielschichtige Wirtschafts- und Wissenschaftskrimi in einer wilden, vielschichtigen Welt.
www.juppkoslowski.de
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Mai 2023
ISBN9783961361595
Das Kapital der Gesellschaft: Ein Jupp Koslowski Krimi

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    Buchvorschau

    Das Kapital der Gesellschaft - Matthias Bieling

    1

    In meinem Kopf war Pudding und jede kleine Bewegung tat weh. Es war still, ich war allein und konzentrierte mich daher auf das Popkornmuster an der Decke.

    Nach einer Weile betrat eine kleine, mollige Frau in einem weißen Kittel das Zimmer und brachte einen pappigen Geruch mit herein. Sie blickte mir mit mitleidlosen Augen in das Gesicht, fummelte danach etwas an dem Infusionsständer hinter mir herum und verließ den Raum wieder.

    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, aber dann marschierten zwei Männer in den Raum. Der eine war etwas älter, trug ein Handy in seinen Händen und hatte ein aufgeknöpftes hellblaues Hemd mit kurzen Ärmeln zu einer pepitafarbenen Hose an. Der Jüngere sah in seinem Sommeranzug mit den zu kurzen Ärmeln aus, als wäre er eine Aushilfe. Seine Haare waren braun und darin steckte eine Sonnenbrille.

    Sie waren augenscheinlich Offizielle.

    „Ich bin Hauptkommissar Kasulke, sagte der Ältere. „Und das ist Kommissar Meyerdrol. Er sah mich prüfend an. „Wie geht es Ihnen?"

    Ich wusste nicht, was sie von mir wollten, warum ich hier war und was ich antworten sollte. Also nickte ich etwas, aber das schickte einen Schmerzstoß durch meinen Körper, so dass ich den Mund verziehen musste.

    Kasulke rieb sich die Nase. „Sie sind weit weg von Dortmund und dem Ruhrgebiet. Was machen Sie in Berlin, Herr Koslowski?"

    Ich wollte keinen weiteren Schmerzstoß riskieren und sah ihn deshalb einfach nur so an.

    „Sie können sich mit einem großen, rohen Kotelett bei dem Hund eines Spaziergängers am See bedanken. Der hat bei dem Fahrzeug auf dem Seegrundstück angeschlagen und ließ sich nicht wegziehen. Der Spaziergänger fand das komisch und hat eine Polizeistreife gerufen. Die haben dann Sie im Kofferraum gefunden, gerade noch rechtzeitig, sonst wären Sie verblutet."

    Er tauschte mit seinem Kollegen einen Blick und drehte dabei sein Handy in der Hand.

    „Erinnern Sie sich? Er hob fragend die linke Augenbraue. Dann fügte er an: „Der Eigentümer des Autos wurde tot in seiner Villa in Zehlendorf gefunden.

    Jetzt war es an mir, eine Augenbraue fragend hochzuziehen, was mir auch ganz gut und schmerzfrei gelang.

    „Halten Sie uns nicht für blöd. Erzählen Sie mal, wie Sie in den Kofferraum gekommen sind!"

    Da ich ihn immer noch still ansah, meinte er, die Schlagzahl erhöhen zu müssen. „Wir haben auch ihr Auto gefunden. Es ist explodiert. Wegen einer Bombe im Kofferraum."

    Ich hatte einen faden Geschmack im Mund.

    Meyerdrol stützte sich mit beiden Händen auf den Stahlrahmen meines Bettes, Kasulke sagte scharf: „Als das passierte saß darin ein Mann."

    Er schürzte die Lippen. „Es hat eine ganze Reihe an Toten gegeben. Erinnern Sie sich?"

    Da ich nicht reagierte, legte Kasulke nach: „Sie haben eine richtig große Ähnlichkeit mit dem Phantombild eines mutmaßlichen Täters eines Giftmordes in einem Café. Sie sollten reden, Koslowski, ansonsten machen Sie sich nur noch mehr verdächtig!"

    Ich versuchte die Dürre wegzuschlucken und schloss dafür kurz meine Augen. Dann ließ ich meinen Blick wieder zu seinem Gesicht zurückkehren.

    „Wir können anhand Ihrer Handydaten nachweisen, dass sie mit einigen der Toten jeweils wenige Stunden vor deren Tod telefoniert haben. Packen Sie aus, Koslowski, ist besser, glauben Sie mir. Sie bekommen sonst Schwierigkeiten."

    Der Pudding in meinem Kopf begann zu rasen, aber ich zwang mich, ihn ausdruckslos anzublicken, meine Pupillen starr auf seine Nase gerichtet.

    Unschlüssig sah Kasulke zu Kommissar Meyerdrol, dieser trat neben mein Bett und meinte achselzuckend: „Seine Erinnerung kommt schon wieder, wenn er sich alles gut überlegt."

    Ich sah jetzt von einem zum anderen und versuchte mir dabei zusätzlich einen unbedarften Ausdruck zu geben.

    Offensichtlich gelang mir das ganz gut, denn Kasulke sagte: „Ruhen Sie sich etwas aus. Wir kommen morgen wieder, vielleicht ist Ihnen dann etwas eingefallen."

    Er verließ mit dem Jüngeren den Raum, nicht ohne, dass dieser mir noch mit seinem Zeigefinger beim Hinausgehen abgehoben auf die Brust gedeutet hatte.

    Ich versuchte, die Popkörner an der Decke zu zählen.

    So kam eins zum anderen.

    2

    Es begann alles damit, dass ich zu diesem Bürohaus im Gewerbegebiet am Dortmunder Hafen rausfuhr. Jemand, der mein Klient werden wollte, hatte mich gebeten zu ihm zu kommen, um alles zu besprechen. Er hieß Dr. Hans-Dieter Pörtner, war Rechtsanwalt, hatte mich auf meinem Handy angerufen und wir hatten einen Termin in seinem Büro vereinbart.

    Die Anwaltsgehilfin war fett, mit halblangen Haaren und einem aufgesetzten, unechten Lächeln. Sichtbar abgeneigt erhob sie sich von ihrem Schreibtisch, überstieg einen auf dem Boden liegenden, etwa 30 cm hohen aus gewellten Blättern bestehendem Stapel und führte mich in einen Raum mit rustikalen Eichenmöbeln aus dem letzten Jahrhundert.

    Die gerahmten Drucke an der Wand waren vom Staub matt geworden, die Topfpflanze auf dem Fensterbrett konnte sich nicht entscheiden, endgültig zu verdursten und der beige-melierte Teppich hatte schon viel mitgemacht. An der Türschwelle ribbelte sich ein Faden aus ihm und zeigte diagonal wie ein Korkenzieher in die Luft.

    Ich musste nicht lange warten, bis ein älterer Mann in einem grün-gelblichen Anzug hereinkam. Unter einem ausgeprägten Stirnbein lagen eine platte Nase und frisch und rosa schwelende Wangen. Seine offenen Augen leuchteten wachsam und kontrastierten mit ihrem schnellen Hin und Her zu seinem leicht wiegenden Gang.

    Er begrüßte mich mit: „Ich bin Dr. Pörtner. Ich hätte gerne einen Termin mit Ihrer Sekretärin gemacht, aber wir konnten ihr Büro telefonisch nicht erreichen. Gut, dass ich ihre Mobilnummer hatte und Sie direkt anrufen konnte."

    „Ja, das ist genau richtig gewesen, Herr Dr. Pörtner", sagte ich.

    Es erschien mir nicht zielführend ihn zu informieren, dass zwar in der letzten Zeit die Nachfrage nach Leistungen der Detektei ‚Josef Koslowski – private Ermittlungen – schnell, sicher, seriös‘ ganz akzeptabel gewesen und ich so ganz gut über die Runden gekommen war, ich aber über eine Nachbesetzung der Sekretärinnen-Stelle nach überstandener Durststrecke noch nicht nachgedacht hatte.

    Er setzte sich ganz vorsichtig auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Besprechungstisches und kam gleich zur Sache: „Gut, dass Sie da sind. Ich vertrete Wolfgang Seggenberg. Es geht um Geschäftsanteile an der ‚Dortmunder Lufttransport – DLT‘, die er vor etwa 6 Monaten nach dem Tod seines Vaters Heinz geerbt hat."

    „Lufttransport – eine Spedition?"

    „Äh, nein, eine Fluggesellschaft! Alternative zur Lufthansa und so. Aber da kann Ihnen Herr Seggenberg, also Herr Wolfgang Seggenberg, der Erbe, ein wenig mehr sagen."

    Fluggesellschaft. Alternative zur Lufthansa. Hörte sich ungewöhnlich an. Und interessant.

    Über die Umstände des Erbfalles wollte ich mehr erfahren: „Natürlicher Tod?"

    Er sah mich belustigt an. „Immer auf der Suche nach dem Kapitalverbrechen, hm?

    Nein, nein, darum geht es nicht. Das war ein natürlicher Tod, ja."

    „Dann geht es um Geld."

    „Ja, genau." Er strich über die Tischkante. „Mein Mandant soll aus dem Unternehmen ausgeschlossen werden. Der Gesellschaftervertrag sieht vor, dass beim Tod eines der Gesellschafter dessen Gesellschafteranteil eingezogen wird.

    Mein Mandant ist mit der Höhe der Entschädigung nicht einverstanden und behauptet, dass der viel zu niedrig sei. Dabei behauptet die Gegenseite, dass die Entschädigung sogar vorteilhaft für meinen Mandanten ist, da der Betrag größer sei als der aktuelle Wert der Geschäftsanteile. Durch die ‚Anfangsverluste‘ sei ein Großteil des eingezahlten Kapitals bereits verbraucht. Mein Mandant will mindestens das Kapital zurück, dass sein Vater eingezahlt hat."

    Ich hatte schon von Regelungen im Gesellschaftsvertrag zur Einziehung von Geschäftsanteilen bei Tod eines Gesellschafters gegen eine Entschädigung gehört und wusste daher, dass das nicht ungewöhnlich war. Soweit ich verstand, hatten in solchen Fällen oftmals die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter auf das besondere Know-how oder den besonderen Einsatz eines Gesellschafters gesetzt. Nach Wegfall dieses besonderen Grundes aufgrund des Todes wollte man die Möglichkeit haben, die Erben aus der Gesellschaft ausschließen zu können.

    „Wieviel hat der Vater eingezahlt?", wollte ich wissen.

    Dr. Pörtners Augen huschten durch den Raum. „Es waren 2 Millionen Euro. Er hat einen Anteil von 10% gezeichnet."

    Ich beherrschte es sehr gut, nicht durch die Zähne zu pfeifen, auch wenn ich überrascht war. Das hatte ich intensiv trainiert, konnte aber nicht verhindern, dass sich die kleinen Muskeln in meinen Nasenflügeln und meinen Ohren strafften und atmete tief durch die Nase aus.

    Ja, es ging wirklich um Geld, das war eine ansehnliche Summe.

    „Es ist notwendig, einen Detektiv hinzuzuziehen. So können wir Schadensersatz fordern, wenn die Gesellschaft, einzelne Gesellschafter, besonders der Mehrheitsgesellschafter oder der Geschäftsführer, der auch Gesellschafter ist, sich rechtswidrig zu Lasten der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter verhalten haben und dadurch ein Schaden entstanden ist."

    Mir ging das alles zu schnell: „Die Entschädigungshöhe zum Einzug der Geschäftsanteile ist also angemessen?"

    „Naja, soweit die Bilanzen stimmen, beträgt der Anteil am Eigenkapital nur noch knapp hunderttausend Euro. In diesem Fall der Einziehung des Geschäftsanteiles wegen Todes eines Gesellschafters würde darauf ein Aufschlag von 15% gezahlt."

    Träge flog eine Taube vor dem Fenster vorbei.

    „Und es gibt keine erfolgversprechende Möglichkeit, juristisch gegen die Einziehung vorzugehen, Herr Dr. Pörtner?"

    „Ich habe mir das genau angesehen: Der Gesellschaftsvertrag, in dem die Einziehung des Geschäftsanteiles und die Berechnung der Entschädigung geregelt sind, ist aus meiner Sicht wasserdicht. Auch die entsprechenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zur Einziehung sind aus meiner Sicht wirksam."

    Er räusperte sich und es klang, als klackerten Schraubenmuttern gegeneinander. „Natürlich kann man alles anfechten: Wir könnten behaupten, die Einziehungsbeschlüsse der Gesellschafter seien nichtig, zum Beispiel sei der Einziehungsbeschluss wegen Verfahrensfehlern in der Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß festgestellt worden, wir könnten die Regelung an sich anfechten, zum Beispiel, dass sie gegen irgendwelche Grundsätze verstoße, wir könnten die Buchhaltung bezweifeln, zum Beispiel, dass der Wert des verbliebenden Eigenkapitals höher sei und so weiter und so weiter."

    Seine lebhaften Augen huschten über mein Gesicht und er sagte mit einem Lächeln: „Das ist ein gefundenes Fressen für Anwälte, da kommen richtig hohe Gebühren zusammen, glauben Sie mir. Aber die ausgepumpten Klienten haben da am Ende nichts davon. Im Übrigen müsste Herr Seggenberg aus seinem Privatvermögen die Kosten bestreiten und auch bei Gericht für die Prozesskosten Vorauszahlungen leisten. Das geht auch ins Geld und ich bin nicht sicher, ob Herr Seggenberg das leisten kann."

    Ich versuchte, in seine Augen zu blicken, aber das gelang mir nicht.

    Er hörte sich aber ehrlich an. Um das zu überprüfen, fragte ich: „Die anderen Anwälte, was ist das für eine Kanzlei?"

    Für einen Moment fixierten mich seine Augen, dann huschten sie wieder rastlos umher: „Die Kanzlei Brown, Braun und Brahun ist auf Gesellschafts- und Finanzrecht, sozusagen von der Geburt bis zum Tod spezialisiert. Man hilft bei der Gründung, betreut während der Geschäftstätigkeit und übernimmt auch als Sanierungsberater oder Insolvenzverwalter, wenn es dazu kommt. Insofern vertritt die Kanzlei in diesem Gebiet ausschließlich Unternehmen und deren Gesellschafter, auch in kniffeligen Fragen, die in der Öffentlichkeit ‚ein Geschmäckle‘ haben, achtet aber peinlich genau darauf, ausschließlich im Rahmen der Gesetze vorzugehen."

    Er kratzte sich die Stirn. „Die DLT GmbH ist aus einer von den Kollegen gegründeten Vorratsgesellschaft hervorgegangen und wird auch jetzt noch von der Kanzlei betreut. Ich kenne den Kollegen Dr. Brahun ganz gut, guter Jurist und ausschließlich dem Interesse seiner Klienten verpflichtet. Er ist federführend auf der Gegenseite, vertritt die DLT GmbH und agiert mit Sicherheit absolut seriös."

    „Sagen Sie mir etwas zu seinen Mitgesellschaftern, bitte."

    „Verschiedene Geschäftsleute und eine Beteiligungsgesellschaft. Zu den Personen fragen Sie am besten Herrn Seggenberg direkt. Das sind wohl zum Teil ganz alte Geschäftsfreunde von seinem Vater. Sicher kann er Ihnen da einiges zu den Herren erzählen. Wir schicken Ihnen aber auch, was wir haben, natürlich."

    Ich war noch nicht von der Motivation von Dr. Pörtner überzeugt, dass ein Schadensersatzprozess kassenschonender für die Klienten sein würde: „Und Sie sehen Möglichkeiten, mit einem angemessenen Budget gegen Braun, Brown und Brahun Schadensersatz einzuklagen?"

    „Klagen? Nein, es geht darum, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das Ziel ist eine außergerichtliche Einigung mit einer entsprechend höheren Zahlung als dem festgelegten Rückkaufwert der Kapitaleinlage zu erreichen. Das hängt natürlich von der Qualität der Erkenntnisse über ein mögliches Hintergehen unseres Mandanten ab.

    Da kommen Sie ins Spiel. Finden Sie nur Anscheine, kann ich vermutlich nicht viel mehr herausholen, finden Sie handfeste Beweise, habe ich gute Chancen, für unseren Klienten eine gute Lösung zu erreichen.

    Wie gesagt, ist Dr. Brahun sehr professionell und wird seinen Mandanten gut beraten. Wir müssen einfach sehen, was wir erreichen können.

    Vom Budget her ist das überschaubar: Sie rechnen ein paar Tage Recherche ab, ich ein paar Tage juristische Kärrnerarbeit. Das kann sich Herr Seggenberg leisten."

    Das hörte sich plausibel an und ich hatte keine Zweifel mehr an seiner Motivation, war aber von den Erfolgsaussichten nicht überzeugt: „Wie kommen Sie darauf, dass Ihr Mandant hintergangen wird."

    Ich legte Wert darauf, klarzumachen, dass ich frei in meiner Entscheidung über einen Klienten war und diese Entscheidung noch offen war. Deshalb betonte ich ‚Ihr Mandant‘ besonders.

    „Ich weiß auch nicht, ist nur so ein Gefühl natürlich. Dieser Geschäftsführer, Werner Jockenpohl, so wie der redet, hat der bestimmt Dreck am Stecken", sagte er wässrig.

    Das war wenig, um daran etwas Ungewöhnliches zu finden.

    Sehr wenig.

    Aber ich musste zugeben, dass mich nach allem, was ich gehört hatte irgendwie die Geschichte der Gründung einer Fluggesellschaft und all das Drumherum interessierten. Es konnte jedenfalls nichts schaden, sich mit dem Fall etwas zu beschäftigen. Und obwohl in meinem Ohr Milana ‚Lass es‘ flüsterte, griff ich in meine Innentasche, zog mit den Worten: „Meine Gebührenordnung" das zusammengefaltete Dokument heraus und reichte es über den Tisch.

    „Danke, dass Sie helfen, sagte er, während er die Gebührenordnung in seiner Hemdtasche verstaute und zum ersten Mal in diesem Gespräch waren seine Augen ruhig auf mein Gesicht gerichtet. „Meine Assistentin schickt Ihnen die Beauftragung per Post und heftet die Gebührenordnung an das Schreiben.

    Er sah mich zufrieden an. „Wir schicken Ihnen auch Informationen über die Gesellschaft und so. Per Mail?"

    „Ja, bitte an diese Adresse." Dazu reichte ich ihm eine meiner Karten.

    „Wahrscheinlich wollen Sie als erstes mit meinem Mandanten sprechen. Ich melde Sie an."

    Als ich nickte, sagte er mir die Adresse, wo sein Mandant zu finden sei, stand auf und sagte zum Abschluss: „Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie an." Dann reichte mir seine Hand über den Tisch, die ich aufstehend ergriff, während er sich schon abwandte.

    Er murmelte noch: „Auf Wiedersehen".

    Dann verschwand er mit seinem wiegenden Gang.

    Da ich etwas verloren in dem Raum stand, machte ich mich auf den Weg nach draußen.

    3

    Ich parkte mein Auto gegenüber einem grünen Rolltor. Dahinter war ein gepflasterter Platz.

    Die Industriehalle war aus mattgrünem Trapezblech und zeigte dem Rolltor ihre Giebelseite. An der Giebelseite befand sich rechts ein grau verputzter einstöckiger Anbau mit anthrazitfarbenen Fenstern, links davon hatte die Halle ein hellgraues Industrierolltor mit einem Lichtband oben und unten.

    Auf der Pflasterfläche umkreisten sich zwei Männer, der eine gebückt, der andere muskelbepackt und mit einem stacheligen Werkzeug an einem Stiel, das er immer wieder in Richtung des Anderen stieß.

    Der Muskelmann trug eine blaue Latzhose, ein helles T-Shirt und seine Füße steckten in Arbeitsschuhen mit einer gelb hervorgehobenen Stahlkappe. Zwischen den Angriffen mit dem Stachelwerkzeug wiederholte er jedes Mal aggressiv: „Dich mache ich fertig. Warte nur, ich mache Dich fertig."

    Der andere Mann war schon deutlich über sechzig, mit einer undefinierbaren Haarfarbe, scharfen Gesichtszügen, einer Narbe auf der linken Wange und einem gedrungenen Körperbau. Seine blaue Hose und die Jacke waren vom vielen Waschen hellblau geworden, in einer Tasche am Oberschenkel steckten eine Blechschere und ein Zollstock. Er schwieg und konzentrierte sich auf das Umkreisen. Trotz seiner offensichtlichen körperlichen Unterlegenheit strahlte er Stärke aus. Leichtfüßig wich er den Angriffen immer wieder geschickt aus.

    Um die Kämpfer standen in kleinen Gruppen mit gehörigem Abstand einige Zuschauer.

    Ein kleiner, schmächtiger Junge mit pickeligem Gesicht trat unruhig immer wieder von einem Bein auf das andere und quengelte: „Hassan, komm doch, lass ihn. Das bringt doch nichts."

    Hassan reagierte mit einem weiteren Stoß mit seinem Stichgerät in Richtung auf den Alten.

    Ich weiß nicht warum, denn obwohl es mich nichts anging, sah ich mich genötigt, etwas zu unternehmen. „Hören Sie, Ihr Freund hat recht. So bringt das nichts. Und es sind so viele Zuschauer hier, wenn etwas passiert und sie den Mann verletzen, haben Sie ein echtes Problem", rief ich in den Ring.

    „Halts Maul, sonst bist Du der nächste, brüllte der Angesprochene, machte einen Schritt nach vorne und stieß erneut mit der ‚Lanze‘ auf sein Gegenüber ein. Dieser tänzelte zur Seite und trat dem Angreifer das Bein weg. Hassan war aber gewandt genug, stürzte nicht, sondern ging nur auf das rechte Knie. Sofort kam er wieder auf die Füße und zischte: „Du Sau.

    Aus der Tür des Anbaus kam nun mit schnellen Schritten ein Mann angerannt und rief dabei: „Was soll denn das? Seid ihr bekloppt?"

    Die umstehenden Männer duckten sich unwillkürlich. „Hassan, hör` sofort auf, sonst schmeiße ich Dich raus. Ihr müsst noch an die Baustelle in Waltrop, um dort abzuräumen, oder seid ihr damit schon fertig?"

    „Das Arschloch hat …, wollte Hassan vorbringen, aber der Mann unterbrach ihn: „Sei still! So redet keiner auf meinem Hof. Er schien äußerlich ganz ruhig, atmete aber nach dem Lauf schwer.

    Der Muskelmann blitzte seinen Boss an, seine Augen glühten vor Hass. Auf seinem T-Shirt hatten sich Schweißflecken gebildet, das Stachelwerkzeug hielt er immer noch festumklammert.

    Der Gedrungene beobachtete aufmerksam Hassan, bereit einzugreifen.

    Die Wolken hatten jetzt die Sonne freigegeben, so dass alles in hellem Sonnenlicht lag und die Männer rechts von uns die Augen zusammenkneifen mussten.

    „Tu was ich gesagt habe!" Die Stimme des Vorgesetzten zitterte ein wenig, aber er zeigte ansonsten keinerlei Angst. Langsam hob er den Arm und deutete auf etwas außerhalb der Pflasterfläche.

    Eindringlich sagte der Pickelige: „Hassan, lass doch. Komm. Das lohnt doch nicht."

    Hassan stieß die Luft durch die Nase aus, wandte den Kopf dem Angegriffenen zu und stieß hervor: „Dich kriege ich noch."

    Dann ging er in Richtung eines neben dem Rolltor geparkten weißen Lieferwagens mit einem grünen Schriftzug ‚Industrieboden Dortmund‘, öffnete die Seitentür und warf das Stachelwerkzeug in das Fahrzeug, was ein unangenehmes, lautes Scheppern zur Folge hatte.

    Der Pickelige trottete heimtückisch hinterher und nachdem beide eingestiegen waren, fuhr der Lieferwagen schnell beschleunigend davon.

    „Worauf wartet ihr noch?", wandte sich der Boss an die herumstehenden Männer, die daraufhin ebenfalls in Fahrzeuge stiegen und davonfuhren.

    Der Gedrungene rieb sich seine Narbe.

    „Und Du

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