Wie die Träumenden: Geschichten von Gottes Liebe
Von Tanner Werner
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Über dieses E-Book
Die Geschichten sollen die Eltern ermutigen, ihren Erziehungsauftrag mit Freude zu erfüllen. Lassen wir uns in der Erziehung auf das kindliche Wesen ein, werden wir von ihm beschenkt. Mögen die Geschichten in den Eltern den Wunsch wecken, wieder selber «wie die Kinder zu werden».
Tanner Werner
Erst arbeitete Werner Tanner mit Leidenschaft als Architekt. Dann begann er die Ausbildung zum Volksschullehrer. Mit Kindern das Leben neu entdecken lernen, das war sein Motto. Nach fünfzehn Jahren nahm sein Leben eine erneute Wendung. Er verliess seine geliebte Schule, um als Gründungsmitglied der Stiftung Schleife, zusammen mit seiner Frau Julie, einen Seelsorgedienst aufzubauen. Diesen Dienst erweiterte er mit einer Anlaufstelle für Kinder und Eltern, die «Familienwerkstatt». Heute freut er sich mit Julie an seinen beiden Töchtern und sechs Enkeln.
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Buchvorschau
Wie die Träumenden - Tanner Werner
Vorwort
Woher komme ich und – wohin gehe ich?¹ Eine ernst zu nehmende Krankheit gab mir Zeit, mein Leben zu überdenken und die vergangenen Jahre zu betrachten. Ich sah mich von Gott getragen, über Höhen und Tiefen und an Abgründen vorbei. Geht es nicht uns allen so? Erst im Nachhinein wird uns klar: Wie Träumende führt er unser Leben zu seinem Ziel. Was liegt vor mir? Ich bat Jesus um einen Traum. Es war am 1. Februar 2019. Tief beglückt erwachte ich.
Der Traum vom roten Kugelschreiber:
Ich stand am Fenster in einer Stadtwohnung. Gefühle von Geborgenheit umgaben mich in der warmen und hellen Stube. Draussen war es eisig, kalt und dunkel; die Strassen und Plätze waren mit Schnee bedeckt. Durch die Fensterscheiben beobachtete ich zwei Clowns, die auf den vereisten Strassen und Gassen dieser Stadt unterwegs waren. Sie hatten wohl keine Unterkunft. Plötzlich standen sie still, blickten zu Boden und ein breites Lachen zog sich über ihr Gesicht. Einer von ihnen bückte sich und fand im Schnee einen roten Kugelschreiber. Er hob seinen Blick zu mir hoch, fand mich – und hielt mir vergnügt den Kugelschreiber entgegen. Es mussten Jahre vergangen sein bis zu diesem Tag, an dem sie ihren verlorenen Kugelschreiber wiederentdeckten. Mit ihm hatten die beiden Clowns in früheren Zeiten die Liebe des himmlischen Vaters beschrieben. Dabei wurde wundersam jedem Zuschauer eine für ihn bestimmte himmlische Botschaft in sein Herz geschrieben. Doch irgendwann und irgendwo mussten sie ihren roten Kugelschreiber verloren haben. Trotzdem waren die beiden Narren ohne ihn weitergezogen, von Stadt zu Stadt. Sie hatten ihre Vorstellungen aufgeführt, von Gelächter und Applaus begleitet. Doch immer blieb hinter den geschminkten Gesichtern und ihrem breiten Lachen die verborgene Trauer um den verlorenen Kugelschreiber. Heute Morgen hatten die beiden ihn wiedergefunden, ihren roten Kugelschreiber!
Es ist nun an der Zeit, mit dem roten Kugelschreiber über Gottes Liebe zu schreiben. Sorgsam webt er seine Liebe in das Leben und die Träume seiner Geliebten ein. Er ist es, der Geschichte schreibt – die Weltgeschichte und die Geschichte eines jeden einzelnen Menschen. Denn des Menschen Herz denkt sich einen Weg aus, aber der Herr lenkt seinen Schritt.² Nicht mit Tinte, mit seiner Liebe schreibt Gott die Geschichten des Lebens, die wir wie Träumende erfahren.
Gott lässt uns Menschen teilhaben an seinem Traum, den er mit uns zusammen in die Realität umsetzen möchte: sein Reich, seine Kraft und seine Herrlichkeit auf Erden.
Die meisten Geschichten handeln von meinem Leben, nicht alle, aber alle sind Zeugnisse über die Liebe des himmlischen Vaters, die er seinen Kindern schenkt.
s. Johannes 8,14
s. Sprüche 16,9
Der Vater, der mich sieht
Es war an einem schulfreien Mittwochnachmittag. Ich wollte durch das Dorf schlendern, um Neues zu entdecken, und verabschiedete mich vom Vater. Er sass auf dem Sofa, unbeweglich. Seine Behinderungen waren die Folgen eines Unfalls. Er hatte mir erzählt: «In einer kalten Januarnacht brannte die Schreinerei, in der ich damals arbeitete, lichterloh. Als Feuerwehrmann war ich mit Löscharbeiten beschäftigt und riss brennende Balken aus dem Feuer. Dabei bin ich verunfallt.»
Heute begab ich mich alleine auf meine Streifzüge. Er musste zu Hause bleiben. Es hätte einen starken Mann gebraucht, der ihn die Treppen hinunterträgt und in den Rollstuhl setzt. Fanden wir einen Helfer, gingen wir zu zweit mit dem Rollstuhl. Doch heute waren die Männer der Nachbarfamilien an der Arbeit. Also machte ich mich an diesem Nachmittag ohne ihn auf den Weg, um die kleine Welt unseres Dorfes zu erkunden. Die Mutter war beschäftigt mit Reinigungsarbeiten in Geschäfts- und Schulhäusern, und die beiden älteren Schwestern mussten ebenfalls, kaum aus der Schule entlassen, einer Arbeit nachgehen, damit die Lebensmittel und die Miete bezahlt werden konnten.
Ich schloss die Haustüre hinter mir, ging durch den Hinterhof zur Gossauerstrasse und bog ab auf einen kleinen, verborgenen Nebenweg, zwischen eng aneinander gebauten Häusern hindurch, und hielt an. Musik erfüllte die Luft. Bei einem nahe gelegenen Haus war die Eingangstüre leicht geöffnet. Der Gesang einer Frauenstimme und der Klang einer Gitarre waren daraus zu hören. Die Musik liess mein Herz hüpfen. Vorsichtig öffnete ich die Türe, nur ein wenig, und sah in einen dunklen Korridor. Er führte in einen Raum mit einer kleinen, hell beleuchteten Bühne. Vor einem roten samtenen Vorhang stand eine grosse Frau, gekleidet in eine dunkelblaue Uniform, eine Gitarre in ihren Händen. Der grosse Hut auf ihrem Kopf, mit einem breiten roten Band geschmückt, beeindruckte mich. Ich wollte mehr von dieser Musik hören, öffnete die Türe und ging den Gang entlang leise nach vorne zur Bühne. Unauffällig setzte ich mich zu den wenigen Kindern, die in der ersten Stuhlreihe sassen. Die Frau hielt kurz inne und sang dann weiter: «Pass auf, kleiner Mann, was du tust, pass auf, kleiner Mann, was du tust, denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich, pass auf, kleiner Mann, was du tust!»
Das Lied sollte die Kinder wohl das Fürchten lehren, die Furcht vor einem Gott, der uns sieht. Bei mir schien die Moral dieser Predigt gar keine Wirkung zu zeigen. Das Gegenteil geschah in meinem Herzen. Ich hörte die befreiende Nachricht, dass es einen Vater in dem Himmel gibt, der mich sieht.
Der Himmel muss für mich einen Brunnen der Liebe geöffnet haben, aus dem ich in vollen Zügen trank, sodass ich nach dem Lied die Frau bat, mich zu diesem Vater zu führen – zu einem Vater, der mich auf meinen einsamen Streifzügen mit seinen Augen begleitete. Seinen Schutz werde ich brauchen, wenn ältere Schuljungen mich einkreisen und bedrohen, dachte ich. Die Frau war dazu bereit und hiess mich, vor einem hölzernen Stuhl niederzuknien. Sie leitete mich in einem Gebet an, in dem ich den himmlischen Vater bat, «mein Vater» zu werden und mich mit seinen Augen zu begleiten. Es war ein kurzes Gebet.
Als ich mich wieder erhob, schien die Sache für mich beendet und ich verliess kurzerhand die erstaunten Kinder und den dunklen Saal. Draussen schien die Sonne.
Ich war damals achtjährig. Im Nachhinein weiss ich, dass es das «Heilsarmeelokal» war, in dem mich der himmlische Vater fand. Was bis heute ein Geheimnis bleibt, ist die Art, wie er mich auf wunderliche Weise auf diesen Weg gebracht und aus Liebe zu sich gezogen hat. Er muss mich gesehen haben. Er sieht wohl jedermann, zum Glück!
So will ich es denn heute festhalten, wie auch Hagar es getan hat, nachdem sie in der Wüste umherirrte: «Du