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Mecklenburg in alten Reisebeschreibungen
Mecklenburg in alten Reisebeschreibungen
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eBook334 Seiten4 Stunden

Mecklenburg in alten Reisebeschreibungen

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Über dieses E-Book

Die schönste Form des Reisens.

Der Nordosten Deutschlands wurde vergleichsweise spät, erst um 1800, von einer größeren Zahl Reisender besucht. Zu groß waren die Vorbehalte, zu schlecht die Verkehrswege. Erst mit der Gründung des ersten deutschen Seebades 1794 in Heiligendamm wuchs das Interesse für Mecklenburg und die Ostsee; Lust- und Bildungs-Reisende kamen, fuhren durchs Land, besuchten die Städte. Wie durch ein Fenster lassen uns die reisenden Autoren in eine Welt schauen, die, bereits 200 Jahre alt, zu unserer Vergangenheit zählt und doch auch Teil unserer Gegenwart ist. Ein aufschlussreicher, unterhaltsamer Band, mit zahlreichen historischen Abbildungen. Reisen macht Spaß und bildet. Besonders stressfrei und nachhaltig auf der Couch – mit einem guten Buch. Einem wie diesem.
SpracheDeutsch
HerausgeberHinstorff Verlag
Erscheinungsdatum6. Apr. 2023
ISBN9783356024685
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    Buchvorschau

    Mecklenburg in alten Reisebeschreibungen - Uwe Hentschel

    Johann Peter Willebrandt

    Historische Berichte und Practische Anmerckungen auf Reisen

    Rostock ist nicht nur ein großer und wohlbebaueter, sondern auch ein sehr anmuthiger Ort

    Ihr werdet diese Reise gewiß nicht bereuen, denn Rostock ist nicht nur ein großer und wohlbebaueter, sondern auch wegen der nahen Ostsee, und wegen des nahe vorüberfliessenden Warnowflußes, ein sehr anmuthiger Ort. Die Bauart ist daselbst, wie in allen wendischen Städten, zum Theil gothisch und unregelmäßig. Die Häuser haben hohe steinerne Giebel, viele Hausböden, mittelmäßige Bequemlichkeiten zum wohnen, bald zu hohe, bald zu niedrige Wohnzimmer, mitten im Hause findet sich oft ein großer leerer Raum zu Kaufmannswaaren, welche man die Diele nennet, u.s.f.

    Doch in einem Theile der Stadt Rostock, welcher im vorigen Jahrhunderte durch die Feuersbrunst¹ verwüstet ward, sind bequemere und besser eingerichtete Häuser in den neuesten Zeiten erbauet worden. Das Rathhaus mit einer wälschen Facciata,² und die Marienkirche sind recht ansehnliche Stücke der alten und neuen Baukunst. Sehr viele haben mich versichert, daß in ganz Deutschland, vom äusserlichen Ansehen, das Augspurger und das Rostockische Rathhaus den Vorzug verdienen.

    Die Höhe, Weite und die Reinlichkeit der Marienkirche, und die Pracht des fürstlichen Kirchenbesitzes, werden von Euch gewiß bewundert werden. Es befinden sich in dieser prächtigen Kirche die Eingeweide des Hugo Grotius,³ welcher 1645 allhier gestorben ist.

    Die herzoglichen Gebäude, insbesondere der neue Tanzsaal und diejenigen, so zur hohen Schule gehören, die Jacobischen und Johanneischen Büchersäle sind sehr gut eingerichtet.

    In dem akademischen Hörsaal sind die Abbildungen derjenigen Gelehrten befindlich, welche ehemalen der hohen Schule zu Rostock einen unvergänglichen Ruhm verschafft haben. […] Diese hohe Schule ist noch itzo mit fleißigen und zum Theil sehr geschickten Lehrern besetzet. Ich habe allhier den getreuen Unterricht des itzigen Hrn. Regierungsrath Schmidt,⁴ des Hrn. Consistorialrath Manzel,⁵ des Hrn. Justizrath Krauel,⁶ des Hrn. Hofrath Frese,⁷ solcher Männer, welcher der Stadt Rostock und ihrem Vaterlande Ehre machen, genoßen, und ich erkenne mich verpflichtet, das Angedenken dieser meiner ehemaligen rechtschaffenen Lehrer Zeit Lebens zu verehren.

    Es ist ohne Widerrede, daß Rostock zu den anmuthigsten, wohlfeilsten, und wegen der angenehmen Lebensart, für die Sitten junger Leute zu den bequemsten hohen Schulen in Deutschland gehöret. Um destomehr ist es zu verwundern, daß sie nicht so häufig, wie die obersächsischen hohen Schulen besuchet wird.

    Doch es ist nicht daran zu zweifeln, daß des itzigen mecklenburgischen Regenten unermüdete Sorgfalt alles anwenden werden, was den Glanz dieses Musensitzes vermehren kann; um so mehr, da dieser Fürst selbst einen Platz unter den gelehrtesten Prinzen unserer Zeit ohne Widerspruch behauptet.

    Was die Stadt Rostock sowohl, als die Akademie daselbst, in gewissen Zeitpuncten ausgestanden hat, da diese bald in Bann gethan, und bald anders wohin verlegt worden, jene aber bald durch die entsetzlichste Feuersbrunst, bald durch benachbarte, bald durch innerliche Verwirrung, zum Schauplatz des Elendes gemacht worden ist, davon werden euch die Geschichtschreiber unterrichten können.

    Seit 1748 scheinet sich die Luft in dieser Gegend verändert zu haben, und wenn es dabey sein Verbleiben hat, daß der Herzog⁸ alle Jahre gewisse Zeiten hindurch sein Hoflager zu Rostock hält; wenn auch die Vortheile der Lage dieser Stadt zur Handlung und Manufacturen mit Eifer und Nachdruck angewendet werden: so kann vielleicht die Zeit noch kommen, daß diese gute Stadt manche Wunde verschmerzen wird.

    Der Hafen Warnemünde, wo man die volle Ostsee siehet, und dahin es eine angenehme Wasserfahrt ist; das adeliche Haus zu Hohen Luckow,⁹ welches eine vortreffliche Einrichtung, und in hiesigen Gegenden ungewohnte aber regelmäßige Bauart hat; das herzogliche Jagdschloß zu Doberan, welches eine der schönsten Kirchen in Mecklenburg, voll von Alterthümern des herzoglichen Hauses, und von Ueberbleibseln der abergläubischen Zeiten, aufbehält; der heilige Damm, welcher in einem von den schönsten durch die Natur künstlich gebildeten und gefärbeten Steinen aufgeworfenen hohen Wall, hart an der Ostsee, bestehet; alles dieses, welches wenige Stunden von Rostock entfernet ist, vermehret die Anmuth dieses Ortes.

    Der Warnowfluß ist an der nördlichen Seite von Rostock von einer ansehnlichen Breite. Es träget dieser Fluß, welcher bey Warnemünde in die Ostsee fließet, alles dazu bey, daß die Schiffahrt und Handlung Rostock zu der reichsten Stadt in Mecklenburg machet.

    Ich bin von Rostock auf Güstrow, einer sehr anmuthigen Stadt, gereiset. Der Weg dahin beträgt 4 starke Meilen. Die Lebensart der Einwohner in dieser ehemaligen Residenz der güstrowischen Linie des herzoglichen Hauses ist über alle Massen einnehmend. Das herzogliche Schloß machet äuserlich ein sehr gutes Ansehen, und könnte durch ein paar Tonnen Goldes vielleicht zu einer der prächtigsten fürstlichen Wohnungen in Deutschland gemachet werden. In der Schloßkirche findet man das Begräbniß des herzoglichen Hauses. Die Bildsäulen und Verwandtschaftstafeln, welche von weißem Alabaster mit einer ausnehmenden Geschicklichkeit ausgearbeitet sind, haben vermuthlich auf viele Meilen ihres gleichen nicht. Die Insel Lehnlust¹⁰ ist den Einwohnern der Stadt Güstrow in den anmuthigen Jahreszeiten eine angenehme Spatzierfahrt; das allhier befindliche Hofgericht scheinet zur Glückseligkeit der Bürger unentbehrlich zu seyn.

    Von Güstrow bin ich auf Sternberg, wo der mecklenburgische Landtag pflegte gehalten zu werden, von hier aber auf Schwerin gereiset, welches zusammen 7 Meilen beträgt.

    Die Stadt Schwerin, die ordentliche Residenz der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin, ein mit vielen vorzüglichen Freyheiten begnadigter Ort, hat die anmuthigsten Gegenden von der Welt. Ein fischreicher breiter See, kornreiche Felder und schattenreiche mit Wildpret angefüllte Hölzungen umgeben diese Stadt.

    Das schwerinische Schloß ist ein Gebäude, welches Liebhaber des Alterthums nicht ohne Vergnügungen ansehen. Die Aussicht von etlichen Seiten dieses Gebäudes ist unbeschreiblich anmuthig. Der neuangelegte, und nach einer besondern Einrichtung geordnete Garten, erhebet das Schöne dieser Stadt, und schaffet den von der natürlichen Schönheit ermüdeten Augen eine anmuthige Abwechselung. Die auserlesene Gemähldesammlung des Herzogs wird niemand ohne Erstaunen und Vergnügen betrachten.

    Die Schelfkirche ist ein Gebäude, welches von einem sehr guten Geschmack in der Baukunst zeuget.

    Die mecklenburgische Herrschaft ist die huldreichste von der Welt. Der Herzog Friedrich¹¹ ist ein gottfürchtender und für die Wohlfahrt seines Landes eifrig sorgender Herr. Er liebet die Künstler auf vorzügliche Weise. Er gönnet den Wissenschaften seine Zuneigung, und ist würdigen Unterthanen, auch Leuten von aufrichtiger Gemüthsart ein gnädiger Landesvater, den Religionsspöttern und Freygeistern aber ein Schrecken. Der Durchlauchtigen und unvergleichlichen Herzogin¹² gehören die Herzen und die ersten Wünsche aller redlich gesinnten Mecklenburger. Der Prinz Ludewig¹³ besitzet ein Herz, welches diejenigen glücklich und beneidenswürdig machet, welche von diesem Herren eines gnädigen Zutrauens gewürdiget werden. Mein liebes Vaterland Mecklenburg muß gewiß eines der schönsten Länder in Deutschland seyn!

    Ich habe bishero nichts als gesegnete Gegenden von Kornfeldern, von fischreichen Seen, von Waldungen und von andern Wirkungen der schenkenden Natur angetroffen. Bedenket, was Mecklenburg in diesem Jahrhundert ausgestanden hat, wie es selbst in sein Eingeweide gewütet, wie es ausgesogen worden und heimgesuchet ist, und alsdenn wird euch die jetzige, Gott Lob! noch glückliche Beschaffenheit dieses Landes in Erstaunen setzen; wollet ihr aber dieser Landes alte und neuere Geschichte lesen, so werdet ihr gewiß die Zeit nicht bereuen, da ihr des belesenen und geschickten Frankens Nachrichten von Mecklenburg¹⁴ durchgeblättert habet.

    1Ein Stadtbrand vernichtete 1677 nahezu die gesamte Altstadt.

    2Romanische Fassade

    3Hugo Grotius (1583–1645), niederl. Philosoph; er starb auf der Durchreise in Rostock.

    4Johann Peter Schmidt (1708–1790), seit 1736 Professor der Rechte

    5Ernst Johann Friedrich Mantzel (1699–1768), ab 1722 Professor für Moral, ab 1730 Professor der Rechte

    6Vermutl. Joachim Krauel (1674–1750), 1731 Bürgermeister von Rostock

    7Nicht ermittelt

    8Christian II. Ludwig (1683–1756), ab 1728 Herzog zu Mecklenburg-Schwerin

    9Das Herrenhaus in Hohen Luckow wurde von Christoph von Bassewitz (1670–1745) erbaut, der nachfolgende Besitzer des Anwesens war Detlof Hans von Bassewitz (1688–1764).

    10 Lehn-Lust oder Magdalenen-Lust war Sommersitz der Herzöge von Mecklenburg-Güstrow; Gustav Adolf (1633–1695), letzter Herzog von Mecklenburg-Güstrow, ließ das Landhaus für seine Frau Magdalena Sybilla (1631–1719) erbauen

    11 Friedrich (1717–1785), ab 1756 Herzog von Mecklenburg-Schwerin

    12 Louise Friederike von Württemberg (1722–1791), seit 1746 verheiratet mit Friedrich, Herzog von Mecklenburg-Schwerin

    13 Ludwig (1725–1778), seit 1756 Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin

    14 David Franck: Alt- und Neues Mecklenburg, 19 Bücher, Güstrow u. Leipzig: Fritz, 1753–1757

    Thomas Nugent

    Reisen durch Deutschland, und vorzüglich durch Meklenburg

    Etwas undelikat ists freilich, daß auch Weiber in eben dem Zimmer schlafen

    Wismar, den 9ten Sept. 1766. Der Abend war schön und die Gegend umher vortrefflich; dahingegen war der Weg so abscheulich sandig, daß wir bis Schlutup nur immer langsam fahren konnten; dieser, eine Meile von Lübeck liegende Ort ist ein Fischerdorf an der Trave und zugleich die Grenze des Lübecker Territoriums. Von hier schwenkten wir uns aus der Travemünder Landstraße und erreichten das Herzogthum Mecklenburg, indem wir auf einen an Ratzeburg gehörigen Strich Landes trafen, das dem Herzog von Mecklenburg Strelitz¹⁵ gehört. Der Abend war schön und die Gegend umher vortrefflich; dahingegen war der Weg so abscheulich sandig, daß wir bis Schlutup nur immer langsam fahren konnten; endlich erreichten wir Dassow, einen dem Herzog von Mecklenburg Schwerin¹⁶ gehörigen Flecken. Der ehrliche Rektor und die übrigen Passagiere trösteten sich über den leidigen Weg bey ihrer Pfeife Tabak und stimmten zwischen durch einen geistlichen Gesang an. Die Post fährt zwar die ganze Nacht durch, aber an einigen Orten hält sie an, damit die Passagiere Zeit haben zu essen und sich durch einen kurzen Schlummer zu erquicken. Auf einigen Karten wird Dassow als eine Stadt angezeigt, allein es ist nichts weiter als ein Flecken, der vor Alters unter dem Namen Darsau bekannt war. Es liegt an einem kleinen Fluß, Namens Stepenitz, der hier einen kleinen See bildet und eine Meile von hier ohnweit Travemünde in die Trave fließt. In der mecklenburgischen Geschichte ist Dassow als ein dem Grafen von Holstein gehöriges Kastel berühmt, in welchem sich eine Bande Straßenräuber aufhielt, die die Landstraßen sehr unsicher machten; nachmals ward es von einem Vorfahr der gegenwärtigen Herzöge von Mecklenburg im Jahr 1262 erobert und geschleift. Mir war es um so mehr angenehm, daß wir diesen Ort bey Nacht erreichten, weil ich schon vorher wußte, daß hier nichts sehenswürdiges anzutreffen sey. Das Wirthshaus machte zwar von außen eine ziemlich triste Figur, allein wir wurden doch sehr gut bewirthet. Uebrigens waren im ganzen Hause nur zwey höchstmittelmäßige Betten, eins davon war für den Rektor, das andere für mich bestimmt: die übrige Gesellschaft, worunter auch einige Herrn zu Pferde waren, lagen alle auf Streu. Ein solches Streulager ist so gar schlecht eben nicht, als man wohl denken sollte; ich hatte es schon verschiedene Male ohne sonderliche Unbequemlichkeit drauf versucht, also offerirte ich mein Bett einem schwedischen Officier, dem nicht recht wohl zu seyn schien, allein er schlug mein Anerbieten aus. Das Stroh wird nemlich auf die Erde hingestreut und zum Haupte etwas erhöht; alsdann wird ein Bettuch drüber gedeckt, für jeden ein Küßen hingelegt, und dann legen sich alle in einer Reihe hin. Etwas undelikat ists freilich, daß auch Weiber in eben dem Zimmer schlafen, indessen sie kleiden sich nie ganz aus, sondern ziehen in einem andern Zimmer nur blos ihre obersten Röcke ab. Das Zimmer ist gewöhnlich eben so heiß, als der Ofen selbst. Eh wir uns niederlegten, betete der Rektor ein Abendgebet, und die ganze Gesellschaft betete äußerst devot mit ihm. Ob wir gleich nur drey oder vier Meilen gefahren waren, so war ich für meinen Theil doch so müde gestoßen, als wär ich in England hundert Meilen gereist, um so behaglicher war es mir also, daß ich meine müden Glieder zur Ruhe legen konnte. Zwischen drey und vier ward ich wieder aus einem tiefen Schlaf geweckt; wahrlich kein geringes Leiden, für einen ermüdeten Reisenden! und nachdem wir zuvor unsern Kaffee getrunken hatten, welches man in Deutschland nie versäumt, wurden die Pferde wieder angespannt, und so gings allmählig weiter. Aus dem gewaltigen Stoßen und Rütteln des Postwagens merkte ich wohl, daß sich der Weg seit gestern noch nicht viel gebessert hatte, denn wegen der Dämmerung konnte man noch nichts sehen. […]

    Endlich zertheilte die Sonne den empor steigenden Nebel, so daß man die ganze umliegende Gegend erkennen konnte, die einen vortrefflichen Anblick darbot. Der Weg ward nun auch ein gut Theil besser; indessen schien es wohl, daß man diese Bequemlichkeit nicht dem Fleiße der Menschen, sondern vielmehr dem natürlich guten Boden zu danken hatte, der hier nicht mehr so sandigt und steinigt war. Wir schlenderten nun immer ganz gemächlich fort: bis wir um acht Uhr Grevesmühlen, zwey Meilen von Dassow erreichten.

    Grevesmühlen heißt in den alten Urkunden Comitis Mola,¹⁷ allein woher diese Benennung entstanden seyn mag, habe ich nie entziffern können. Die Stadt ist nur klein und schlecht gebaut, hat oft Brandschaden gelitten und noch zuletzt im J. 1756. An jedem Ende ist ein Thor,¹⁸ die Mauern hingegen sind noch größtentheils verfallen. […]

    Wir frühstückten im Posthause, und nachdem wir die Stadt ein wenig durchstrichen hatten, setzten wir uns wieder auf die Post. Der Weg war izt bis ganz nach Wismar hin immer sehr gut und die Gegend umher überaus angenehm, indem beständig Hügel und Thäler mit Wiesen, Seen, Gehölzen und Kornfeldern abwechselten. Um 10 Uhr waren wir in Plüschow, einem angenehmen Landguthe,¹⁹ anderthalb Meilen von Grevesmühlen. Wir waren kaum eine viertel Meile weiter gefahren, so verschönerte sich die Gegend noch mehr, indem sie uns einen reizenden Prospekt von der offenen See und der Stadt Wismar, die von hier noch etwa eine Meile entfernt ist, darboth.

    Wismar ist, nächst Rostock, eine der vorzüglichsten Städte in Mecklenburg

    Die hohen Spitzen dieser Stadt gaben einen recht majestätischen Anblik, und das feste Land, das in der Gegend etwas erhaben liegt, erhält dadurch eine frappante Aehnlichkeit mit England. Wir erreichten die Stadt zwischen 12 und 1 Uhr; meine Reisegefährten hielten sich ausser dem Schwedischen Officier, nur ein paar Stunden hier auf, weil ihre Tour nach Rostock ging; da ich aber willens war, alles in dieser Stadt zu besehen, wozu ein paar Tage erfordert wurden, so nahm ich von ihnen Abschied und begab mich in ein sehr gutes Wirthshaus, das Posthorn genannt, welches in der Hauptstraße nah am Markt liegt.

    Wismar ist, nächst Rostock, eine der vorzüglichsten Städte in Mecklenburg. Der erste Ursprung dieser Stadt ist, so wie bey den mehrsten großen Städten, nicht bekannt. […]

    Die Straßen in Wismar, sind ziemlich regulär, die Gebäude bestehen fast durchgängig aus Giebelhäusern, die ganz gut gebaut, aber nicht hoch sind, nur dünkt mich, ist es eine garstige Unbequemlichkeit, daß die Dachrinnen das Regenwasser recht mitten auf die Straßen hingießen. Uebrigens ist der hiesige Handel so unbedeutend, und die Stadt so wenig bevölkert, daß mitten auf dem großen Marktplatze Gras wächst. Eine sonderbare Eitelkeit habe ich hier bemerkt, die aber doch in ganz Mecklenburg Mode ist, nemlich: daß die Herren nie ausgehen, ohne einen Bedienten hinter sich zu haben. Eine andere Gewohnheit kommt mir ebenfalls sehr singulär vor, daß so wohl Leute vom Stande, als der gemeine Mann gestiefelt in der Stadt herum gehen; dies mag in Schnee und Regen ganz bequem seyn, doch denk ich, muß es bey warmen Wetter sehr belästigen. An den Damen habe ich eben nicht sonderlichs bemerkt, als ihre Trauer; diese ist tief genug, denn der ganze Vorkopf ist mit schwarzen Flor bedeckt und wenn sie ausgehen, so tragen sie einen großen schwarzen Schleier, der ihr Gesicht verhüllt.

    DIE MARIENKIRCHE ZU WISMAR

    Das Rathhaus ist groß und fällt von aussen recht gut ins Auge, aber inwendig ist überall nichts Sehenswertes; der Markt, wo es steht, ist geräumig und sehr gut gebaut. […]

    In Wismar sind drey Hauptkirchen, nemlich die Marien-, Nicolai- und Georgen-Kirche. Die Marien-Kirche ist ein feines gothisches Gebäude und hat einen sehr hohen Thurm, von dessen Spitze man eine vortreffliche Aussicht über die Stadt nach der umliegenden Gegend und auch nach der Ostsee hin hat. […]

    Ich war so neugierig bis oben in die Spitze des Thurms hinein zu steigen, aber dies kam mir ziemlich theuer zu stehen, denn die Leitern standen so perpendikulär,²⁰ daß ich mich diese Stunde noch nicht von dem mühseeligen Klettern erhohlen kann. Der Prospekt von hier war würklich äusserst bezaubernd; aber nun war das Heruntersteigen noch zehnmal mühseeliger als das Hinaufsteigen, und hätte ich mir nicht von einem unserer Begleiter herunter helfen lassen, so wäre ich gewiß bey jedem Tritt in Gefahr gewesen Hals und Bein zu brechen. Inwendig ist die Kirche nach Lutherischer Art mit einer Menge von Gemälden und Monumenten ausgeziert und besonders ist das Gewölbe sehr kunstreich. Die beiden andern Kirchen sind ebenfalls Gothischer Bauart, doch werden beide eben nicht sehr reinlich gehalten; am anstössigsten wars mir, daß die Pfeiler nicht einmal überweißt sind. Sondern die puren Mauersteine zu sehen waren. Der Thurm an der Georgen-Kirche ward bey der letzten Belagerung ruinirt. […]

    … hier ist eine gänzliche Stockung im Handel

    Am Wismarschen Strande ist es überaus angenehm, und da die See hier keine Ebbe und Fluth hat, so ist das Wasser immer von gleicher Tiefe. Grosse Schiffe können indessen nicht nah an die Stadt hinan kommen, weil das Wasser nur 8 Fuß tief ist, es ward aber damals dran gearbeitet, es, wo möglich, zwölf Fuß tief zu machen. Auf der Rheede waren nur hin und wieder ein paar Böte und im Hafen selbst mochten im allem nicht viel über zwey Schiffe seyn. Kurz! hier ist eine gänzliche Stockung im Handel, ob gleich dieser Hafen einer der besten und sichersten an der Ostsee ist. Ich seh auch nicht ein, daß dieser Ort den Schweden izt so wichtig seyn sollte,²¹ da die Festungswerke gänzlich geschleift sind. Vor Zeiten, als dieser Ort noch stark befestigt und die Krone Schweden im Besitz der Herzogthümer Bremen und Verden war, mag er dieser Nation wichtig genug gewesen seyn, weil er mitten in ihren deutschen Provinzen lag: aber izt da ihr nur bloß ein Stück von Pommern übrig geblieben ist, dünkt mich, könnte sie Wismar wohl entbehren, da Stralsund allein vollkommen hinreichend ist, ihre Communication mit Deutschland zu sichern. Man hat mir gesagt, daß der Herzog von Mecklenburg Schwerin²² diese Stadt von der Krone Schweden gegen ein Aequivalent zurück verlangt hat. Diese Acquisition²³ wäre vortrefflich, weil der Ort mitten in seinem eigenen Lande liegt. Dann würde der Handel zwischen Mecklenburg und den nordischen Mächten von hier aus wieder in Flor kommen, der itzt gänzlich herab sinkt, weil Schweden ihn nicht unterstützt. Ueberhaupt scheint es eine Politik der neuern Nationen zu seyn, daß sie ihre eroberten Provinzen mit eisernem Scepter beherrschen. Die Einwohner dieser Stadt führen die bittersten Klagen: daß die Ausländer alle Nahrung an sich ziehen; daß das Land von schwedischen Truppen gedrückt wird; daß man das Interesse der National Einwohner zu sehr verabsäume und alle Quellen, die dem Handel aufhelfen könnten, schlechterdings verstopfe. Ich zweifle keinen Augenblick, daß die Einwohner dieser Stadt sich nicht mit Freuden wieder unter die Herrschaft ihrer vormaligen angebohrnen Regenten, der Herzoge von Mecklenburg, begeben würden, und diese erhielten durch solche Acquisition gewiß einen beträchtlichen Zuwachs ihrer Macht. Die Sekularisirung des Bisthums Schwerin²⁴ beym westphälischen Frieden war ohnehin kein sonderlicher Ersatz für Wismar, das mit allem Recht der Schlüßel von Mecklenburg genannt zu werden verdient. […]

    Den folgenden Tag besah ich mit einem schwedischen Officier die Ruinen der gewesenen Festungswerke, die vor Alters so wichtig gewesen waren. Izt sind sie alle so gänzlich zerstöhrt, daß auch keine Spur mehr davon zu finden ist, hin und wieder konnten wir nur einige Stellen des gewesenen Wallgrabens bemerken. Indessen ist hier herum noch viel stehendes Wasser und zwey kleine Ströme, wovon sich einer rechter Hand und der andere linker Hand in den Hafen ergießt.

    Gegenwärtig haben die Schweden nur eine schwache Garnison in Wismar, nemlich nicht mehr als drey Kompagnien Infanterie. Diese Soldaten sind zwar nicht sonderlich groß, indessen haben sie doch ein ziemlich martialisches Ansehen. Ihre Montur ist fast auf preußischem Fuß, nemlich kurze blaue Röcke mit rothen Aufschlägen und breite weise lederne Bandeliere.²⁵ Die Officire sind fast durchgängig wohlgewachsen und äusserst höflich und gefällig in ihrem Betragen.

    Obgleich Wismar itzt unter schwedischer Hoheit steht, so haben die Einwohner doch nichts von den Sitten oder der Sprache dieser Nation angenommen, sondern sie bleiben hierinn immer den übrigen Mecklenburgern gleich. Es war mir auffallend, in ganz Wismar kein einziges Kaffehaus und nicht mehr als einen einzigen Buchladen zu finden; indessen giebt es hier verschiedene Häußer, wo die Einwohner, fast auf englische Art, ihre Klubs halten. […]

    Die Fuhrleute hier zu Lande übereilen sich überhaupt eben nicht sehr beym Fahren

    Bützow, den 15. Septemb. 1766. Den 10ten dieses fuhr ich, Morgens um 9 Uhr mit dem Sekretär Boltenstern²⁶ aus Wismar, welches vier Meilen von Schwerin liegt. Der Weg ist hier so schön, daß ich ihn fast nirgends in Deutschland so gut gefunden habe, allein wir fuhren demohngeachtet so langsam und bedächtlich, daß wir erst um halb 11 in Mecklenburg²⁷ ankamen, das nur eine Meile von Wismar liegt. Die Fuhrleute hier zu Lande übereilen sich überhaupt eben nicht sehr beym Fahren oder Reiten, sondern sie schlendern nur immer gemächlig mit spanischer Grandezza fort. Die Gegend durch welche wir paßirten war schön, und allenthalben in guter Kultur; gegen Mecklenburg hin ward sie allmählig höher. Ich hatte von dieser vormals so berühmten Stadt so viel gehört und gelesen, daß ich mir vornahm hier etwas zu verweilen, um die Lage dieses Orts recht zu besehen und auch zugleich nachzusuchen, ob sich hier nicht noch einige merkwürdige Rudera²⁸ auffinden liessen. […]

    Bützow ist eine der allerältesten Städte im Herzogthum Mecklenburg. Auf lateinisch heißt es Bucephalea, und zwar von Alexanders des großen Buzephalus,²⁹ weil vermöge einer Tradition diese Stadt von Anthyrius³⁰ einem General dieses Königs 336 Jahr vor Christi Geburth erbaut seyn soll.³¹ Indessen will ich für die Richtigkeit dieser Angabe eben nicht Bürge seyn: so viel ist gewiß, daß die Geschichte der Erbauung dieser Stadt sich ganz in die Dunkelheit des Alterthums verliehrt. Im J. 1232 traten die beyden Herzöge von Mecklenburg, Heinrich Burevinus II.³² und Nikolaus III.³³ diese Stadt mit dem dazu gehörigem Gebieth an den Bischoff zu Schwerin³⁴ ab, dieser behielt auch dies ganze Stift so lange im Besitz, bis es beym Westphälischen Frieden sekularisirt ward. Hier ist noch izt ein altes Schloß, auf welchem die vormaligen Bischöfe von Schwerin residirten. Nur noch kürzlich war dies die Residenz der verwitweten Herzogin Sophia Charlotta,³⁵ Herzog Friedrich Wilhelms Gemahlin und Schwester

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