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Tödliche Allianz perfider Seelen
Tödliche Allianz perfider Seelen
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eBook427 Seiten6 Stunden

Tödliche Allianz perfider Seelen

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Über dieses E-Book

Das egozentrische Weltbild dieses Psychopathen lässt keinen Raum für Empathie und Toleranz. Menschen hatten für ihn da zu sein und mussten funktionieren. Wie ein Automatikuhrwerk: präzise, fehlerfrei und gänzlich ohne Emotionen. Er sieht sie als dressierte Vasallen in seinem Geschäft. Nur mit einer Person fühlt er sich seelenverwandt: Es ist eine tödliche Allianz perfider Seelen! Er formt die Menschen so, wie er sie braucht. Wer nicht perfekt funktioniert, muss sterben. Sein mörderisches Ensemble besteht aus Marionetten, die er selbst geschaffen hat. Die Fäden hält er fest in der Hand. Er ist ein Meister der Manipulation.
Die blutige Spur seiner Grausamkeiten führt quer durch Europa bis nach Zentralasien. Fesselnde Unterschiede zwischen der betörenden Schönheit einer blühenden Alpenwelt, der bedrohlichen Tristesse abgelegener Wüstenregionen und des orientalischen Flairs morgenländischer Erzählungen aus "Tausendundeine Nacht" setzen die Handlung in einen schillernden Rahmen.
Eine Wiener Sonderkommission unter Leitung der toughen und sympathischen Majorin Laura Stainer und ihres Partners Major Michael Kupfer jagt die skrupellosen Köpfe einer kriminellen Organisation mit aller Kraft. Unerwartete Wendungen des Geschehens und spektakuläre Täuschungen der Strippenzieher stellen das Ermittlerteam vor ständig neue Herausforderungen.
Das von Beginn an mitreißende Geschehen ist in eine liebenswerte und unterhaltsame Nebenhandlung eingebettet. Wer die Kombination aus atemberaubender Spannung und gelegentlich amüsanten Passagen mag, wird dieses Buch nicht aus der Hand legen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Jan. 2023
ISBN9783347827394
Tödliche Allianz perfider Seelen
Autor

Peter Werkstätter

Der Autor mag es gern aktiv. Die in seinen Krimis beschriebenen Orte hat er unisono mehrfach bereist. Ob mit der Harley, dem Rad oder per Helikopter - die Welt erobern ist seine Leidenschaft. Bereits als Jugendlicher wollte er seine Reiseerlebnisse aufschreiben. Später kam dann die Liebe zu Kriminalromanen mit sympathisch - amüsanten Nebenhandlungen dazu. Bereits in seinem ersten Buch hat der Autor diese Visionen miteinander verbunden. Dennoch ist er ein Familienmensch und ein heimatverbundener Erzgebirger. Für seine Familie und Freunde ist das kein Widerspruch. Er hat sein Leben so organisiert, dass seine mobilen Leidenschaften, Zeit für seine Frau und die geliebten vier Enkel und die Pflege seiner Freundschaften durchaus eine harmonische Einheit bilden. Nur etwas hat der Autor nie: Langeweile!

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    Buchvorschau

    Tödliche Allianz perfider Seelen - Peter Werkstätter

    Prolog

    „Ja, ich werde weiterhin schwere Straftaten begehen, schreckliche Verbrechen sogar. Und nein, niemand wird mich daran hindern."

    Er sagte das leise, nicht unfreundlich und scheinbar emotionslos. Seine halb zusammengekniffenen Augen vermittelten jedoch einen anderen Eindruck: ein Blick voller Drohung und Hass.

    „Lassen Sie mich ausreden, blaffte er, ohne dass sein Gegenüber die Absicht einer Erwiderung erkennen ließ. „Sie werden mir bei der Umsetzung meiner zutiefst perfiden und misanthropischen Taten mit Hingabe behilflich sein – davon gehe ich in Ihrem Sinne fest aus.

    Er legte die Fingerspitzen seiner Hände langsam aufeinander und stützte sein Kinn auf die abgewinkelten Daumen. Seine jetzt interessiert geöffneten Augen wirkten erwartungsvoll, ließen aber gleichzeitig Überlegenheit und Arroganz erkennen. Der Besucher schien dem anderen Mann noch immer keine Gesprächsteilnahme zu gestatten. Er lehnte sich wieder in den bequemen Sessel zurück, wobei sich sein Gesichtsausdruck erneut veränderte: hart und bedrohlich.

    „Gehen Sie bei allem, was Sie denken und künftig tun werden davon aus, dass ich in Ihrem Leben eine ähnliche Rolle spielen werde, wie der Rotor in einem Automatikuhrwerk: Solange ich mich bewege, funktionieren Sie in dem Rhythmus, den ich vorgebe."

    Erstes Kapitel

    Obwohl es fast windstill war, glitzerten die kleinen Wellenberge auf dem malerischen Wolfgangsee wunderschön. Sie wirkten in der Frühlingssonne wie flirrender Goldstaub.

    Professor Markus Dorn liebte die frühabendliche Erhabenheit dieses Anblicks, den er einmal mehr von der höhergelegenen Terrasse seines Anwesens genoss. Es war Vorsaison im Salzkammergut – aber selbst im August war der Trubel, den die anstürmenden Urlauber dann auslösten, hier oben kaum wahrnehmbar. Er hatte sich diese Villa am Nordufer des Sees vor fünf Jahren zunächst gemietet und im vergangenen Jahr gekauft. Der sündhaft hohe Preis des Grundstückes hatte diese Entscheidung nicht leicht gemacht, aber seine Frau hatte sich sofort in das Haus verliebt und sie konnten es sich leisten.

    Als die Terrassentür geöffnet wurde sprang er sofort auf und begrüßte erfreut und entsprechend herzlich die junge Frau, die Arm in Arm mit der Hausherrin die Aussichtsebene der Villa betrat.

    Bevor Markus Dorn seine Überraschung über den unerwarteten Besuch seiner Schwester zum Ausdruck bringen konnte, zog sie ihn am schmalen Revers seiner Trachtenjacke ein wenig zu sich heran: „Du siehst angespannt aus, Bruderherz – solltest vielleicht etwas kürzertreten."

    Der Professor löste sich sanft aus ihrem Griff. Lächelnd versicherte er seiner Schwester, dass es beruflich und privat bestens stünde, und wenn in seinem Gesicht Besorgnis zu erkennen sei, könne das nur an den neuesten Nachrichten liegen. Er zeigte dabei belustigt auf die Kronen Zeitung, die neben seinem Stuhl lag.

    „Hast du Urlaub oder führt dich die Jagd auf Bösewichte ins Salzkammergut? Ich hoffe, es ist die Sehnsucht nach deinem Bruder – die bösen Buben sind ja alle bei euch in Wien", scherzte Markus Dorn.

    Laura Stainer ignorierte die Frotzelei zunächst und wirkte jetzt ein wenig nachdenklich.

    Sie hatte es mit gerade einmal 30 Jahren geschafft, als Major eine Sonderkommission bei der Wiener Kriminalpolizei zu leiten. Ihr Ehrgeiz, aber sicher auch eine gewisse angeborene Begabung, waren zwei gute Gründe für diese steile Karriere. Leider war ihr bei dieser anspruchsvollen Arbeit das Privatleben aus dem Ruder gelaufen. Ihre Ehe widerstand dem dienstlichen Dauerdruck nur drei Jahre.

    „Ganz so abwegig ist deine Annahme nicht, dass mich berufliche Pflichten in diese Gegend führen. Ich kann dich aber beruhigen – der Abstecher zu dir ist rein privat", ergänzte sie lächelnd.

    Wie sich im weiteren Gespräch herausstellte, würden sie ihre Ermittlungen etwa zwei Tage in der Region binden. Markus Dorn und seine Frau boten ihr selbstverständlich an, in dieser Zeit bei ihnen zu wohnen. Platz hatten sie schließlich ausreichend.

    Sie saßen gemeinsam zusammen, bis die Sonne hinter den Bergen verschwand. Nach zwei Flaschen Chardonnay hatten sich die Geschwister auf den neuesten Stand der wichtigsten Themen gebracht. Das war nach zwei Monaten überfällig.

    Der Blick aus den befristet angemieteten Diensträumen der SoKo Gold auf das pulsierende Zentrum von Wien, war ein Traum. Die großzügig dimensionierten Fenster fassten den Stephansplatz mit dem Erzbischöflichen Palais und dem Stephansdom in einen historischen Rahmen, der das kaiserliche Wien in seiner ganzen Pracht erstrahlen ließ. Diesen Eindruck komplettierten die detailtreu erhaltenen Fiaker und deren historisch gekleideten Kutscher, die ihre zweispännigen Lohnkutschen mit Stolz und Leidenschaft für Stadtrundfahrten anboten.

    Leider hatten die drei Ermittler der Wiener Sonderkommission „Gold" keine Zeit und damit auch nur einen flüchtigen Blick auf die Schönheiten ihrer Stadt übrig.

    Majorin Laura Stainer hatte bereits ihre Unterlagen im Beratungsraum der SoKo ausgebreitet und ihre engsten Kollegen, Major Michael Kupfer und Leutnant Tobias Mehler, waren gerade dabei.

    Obwohl der Mai vor wenigen Tagen erst begonnen hatte, Fahrt in Richtung Frühling aufzunehmen, erhitzte die Sonne heute bereits in den Vormittagsstunden das nichtklimatisierte Büro stark.

    So schön der Blick aus den Fenstern auch war: An ein Öffnen der Flügel war nicht zu denken.

    Der innerstädtische Straßenlärm gestattete diesen Luxus nur in Beratungspausen. Am Geräuschpegel hatte sich gegenüber der Kaiserzeit wenig geändert – nur die Art der Geräusche war heute anders. Schon um die Jahrhundertwende galt Wien als eine extrem „nervöse Großstadt".

    Dominierten damals schonungsloses Peitschenknallen, lautes Kutschergeschrei und das Dröhnen, Kreischen und Ächzen der elektrischen Straßenbahnen die akustische Wahrnehmung, so nervten heute das eintönige Brummen der Motoren, schwerfällige, dumpfe Bassrhythmen aus geöffneten Autofenstern und quäkende Hupgeräusche, ausgelöst von nicht ausreichend beachteten Kleinwagenfahrern.

    Laura Stainer begann die Recherchen ihrer zweitägigen Dienstreise auszuwerten.

    Der Anlass für die Ermittlungen im Salzkammergut war recht dürftig und beruhte im Wesentlichen auf zwei anonymen Hinweisen, die zunächst in keinem erkennbaren Zusammenhang zu stehen schienen.

    Die erste Information wurde ihnen bereits vor 6 Monaten zugespielt. Der anonyme Informant behauptete, es sei eine größere Menge illegalen Goldes im Umlauf. Dabei würden die erlaubten Grenzen von 10.000, – EUR Kaufwert teilweise erheblich überschritten. Zur Herkunft des Goldes wurde nichts übermittelt. Erste Vermutungen und Recherchen ließen die Scheideanstalten im Schweizer Tessin in den Fokus der Ermittlungen geraten.

    Der zweite Hinweis – und das war der eigentliche Grund für die Fahrt von Laura Stainer in das Salzkammergut – bestand darin, dass in den wohlhabenden touristischen Hochburgen Oberösterreichs, mit Hehlerware aus reinem Gold gedealt würde. Die Bandbreite ginge dabei von Münzen über Skulpturen oder anderen Kunstgegenständen, bis hin zu Zahngold. Exemplarisch wurden die beiden bekannten Urlaubsorte Sankt Gilgen und Hallstatt benannt.

    Die Majorin hatte zunächst drei der zahlreichen Juweliergeschäfte in den beiden Regionen aufgesucht. Sie war unangekündigt erschienen und hatte mit ihren Fragen ehrliche Verwunderung ausgelöst. Zumindest empfand sie das so. Die Besuche hatten keinerlei Ermittlungsansätze ergeben. Auch bezüglich des Wahrheitsgehaltes der anonymen Anzeige konnten keine Hinweise aus der Befragung abgeleitet werden.

    Laura Stainer hatte deshalb die Ermittlungen auf Kunsthändler und Antiquitätengeschäfte ausgedehnt. Am späten Nachmittag des zweiten Tages betrat sie den düsteren und wenig einladenden Verkaufsraum eines Ladens mit dem klangvollen Namen „Antikatelier".

    „Der Inhaber, Herr Alois Schwertinger, begrüßte mich ausgesprochen freundlich", begann die Chefin der SoKo mit der Schilderung dieses Gespräches. „Die dunkle, verstaubte und wenig einladende Einrichtung des Repräsentationsbereich, war zum Glück nicht im Geschmack und im Charakter des Besitzers begründet. Sie war ausschließlich auf Herkunft und Alter der ausgestellten Gegenstände zurückzuführen. Auch nachdem ich mich vorgestellt und mein Anliegen erläutert hatte, blieb der gute Eindruck des älteren Herren bei mir erhalten. Er hörte aufmerksam zu, stellte keine Zwischenfragen und wartete höflich, bis ich ihn um seine Meinung und eventuelle Hinweise bat.

    Er räusperte sich zunächst mehrmals, als ob es ihm schwerfiele, die richtigen Worte zu finden. Als er seine Gedanken geordnet und die Balance zwischen notwendigen und verzichtbaren Informationen hergestellt hatte, berichtete Herr Schwertinger in einer nicht vermuteten, schnörkellosen Klarheit."

    Die Majorin schaute in die kleine Runde. Die Blicke von Michael Kupfer und Tobias Mehler waren gespannt auf sie gerichtet. Sie erhofften sich zweifellos einen ersten Ermittlungserfolg – auch wenn sich ihre Erwartungen nach den letzten erfolglosen Tagen in engen Grenzen hielten.

    „Der alte Herr hatte am Vortag Besuch von einem Ehepaar mittleren Alters gehabt. Die Mutter des Ehemannes war verstorben und hatte ihren zwei Söhnen 30 Goldmünzen hinterlassen. Es handelte sich dabei um Prägungen des bekannten `Wiener Philharmonikers`, einer der meistverkauften Anlage – Goldmünzen weltweit. Echtheitszertifikat und der entsprechende Auszug aus dem Erbschaftsdokument waren notariell bestätigt. Der von der `Münze Osterreich AG` stammende `Wiener Philharmoniker` besitzt einen aktuellen Goldwert von etwa 1.700, – Euro, was einer Unze Feingold entspricht.

    Herr Schwertinger hatte an dieser Stelle seines Berichtes leicht gestockt, erklärte mir aber dann, dass die beiden Brüder in einer finanziellen Notlage seien und 10 der Münzen für nur 15.000, – Euro verkaufen würden.

    Sie zeigten ihm die Münzen und er bestand darauf, eine Echtheitsprüfung durchzuführen, bevor er eine Entscheidung zu Ankauf oder Vermittlung treffen würde."

    Laura Stainer schien es ein wenig zu amüsieren, wie die beiden gestandenen Männer an ihren Lippen hingen und an große Jungs erinnerten, die ihre Neugier kaum zügeln konnten.

    „Der nette Antiquitätenhändler scheint ein Experte in seinem Metier zu sein. Sein Prüfergebnis war verblüffend und um es gleich vorwegzunehmen: Die zehn Münzen bestanden jeweils aus einer Unze Feingold der zertifizierten Güte, entsprachen also einem Goldwert von gegenwärtig 17.000, – Euro.

    Das war aber nur ein Teilergebnis seiner Prüfung. Herr Schwertinger stellte nämlich weiterhin fest, dass es sich bei den Münzen um Fehlprägungen handelt. Bei den geprüften `Wiener Philharmonikern` liegt eine sogenannte `Stempeldrehung` vor. Dabei steht das Münzbild beim Drehen um die Längsachse nicht gerade. Es ist um eine bestimmte Gradzahl verdreht.

    Bei den Prüflingen war eine Drehung um 180 Grad zu erkennen, d.h., die Rückseite der Münze steht genau auf dem Kopf. Das fällt einem ungeübten Auge in den seltensten Fällen auf, zumal es bei französischen Münzen üblich ist. Bei österreichischen Münzen ist es dagegen eine Fehlprägung, die in Expertenkreisen als `französische Prägung` bezeichnet wird. Eine, in der `Staatlichen Münzanstalt Österreichs` hergestellte Fehlprägung dieser Art, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in den Umlauf gekommen."

    Nachdem die Chefin der SoKo Gold eine kurze Pause gemacht hatte, um das Gesagte wirken zu lassen, fasste sie den Rest des Gespräches in aller Kürze zusammen: „Der alte Herr war clever genug, seinen Besuchern diesen Teil des Prüfergebnisses nicht mitzuteilen. Er bestätigte lediglich den Goldwert, erbat sich aber eine Woche Bedenkzeit, da er erst mit seinem Teilhaber sprechen wolle, der sich aber noch im Urlaub befände. Nun ist er in großer Sorge, dass es sich bei dem Ehepaar um Verbrecher handeln könnte, die vielleicht seine Notlüge durchschauen. Er hat nämlich keinen Teilhaber. Deshalb entschloss er sich auch, in jedem Fall die Polizei zu informieren. Das erklärt vielleicht teilweise seine große Freude über mein Auftauchen", beendete sie lächelnd ihren Bericht.

    Angenehme 25 Grad und ein Himmel im tiefen Blau eines Nazar – Amuletts waren die schönen Begleiter dieses zu Ende gehenden Tages.

    Die beiden Männer auf der Dachterrasse eines ehemaligen Hotels spürten nichts von dem frühlingstypischen Klima und sie nahmen auch die herrlichen orientalischen Gerüche nicht wahr, die vom nahegelegenen Siab Basar zu ihnen herüberwehten.

    „Du hast deinen Laden nicht mehr im Griff, blaffte der kleinere der beiden Typen den anderen, wesentlich größeren und übergewichtigen Kerl an. „Wir liefern dir die Ware mit großem Aufwand und hohem Risiko über mehrere Grenzen an einen sicheren Ort, und du bringst es fertig, auf dem letzten Teilabschnitt der Wertschöpfungskette einen Totalschaden zu verursachen?

    Der vierschrötige Mann wich trotz seiner offensichtlichen körperlichen Überlegenheit vor dem anderen Typ zurück. Als er nur noch einen halben Meter von der hüfthohen Terrassenbegrenzung entfernt war, blieb er stehen.

    „Die Lieferung werden meine Leute zurückholen. Zumindest den Gegenwert. Ich habe Hinweise erhalten, dass die Ware bereits zu Feingold veredelt wurde und teilweise im Umlauf ist."

    Dieser Satz sollte zuversichtlich stimmen. Zumindest hatte er das gehofft. Wie falsch er da lag, zeigte die Reaktion seines hageren Gegenübers. Der verzog verächtlich sein Gesicht und hatte urplötzlich einen großkalibrigen Revolver in der Hand.

    „Schade, dass unsere langjährige Zusammenarbeit so zu Ende geht. Wenn es nach mir ginge, hättest du unseren `Dostlik Orden` verdient. Aber leider – das Schicksal folgt seiner eigenen Logik – und: die kann zuweilen grausam sein." Er drückte sofort ab und leerte die Hälfte der Trommel. Die Schüsse waren präzise und zerfetzten den Brustkorb des beleibten Mannes. Dennoch taumelte er noch, wie vermutlich gewollt, das kleine Stück bis zur Brüstung der Dachterrasse. Der Schwerpunkt seines Körpers und dessen Bewegungsrichtung ließen den Mann unweigerlich über die Mauer in die Tiefe stürzen. Kein Schrei, keine gestikulierenden Bewegungen – er war tot, bevor er am Boden aufschlug.

    Sein Körper landete etwa zwei Meter neben einer frisch ausgehobenen Grube. Trotz des sandigen Aushubs war deutlich zu erkennen, dass hier Technik zum Einsatz gekommen war. Da das Gelände unbewohnt und absolut menschenleer war, hatte der Mörder keine Eile damit, die Papiere des Opfers an sich zu nehmen und den Toten in das Loch zu ziehen. Mit einer bereitliegenden Schaufel bedeckte er ihn notdürftig mit Sand. Er wusste, dass das Grab noch vor Eintreten der Dunkelheit fachmännisch verschlossen und geschützt vor nachtaktiven Wildtieren sein würde. Die Abdeckung der Grube dürfte sich kaum erkennbar von den benachbarten sandigen Oberflächen unterscheiden und kein Mensch käme auf den Gedanken, dass sich hier ein Grab befinden könnte. Ein Restliches würde der nächste Sandsturm erledigen.

    Als sich der hagere Mann aufrichtete, rollte fast lautlos ein dunkler Wagen auf ihn zu. Er stoppte neben der Grube und der Mörder nahm im Fond des Wagens Platz.

    Als er seine Hände an einem, ihm vom Fahrer zugereichten Feuchttuch gereinigt hatte, setzte sich die schwere Limousine umgehend in Bewegung.

    „Unser Freund, mein lieber Igor, wird keine erfundenen Geschichten mehr erzählen – eigentlich schade, er hatte einen so amüsanten Dialekt". Er sagte das in einem aufgeräumten Plauderton, als käme er gerade von einer Lesung über die wunderbaren Reisen und lustigen Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen.

    Laura Stainer saß in ihrem provisorischen Arbeitszimmer am Stephansplatz, als es an der Tür klopfte. Michael Kupfer, ihr Stellvertreter bei der SoKo Gold, betrat den spartanisch eingerichteten Raum.

    Michael war ihr engster Vertrauter bei der Wiener Polizeibehörde. Sie mochte ihn und er hatte sich vor drei Jahren, als sie sich von ihrem Mann trennte, als wahrer Freund bewiesen. Die Trennung hatte sie extrem belastet, zumal sie ihrem damaligen Partner nicht wirklich etwas Schwerwiegendes vorwerfen konnte. Im Gegenteil, sie quälte der niemals ausgesprochene Vorwurf, selbst der schuldige Teil gewesen zu sein.

    In Wahrheit waren die Trennungsgründe aus heutiger Sicht paritätisch auf beide Ehepartner verteilt gewesen. Das war wohl auch der Grund dafür, dass sie sich weitgehend geräuschlos getrennt hatten und noch heute gelegentlichen Kontakt miteinander pflegten. In Ermangelung einer plausiblen und erklärbaren Begründung für das Scheitern ihrer Ehe, hatten sie gegenüber engen Freunden und Verwandten den ebenso abgedroschenen, wie aussagearmen Satz: „es passte einfach nicht mehr", verwendet.

    Michael war damals der Einzige gewesen, mit dem sie über alle Probleme sprechen konnte. Das lag natürlich auch daran, dass viele Konfliktsituationen ihren Ausgangspunkt in Lauras dienstlichen Abläufen hatten. Ein Diskutieren solch interner Inhalte war ihr natürlich im privaten Freundeskreis nicht gestattet.

    Die dienstlichen Rahmenbedingungen für ein dauerhaft freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden Kriminalisten waren dagegen eher suboptimal.

    Vor wenigen Monaten wurden Laura und Michael am gleichen Tag zu Majoren befördert. Beide waren mit 29 bzw. 31 Jahren sehr jung für diesen Dienstgrad – und entsprechend ehrgeizig.

    Als vor einem halben Jahr der erste ernstzunehmende Hinweis auf eine größere Menge, illegal sich im Umlauf befindlichen Goldes beim Bundeskriminalamt in Wien einging, wurde kurzfristig die Entscheidung zur Bildung einer Sonderkommission getroffen. Da ersten Erkenntnissen zufolge Handelsaktivitäten auf dem Schwarzmarkt in Oberösterreich stattfanden und als Herkunftsregion des Goldes das Schweizer Tessin vermutet wurde, übernahm das BKA Wien selbst den Fall. Laura und Michael waren dort im Bereich „Organisierte Kriminalität" tätig.

    Der SoKo Gold wurden in einem ersten Schritt drei Ermittler zugeordnet. Mit der Leitung der Sonderkommission wurde Majorin Laura Stainer beauftragt. Auch Major Michael Kupfer hatte sich natürlich Hoffnung auf den Chefposten der kleinen, aber wichtigen Ermittlergruppe gemacht. Am Ende schlug das Pendel in Richtung seiner Kollegin aus. Maßgebend für diese Personalentscheidung im Bundeskriminalamt waren zwei Punkte, die für Laura sprachen. Die Majorin hatte sich in ihrer bisherigen Ermittlertätigkeit einen hervorragenden Ruf als Teamplayer erarbeitet. Sie beherrschte es, aufmerksames Zuhören, logisches Ableiten von Zusammenhängen und uneitles Entscheiden schwieriger Fragestellungen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, was letztlich den Erfolg des gesamten Ermittlerteams sicherte.

    Michael Kupfer hatte vor dem Wechsel ins Bundeskriminalamt bei der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität erste Erfahrungen gesammelt und dort zahlreiche Ermittlungserfolge erzielt. Bei der EGS war er zumeist als verdeckter Ermittler im Einsatz, was in der Regel individuelle und spontane Entscheidungen erforderte. Er war ein Einzelkämpfer.

    Hinzu kam der Sachstand, dass der aus Deutschland stammende Major Kupfer bis zu seinem 16. Lebensjahr Österreich nur einmal bereist hatte und auch seit er hier wohnte, Wien meist nur für Urlaubsfernreisen verließ. Laura Stainer dagegen war gebürtige Salzburgerin und kannte sich in ihrem Heimatland bestens aus.

    Ansonsten brachten beide Bewerber für den Chefposten der SoKo Gold gleich gute Voraussetzungen für diese Aufgabe mit. Michael Kupfer hatte das mit einem leisen „Zähneknirschen" akzeptiert. Schließlich waren die Argumente pro Laura zutreffend, und er wusste das auch. Jetzt freute er sich ehrlich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team mit Majorin Stainer.

    Nachdem Laura Stainer Kaffee aufgebrüht hatte, versuchte sie, Struktur in die ersten Ermittlungsergebnisse des Falles „Illegaler Goldhandel" zu bringen.

    „Viele Ansätze gibt es ja noch nicht, aber die bisherigen Erkenntnisse scheinen zumindest zwei Absatzkanäle von illegal gehandeltem Gold aufzuzeigen, eröffnete die SoKo Chefin das Gespräch. „Der misslungene Versuch, Goldmünzen aus privatem Besitz unter Wert in Umlauf zu bringen, ist auf den ersten Blick nur schwer zu begreifen. Warum freiwillig auf 2.000, – Euro verzichten? Das lässt nur einen Schluss zu: Das Gold wurde auf nicht legalem Wege in unser Land eingeführt. Die Fehlprägung ist ein Hinweis darauf, dass die `Wiener Philharmoniker`, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Staatlichen Münzanstalt Österreichs geprägt wurden.

    Michael Kupfer nickte zustimmend.

    „Ähnlich verhält es sich mit den 100g Goldbarren, die einem Dentallabor in Salzburg angeboten wurden. Übrigens: auch aus Privathand. Der Verkäufer hatte sich als Schweizer Juwelier ausgewiesen, der sich seit einem halben Jahr im Ruhestand befinden würde. Nach Geschäftsauflösung hätte er alle aufgekauften Altgoldbestände in einer Scheideanstalt im Schweizer Tessin zu 100g Barren Feingold umarbeiten lassen. Da die Prägung hochwertig wirkte und alle erforderlichen Angaben, wie Hersteller, Gewicht, Reinheit und Seriennummer aufwies, glaubte der private Eigentümer des Labors zunächst, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Die aktuellen Ankaufpreise für 100g Feingold belaufen sich auf 5.200, – Euro. Der Juwelier verkaufte seine acht Barren jedoch für 40.000, – Euro. Er ließ demzufolge 1.600, – Euro gegenüber dem üblichen Verkaufserlös nach."

    Major Kupfer lehnte sich zurück und schaute seine Kollegin an, als ob er Mitleid für die Käufer empfinden würde.

    „Die Goldqualität wurde zwar gründlich geprüft, aber die Seriennummern, die ab einem Barrengewicht von 100g zwingend erforderlich sind, fanden keine hinreichende Beachtung. Erst bei der Bearbeitung fiel einem Mitarbeiter auf, dass zwei der Goldbarren identische Seriennummern aufwiesen. Das ist ein sicherer Hinweis darauf, dass das Gold aus einer illegalen Quelle stammt. Die versuchte Kontaktaufnahme mit dem Juwelier scheiterte. Alle Angaben des Schweizers stellten sich als falsch heraus und auch der eingeprägte Hersteller war ein Fake. Die benannte Scheideanstalt existiert nicht."

    „Offenbar ist auf dem Schwarzmarkt eine größere Menge von unkontrolliert nach Österreich gelangten Goldes im Umlauf", versuchte Laura das Gesagte zusammenzufassen. „Wir müssen davon ausgehen, dass die beiden Ermittlungsansätze nur Zufallstreffer im Kampf gegen einen noch unsichtbaren Gegner darstellen.

    Die hohe Goldqualität, sowie die Prägebrillanz der Barren und Münzen lassen auf eine professionelle Herstellung der Fälschungen schließen. Diese Aussage steht auch nicht im Widerspruch zu der Dopplung von Seriennummern und der Fehlprägung der `Wiener Philharmoniker`.

    Der einzige Ansatzpunkt, den ich im Moment sehe, liegt bei Alois Schwertinger. Der Antiquitätenhändler wird uns umgehend informieren, wenn sich das Pärchen mit den Goldmünzen wieder meldet. Meine diesbezügliche Hoffnung ist nicht sonderlich groß. Ich glaube vielmehr, dass diese Masche auf `Sofortdeals` abzielt. Wenn es nicht am gleichen Tag funktioniert, wird das nächste Opfer gesucht. Vielleicht täusche ich mich aber auch. Der alte Herr hat ja pfiffig reagiert und so eventuell das Geschäft am `Köcheln` gehalten."

    Major Kupfer stimmte dem zwar prinzipiell zu, sah aber noch einen weiteren Ansatz.

    „Wenn tatsächlich eine größere Menge an nichtregistrierten, illegalen Goldprodukten nach Österreich gelangt ist, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um gebrauchsfertige, gegossene oder geprägte Feingoldbarren und Münzen. Da die Anzahl der Scheideanstalten bei uns sehr überschaubar ist und der Transport von Industriegold in Barren von meist sechs Kilogramm stark risikobehaftet wäre, schließe ich diese Beschaffungsvariante aus.

    In Europa gibt es kaum noch Goldvorkommen. Einigermaßen rentabel arbeitende Goldminen gab es lediglich in Rumänien und mit weiteren Abstrichen in Bulgarien. Der Abbau wurde auch in diesen Ländern aus unterschiedlichen Gründen eingestellt oder ausgesetzt. Hauptgrund waren – und sind – massive Umweltprobleme.

    Da liegt auch der Grund dafür, warum der weitaus größte Teil des sich offiziell im Umlauf befindlichen Europäischen Goldes aus dem Recycling – Bereich stammt. Es existieren so große Mengen an Altgold und recycelten Industriegold, dass der seriöse Goldhandel in Österreich nicht auf Minengold angewiesen ist.

    Anders ist das beim illegalen Handel. Während Recyclinggold, ganz gleich ob aus privatem Altgold oder aus recyceltem Edelmetallschrott der Industrie gewonnen, niemals zu niedrigeren, börsenunüblichen Preisen in den Handel kommt, ist das bei schwarz eingeschleustem Minengold ein wichtiges Verkaufsargument: der Bonus für das Risiko.

    Ich bin mir nahezu sicher: Das unerlaubt in Umlauf gebrachte Gold stammt aus der Veredlung von Dore´- Barren, dem sogenannten Minengold. Das würde auch unsere erste Vermutung erhärten, dass die Spur zu einer der Scheideanstalten im Schweizer Tessin führen könnte. Da werden in großen Mengen Dore` – Barren veredelt. Die Schweiz ist eine Drehscheibe im internationalen Goldhandel. Woher die Raffinerien ihr Gold beziehen liegt oftmals im Dunklen. Vermutet wird die Herkunft aus illegalen Minen in Afrika, wobei die Vereinigten Arabischen Emirate als offizielle Lieferanten fungieren. Auch Zentralasien, an der Spitze Usbekistan, liefert große Mengen Minengold in die Schweiz.

    Ich glaube, wir sollten unsere Schweizer Kollegen um Unterstützung bitten. Nicht umsonst gibt es den `Vertrag über grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit` zwischen Österreich, der Schweiz und Liechtenstein", beendete Michael Kupfer seinen, für ihn außerordentlich umfangreichen, Beitrag.

    Laura Stainer lächelte. „Da könnte einiges dran sein und du machst mir ganz den Eindruck, als ob du nicht abgeneigt wärst, deine italienischen Sprachkenntnisse ein wenig aufzufrischen. Frühling am Lago Maggiore: Das ist schon ein Grund um auf solch abenteuerliche Theorien zu kommen. Ich kümmere mich um ein entsprechendes Amtshilfeersuchen, mein kleiner Italiener. Michael ignorierte die nette Ironie. Den „kleinen Italiener musste er sich bei seiner Körpergröße von 185 cm ohnehin nicht annehmen.

    Zweites Kapitel

    Die beiden Männer, die im Behandlungszimmer des Arztes Platz genommen hatten, wirkten weder krank, noch schien sie die empörte Sprechstundenhilfe zu beeindrucken, die sie vom unangemeldeten Eintreten in das Reich ihres Chefs abhalten wollte. Sie stand noch mit hochrotem Gesicht in der Tür, als Professor Borges sie bat, die „Gäste mit ihm allein zu lassen. Er tat das zwar in seiner gewohnt besonnenen Art, vermied aber bewusst das Wort „Patienten.

    Kaum waren die Herren mit dem Arzt allein, beugte sich der ältere von beiden abrupt nach vorn und platzierte seine großen, fleischigen Hände lautstark auf der Glasplatte des vor ihm stehenden Tisches. Die derben, für seinen schlanken Körper scheinbar überdimensionierten Pranken passten so gar nicht zu dem Buchhaltertyp, der einen maßgeschneiderten Anzug aus feinstem Tuch trug.

    „Sicherlich habe ich den Arzt meines Vertrauens am Telefon völlig falsch verstanden. Deshalb kommen wir gleich persönlich vorbei – da kann man Missverständnisse sofort ausräumen, wenn sie denn überhaupt noch fortbestehen. Sie verstehen mich doch, lieber Professor?"

    Er bewegte sich keinen Zentimeter und die weißen Knöchel seiner Hände ließen die Befürchtung aufkommen, dass der Glastisch dem Druck nicht standhalten würde. „Ich weiß ja, ein intelligenter Mensch wie Sie hat es nicht gerne, wenn man Selbstverständlichkeiten von ihm erbittet – aber noch einmal: Am Telefon ist unsere Botschaft ja leider nicht angekommen. Der Wortführer des Besucherduos schien in seiner Stellung erstarrt zu sein und dokumentierte damit auf pantomimische Art und Weise, dass er weder dazu bereit war seine Ansprache zu unterbrechen, noch seine Körperhaltung zu verändern. „Wir wollen doch wirklich nur, dass Sie ihre Arbeit machen: zwei Totenscheine ausstellen und 6 Behandlungsbetten in Ihrer Klinik zur Verfügung stellen. Sie werden doch keine verunfallten Mitarbeiter von uns abweisen! War das akustisch und inhaltlich zu verstehen?, spie er den letzten Satz förmlich in Richtung des Arztes.

    Die letzten Worte hatten seine Wirkung auf den Professor nicht verfehlt. Er war jetzt aschfahl im Gesicht und seine sonst so ruhigen, feingliedrigen Hände zitterten leicht.

    „Ich habe mich sofort um die armen Menschen gekümmert und bestmögliche Hilfe geleistet. Das war in diesem Fall nicht selbstverständlich. Ich bin hier Chefarzt und Klinikleiter. Ich hätte einen Notarzt und zwei Rettungssanitäter schicken müssen. Schließlich liegt der Unfallort mehr als 100km von meiner Klinik entfernt. Da es sich um schwerste Vergiftungen handelt und weitere tödliche Verläufe sehr wahrscheinlich sind, bin ich spätestens jetzt verpflichtet, die zuständigen Behörden zu informieren. Sie haben das ja offenbar nicht getan. Die von mir durchgeführte Notversorgung und die provisorische Unterbringung der erkrankten Männer in einer Baracke inmitten der Wüste, verzögert den Verlauf der Vergiftung ein wenig, wird aber zu keiner Heilung führen. Sie müssen die Männer dringend in…. – Die schweren Hände des Wortführers klatschten erneut geräuschvoll auf den Glastisch. „Sie haben mich auch jetzt nicht verstanden, das tut mir leid. Ich habe Ihnen bereits klar zu verstehen gegeben, dass es nur einen Behandlungsort für die Verunfallten geben wird: Ihre Klinik!. Der Buchhaltertyp schaute auf seine Uhr.

    „Der Krankentransport mit den 6 Patienten ist vor 10 Minuten gestartet. Er wird in knapp zwei Stunden hier eintreffen. Die beiden Verstorbenen werden wir würdevoll in ihrem Heimatdorf bestatten lassen."

    Er lehnte sich jetzt wieder zurück. „Übrigens, er zog fast beiläufig und scheinbar uninteressiert eine Fotografie aus seiner Tasche, „haben wir eine größere Grabstätte für unsere Arbeiter ausgewählt, als das erforderlich ist. In den Weiten der Wüste ist das kein Problem.

    Der schlanke Mann drehte dabei das Foto in Richtung des Arztes. Professor Borges erkannte trotz der Entfernung sofort, dass es sich um ein Bild aus dem Arbeitszimmer seines Wohnhauses handelte. Es zeigte seine Frau und seine 12jährige Tochter, die sich lachend umarmten. Sein Kopf schien sich explosionsartig mit einer schaumigen Masse zu füllen, die alle gedankenführenden Nervenstränge erbarmungslos abdrückte. Das Farbfoto schien sich in grelle Blitze aufzulösen, die stechende Schmerzen in seinem Hirn erzeugten. „Wo sind die Beiden, was wollen Sie von ihnen…", drang es mit großer Mühe und krächzend aus dem Mund des Arztes.

    „Die haben eine kleine Reise in den `Roten Sand` unternommen. Wenn Sie unserer Bitte entsprechen, kann die Wüstensafari schnell zu Ende sein – im anderen Fall müssen unsere zwei toten Arbeiter ein wenig zusammenrücken", fügte er in einem Tonfall an, als verkündete er die Gewinnmöglichkeiten eines Preisausschreibens.

    Richter Christopher Maibach war am Oberlandesgericht Wien eine Galionsfigur. Er hatte zwar vor drei Jahren das ihm angetragene Präsidentenamt abgelehnt, galt aber im Justizpalast am Wiener Schmerlingplatz ebenso unausgesprochen wie unangefochten als „Graue Eminenz".

    Soeben hatte er die Hauptverhandlung in einem Strafrechtsprozess wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge abgeschlossen. Der Täter wurde, entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Gefängnisstrafe von 5 Jahren forderte, aufgrund vorliegender „Zurechnungsunfähigkeit, zur Unterbringung und Behandlung in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Der „Maßnahmenvollzug wurde nach eingehender Prüfung des Sachverständigengutachtens eines renommierten Psychiaters und Forensikers, auf Grundlage der Letztentscheidungsbefugnis des Gerichtes, angeordnet. Diese Entscheidung war Richter Maibach leichtgefallen, da sie seiner anfänglichen Tendenz entsprach.

    Er verließ gerade das Gerichtsgebäude, als das Mobiltelefon in seiner Tasche vibrierte. Christopher Maibach mochte es nicht, auf der Straße zu telefonieren und ignorierte deshalb zunächst das Signal. Als er sich außer Sichtweite des Justizpalastes befand, schaute er auf das Display. Genau in diesem Moment meldete sich der Anrufer erneut. Es war ein unbekannter Anschluss und er nahm das Gespräch jetzt an. Der Richter meldete sich gewohnt forsch und bestimmend. Als sich der Anrufer zu erkennen gab, war es mit seiner Sicherheit vorbei. Maibach bat für seine Verhältnisse fast höflich darum, den Gesprächspartner in 30 Minuten aus seinem heimischen Arbeitszimmer anrufen zu dürfen. Nach dessen Zustimmung war das Gespräch schon beendet und seine Laune auf dem Nullpunkt. Der einzige Satz, den der Anrufer von sich gegeben hatte, reichte dafür aus: „Sie waren gut heute, erhalten Sie sich diese Brillanz – wir brauchen nochmals Ihre Hilfe…"

    Christopher Maibach war sich seiner unantastbaren Anerkennung und Wertschätzung als Richter am Oberlandesgericht absolut sicher. Auch sein „heißer Draht" in das Wiener Palais Trautson wirkte beruhigend – auch wenn sich seine Kontakte zum Justizminister Österreichs seit Monaten ausschließlich auf öffentliche Empfänge und ähnliche offizielle Anlässe beschränkten. Aber: Er hatte sich erpressbar gemacht und was noch schlimmer war – er wurde bereits erpresst. Diesen Zustand von Schwäche und Abhängigkeit hätte er bei jedem anderen zutiefst verabscheut. Dass er sich selbst in eine solche Lage gebracht hatte, wenn auch ungewollt, empfand er als demütigend.

    Dabei hatte diese Odyssee weit weniger poetisch begonnen, als bei Homer „mit der Anrufung der Musen". Er hatte keinen Irrweg hinter sich, im Gegenteil. Sein Karriereweg hatte nur eine Richtung aufgezeigt: steil bergauf.

    Maibach hatte sich schon frühzeitig für Straf – und Zivilrecht, also für die ordentliche Gerichtsbarkeit in der zweigeteilten Gerichtsorganisation Österreichs entschieden. Es war damals schon unter seiner Würde, lediglich Zivilrechtssachen mit meist geringem Streitwert zu verhandeln. Deshalb waren Amtsgerichte für ihn keine Option. Christopher Maibach startete seine Karriere am Landesgericht in Salzburg. Schon nach kurzer Zeit hatte er sich einen Namen in der Elite der Strafrechtler gemacht und galt als kompromissloser Entscheider. Insofern verwunderte es nicht, dass er bereits mit 42 Jahren an das Oberlandesgericht Wien wechselte. Auch hier galt er in Fachkreisen schnell als brillanter Analytiker mit hoher Kommunikationskompetenz. Seine strukturell bis ins Detail durchdachten Urteilssprechungen ließen Berufungsverfahren nur in wenigen Fällen zu.

    An jenem denkwürdigen und gleichzeitig verfluchenswerten Freitag nach seinem 50. Geburtstag erhielt er ein Päckchen im A4 Format. Er nahm zunächst an, dass es sich um ein verspätetes Geburtstagspräsent handele und legte es auf die Arbeitsplatte seines heimischen Schreibtisches. Schließlich siegte die Neugier – und er hatte noch 20 Minuten Zeit, bis er wegen eines Arbeitsessens das Haus verlassen müsste.

    Der Richter löste gewohnt sorgfältig die Banderole des Päckchens und öffnete die Verschlusslasche. Als die Fotos auf seinen Schreibtisch glitten, wusste er zunächst nichts damit anzufangen. Die obenauf liegenden Bilder zeigten eine junge Frau, die sich offenbar auf einer Bergtour befand. Danach folgten Fotografien derselben, ihm unbekannten blonden Frau, die allesamt sportliche Aktivitäten unterschiedlicher Disziplinen abbildeten. Per Rad, beim Surfen oder während eines Tennismatches – das Mädchen schien ein Allroundtalent zu sein. Dann wechselte abrupt die Thematik und Christopher Maibach verschwamm vor Entsetzen das nächste Foto vor den Augen. Es zeigte die gleiche junge Frau in unnatürlich abgewinkelter Stellung, auf, von Feuchtigkeit glänzendem Kopfsteinpflaster liegend. Ihre Augen waren weit geöffnet und aus ihrem Mund lief eine deutlich sichtbare Spur Blut, was auf den Steinen bereits eine Lache gebildet hatte. Es befanden sich noch weitere Bilder in dem Karton, die aber dem Richter seine grausame Vermutung nur bestätigten. Sie zeigten in einer verblüffend guten Qualität den teilweisen Hergang eines Unfalls. Eine blonde Frau

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